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Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 9

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Achtes Kapitel.
Blanka’s Geheimnis

Nachdem Blanka das Zimmer ihres Bruders in Bereitschaft gebracht hatte, ging sie wieder hinunter, um es ihm zu sagen, und als er sich dann hinauf begab, eilte sie in den Garten. Hier öffnete sie eine in’s Freie führende kleine Thür und nachdem sie sich überzeugt hatte, daß Niemand in der Nähe war, der sie hätte sehen können, trat sie hinaus und nahm einen losen Stein aus der Mauer. In die dadurch entstandene Oeffnung legte sie das eben geschriebene Billet, brachte den Stein wieder in seine vorige Lage, kehrte in den Garten zurück und Verschloß die Thür wieder, deren Schlüssel sie zu sich nahm. Diesen Schlüssel hatte sie sich heimlich anfertigen lassen, ohne daß ihre Mutter etwas davon wußte.

Hierauf eilte sie zu Madame Pascal zurück und Beide unterhielten sich noch Stunden lang über das Glück das ihnen Gott durch die Zurückkunft ihres Sohnes bereitet hatte.

Gegen vier Uhr Nachmittags erwachte Felician und fand Mutter und Schwester an seinem Lager.

Fast in dem nämlichen Augenblicke hielt ein Reiter vor der kleinen Thür in der Gartenmauer, welche Blanka am Morgen geöffnet hatte, und ohne daß er abzusteigen brauchte, nahm er den tosen Stein aus der Mauer, unter dem der Brief verborgen war, und ritt dann wieder fort, während er unterwegs den Inhalt des Billets las.

Das Pferd war ein Prächtiges Thier.

Der Reiter war ein junger Mann von etwa dreißig Jahren und von romanhafter Schönheit, das heißt, er war lang, bleich, ohne Bart, hatte feurige Augen und volles, rabenschwarzes Haar. Uebrigens war er mit der ausgesuchtesten Eleganz gekleidet und behandelte sein schönes Pferd mit großer Gewandtheit. Seine ganze äußere Erscheinung war die eines vornehmen Mannes, aber ein finstrer und verschlossener Charakter sprach aus seiner stolzen Miene.

Als er den an ihn gerichteten Brief Blanka’s gelesen hatte, faltete er ihn sorgfältig zusammen und legte ihn in eine kleine Brieftasche, die schon mehre Billets von der handelt nämlichen Hand enthielte dann setzte er sein Pferd in scharfen Trab und erreichte bald ein allerliebstes schloßartiges Landhaus, das ungefähr eine Stunde von Madame Pascals Wohnung entfernt auf einer Anhöhe lag und von einem großen Parke umgeben war.

Vor dem Gitterthore dieses Hauses stieg der Reiter ab, übergab sein Pferd einem ihn erwartenden Bedienten, und nachdem er in einen eleganten Salon im Erdgeschoß getreten war, schellte er.

»Laß zu morgen früh meinen Reisewagen in Bereitschaft bringen,« sagte er zu dem alsbald erscheinenden Bedienten.

»Der Herr Graf wollen verreisen?« fragte dieser.

»Ja.«

»Um wie viel Uhr?«

»Um Mittag.«

»Dann werde ich die Pferde um elf Uhr bestellen.«

»Ja.«

»Reisen Sie allein, Herr Graf?«

»Ja wohl.«

»Dann sind zwei Pferde genügend?«

»Allerdings.«

Der Bediente entfernte sieh wieder.

Den Rest des Tages brachte der Graf mit Schreiben und:Spazierengehen., ganz besonders aber mit Nachdenken zu, denn ein wichtiger Gedanke schien ihn fortwährend zu.beherrschen.

Um zehn Uhr Abends stieg er zu Pferde und schlug den nämlichen Weg wieder ein, auf dem wir ihn am Nachmittag gesehen haben.

Hundert Schritte von der uns bekannten kleinen Thür stieg er ab, band sein Pferd an einen Baum und ging zu Fuß bis an die Gartenmauer.

Dann setzte er sich auf einen großen Stein in der Nähe der Thür und indem er die Ellenbogen auf die Kniee stützte und den Kopf in beide Hände legte, überließ er sich wieder seinen ernsten Gedanken.

