Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 10

Yazı tipi:

Zehntes Kapitel.
Was Friedrich in Paris wollte

Madame Pascal war wieder zu sich gekommen. Als sie die Augen aufschlug und ihre beiden Kinder gesund und wohlbehalten neben sich sah, fiel sie auf die Kniee, umschlang sie Beide mit ihren Armen und sandte ein heißes Dankgebet zu Gott.

Felician hob sie auf und sagte, indem er auf Robert zeigte:

»Diesem braven jungen Manne verdanken wir das Leben, liebe Mutter.«

Statt aller Antwort umarmte die Mutter den kräftigen Jüngling, während Felician ihm herzlich die Hand drückte und ihm mit tiefer Rührung seinen Dank aussprach.

Robert war in einer freudigen Aufregung. Die Farbe war wieder auf seine Wangen getreten und seine glänzenden, feurigen Augen hatten sich mit Thränen gefüllt. Kein Bart, eine gebräunte Hautfarbe, ein kleiner Mund, weiße Zähne, eine wohlgeformte Nase, ein schöner und vollkommen entblößter Hals und kleine goldene Ringe in den Ohren, dies möge zur Vervollständigung seines Bildes genügen. Sein Anzug war außerordentlich einfach. Er bestand aus einem Hemd von grober Leinwand, einem Beinkleide von dunkelblauem Tuche, das von einem ledernen Gürtel über den Hüften festgehalten wurde, und einer grünen Sammetjacke, die über seine Schulter hing, denn er hatte sie noch nicht wieder angezogen.

Die ganze Erscheinung dieses jungen Mannes war so anziehend, daß Blanka, einem den Frauen angeborenem Gefühle folgend, sich nicht enthalten konnte, Robert’s Hände und Füße zu betrachten, um zu sehen, ob seine äußeren Vorzüge sich auch auf diese Theile erstreckten. Die Hände waren vortrefflich geformt und die aufgestreiften Hemdärmel zeigten ein feines und geschmeidiges Handgelenk. Die Füße waren auffallend klein, und dies mußten sie sein, um in den plumpen Schuhen nicht unförmlich groß zu erscheinen.

Diese fast unwillkürliche Beobachtung entging Robert nicht, und eine Regung von Koketterie bestimmte ihn, sich derselben nicht zu entziehen.

Inzwischen hatten sich um Felician, seine Mutter, seine Schwester und Robert Gruppen gebildet. Man spendete dem beherzten jungen Manne Lobsprüche und die Frauen fragten Blanka und ihre Mutter, ob sie sich sehr gefürchtet und ob sie sich wieder von ihrer Angst erholt hätten. Kurz die ganze Straße und das ganze Dorf waren in Folge des stattgefundenen Ereignisses in Bewegung.

»Was ist für ein großer Ruhm dabei?« erwiderte Robert lächelnd; »soll man einen bösen Stier, das heißt das dümmste Thier der Schöpfung, vernünftige Wesen und noch dazu rechtschaffene Leute umbringen lassen? Jeder Andere hätte das Nämliche gethan,« setzte er mit aufrichtiger Bescheidenheit hinzu; »der Beweis davon ist daß Herr Pascal, der an solche Kämpfe nicht gewöhnt ist wie ich, mutig dem Thiere entgegentrat.«

»Aber ich setzte mein Leben für meine Mutter und meine Schwester aufs Spiel, Sie dagegen, Herr Robert, für fremde Leute.«

»Sind Leute, die in Todesgefahr schweben, als Fremde zu betrachten? Sind Sie, Ihre Frau Mutter und Ihre Fräulein Schwester irgend Jemandem hier fremd? Kennt Sie nicht Jedermann? Liebt nicht Jedermann Ihre fromme Mutter und ihre schöne Tochter?«

Der junge Mann erröthete, als er Dies sagte, und indem er einen Blick der Bewunderung auf Blanka warf, schien er sie um Entschuldigung zu bitten, daß er sich erlaubt hatte, sie schön zu nennen.

»Demohngeachtet bleibt es immer wahr,« versetzte Felician, »daß wir alle Drei ohne Sie, Herr Robert, um’s Leben gekommen sein würden. Wir sind von nun an Freunde und Brüder, wenn Sie wollen, und von meiner Seite können Sie auf eine unbegrenzte Dankbarkeit rechnen.«

»Das freut mich!« rief Robert mit Feuer, indem er Felician’s beide Hände ergriff; »es scheint wirklich, daß es zu Etwas gut ist, wenn man ein paar kräftige Arme besitzt.«

»Aber Sie sind ja verwundet!« sagte Blanka, welche Robert seit einigen Augenblicken noch aufmerksamer betrachtete.