Wer ihn an diesem Abend gesehen hätte, würde gewiß, nicht geahnt haben, daß er zu einem Rendezvous kam. -

Nachdem er ohngefähr eine halbe Stunde gewartet hatte, wurde die Gartenthür geöffnet und Blanka’s Kopf zeigte sich schüchtern in derselben, während sie mit gedämpfter Stimme rief:

»Friedrich!«

Der junge Mann blickte auf und ein ungewöhnliches Lächeln strahlte auf seinem Gesicht.

Die Nacht war dunkel und ziemlich kühl.

»ich komme eine halbe Stunde zu spät,« sagte Blanka zu dem Grafen, während er sie mit den Armen umschlang und an sein Herz drückte; »verzeihst Du mir?«

»Und hätte ich Dich die ganze Nacht erwarten müssen, Blanka, sich würde Dir nicht gezürnt haben.«

»Wie gut bist Du!«

»Nein, ich liebe Dich, das ist Alles.«

Dieses: »Ich liebe Dich« sagte Friedrich in einem sonderbaren Tone, ohngefähr wie ein Andrer gesagt haben würde: »Ich hasse Dich.«

»Komm,« sagte Blanka, die unwillkürlich über den Ausdruck in der Stimme ihres Geliebten erschrak, wahrscheinlich aber schon daran gewöhnt war, denn sie nahm ihn zu gleicher Zeit bei der Hand.

»Wohin führst Du mich?« fragte der Graf.

»Ja den Pavillon.«

»Ist dies nicht unvorsichtig?« fragte er zögernd.

»Fürchte nichts, es ist Niemand mehr wach.«

»Auch Dein Bruder nicht?«

»Dieser am Wenigsten, denn er ist mehrere Tage zu Fuß gereist. Wie ich Dir diesen Morgen geschrieben habe, fürchtete ich allerdings, daß ich diesen Abend nicht würde kommen können,« sagte Blanka mit leiser Stimme, indem sie sich auf ein Tabouret zu den Füßen des Grafen, setzte, »denn ich glaubte, Felician würde aufbleiben und mich bei sich behalten. Sieh, wie ich Dich liebe Friedrich! Um Deinetwillen wünsche ich fast, mein Bruder wäre noch nicht zurückgekehrt!«

»Du liebst mich also?« versetzte der Graf, indem er das reizende Mädchen betrachtete und mit seiner kalten weißen Hand ihr goldenes Haar strich. »Was hat Dein Bruder Dir bei Deiner Zurückkunft gesagt?«

»Was jeder Bruder zu seiner Schwester sagt. Er hat mich umarmt, und da seine Rückkehr die Besorgniß in mir erweckt, daß ich Dich nicht mehr so oft würde sehen können als früher und es mir unmöglich ist, mich zu verstellen, so bin ich traurig geworden und er hat mich gefragt, was mir fehle.«

»Und was hast Du ihm geantwortet?«

»Ich habe ihm geantwortet, daß mir nichts fehle. Aber nicht wahr, mein Friedrichs bald werde ich ihm Alles gestehen können?«

»Ja, meine geliebte Blanka, Dein Bruder soll Alles erfahren.«

»In welchem Tone sagst Du das, Friedrich?«

Deine Worte klingen fast wie eine Drohung!

»Thörigtes Kind!«

»Ach, welche sonderbare und geheimnißvolle Macht Du über mich ausübst! Weißt Du wohl, daß mein Leben nicht mehr mir angehört, seit ich Dich kenne und seitdem Du mir gesagt, daß Du mich liebst? Dein Geist hat die Stelle meiner Seele in meinem Innern eingenommen. Du bist aber auch kein Mann wie Andere, denn ich bin überzeugt, daß ich einen gewöhnlichen Mann nicht hätte lieben können, und eine ähnliche Liebe, wie ich zu Dir fühle, hat vielleicht vor mir noch nie ein weibliches Wesen empfunden. Du lächelst? O, laß mir den Glauben, daß ich mich nicht irre; laß mir den Trost, daß ich einer unwiderstehlichen Macht nachgegeben habe und daß ich Dir nicht hätte entgehen können, was ich auch hätte thun mögen! Wir Mädchen hoffen immer, daß Gott bisher unbekannte Gefühle in uns gelegt hat und daß die Gründe, mit denen wir uns beruhigen. in sich selbst die Entschuldigung unseres Fehlers tragen. Und wärest Du zehn, hundert, tausend Meilen von mir entfernt, so würdest Du stets die nämliche Gewalt über mich haben; Du brauchtest nur die Hand auszustrecken und ich würde Deinem Willen gehorchen. Wenn ich es versuche, außerhalb des Zauberkreises zu leben, den Deine Liebe um mich gezogen hat, so bin ich wie eine Wahnsinnige, ich stoße überall an, ich schwanke wie ein Trunkener, die Luft fehlt mir, und wenn ich nicht umsinken will, so muß ich Deinen Namen aussprechen und mich an der Erinnerung an Dich festhalten. Was soll ich Dir noch sagen« Friedrichs ich die Tochter einer engelreinen Mutter und eines Vaters, den der Herr selbst achten muß, die Schwester eines frommen Mannes, wie es nur irgend einen giebt, die in der heiligen Ehrfurcht vor Gott erzogen ist, ich habe Dir Alles aufgeopfert; meine Ruhe, meine Zukunft, meine Ehre. Willst Du mein Leben? es ist Dein. Soll ich Dir folgen, soll ich Alle« die mich lieben, hintergehen, mich in den Augen Aller entehren? sprich ein Wort und ich gehöre Dir, Ist es Liebe, was ich empfinde? ich weiß es nicht; aber was es auch sein mag, es ist ein Gefühl, das stärker ist als mein Wille, und gegen das ich kraftlos bin, denn ich verstehe es nicht. Mit Einem Worte, gegen Dich vermag ich nichts, für Dich vermag ich Alles, nur etwas nicht: die Entbehrung Deines Anblicks.«

Die Hand auf Blanka’s Kopf gelegt und die Augen fest auf sie gerichtet, hörte Friedrich ohne ein Zeichen von innerer Bewegung ihre Worte an, die eher aus seinem als aus ihrem Munde hätten kommen sollen, denn mit den nämlichen Worten hatte er die Herrschaft über sie erlangt, welche er jetzt auf sie ausübte. Nur waren diese Worte in seinem Munde das gewesen was ein Degen in der Hand eines geschickten Fechters ist, während sie in Blanka’s Munde eine Waffe in der Hand eines Kindes waren,, das-Niemanden damit verwunden kann, als nur sich selbst. So großen Eindruck sie vorher auf das junge Mädchen gemacht hatten, so wirkungslos schienen sie jetzt auf Friedrich zu bleiben.

»Was gedenkt Dein-Bruder zu thun?« fragte der Graf, der auf Blanka’s Herzensergießung nur mit einem Lächeln geantwortet hatte.

»Was kümmert Dich mein Bruder, Friedrich, wenn ich von Dir und mir spreche? Ich gebe mich ganz dem Glücke hin, Dich zu sehen, und während ich von meiner Liede zu Dir spreche, die Dir theuer ist, wie Du sagst, fragst Du mich etwas, was Dir ganz gleichgültig sein sollte, da ich nicht einmal daran denke.«

»Du siehst daraus, Blanka, daß ich mich für Alles interessiere, was Dich betrifft. Antworte mir also.«

»Nun wohl, Felician verreist morgen, wie ich Dir geschrieben habe.«

»Wohin?«

»Noch Niort, zum Bischof.«

»Und dann?«

»Wenn er zurückkommt, wird er ordinirt werden und ohne Zweifel die Stelle unseres jetzigen Pfarrers erhalten.«

»Und dann wird er für immer bei Euch bleiben?« fragte der Graf lebhaft.

»Nein, er wird uns dann noch auf etwa einen Monat verlassen.«

»Wohin will er noch gehen?«

»Noch dem südlichen Frankreich, wie ich glaube.«

»Was hat er dort zu thun?«

»Ich weiß es selbst nicht genau. Wenn ich nicht irre, hat er in Folge einer Beichte den letzten Willen eines Verstorbenen zu erfüllen.«