»Wo denn?« fragte Felician besorgt.

»Dort!« erwiderte Blanka, indem sie auf einen Blutfleck am Hemdärmel des jungen Mannes zeigte, dann unwillkürlich ihr Taschentuch hervornahm und sich ihm näherte, um das Blut zu stillen.

»O« es ist Nichts,« sagte Robert, »eine kleine Schramme, die mir der Stier mit dem Horne beigebracht hat. Ich danke Ihnen, mein Fräulein, aber beruhigen Sie sich, es ist nicht gefährlich. – Und jetzt, Kinder,« sprach er zu den Umstehenden, »wollen wir Herrn Felician und die beiden Damen ihren Geschäften nachgehen lassen, und Ihr geht an die Eurigen. Es ist Niemandem ein Leid geschehen, nicht wahr? Das ist die Hauptsache; also auf Wiedersehen.«

Die Gruppen zerstreuten sich langsam und Robert blieb abermals mit Pascal, seiner Mutter und Blanka allein.

»Ich komme in einigen Tagen zurück, Herr Robert,« sagte Felician zu ihm, »und dann werden wir uns hoffentlich recht oft sehen.«

»So oft Sie wollen, doch unter der Bedingung, daß Sie es mir aufrichtig sagen, wenn ich Sie langweile, denn ich kann wohl einen Stier bändigen, bin aber sonst nur ein einfacher Landmann, und meine Unterhaltung ist nicht immer amüsant, besonders für Damen.«

»Wie kommt es, daß Sie sich so gut auszudrücken verstehen, obgleich Sie nur ein Landmann sind?« fragte Madame Pascal.

»Dies kommt daher, weil ich eine gute Erziehung genossen habe, Madame,« antwortete der junge Mann lächelnd. »Ich war früher Chorknabe, und unser Herr Pfarrer hat mich eine Menge Dinge gelehrt, welche anderen jungen Leuten meines Standes gewöhnlich fremd bleiben; so kann ich lesen und schreiben, verstehe etwas von der Arithmetik und Geschichte, und sogar ein wenig Latein, das mir zwar an den Wochentagen nicht viel nützt, desto mehr aber des Sonntags, wenn ich mit meinen Kameraden zu Mittag esse. Sie betrachten mich dann immer als einen Gelehrten und glauben meinen Worten wie einem Evangelium.«

Während Robert dies sagte« nahm sein Gesicht einen etwas spöttischen Ausdruck an, als mache er sich über sich selbst lustig.

»Welche Profession treiben Sie hier.«

»Ich bin Zimmermann.«

»Fühlen Sie sich auch glücklich?«

»Ja wohl, ganz glücklich.«

»Wer sind Ihre Eltern?«

»Die sind leider gestorben.«

»Dies ist ein Grund mehr, daß Sie eine neue Familie annehmen müssen, Herr Robert,« sagte Blanka, ergriffen von dem Ausdruck in seiner letzten Antwort; »Sie werden uns nun desto öfter besuchen, und wir werden Sie wie einen Bruder lieben, nicht wahr, Felician?«

»Sie sind so gut und so schön wie ein Engel, mein Fräulein,« entgegnete Robert, indem er Blanka betrachtete. »Sehen Sie, ich habe vielleicht nur Eine Tugend, aber diese habe ich gewiß, es ist die Offenherzigkeit. Ich verstehe es nicht, meine Gedanken zu verbergen; so denke ich zum Beispiel in diesem Augenblicke und werde dies immer denken, daß, wenn Sie ein Mal Jemandes bedürften, der für Sie in den Tod gehen sollte, Sie mir nur einen Wink zu geben brauchten, und ich würde mit Vergnügen mein Leben für Sie lassen. Und nun leben Sie wohl, Herr Felician, legen Sie wohl, Madame und mein Fräulein, denn ich habe Ihnen Nichts weiter zu sagen.«

Nachdem Robert mit einem freundlichen Lächeln von den drei Personen Abschied genommen hatte, verschwand er wieder durch die kleine Thür, aus der er vor einigen Augenblicken gekommen war.

»Welch ein edler Character!« sagte Felician.

»Ein vortreffliches Herz!« erwiderte Madame Pascal.

»Ein schöner und muthiger junger Mann!« dachte Blanka.

»Liebe Mutter,« sagte hieran Felician, »Du bist in einer Angst gewesen, von der Du Dich noch nicht wieder erholt haben kannst. Du mußt sehr angegriffen sein; also laß mich allein gehen und kehre mit Blanka nach Hause zurück, nachdem Ihr in der Kirche dem Himmel für seinen Beistand gedankt habt.«

Felician umarmte Mutter und Schwester und während sie den Weg nach der Kirche einschlugen, ging er die Anhöhe hinunter, an deren Fuße er seinen Wagen finden sollte. Hier theilte sich die Straße in zwei Arme, von denen der eine nach Paris, der andre nach Niort führte. Felician schlug den letzteren Weg ein, in dem Augenblicke, als ein Reisewagen mit zwei Postpferden im Galopp in den andern einlenkte.

In diesem Reisewagen saß Friedrich.

Für die Vorübergehenden waren Felician’s Kabriolet und Friedrichs Kalesche nichts als zwei gewöhnliche Wagen, für uns aber, welche die beiden Reisenden kennen, die eine entgegengesetzte Richtung verfolgen, ohne zu ahnen, daß eine Zeit kommen wird, wo sie einander gegenüber stehen sollen, und daß schon ein unglückliches Verhältniß sie mit einander verknüpft, für uns enthalten diese beiden Wagen zwei Geschicke.

Felician’s Kabriolet entfernte sich mit mäßiger Schnelligkeit.

Friedrichs Kalesche aber jagte mit Windeseile dahin.

Wir wollen ihr folgen.

Sie kam in der Nacht in Paris an und hielt vor einem schönen Hause in der Straße de la Pair.

Friedrich trat in dieses Haus, ging in die erste Etage hinauf und zog an der Glocke.

Ein Bedienter öffnete.

»Hast Du Briefe für mich?« fragte ihn der Graf; »ich hatte Dir geschrieben, daß ich zwei erwartete.«

»Es sind in der That zwei gekommen. Den einen hat ein herrschaftlicher Bedienter gebracht, den andern ein Commissionair.«

»Wo sind sie?«

»Sie liegen auf dem Kamin, Herr Graf.«

»Es ist gut.«

Friedrich ging durch mehrere elegante Zimmer in sein Schlafkabinet, auf dessen Kamin er wirklich zwei Briefe fand; die Schrift des einen war klein und zierlich, die des andren unsauber und auf grobem Papier.

Demohngeachtet erbrach er diesen zuerst.

Er enthielt nur die Worte:

»Es ist ein Opernsänger, Namens Paolini, und die Sache dauert schon drei Monate.«

Dies war Alles, und keine Unterschrift.

»Vortrefflich!« dachte Friedrich, und ein spöttisches Lächeln erheiterte sein Gesicht.

Dann verbrannte er das Billet und öffnete das zweite, das eine Einladung zu einem Balle nebst einer Karte enthielt. Dieser Brief lautete:

»Mein lieber Graf!

»Ich übersende Ihnen hierbei die Einladung zu dem Balle des Marquis von Thonnerins, an der Ihnen so viel gelegen zu sein schien, und die mir der Marquis bereitwillig für Sie gegeben hat. Soll ich zu Ihnen kommen, oder wollen Sie mich abholen? Ich mochte Sie dem Marquis vorstellen, der sich freuen wird, Ihre Bekanntschaft zu machen, und Ihnen gewiß nicht wie einem gewöhnlichen Gaste begegnen wird.

»Tausend freundliche Grüße!

»Baron von Sigaud.«

Friedrich schellte und fragte den eintretenden Bedienten:

»Kennst Du den Baron von Sigaud und weißt Du seine Wohnung?«

»Ja, Herr Graf.«

»Geh, morgen früh zu ihm und sage ihm, daß ich ihn morgen Abend um elf Uhr abholen werde.«

Der Bediente entfernte sich.

Der Graf schien nun einige Zeit über Etwas nachzudenken, bis er endlich mit der zufriedenen Miene eines Mannes, der zu einem erwünschten Endresultat seiner Betrachtungen gekommen ist, sich auskleidete, ins Bett legte und bald einschlief.

Am folgenden Morgen stand er erst spät auf, frühstückte und dinirte allein in seiner Wohnung, bestellte seinen Wagen um zehn Uhr Abends und fuhr halb Elf zum Baron von Sigaud.

Eine Stunde darauf traten der Graf und der Baron in die großen und prächtigen Salons des Marquis von Thonnerins, dessen Hotel in der Straße Tournon lag.

Eine zahlreiche Gesellschaft wogte unter den vergoldeten Plafonds und den funkelnden Kronleuchtern auf und ab.

Ein großer Ball ist für Niemanden etwas Neues, und wir halten es demnach für unnöthig, den gegenwärtigen zu beschreiben, welcher die Reihe der Soiréen schloß, die der Marquis alljährlich gab.