»Aber vor Ablauf eines Monats wird er diese Reise wohl nicht unternehmen?«

»O nein.«

Jedenfalls müßtest Du ihn zurückhalten, Blanka, wenn er früher abreisen wollte.«

»Warum?«

»Bist Du so vergeßlich? sind wir nicht übereingekommen, daß er uns vor allen Dingen verbinden soll, ehe er sich mit andern Pflichten beschäftigt? Habe ich Dir nicht gesagt, als Du mir erzähltest, daß Du einen Bruder hast, der Priester werden will und der bald hierher kommen würde, daß Du sogleich nach seiner Zurückkunft meine Gattin werden solltest, weil es mein Wille ist, daß er uns traut? Ich bin abergläubisch und denke daher, der Segen Deines Bruders, der ein frommer Mann ist und Dich liebt, wird uns Glück bringen. Habe ich Dir dies nicht versprochen und ist es nicht auch Dein Wille, geliebte Blanka? Doch jetzt darf Dein Bruder noch nichts von unserm Verhältnisse erfahren, und Du darfst es ihm nicht eher mittheilen, als bis er ordinirt ist.«

»Warum nicht?«

»Wie? siehst Du denn nicht ein, Kind, daß unsere Liebe, so wahr und innig sie auch sei, in den Augen der Welt ein Fehler ist und in den Augen Deines Bruders ein Verbrechen sein würde? Wer weiß also, ob dieses zu frühe Geständniß ihm nicht die Freude des Wiedersehens verbittern und ihn von seinem heiligen Berufe ablenken würde? Obgleich unser Fehler sich wieder gutmachen läßt, so kann dies doch nicht sogleich geschehen; wir würden also Felician eine mehrtägige Unruhe und Sorge bereiten. Anstatt dessen verbirg ihm sorgfältig den Zustand Deines Herzens, laß ihn sich Gott weihen, ohne seine Gedanken durch irgend etwas zu zerstreuen, und wenn er dann Priester und es sein Amt ist, zu segnen und zu vergeben, so treten wir ohne Scheu vor ihn und sagen zu ihm: Wir lieben uns seit langer Zeit und bitten Dich, uns zu verzeihen und uns für immer zu vereinigen. Er wird uns vergeben, uns seinen Segen ertheilen und so wird selbst Deine Mutter nichts von unserm Fehler erfahren. Unser vergangenes Glück wird sich mit unserem zukünftigen Glück verschmelzen und Niemandem als uns, Deinem Bruder und Gott bekannt sein. Verstehst Du mich Blanka?«

»Du hast Recht, Geliebter, wie immer.«

»Und jetzt muß ich Dir Lebwohl sagen-«

»Du willst mich schon verlassen?«

»Ja, wir müssen Alles vermeiden, was uns verrathen könnte. Bedenke, daß unser Verhältniß, wenn es jetzt an den Tag käme, Deinen Bruder tief betrüben würde.«

»Es-ist wahr. Also auf Wiedersehen morgen.«

»Nein, Blanka, morgen kann ich Dich nicht besuchen.«

»Wie, ich soll Dich morgen nicht sehen?« rief das junge Mädchen mit Entsetzen.«

»Nein.«

»Warum nicht?«

»Weil ich nach Paris reisen muß, liebes Kind, wo sich alle zu unsrer Verbindung nöthigen Papiere befinden, und es ist besser, ich hole sie jetzt, als daß ich noch warte. Auf diese Weise verlieren wir später keine Zeit.«

»Gehst Du wirklich nur deshalb nach Paris?«

»Ich schwöre es Dir.«

»Und wann kommst Du zurück?«

»Spätestens in vier Tagen.«

»Gott, wie soll ich diese vier Tage überleben?«

»Du wirst immer an mich denken, nicht so, Blanka?«

»Ach, Du weißt es wohl, daß ich nichts Anderes thun werde!«

»Sobald ich zurückkomme, benachrichtige ich Dich auf der Stelle davon.«

»Aber wie?«

»Durch einen Brief, den ich unter den losen Stein in der Gartenmauer lege.«

»O, wie gut Du bist, Friedrich, und wie ich Dich liebe.«

Bei diesen Worten brachen ihre Thränen hervor, aber sie unterdrückte sie sogleich wieder, um den Geliebten nicht zu betrüben. Demohngeachtet aber sah er, daß sie geweint hatte und sagte daher in leicht verweisendem Tone:.

»Blanka, Blanka, wenn Du willst, daß ich Dich immer liebe, so weine nie!«

»Ich weine ja nicht, im Gegentheil, ich lache.«

Und mit einer gewaltigen Anstrengung zwang sie ihren Mund, zu lächeln, während neue Thränen in ihren Augen perlten.