Alle aristokratischen Notabilitäten waren anwesend, denn der Marquis war Pair von Frankreich und stammte von einer unsrer angesehensten Familien ab, und da er ein Anhänger der älteren Linie war, so empfing er in seinen Salons, welche zu den besten in Paris gehörten, den ganzen alten Adel, der von dem neuen Hofe Nichts wissen wollte.

Herr von Sigaud suchte den Marquis lange, ehe er ihn fand; endlich aber entdeckte er ihn, ging auf ihn zu und stellte ihm den Herrn Grafen Friedrich v. La Marche vor

Der Marquis war ein kleiner hagerer Mann mit spärlichen weißen Haaren. Es gab nichts Aristokratischeres als seinen kalten Mund und seine ruhigen Augen; Niemand verstand es besser, mit einem einzigen Blicke Anderen die Entfernung anzudeuten, in welcher er sie von sich halten wollte. Der Marquis kannte alle adeligen Wappen, kein vornehmer Name Frankreichs war ihm fremd, so wenig wie ihre Stammbäume von der Wurzel bis zu. den äußersten Zweigen, und er empfing daher den Grafen von La Marche, dessen Name nicht in seinem Wappenbuche stand, und der seiner Ansicht nach einer von den Adeligen sein, mußte, wie ihrer so viele seit der Thronbesteigung der bürgerlichen Dynastie auftauchten, mit einer Art von Protectormiene. Indessen war Friedrich der Gast des Herrn von Thonnerins, und als solcher wurde er artig aufgenommen; dies war aber auch Alles.

Nach einem Gespräche von etwa fünf Minuten verabschiedete sich der mit allen seinen Orden bedeckte Marquis von dem Grafen und kehrte zu der übrigen Gesellschaft zurück.

»Wie gefällt Ihnen der Marquis?« fragte der Baron, als Herr von Thonnerins sich entfernt hatte.

»Seht gut,« antwortete Friedrich, dem der Eindruck, welchen sein unberühmter Name auf den alten Marquis gemacht hatte, nicht entgangen war, und der die Ueberzeugung hatte, daß er früher oder später Gelegenheit finden würde, für diese geringschätzende Kälte Rache zu nehmen. »Nicht wahr, er ist aus einer unserer ältesten Familien?«

»Ja, mein lieber Graf,« erwiderte der Baron lachend, »er ist adeliger als die Sonne. Die Welt war noch nicht erschaffen, als die Thonnerins schon goldene Sterne im himmelblauen Felde trugen.«

Herr von Sigaud zwar ebenfalls von gutem Adel, denn er konnte die Reihe seiner Ahnen bis zum Jahre 1429 zurückführen; aber er legte einen viel geringeren Werth darauf als der Marquis, über dessen heraldische Empfindlichkeit er sich oft lustig machte. Der Baron war ein junger Mann von achtundzwanzig Jahren und er fand, daß ein adeliger Name auf einer Visitenkarte oder ein Wappen auf dem Wagenschlage und auf dem Briefsiegel sich recht gut ausnahmen; aber was kümmerte es ihn, ob seine Freunde von altem oder neuem Adel waren, wenn sie nur heiter, geistreich, lebenslustig und Jagdliebhaber waren wie er? Indessen hielt er darauf, daß die Leute, mit denen er umging, einen Titel hatten, mochte er rechtmäßig sein oder nicht; dies aber keineswegs um seiner selbst willen, sondern nur wegen seiner wirklich adeligen Bekannten und wegen seiner Bedienten, die gewöhnt waren, Grafen und Barone im Munde zu führen, und daher geglaubt haben würden, ihr Herr erniedrige sich, wenn er mit Leuten verkehrte, die man schlechtweg bei ihrem Namen nannte.

Der Baron hatte Friedrich in Gesellschaft kennen gelernt. Vor ungefähr sechs Wochen hatte er ihn auf seine Güter zur Jagd eingeladen; sein Charakter hatte ihm gefallen, und wenn er auch keine eigentliche Freundschaft mit ihm anknüpfte, so ging er doch oft mit ihm um, ohne darnach zu fragen, ob die Pergamente des Grafen von La Marche in Ordnung waren.

Man nannte ihn Graf und er führte ein gräfliches Hause dies genügte.

Man sieht daraus, daß der Baron bei solchen Grundsätzen dann und wann in den Fall kommen konnte, schlechte Bekanntschaften zu machen.

Friedrich hatte ihn ersucht, ihn bei Herrn v. Thonnerins einzuführen, und er hatte ihn vorgestellt, ohne weiter an Etwas zu denken.

»Hat der Marquis nicht eine Tochter?« fragte der Graf Herrn von Sigaud.