Der Graf machte eine Bewegung des Unwillens.

»Also in fünf Tagen wirst Du wieder zurückkommen?« fuhr Blanka fort, indem sie alle ihre Kräfte aufbot, um dem Geliebten ein heiteres Antlitz zu zeigen.

»Ja.«

»Ach, wie freue ich mich schon im Voraus darauf! Sollten aber Deine Geschäfte oder Deine Vergnügungen Dich länger in Paris zurückhalten, so beunruhige Dich nicht wegen mir. Ich werde in der Erwartung Deiner Rückkehr für Dich beten und glücklich sein, wenn Du es bist.«

Und das liebliche Mädchen lächelte wie eine schüchterne Sklavin vor ihrem strengen Gebieter.

»So ist es recht, meine Blanka,« erwiderte Friedrich, der sich den Anschein geben wollte, als glaubte er diesen Worten, obgleich er sich nicht in ihnen irrte, »so sehe ich Dich gern; bleibe immer so und habe Vertrauen zu mir, dann wird Alles gut gehen.«

Der Graf drückte noch einen Kuß auf ihre Hand und nachdem er die Lampe ausgelöscht hatte, eilte er hinweg und entfernte sich durch die kleine Gartenthür.

Als Blanka sich allein.befand« sank sie in ihren Stuhl zurück und flüsterte in Thränen schwimmend vor sich hin:

»Diese Reise ist etwas so Natürliches. . . woher mag es kommen, daß sie mir wie ein Unglück erscheint?«

Während dem bestieg der Graf sein Pferd wieder und sagte mit einem unheimlichen Lächeln zu sich selbst:

»Es geht Alles vortrefflich und ich bin mit mir zufrieden!«

Neuntes Kapitel.
Robert

Blanka irrte einen Theil der Nacht im Garten umher, um in der frischen Luft die Ruhe zu suchen, welche sie in ihrem Zimmer nicht fand, denn sie fühlte, daß sie nicht würde schlafen können. Wenn die Liebe einmal in das Herz eines jungen Mädchens eingezogen ist, so verdrängt sie alles Andere aus demselben, was nicht unmittelbar darauf Bezug hat; sie nimmt siegreich den ganzen Raum dieses jungfräulichen Herzens ein und erhält es in einer fortwährenden Aufregung.

Blanka wußte selbst nicht, wohin diese Liebe sie führen würde, und sie wallte es auch nicht wissen. Wenn sie in einsamen Stunden darüber nachdachte und sich fragte, wie eine so große Veränderung in ihrem Leben hatte vorgehen können, so fand sie keine Antwort. Die Zeit vor ihrer Bekanntschaft mit Friedrich war fast ganz aus ihrem Gedächtnisse verschwunden, und wenn ihre Gedanken sich von der Vergangenheit auf die Zukunft richteten und die traurigen Möglichkeiten einer solchen Liebe vor ihre Seele traten, so schloß sie die Augen, um Nichts davon zu sehen. Sie glich einem Schlafenden, der von einem ängstlichen Traume gequält wird und in einen Fluß stürzt, ohne schwimmen zu können. Er sieht, daß er umkommen muß, aber die Hand, die ihn hinunterzieht, ist stärker als seine Willenskraft, das rettende User zu erreichen; das Wasser reißt ihn mit sich fort, er weiß nicht, wo er sich anklammern soll und überläßt sich dem Strome, indem er die Arme ausbreitet und die Augen schließt. Eine geheime Ahnung sagte Blanka, daß ihrer am Ende des Weges, den sie verfolgte, ein Unglück wartete; aber da Friedrich diesen Weg ging, so blieb sie ebenfalls auf demselben, ohne nur an’s Umkehren zu denken. Wie wir gesehen haben, fragte sie sich oft selbst, ob das was sie empfand, auch wirklich Liebe sei? Wie hätte das unschuldige Kind dies wissen sollen, da sie bis jetzt in der glücklichen Unkenntniß eitler Leidenschaften gelebt hatte? Nur mußte sie sich gestehen, daß das, was sie fühlte, etwas ganz Eigenthümliches war. Ehe sie liebte, hatte sie geglaubt, die Liebe sei etwas Süßes, ein Nektar, der das dürstende Herz mit einer unbeschreiblichen Wonne erfüllte. In ihren jugendlichen Träumen sah sie die Liebe heiter und lächelnd vom sanften Schlummer und frommen Gebet begleitet. Sie war ihr vorgekommen wie eine Blume, die plötzlich im Herzen erblüht und es mit himmlischen Düften erfüllt, wie ein Vogel, der sich freiwillig in das weibliche Herz einschließt, wie in einen goldenen Käfig, und darin unbekannte Melodien singt. Ein Mann war ihr begegnet, der ihr gesagt hatte, ihre Gedanken stimmten mit den seinigen überein und er verstehe die Liebe ganz so wie sie, und von der sonderbaren Gewalt dieses Mannes beherrscht und von ihren eigenen Gefühlen überredet, hatte sie ihm geglaubt; aber vom ersten-Tage an hatte sie Vergebens die Wirklichkeit ihres Traumes gesucht. Dies erwarteten Düfte hatten nicht ihr Herz erfüllt, die gehofften Melodieen hatten sich nicht vernehmen lassen. Sie hatte ihre Lippen dem Zauberbecher genähert, und anstatt des süßen und reinen Nektars hatte es ihr geschienen, als schlürfe sie einen Feuertrank. Ihre Augen hatten sich unter dem Einflusse einer schmerzlichen Wonne verdunkelt, ihr Geist, ihre Seele, ihr Leben: waren einige Augenblicke in einer Welt verschwunden, die weder der Himmel noch die Erde, weder Schlaf noch Wachen, weder Traum noch Wirklichkeit war. Als sie dann aus diesem Zustande erwachte, schrak sie entsetzt zurück, denn sie sah ein, daß sie jetzt nicht mehr sich selbst angehörte und daß sie einen Gebieter hatte. Man glaube jedoch nicht, daß dieses Entsetzen Reue war. Je reiner das sich hingebende Herz ist, um so später ist es der Reue zugänglich. Wenn das weibliche Herz aufrichtig und unschuldig ist, so kleidet-es sich in ein so poetisches Gewand, indem es sich hingiebt, daß erst die reine Quelle der Illusionen versiegt sein muß, bevor die Reue einziehen kann, und dies erfordert lange Zeit, denn die Illusionen verlassen nur langsam in einzelnen Tropfen das Herz. Nur unlautere Herzen bereuen schnell, denn sie allein wissen, wie nahe die Strafe der Sünde folgt.

Alls jedoch Blanka sah, daß sie binnen einer Minute eine unübersteigliche Schranke zwischen ihrer Vergangenheit und ihrer Zukunft errichtet hatte, als sie bemerkte, daß es nutzlos war, zurückzublicken, und daß es ihr vielleicht schmerzlich sein würde, vorwärts zu sehen, mußte sie sich gleichsam in ihre Liebe einhüllen, wie ein Wanderer in kalter und dunkler Nacht sich in den einzigen Mantel hüllt, den er besitzt.

Es ist mein Geschick; diesem Manne zu folgen,« sagte sie zu sich selbst, und so gab sie sich blindlings diesem unheilvollen Gehorsame hin.

So war Blanka bereit, Alles für den Grafen zu erdulden, ja ihr Leben für ihn zu lassen, wenn er es verlange, und obgleich er ihr oft wiederholt hatte, daß sie seine Gattin werden solle, so erinnerte sie ihn doch nie an sein Versprechen und fing nie zuerst davon an. Friedrich konnte sie verlassen, wenn er wollte, es war vielleicht ihr Tod, aber sie war auch auf einen solchen Tod gefaßt.

Es war also nicht Liebe, was sie für diesen Mann empfand, denn ein liebendes Herz denkt nie an einen solchen Ausgang. Die Liebe glaubt, wie alle reinen Leidenschaften, an eine ewige Dauer; sie giebt wohl zu daß. Sie einen Anfang gehabt hat, aber sie ist immer überzeugt, daß sie kein Ende haben wird.

Und wenn wir tiefer in Blanka’s Herz hinabsteigen wollten, so würden wir noch etwas ganz Anderes darin finden; wir würden sehen, daß, wenn sie zuweilen an das Eheversprechen des Grafen dachte, dies nur mit einer Art von Entsetzen geschah. Sie fühlte so wohl, daß die Seele ihres Geliebten nicht die natürliche Schwester der ihrigen war, daß sie fast fürchtete, sich an sie zu ketten, denn eine geheime Stimme sagte ihr, daß, wenn sie je das auf ihr lastende Joch seines Willens abschütteln sollte, sie von Haß und Schauder gegen ihn ergriffen werden würde.

War das Liebe?

Die Verbindung mit dem Grafen gab ihr aber die Ehre wieder und brachte sie zugleich in eine angesehene Stellung, denn Friedrich war nicht nur ein schöner Mann, sondern er war auch von hohem Stande. Aber wir wiederholen es, für ein Herz, wie das Blanka’s, wiegen alle diese Rücksichten und Vorurtheile nur sehr wenig in der Wagschale der Gefühle.

Einen Theil der obigen Betrachtungen stellte Blanka an, als sie in der Nacht nach ihrer letzten Zusammenkunft mit dem Grafen im Garten ihrer Mutter umher ging, und sie suchte sie mit einander zu verbinden, um sich ein klares Urtheil und eine Stütze daraus zu bilden. Aber wie gesagt, es war-unmöglich. Wie fast alle Frauen fühlte Blanka wohl, aber sie forschte nicht nach dem Grunde ihrer Gefühle. Und hätte sie auch die Wahrheit erkannt, so wäre sie von ihr geblendet worden, denn die Wahrheit ist wie die Sonne: man fühlt sie, aber man sieht-sie nicht an.

Der erste Strahl der Morgenröthe überraschte sie noch träumend in einer Allee des Gartens. Jetzt erst erinnerte sie sich, daß ihr Bruder frühzeitig aufbrechen wollte, und sie dachte daran, ein wenig zu ruhen.

Sie kehrte.in ihr Zimmer zurück, ohne daß Jemand im Hause ihre Abwesenheit geahnt hätte, denn Madame Pascal würde eher die größten Unwahrscheinlichkeiten für möglich gehalten haben, als daß ihre Tochter außer an Gott und an ihre kindliche Liebe noch an etwas Anderes hätte denken können.

An Körper und Geist wie gelähmt, legte sich Blanka nieder und entschlummerte.

Um zehn Uhr schlief sie noch.

Der Schlaf war die glücklichste Zeit ihres Lebens, denn während desselben träumte sie; aber sie schlief nicht alle Nächte.

Felician und seine Mutter waren um acht Uhr aufgestanden und gingen Arm in Arm im Garten umher, indem sie sich über die Vergangenheit unterhielten.

Wir begleiten Dich den den Berg hinunter, Blanka und ich,« sagte Madame Pascal.

»Wo ist denn Blanka, liebe Mutter?«

»Sie schläft noch, aber ich will sie wecken.«

»Nein, thue das nicht, in ihrem Alter ist ja der Schlaf so süß! Wenn sie aber eine halbe Stunde vor meiner Abreise nach nicht aufgestanden ist, dann wecken wir sie, denn ich will Abschied von ihr nehmen, und übrigens hat sie dann auch lange genug geschlafen, da sie schon um zehn Uhr zu Bett gegangen ist.«

Nach zehn Uhr erwachte Blanka endlich.

Sie dankte Gott, daß er ihr den Schlaf gewährt hatte und stand eiligst auf, um zu ihrer Mutter und ihrem Bruder zu gehen.

Felician wollte um Mittag aufbrechen und hatte zu dem Ende einen Miethwagen bestellt, der ihn nach Niort bringen sollte.

Um elf Uhr wurde zu Mittag gegessen und um zwölf Uhr kam der Wagen.

»Fahrt immer voraus und erwartet mich unten am Fuße des Berges,« sagte Felician zum Kutscher; ich will mit meiner Mutter und Schwester bis dahin zu Fuße gehen.«

Madame Pascal und Blanka nahmen Hut und Shawl und begleiteten Felician die Anhöhe hinab; erstere stolz, sich mit ihrem Sohne zeigen zu können, letztere noch immer ein wenig bekümmert.

Sie mußten durch das ganze Darf gehen, wo sie von allen Bekannten freundlich gegrüßt wurden; aber ungefähr in der Mitte hörten sie plötzlich ein lautes Geschrei und alle auf der Straße befindlichen Leute eilten erschrocken in ihre offenen Häuser.

»Fliehet! Fliehet!« rief man von allen Seiten.

»Was giebt es denn?« fragte Madame Pascal ängstlich. Felician blickte sich um, die Ursache des allgemeinen Entsetzens zu entdecken, und bald sah er auf der einsam gewordenen Straße einen wüthenden Stier mit gesenktem Kopfe herangestürmt kommen, der aus seinem Stalle entsprungen war und Altes vor sich niederwarf, was ihm in den Weg kam.

Er hatte schon einem Pferde den Leib aufgerissen und einen Menschen niedergestoßen.

Das rasende Thier war kaum noch zwanzig Schritte von Pascal und den beiden Damen entfernt.

Felician blickte umher,. aber nirgends sah er mehr eine offene Thür oder ein andres Mittel, um dem Stiere auszuweichen.

Madame Pascal stieß einen lauten Schrei aus und wurde ohnmächtig.

»Es ist um mich geschehen!« flüsterte Blanka; »vielleicht zu meinem eignen Besten!«

Und sie erhob die Augen zum Himmel, als wolle sie ihm danken.

»Betet zu Gott, Mutter und Schwester! sagte Pascal, indem er sich bekreuzte, und da er sah, daß der Stier auf ihn zukam, ging er ihm entgegen, um wenigstens Blanka und ihre Mutter vor seinen wüthenden Angriffen zu schützen.

Dies Alles war in kürzerer Zeit geschehen, als wir gebraucht haben, um es niederzuschreiben.

Aber in dem Augenblicke, als Felician höchstens noch zehrt Schritte von dem Stiere entfernt war, öffnete sich eine Thür, und ein junger Mann von etwa dreiundzwanzig Jahren und von herculischer Gestalt sprang heraus, warf dem Stiere seine Jacke über den Kopf, um ihn einen Augenblick aufzuhalten, streifte dann seine Hemdsärmel empor und stellte sich vor Felician, um das wüthende Thier zu erwarten.

Blanka sah dies Alles, ohne zu wissen, ob sie wachte oder träumte, und ihr Bruder, der sich ihr wieder genähert hatte, nahm sie bei der Hand.

Der Stier machte einen gewaltigen Sprung und stürzte sich auf seinen Gegner.

Blanka stieß einen Schrei aus und bedeckte ihr Gesicht mit beiden Händen.

»Fürchten Sie Nichts, mein Fräulein,«– rief ihr der junge Mann zu, »ich kenne dieses Spiel.«

In der That ergriff der junge Landmann, – denn ein solcher war es, nach seinem Anzuge zu urtheilen, mit kräftiger Hand den Stier bei den Hörnern, als er eben den Kopf senkte, um ihm den Leib aufzureißen.

Die Muskeln seiner Arme traten hervor und wurden hart wie Eisen, während er den Kopf des Stieres niederdrückte, daß seine Nüstern den Erdboden berührten. —

Ein Schrei der Bewunderung erscholl unter den Zuschauern dieser Scene, welche nach und nach wieder aus den Häusern gekommen waren.

»Bravo, Robert, bravo!« rief man von allen Seiten. Robert setzte seinem kolossalen Feinde das Knie auf die Stirn, während er ihn so fest bei den Hörnern hielt, daß er den Kopf nicht bewegen konnte, und ein Strahl des Sieges und des gerechten Stolzes leuchtete auf seinem Gesicht.

Der junge Mann gewahrte in der That einen schönen Anblick mit seinem entblößten Halse, seinen zurückgeworfenen schwarzen Haaren, seinen feurigen Augen und seinem bleichen Gesicht mit halbgeöffnetem Munde.

Er glich dem jungen Herkules, wie er den nemeischen Löwen bewältigte.

Blanka war blaß, aber ruhig, und sie vermochte den Blick nicht von ihm abzuwenden, so anziehend ist das erhabene Schauspiel der siegreichen Kraft.

Während dem kamen Leute mit Seiten herbei, fesselten dem brüllenden Thiere Hörner und Beine und schleiften es dann in seinen Stall zurück.

Robert schlug die Hemdsärmel wieder herab und zog ruhig seine Jacke an.

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06 aralık 2019
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