»Ja.«

»Sie ist schön, nicht wahr?«

»Reizend!«

»Wo ist sie?«

»Sehen Sie dort die junge Dame mit den goldenen Aehren im Haar?«

»Sie tanzt?«

»Ja, mit einem kahlköpfigen Herrn.«

»Und scheint sich eben nicht sehr zu amüsiren?«

»Mit kahlköpfigen Leuten tanzt man nicht, um sich zu amüsiren. Dies ist Fräulein von Thonnerins.«

»Sie ist in der That sehr schön: bleichen Teint, samtschwarze Augen, schönes, ausdrucksvolles und regelmäßiges Profil. Und was für Arme! Welche Taille! Welcher Busen! Der Kopf einer Juno auf dem Körper einer Venus. Der Stolz dieses Mädchens muß ihrer Schönheit gleich kommen.«

»Ja, sie ist eine liebenswürdige junge Dame,« versetzte der Baron ziemlich gleichgültig.

»Ist der Marquis reich?«

»Er hat viermal hunderttausend Franken Einkünfte.«

»Und dies ist sein einziges Kind?«

»Ja, und noch mehr: er ist Witwer.«

»Er soll großen Einfluß haben?«

»Einen ungeheuern Einfluß; daher versucht auch der König alles Mögliche, um ihn zu ralliiren. Wenn er zu der jüngeren Linie überginge, würde ihm ein großer Theil des Faubourg Saint-Gerrnain folgen; aber dies steht nicht zu befürchten, denn der Marquis würde sich eher eine Kugel durch den Kopf jagen, als nur daran denken..«

»Wir wollen uns doch dem Fräulein den Thonnerins ein wenig nähern.«

»Haben Sie etwa Lust, sie zu heirathen? Auf Ehre, es scheint fast so, nach der Art, wie Sie sich nach ihr erkundigen und sie betrachteten.«

»Sie sind von Sinnen, lieber Baron! Wie könnte ich, ein unbekannter Landedelmann einen solchen Gedanken hegen?«

»Nun, es wäre eben nichts Wunderbares, wenn Sie sich in Fräulein von Thonnerins verliebten und um ihre Hand anhielten. Wir wollen, zu ihr gehen, denn ich muß ihr ohnehin Etwas sagen.«

Der Graf und der Baron befanden sich bald hinter der Tochter des Marquis.

Der Baron sprach einige Worte mit ihr, ohne daß sie sich in ihrem Contretanze stören ließ.

»Soll ich Sie vorstellen?« fragte Sigaud den Grafen.

»Später,« antwortete dieser, der kein Auge von der jungen Dame verwendete.

In diesem Augenblicke hörte Fräulein von Thonnerins auf zu tanzen, da die Figur auf ihrer Seite zu Ende war.

»Ich war diesen Abend in der Oper,« sagte Friedrich fest zu dem Baron, so daß die Tochter des Marquis es hören mußte.

»So? was wurde gegeben?«

»Don Juan; ich habe einen sehr talentvollen neuen Sänger gehört.«

»Wie heißt er?« fragte der Baron mechanisch, denn im Grunde interessierte ihn dieses Gespräch sehr wenig.

»Man nennt ihn Paolini,« erwiderte der Graf, indem er seine Augen fest auf Fräulein von Thonnerins heftete, um zu sehen, welchen Eindruck dieser Name auf sie hervorbringen würde.

Sie verzog keine Miene.

»Ich habe noch Nichts von ihm gehört,« bemerkte Herr von Sigaud; »und Sie sagen, daß er gut ist?«

»Ja, er ist sehr gut, und außer seinem Talent hat er auch Protectionen.«

»Wen zum Beispiel?«

»Denken Sie sich, mein lieber Baron, er ist ein ächter Romanheld. Er liebt eine hochadlige junge Dame und sie.liebt ihn wieder.

Bei diesen Worten heftete der Graf von Neuem auf Fräulein von Thonnerins und dies Mal bemerkte er ein unwillkürliches Zittern an ihrem ganzen Körper.

»Ich muß ihnen diese Geschichte erzählen,« setzte er hinzu, ohne den Blick von Leonien abzuwenden.

»Kenne sie den Namen der jungen Dame?«

»Allerdings.«

»So sagen Sie ihn mir.«.

»Mit Vergnügen.«

In dem Augenblicke, als er diesen Namen aussprach, wendete sich Fräulein von Thonnerins um, als wäre sie von einer Schlange gebissen worden, und warf dem Grafen einen so durchbohrenden Blick des Zornes und Hasses zu, daß dieser einen Augenblick glaubte, sie würde ihm ins Gesicht springen.

Er rührte sich indessen nicht und erwiderte den Blick mit einem herausfordernden Lächeln.

Jetzt stieß Leonie einen lauten Schrei aus und sank ohnmächtig in die Arme ihres Tänzers.

»Sie ist mein,« sagte Friedrich zu sich selbst, indem er sich der Personen anschloß, welche der jungen Dame zu Hilfe eilten.

Zweiter Theil

Erstes Kapitel.
Erzwungene Geständnisse

Zehn Minuten darauf erschien Fräulein von Thonnerins wieder frischer und heiterer als vorher im Saale, und als sie bei dem Grafen von La Marche vorüberging, sagte sie leise zu ihm:

»Lassen Sie sich vorstellen und engagieren Sie mich.«

Der Graf gehorchte ihr und während dieses Contretanzes fand zwischen ihm und der jungen Dame eine Unterredung statt.

Was sie mit einander sprachen, konnte Niemand hören und kein Mensch weiß es. Fräulein von Thonnerins war ungewöhnlich blaß und ihr letztes Wort des Gesprächs war:

»Verfügen Sie über mich, Herr Graf.«

Wahrscheinlich hatte der Graf irgend ein entsetzliches Geheimniß entdeckt, welches Familien, wie die des Marquis um jeden Preis begraben wollen, um nicht ihre Ehre zu begraben. Dieses Geheimniß bestand jedenfalls zwischen Leonien und jenem Paolini, dessen Namen der Graf hinter ihr ausgesprochen hatte.

Wir können nur so viel mit Gewißheit sagen, daß Friedrich am folgenden Tage dem Marquis einen langen Besuch abstattete, daß er bei diesem Besuche um die Hand der jungen Gräfin anhielt und daß der Marquis sie ihm bewilligte.

Der Marquis war einflußreich, der Graf ehrgeizig. Wer kennt die Wege, die der Ehrgeiz einschlagen kann, um sein Ziel zu erreichen?

Die Ehre der ganzen Familie mußte in Friedrichs Händen liegen, damit der stolze Marquis sich bewogen fühlte, seine Tochter einem so unbekannten Grafen zu geben.

Es wurde festgesetzt, daß Herr von La Marche nach einem Monat mit seiner Braut auf einem seiner Güter in der Dauphiné zusammentreffen und daß Verbindung dort vor sich gehen sollte.

Die Mitgift betrug vier Millionen, welche Leoniens Privateigenthum waren. Der Marquis dessen einzige Erbin sie war, besaß viermal hunderttausend Franken Renten, und der harte Schlag, der ihn getroffen, als er das Unglück seiner Tochter erfuhr, hatte sein Leben um wenigstens zehn Jahre verkürzt.

So gewann der Graf, wenn die Verbindung wirklich stattfand, eine jährliche Rente von sechsmal hunderttausend Franken mit zweihundert Louisd’ors, denn für diese Summe hatte ihm Leoniens Kammermädchen das Geheimniß ihrer Gebieterin verkauft.

Unmittelbar nach seiner Unterredung mit dem Marquis reiste der Graf nach Moncontour zurück. Während seines viertägigen Aufenthalts in Paris war Blanka jeden Morgen und jeden Abend an die Gartenmauer gegangen, um zu sehen, ob sie nichts unter dem Steine finden würde, da sie beständig hoffte, daß ein unvorhergesehener Umstand den Grafen früher zurückführen werde, als er versprochen hatte.

Endlich, am Abend des vierten Tages fand sie ein Billet, worin er ihr anzeigte, daß er sie den nämlichen Abend besuchen würde.

Um zehn Uhr trat sie mit ihm in den uns schon bekannten Pavillon, und was sie in den vier Tagen seiner Abwesenheit empfunden hatte, sprach sich in den Worten aus:

»Friedrich, gieb mir das Leben wieder, das Du mit Dir genommen hattest!«

»Glaubtest Du denn, Du würdest mich nicht wiedersehen, Blanka?« fragte der Graf, indem er die Hände des vor ihm auf den Knieen liegenden jungen Mädchens nahm und einen Blick auf sie richtete, den sie für liebevoll hielt.

»Hätte ich nicht Dein Wort, daß Du zurückkommen würdest? was hätte ich also fürchten können? Ich war nur betrübt über Deine Abwesenheit. Wenn ich aber mit fester Ueberzeugung auf Deine Rückkehr baute, so hätte doch nur wenig gefehlt, daß Du mich diesen Abend nicht hier fändest.«

»Was willst Du damit sagen?«

»Ich bin dem Tode nahe gewesen.«

»Was ist denn geschehen?«

»Ich habe in einer entsetzlichen Gefahr geschwebt, und ohne ein Wunder Gottes würdest Du mich nicht wiedergesehen haben.«

Friedrich war über diese Mittheilung seiner Geliebten erschrocken, was dieser nicht entging, und sie sagte daher zu ihm:

»Welch ein Glück, von Dir geliebt zu werden!«

Zu gleicher Zeit küßte sie mit Thränen der Dankbarkeit seine Hände.

»Du hast Doch jetzt nichts mehr von dieser Gefahr zu fürchten?« fragte er.

»Nein; soll ich sie Dir erzählen?«

»Allerdings, ich bitte Dich darum.«

»Als die Mutter und ich am Morgen Deiner Abreise meinen Bruder an den Wagen begleiteten, in dem er nach Niort fahren wollte und der ihn unten am Berge erwartete, kam plötzlich ein Stier auf uns zu, der sich losgerissen hatte. An ein Entfliehen war nicht zu denken. Ich sah den Tod vor Augen, vielleicht mit einigem Bedauern, denn ich bin jung und liebe Dich, gewiß aber ohne Furcht, das schwöre ich Dir. Ich bekreuzte mich, sprach Deinen Namen aus, schloß die Augen und wartete mit ruhiger Ergebung der kommenden Dinge. Als der Stier nur noch zehn Schritte von uns entfernt war, sprang ein junger Mann, ein Engel, ein Gott, ihm entgegen, erfaßte mit einer Kraft, von der Du Dir keinen Begriff machen kannst, ihn bei den Hörnern und warf ihn zu Boden. Ehe ich dem Himmel für diese wunderbare Rettung dankte, dachte ich an Dich, weil er mir erlaubte, daß ich Dich wiedersehen sollte. Mein Tod würde Dich bekümmert haben, nicht wahr?«

»Ja, Blanka, Dein Tod wäre das größte Unglück für mich gewesen, und ich versichere Dir, daß ich ihn nicht überlebt haben würde.«

Friedrich sagte keine Unwahrheit Blanka’s Tod würde auch ihm das Leben gekostet haben, aber nicht in dem Sinne, wie das junge Mädchen es verstand. Obgleich daher die Gefahr vorüber war, vermochte der Graf doch bei dem Gedanken, daß Blanka’s Tod dadurch hätte herbeigeführt werden können, eine Regung des Entsetzens nicht zu unterdrücken, denn nach Friedrichs Combinationen war es für sein Glück und für die Ruhe seiner Zukunft unerläßlich, daß Blanka so lange als möglich am Leben blieb.

»Und wer war der junge Mann, der Euch alle Drei gerettet hat?« fragte er Blanka.

»Er war ein Zimmermann Namens Robert.«

»Ist er nicht verletzt worden?«

»Nein; er hat uns seit dem Verfalle jeden Tag besucht, um sich nach unseren Befinden zu erkundigen.«

»Dieser Zimmermann scheint viel Bildung zu haben.«

»Dies ist in der That der Fall. Ich habe mich selbst gewundert, bei einem Menschen seines Standes so vortreffliche Eigenschaften zu finden. Seine Gesichtszüge sind ebenso edel, als sein Herz, er ist ein braver und muthiger junger Mann.«

»Mit welcher Begeisterung Du von diesem Robert sprichst, liebt Blanka! Du wirst mich eifersüchtig auf ihn machen,« sagte der Graf lächelnd.

»Dies hat keine Gefahr. Indessen gestehe ich Dir, daß ich ihn liebe, aber dieses Gefühl kann nur Freundschaft sein, da es auf einer Menge von Vernunftgründen beruht, während ich Dich liebe, ohne selbst zu wissen, warum, ein Beweis, daß das, was ich für Dich empfinde, wirklich Liebe ist. Ich bin jedoch gern in Gesellschaft dieses jungen Mannes, denn mein Herz steht mit dem seinigen in Einklang; er ist gut und rechtschaffen und man sieht, daß et sein Leben Jedermann offen vor Augen legen kann, ohne zu fürchten, daß man einen Makel oder nur einen Schatten darin findet; alle seine Worte sind so frisch und rein, wie Quellwasser. Das Herz erquickt sich in seiner Gesellschaft; und Du solltest sehen, wie er seine Schwester liebt, wie er sie beschützt, wie ängstlich besorgt er um sie ist, wie schwach und schüchtern er wird, wenn das Kind krank ist oder weint! Er hat die Kleine einige Male mir zu uns gebracht, sie ist erst fünf Jahre alt und blond und rosig wie ein Engel. Wir wissen nicht, was wir noch erfinden sollen, um uns für den Dienst, den er uns geleistet hat, erkenntlich zu zeigen. Mutter und ich wetteifern daher in Aufmerksamkeiten gegen die Meine Susanne, die verwaist ist und der ihr älterer Bruder Vater und Mutter ersetzen muß. Diese Pflicht, die ihn ganz glücklich macht, erfüllt er mit rührender Zärtlichkeit; nichts ist ihm schön genug für sein Schwesterchen. Er kleidet sie wie eine kleine Herzogin und es gewährt einen interessanten und zugleich ergreifenden Anblick, den athletischen jungen Mann mit dem zarten Kinde spielen zu sehen. Es ist als sähe man einen Löwen, den eine Taube gezähmt hat. Gestern spielte sie mit einer Scheere und schnitt sich dabei in den Finger, so daß ein Tropfen Blut hervorquoll. Als Robert dies sah, wurde er leichenblaß und die Mutter mußte ihn halten, sonst wäre er umgefallen.– Susanne bemerkte den Eindruck, den ihre Unvorsichtigkeit auf ihn gemacht hatte, und das liebe Kind eilte auf ihn zu, indem sie lächelnd sagte: Es ist nichts, Robert, es ist nichts, weine nicht mehr. – Robert nahen sie aus seine Arme und sog mit den Lippen den Blutstropfen von ihrem Finger. O, er besitzt einen wahrhaft edlen und schönen Charakter! Aber es langweilt Dich wohl, Friedrich, daß ich so viel von diesem jungen Manne spreche?«

»Im Gegentheil, liebe Blanka, erzähle weiter; denn ist nicht Jedermann« den Du liebst, im Voraus mein Freund? Ueberdies hat mir dieser Robert einen so großen Dienst erzeigt, indem er Dir das Leben rettete, daß es mir nur Vergnügen machen kann, sein Lob zu hören.«

Es würde in der That fast undankbar von mir sein, wenn ich nicht von ihm sprechen wollte. In dem Briefe, den mein Bruder von Niort aus an uns geschrieben hat, ist auf zwei Seiten nur von ihm die Rede. Dies kommt daher, weil Felician mit seiner großen Menschenkenntniß einen edlen Charakter in Robert gesunden hat. Ihre beiden Herzen sind ganz ans dem nämlichen Stoffe gebildete der Eine ist ein wenig träumerischen poetischer und durch Studien ausgebildet, der Andere aber eben so rechtschaffen, eben so offenherzig und einen eben so graden Weg verfolgend, wenn auch in einer etwas niederen Sphäre, mit Einem Wort, Beide kennen nur das Gute. Wenn sich zwei solche Männer begegnen, so erkennen sie sich aus der Stelle an gewissen Gefühlen, welche immer die nämlichen sind und die man das Signalement des Herzens nennen kann. Sie reden sich an und werden von diesem Augenblicke an Freunde und Brüder für das ganze Leben. Glaubst Du wohl, Friedrich, daß ich mich im Herzen vor diesem jungen Manne meines Fehltritts schäme, während ich vor meinem Bruder nicht darüber erröthet bin? Hätte ich ihn eher gekannt, als Dich, so glaube ich, daß ich Dir nie gehorcht haben würde.«

»Du hattest ihn also geliebt?«

»Nein, aber ich würde besser eingesehen haben, welchen Kummer der Fehltritt einer Schwester dem Bruder bereiten kann, und aus seiner Liebe zu Susannen würde ich Felician’s Liebe zu mir besser erkannt und daher nichts gethan haben, was ihn betrüben könnte. Du darfst mir nicht zürnen wegen dessen, was ich Dir hier sage, lieber Friedrichs, Du weißt, wenn ich bei Dir bin, öffne ich mein Herz und zeige Dir alle seine Falten, denn die Aufrichtigkeit eines Mädchens ist nur ein Beweis mehr für ihre Liebe. Ich liebe Dich so sehr, daß ich nicht fürchte, es Dir offen zu gestehen, daß etwas mich hätte verhindern können, Dich zu lieben. Neulich fragte ich Robert, was er thun würde, wenn Susanne in meinem Alter einen Fehltritt beginge. Er blickte mich an, als hätte er errathen, welches indirekte Interesse ich an seiner Antwort hatte, und erwiderte mir dann: Ich würde ihren Mitschuldigen auffordern, diesen Fehler wieder gut zu machen, und wenn er sich weigerte, so würde ich erst ihn und dann Susannen umbringen, denn ich liebe sie zu sehr, als daß ich sie entehrt leben lassen könnte. – Ich erröthete unwillkürlich und ich glaube fast, er bemerkte es. Da erwachte plötzlich der fürchterliche Gedanke in mir, daß Du vielleicht nicht zurückkehrtest…«

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
Hacim:
310 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre