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Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 18

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»Robert!« rief der Graf, der ihn endlich erkannte.

»So ist mein Name.«

»Dies Mal bin ich verloren,« dachte Valery.

»Ich habe Alles mit angehört, was Sie zu Felician gesagt haben,« fuhr Robert fort. »Sie haben einen Mann und eine Frau ermordet, Sie haben einen Unschuldigen an Ihrer Stelle hinrichten sehen; Sie haben ein engelreines junges Mädchen gezwungen, an der Schamhaftigkeit zu zweifeln; Sie haben einen frommen Priester zwingen wollen, an Gott zu zweifeln, und so eben noch gingen Sie mit dem Plane um, entweder den Bruder zu ermorden oder die Schwester öffentlich zu entehren. Bei meiner Seele und meinem Gewissen, Sie haben die Todesstrafe verdient, nicht die gesetzmäßige Todesstrafe, welche dem Verurtheilten Zeit und Mittel läßt, noch mehr Böses zu thun, ehe er stirbt, sondern die, welche tödtet wie der Blitz und die plötzliche Vollstreckung des göttlichen Willens ist. Bereuen Sie, was Sie gethan haben?«

»Nein,« antwortete Valery mit dumpfer Stimme.

»Nun, so stirb, wie ein Hund, Elender!« sagte Robert, indem er dem Grafen den Hut vom Kopfe riß, dann seine gewaltige Faust erhob und sie wie eine Keule auf die Stirn des Schurken fallen ließ; den er mit der Linken festhielt,

Er hielt ihn noch so lange aufrecht, bis er ihm Blanka’s Briefes abgenommen und sie mit den Zähnen zerrissen hattet dann ließ er ihn los und streifte seine Aermel wieder herab. Valery taumelte wie ein Betrunkener, seine Augen rollten glanzlos in ihren-Höhlen, er stieß ein dumpfes Röcheln aus und schwankte einige Stufen hinab; dann färbten sich seine Lippen mit Blut er drehte sich um sich selbst und stürzte wie eine leblose Masse die Treppe hinunter.

Robert zog ruhig seine Jacke wieder an, ging die Treppe hinab und beugte sich über den Grafen, der sich noch in den letzten Zuckungen des Todeskampfes wand.

Nach einer Minute hatten diese Zuckungen aufgehört. Valery war todt.

Robert warf einen Blick der Verachtung auf den Leichnam dieses Frevlers, der sich für fähig gehalten hatte, gegen Alles, selbst gegen Gott zu kämpfen und den ein einziger Faustschlag zur Leiche gemacht.

Hierauf kehrte er zurück in’s Dorf, begab sich zu dem Maire und sagte zu ihm:

»Lassen Sie mich festnehmen, Herr Maire, ich habe so eben den Herrn Grafen Friedrich von La Marche ermordet.«

Und zu sich selbst sprach er:

»Sie werden mich vielleicht zum Tode verurtheilen aber ich habe wenigstens dir Ehre Blanka’s und Felicians gerettet.«

Zehntes Kapitel.
Der Adel legt Verpflichtungen auf

Felician wer inzwischen abgereist und fuhr, in schmerzlicher Nachsinn, versunken, auf der Straße nach Nimes dahin, Wie wenig glich diese Reise der, weiche er vor drei Wochen gemacht, obgleich er diese unter den unglücklichen Vorzeichen der Gefahr, in der seine Mutter, seine Schwester und er selbst geschwebt, angetreten hatte!

Am vierten Tage erreichte er Nimes und begab sich sogleich zu dem königlichen Prokurator.

»Vor acht Jahren wurden der Pfarrer von Lafou und seine Haushälterin ermordet, nicht so?« fragte er ihn.

»Ja, mein Herr.«

»Und ein junger Mann, Namens Jean Raynal, wurde als dieses Doppelmordes überführt hingerichtet?«

»Allerdings,« erwiderte der Prokurator, der noch der nämliche war, welcher Jean hatte verhaften lassen, und dessen Erstaunen bewies, daß er die Wahrheit zu ahnen begann.

»Wohlan, mein Herr, Jean Raynal war unschuldig.«

»O, der Unglückliche“ rief der Prokurator, indem er sein Gesicht mit beiden Händen bedeckte; er hat es bis zu seinem letzten Augenblicke betheuert und auch niedergeschrieben. Kennen Sie den wirklichen Thäter?«

»Ja, ich besitze die von seiner eignen Hand geschriebene Erklärung, durch welche er sein Verbrechen bekennt.

Aber ich bin Priester, ich versehe ein Amt des Friedens und der Vergebung; daher verlange ich, ehe ich Ihnen die Beweise einhändige, die eidliche Zusicherung von Ihnen, daß dem Verbrecher das Leben geschenkt wird.«

»Ich schwöre es Ihnen, mein Bruder; aber wird Gott es mir vergeben, daß ich Jean Raynal für schuldig gehalten und dazu beigetragen habe, daß er verurtheilt und hingerichtet wurde?«

»Nur die Gerechtigkeit Gottes ist unfehlbar, jeder Andre an Ihrer Stelle würde sich ebenfalls geirrt haben.«

Der Prokurator sah die Papiere durch, welche Pascal ihm einhändigte, und als er die Erklärung Valery’s gelesen hatte, fragte er den jungen Priester:

»Dieser Mann ist also gestorben?«

»Nein, er lebt noch,« erwiderte Felician und erzählte dem Prokurator Alles, was wir wissen, mit Ausnahme des Fehltritts seiner Schwester, den er Niemandem mittheilen durfte. Er setzte nur hinzu:

»Dieser schändliche Bube hat noch ein neues Verbrechen begangen, das aber nicht in den Bereich der menschlichen Gerechtigkeit gehört; deshalb bringe ich Ihnen diese Beweise, außerdem würde ich es auf mich genommen haben, ihm zu verzeihen.«

»Worin besteht-dieses neue Verbrechen?«

»Es kommt mir nicht zu, es ihnen anzuzeigen, aber Valery wird es ohne Zweifel selbst bekennen.«

»Und wo befindet sich der Verbrecher?«

»Bei meiner Abreise vor vier Tagen war er im Dorfe Moncontour, wo ich Pfarrer bin.«

Der Prokurator schrieb ein Billet, das er versiegelte und einem herbeigerufenen Gerichtsdiener mit den Worten übergab:

»Bringen Sie dies sogleich dem Herrn Präfecten.«

Dann sagte er zu Felician:

»Der Präfect wird augenblicklich einen Verhaftsbefehl durch den Telegraphen nach Moncontour gelangen lassen, und wir werden schon diesen Abend erfahren, ob der Verbrecher sich noch dort befindet. Ist dies der Fall, so ist er bereits festgenommen, wenn wir die Antwort erhalten. Jetzt mein Bruder, will. ich zuerst das Protokoll aufnehmen.«

Der Prokurator legte Felician alle Fragen vor, die er für nöthig erachtete, um das Gericht aufzuklären und die Ehre Jean Raynals wiederherzustellen, denn Felician hatte ihm gesagt, daß er sich. nicht lange in Nimes aufhalten könne. Als das Protokoll aufgesetzt war, mußte er es mit seiner Namensunterschrift bestätigen.

Um sechs Uhr traf die telegraphische Antwort ein.

Sie lautete folgendermaßen:

»Der Graf Friedrich von La Marche ist vor vier Tagen von einem Zimmermann, Namens Robert, ermordet worden, der sich alsbald aus freien Stücken vor Gericht gestellt hat.«

»Der Verbrecher ist todt,« sagte der königliche Prokurator, indem er Felician die Depesche überreichte.

»O, mein Gott!« rief dieser, als er sie gelesen hatte »also noch ein neues Unglück! Ach, wenn nur mein armer Robert nicht verurtheilt wird! Entschuldigen Sie, Herr Prokurator, aber ich muß auf der Stelle zurückreisen.«

Felician nahm Abschied von dem Prokurator und eines Stunde später war er wieder nach Moncontour unterwegs.

Man kann sich denken, welches Aufsehen Felician’s Anzeige in Nimes machte, wo der gräßliche Vorfall, den wir als Prolog zu unserer Geschichte mitgetheilt haben, noch nicht vergessen war. Es wurden Nachforschungen angestellt, um die Eltern Jean Raynals ausfindig zu machen; aber es ergab sich, daß Beide gestorben waren. Der damalige Doppelmord machte von Neuem die Runde durch alle Journale und alle Journale und man kündigte zugleich an, daß der wirkliche Urheber des Verbrechens ermordet worden sei, daß ein neuer Prozeß stattfinden werde, und daß also dieses gräßliche Drama noch nicht zu Ende sei.

Während dieser Zeit hatten der Marquis von Thonnerins und Leonien Paris verlassen und sich aufs ihre Besitzung in der Dauphiné begeben; hier aber blieben Vater und Tochter, so viel, als die Convenienz es gestatten, von einander getrennt, das heißt, Leonie hütete fast beständig ihr Zimmer, unter dem Vorgeben, sich mit Musik- oder Malerei zu beschäftigen, und der Marquis hielt sich in dem seinigen auf.

Herr von Thonnerins war binnen einem Monate um zehn Jahre gealtert und es war leicht zu sehen, daß ein tiefer Kummer am Herzen des stolzen Edelmanns nagte.

Leonie lebte, wie sie immer gelebt hatte.

Jeden Morgen stieg sie zu Pferde und machte in Begleitung zweier Bedienten einen angestrengten Spazierritt in dem zum Schlosse gehörigen Walde, von dem sie gewöhnlich athemlos und erhitzt zurückkehrte. Suchte sie in diesem tollen Rennen nur das Vergnügen, auf einem feurigen Pferde wie der Wind dahin zu jagen und gegen Gefahren zu kämpfen?

Der Marquis lud in diesem Jahre seine Gutsnachbarn nur selten ein und das frühere geräuschvolle Leben und Treiben war daher fast gänzlich aus dem Schlosse verschwunden.

Ueberdies wollte Herr von Thonnerins nach der Vermählung seiner Tochter seinen bleibenden Wohnsitz hier aufschlagen, indem diese den Grafen von La Marche auf den Gesandschaftsposten begleiten sollte, den ihr Vater im Voraus, und ohne ihn zu nennen, für seinen zukünftigen Schwiegersohn erlangt hatte.

So standen die Sachen als ein Brief von Friedrich ankam, worin er seine bevorstehende Zurückkunft meldete.

Die Spazierritte nahmen ihren ungestörten Fortgang.

Inizwischen fand der Besuch des Grafen bei Felician statt. Das Resultat desselben kennen wir bereits.

Der Zeitpunkt, zu welchem Friedrich in der Dauphiné hatte eintreffen wollen; war schon vorüber, als der Marquis eines Abends in den Zeitungen, die ihm allwöchentlich aus Paris zugeschickt wurden, die Geschichte von der Erklärung Valery’s und der Ermordung des Grafen von La Marche las.

Er erschrak heftig über diese Anzeige, nahm das Zeitungsblatt und begab sich damit nach dem Zimmer seiner Tochter, um ihr den Artikel lesen zu lassen.

Leonie nahm das Journal und las die, Nachricht, ohne eine Miene zu verziehen.

»Es ist gut, lieber Vater,« sagte sie als sie zu Ende war.

Ohne weiter ein Wort aus ihr herausgebracht zu haben, schloß sich der alte Marquis finster und, stumm wie die Verzweiflung in sein Zimmer ein.

Sobald Leonie sich wieder allein befand, nahm sie einen Bogen Papier und schrieb Folgendes:

»Vor ungefähr einem Monat auf einem Balle, den mein Vater gab, sprach ein Mann hinter mir Deinen Namen aus und gab mir zu versehen, daß ihm unser Verhältniß bekannt war. Dieser Mann wäre fähig gewesen, unser Geheimnis der Oeffentlichkeit preiszugeben, wenn ich mich nicht den Bedingungen unterwarf, die er mir vorzuschreiben für gut finden würde. Sein Stillschweigen mußte daher erkauft werden und ich fragte ihn welchen Preis er dafür fordere. Er verlangte meine Hand. Noch an dem nämlichen Abende gestand ich meinem Vater Alles und am folgenden Tage wurde ich diesem Manne zugesagt, der einen Titel führte und den sein Vermögen berechtigte, auf eine Verbindung mit mir Anspruch zu machen. Wenn mein Fehler nicht mit der Zeit durch einen lebenden Beweis hätte an den Tag kommen müssen, so würde ich noch nicht in die Verbindung mit ihm gewilligt haben; aber ich hatte nur die Wahl zwischen dieser Heirath, der Entehrung und dem Tode. Ich war jung, ich war schön, und ich konnte nicht Deine Gattin werden, ohne der vornehmen Welt, in der ich geboren und erzogen bin, ein Aergerniß zu geben; aber ich hatte weder den Muth, zu sterben, noch die Kraft, die Schande zu ertragen. Diese Verbindung war mein Unglück, aber sie war ein Schleier für meinen Fehltritt und rettete dir Ehre unsres Hauses.

»Du hast mich geliebt und liebst mich noch. Unsere Herzen haben sich über die Entfernung hinweggesetzt, welche zwischen unserem beiderseitigen Stande lag. Ich habe Dich ebenfalls geliebt und ich liebe Dich noch.

»Diesen Abend habe ich erfahren, daß jener Mann, dessen Name mich retten sollte, ermordet worden ist, und bald wird es mir nicht mehr möglich sein, die entsetzliche Wahrheit zu verbergen.

»Ich habe ein gefährlichen Spiel gespielt und habe verloren; es bleibe mir also Nichts übrig, als zu bezahlen. Spielschulden müssen binnen vierundzwanzig Stunden bezahlt werden: morgen um diese Zeit werde ich dieser Welt Nichts mehr schulden.

»Eine Liebe wie die unsrige kostet gewöhnlich einem von beiden Theilen das Leben, und ich bin es, die Gott dazu auserwählt hat. Desto besser, unser Geheimnis wird mit mir zu Grabe gehen, denn Du bist ein Mann den Ehre und wirst es nicht verrathen.

»Mein Vater wird thun, was ich thue: er wird sterben.

»Verbrenne indessen alles meine Briefe, man weiß nicht, was: geschehen kann. Ich muß rein in der Gruft meiner Ahnen schlafen.

»Es ist nicht anders, der Adel legt Verpflichtungen auf.«

Leonie unterzeichnete diesen Brief nichts aber sie versiegelte ihn, schrieb den Namen und die Wohnung Paolini’s auf das Couvert und schellte dann ihrem Kammermädchen.

»Gieb diesen Brief einem Bedienten,« sagte sie zu ihr, er soll ihn auf der Stelle zur Post bringen.«

Das Kammermädchen that, wie ihr geheißen, und zwei Stunden darauf war der Brief nach Paris unterwegs.

Leonie stand auf, trat Vor den Spiegel und betrachtete sich einiges Augenblicke darin.

»Schade!« sagte sie lächelnd; »ich bin schön!«

Und dies war sie in der That; sie war eine vornehme, kalte, imposante, energische Schönheit, deren Zügen der Adel und die Aristokratie den männlichen Stolz verlieh, den Muth und Kraft dem Manne geben.

Um Mitternacht ging Leonie zu Bett.

Im Laufe des Abends hatte sie einige Male vor der Thür ihres Zimmers Schritte gehört, in denen sie die ihres Vaters erkannt hatte, welcher horchen wollte, was sie that, aber es nicht wagte, bei ihr einzutreten.

Fräulein von Thonnerins lag mit einem offenen Buche in der Hand im Bett, aber ihre Augen und ihre Gedanken waren weit davon entfernt.

Sie hörte alle Stunden eine nach der andern schlagen. Ihr Vater wachte wie sie in seinem Zimmer; aber er hatte sich nicht niedergelegt, sondern blickte fast beständig durch eine Lücke des Vorhanges nach den erleuchteten Fenstern seiner Tochter.

Endlich wurde es Tag.

Leonie stand auf, legte ihr Reitkleid an und ging hinunter in den Speisesaal, um mit ihrem Vater zu frühstücken.

Der Marquis war so bleich, wie sie ihn noch nie gesehen hatte.

Das Frühstück ging vorüber wie gewöhnlich; aber als es zu Ende war näherte sich Leonie ihrem Vater und sagte zu ihm, was sie seit dem ersten Besuche Friedrichs nie gethan hatte:

»Wollen Sie mich umarmen, lieber Vater?«

Herr von Thonnerins schloß sie in seine Arme und. indem er sie küßte, sprach er mit schwacher Stimme:

»Fasse Muth, mein Kind.«

»Den habe ich, lieber Vater, tragen Sie keine Sorge,« erwiderte Leonie, und nachdem sie sich den Armen des Marquis entrissen hatte, verlangte sie ihr Pferd.

Dies war ein prächtiges Thier, das von Jugendkraft und Feuer zitterte.

Leonie schwang sich in den Sattel und verließ mit ihren beiden Bedienten das Schloß.

Als sie einige hundert Schritt weit geritten war, setzte sie ihr Pferd in scharfen Trab, und die Bedienten, welche plaudernd hinter ihr ritten, thaten das Nämliche; bald aber ging Leonie vom Trab zum Galopp über und verschwand in einer dichten Staubwolle.

»Alle Teufel, wie sie heute jagt!« bemerkte der eine von den Bedienten.

»Du weißt ja, daß es dem Fräulein Vergnügen macht, ihren Rappen tüchtig ausgreifen zu lassen.«

»Ja, aber in einer Allee wie diese pflegt sie es sonst nicht zu thun.«

»Was fehlt denn dieser Allee?«

»Siehst Du denn nicht, wie holprig sie weiterhin ist und daß man jeden Augenblick auf Barrièren stößt? Sieh, eben jetzt setzt das Fräulein über eine hinweg.«

»Sie wird noch den Hals brechen.«

Leonie ließ in der That eben ihr Pferd über eine Barrière setzen, die wenigstens vier Fuß hoch war.

»Eher geht die Welt unter, als daß das Fräulein mit dem Pferde Schaden nimmt; sieh nur!«

Leonie hatte in diesem Augenblicke die Barrière glücklich übersprungen und galoppierte weiter, indem sie zu sich selbst sagte:

»Es ist schwerer, als ich dachte.«

»Corinna ist aber auch ein Prachtpferd!« meinte der eine Bediente.

»Wenn es so fort geht, werden wir sie bald aus dem Gesicht verlieren. Es scheint fast als ginge das Pferd mit ihr durch.«

»Du bist nicht klug.«

»Es ist gar nicht anders möglich. Sieh nur, jetzt reitet sie direct auf die Schlucht zu; wenn sie den Rappen nicht anhalten kann, ist sie verloren.«

»Vorwärts« ihr nach!«

Die beiden Bedienten setzten ihren Pferden die Sporen ein, denn Leonie schwebte jetzt, augenscheinlich in der größten Gefahr.

»Gnädiges Fräulein, halten Sie an! halten Sie an!«

Aber Leonie hörte Nichts mehr. Sie war am Rande der Schlucht angekommen, die einige zwanzig Fuß tief und deren Boden mit Granitblöcken bedeckt war, und einem lauten Schrei ließ sie ihr Pferd über das Geländer setzen.

Roß und Reiterin stürzten in die Tiefe.

Das Pferd allein stand wieder auf, um einige Schritte weiter abermals zusammen zu sinken; es hatte zwei Beine gebrochen.

Leonie aber war auf der Stelle todt geblieben.

Eine alte Frau, die in der Schlucht dürres Holz gesammelt und Alles mit angesehen hatte, erzählte den Hergang des Unglücks und die beiden Bedienten hoben den Leichnam ihrer Gebieterin auf, legten ihn auf eine Bahre von Tannenzweigen und trugen ihn nach dem Schlosse, ohne zu wissen, wie sie dem Marquis die gräßliche Nachricht mittheilen sollten.

Elftes Kapitel.
Schluß

Einige Tage nach diesem Vorfalle las man Folgendes in den Zeitungen:

»Ein entsetzliches Unglück hat eine der vornehmsten Familien unseres Landes betroffen. Die Tochter des Marquis von Thonnerins ist auf einem Spazierritte mit ihrem durchgehenden Pferde gestürzt. Man hat sie als eine Leiche ihrem Vater gebracht,.der sich von diesem Tage an, in den einsamsten Flügel seines Schlosses zurückgezogen hat und Niemanden mehr vor sich lassen will. Wir theilen den großen Schmerz, den ihm dieses fürchterliche Unglück bereiten muß.«

Kein Mensch ersteht die wahre Ursache dieses Selbstmordes.

Die Ehre der Familie Thonnerins war gerettet.

Während diese Ereignisse in der Dauphiné stattfanden, war Pascal in sein Dorf zurückgekehrt, und man kann sich leicht denken, von welchem tiefen Schmerze er verzehrt wurde.

Es war Abend, als er im Hause seiner Mutter anlangte.

Welche traurige Veränderungen waren in dem kurzen Zeitraume von wenigen Tagen vor sich gegangen!

Der Gärtner kam ihm diesmal nicht wie bei seiner ersten Zurückkunft mit Ausrufen der Freude entgegen, sondern er öffnete ihm das Gitterthor mit betrübter Miene und indem er sagte:

»Kommen Sie rasch, Herr Pfarrer, Sie werden mit Ungeduld erwartet.«

»Was ist denn wieder geschehen?«

»Sie wissen, daß Robert wegen eines Mordes gefänglich eingezogen worden ist?«

»Ja.«

»Aber dies ist noch nicht Alles. Fräulein Blanka ist sehr krank und ich habe den Doctor Maréchal aus Melle holen müssen, denn sie sagte, dieser würde sie sorgfältiger als jeder andere Arzt behandeln, weil er Ihr Freund ist.«

Felician eilte in’s Zimmer seiner Schwester, das ganz das Ansehen einer Krankenstube hatte.

Blanka lag in ihrem Bett mit weißen Vorhängen und einem fieberhaften Schlummer, der erschöpfender war als am vergangenen Tage. Madame Pascal saß in ihrem großen Lehnstuhle neben ihr, und beobachtete mit ängstlicher Fürsorge jede ihrer Bewegungen beim Scheine einer auf dem Nachttische stehenden Lampe, vor welcher Blanka den Bettvorhang zugezogen hatte, damit das Licht sie nicht am Schlafe hinderte.

Das Unglückliche Mädchen war sehr verändert, die Gemüthserschütterungen der letzten Zeit hatten ihre Kraft gebrochen und Roberts Verhaftung hatte ihr den letzten Stoß gegeben.

Diese Krankheit war jedoch ein Glück für sie. Wäre sie nicht krank geworden, hätte nicht ein physischer Schmerz den moralischen Schmerz betäubt, so würde sie den Verstand verloren haben.

Der Doctor Maréchal wohnte im Hause, das er nicht wieder hatte verlassen wollen, und arbeitete eben in seinem Zimmer.

Als Felician eintrat, erwachte Blanka von dem Geräusch und wendete sich nach ihm um.

»Es geht etwas besser,« war das erste Wort der Mutter, während sie ihren Sohn umarmte.

Der junge Mann kniete am Lager seiner Schwester nieder und küßte ihre heiße und abgezehrte Hand.

»Ich will den Doctor rufen,« sagte Madame Pascal.

Blanka lächelte ihren Bruder an und dankte ihm mit einem liebevollen Blicke.

»Leidest Du sehr, mein armes Kind?« fragte sie Felician.

»Hier brennt es!« flüsterte sie mit Anstrengung, indem sie aus ihre Brust und auf ihren Kopf zeigte. »Du weißt, daß Robert eingezogen ist?« setzte sie noch leiser hinzu.

»Ja.«

»Er hat den Grafen umgebracht.«

»Ich weiß es.«

»Robert muß gerettet werden, sonst sterbe ich.«

»Beruhige Dich, liebe Blanka, Gott ist gerecht und allgütig, Robert wird seine Freiheit wieder erhalten.«

»Bald, nicht wahr?«

»Ja, bald, verlaß Dich darauf.«

»Ich danke Dir,« sagte Blanka und ihr Gesicht verklärte sieh in einem Strahle der Hoffnung und Freude.

»Wirst Du ihn besuchen?« fragte sie nach einigen Augenblicken.

»Wo ist er?«

»Im Gefängnisse zu Niort. Du mußt zu seinen Richtern gehen und ihnen sagen, daß ich sterbe, wenn sie ihn verurtheilen.«

»Um des Himmels willen, sprich nicht so, meine gute Blanka! glaubst Du, daß es mir nicht schon schmerzlich genug ist, Dich in diesem Zustande zu sehen?«

Blanka schwieg.

Aber bald darauf hob sie wieder an:

»Du darfst ihm aber nicht sagen, daß ich krank bin und daß ich ihn liebe, dies wäre sein Tod. Vor Gericht jedoch, fuhr sie nach einer Pause fort, »kannst Du Alles sagen, damit er freigesprochen wird. Du sagst, daß ich einen Fehltritt begangen habe und wirfst alle Schuld auf mich, nicht wahr? Wenn ich wieder gesund bin, werde ich dies noch selbst thun, denn ich bin ja allein an dem ganzen Unglück schuld. Gott, wenn er sterben müßte, was sollte aus mir werden und was sollte ich der kleinen Susanne sagen, die mich alle Tage nach ihrem Bruder fragt! Was habe ich dem lieben Gott gethan, daß er mich so hart straft?«

Blanka verbarg ihren Kopf in den Kissen und heiße Thränen entströmten ihren vom Fieber gerötheten Augen.

Inzwischen kam Madame Pascal mit dem Arzte herab.

Die beiden Männer drückten sich schweigend die Hand, aber ihr Stillschweigen war beredsamer als alle Worte es hätten sein können. Es giebt Empfindungen, welche nicht ausgesprochen zu werden brauchen, um sie zu verstehen zu geben; ein Blick oder ein Händedruck sind genügend.

Madame Pascal, welche allen den fürchterlichen Ereignissen der lebten Tage beigewohnt hatte, ohne die näheren Umstände derselben zu kennen, dachte nicht über die Ursache der Krankheit ihrer Tochter nach. Sie wußte nichts, als daß Blanka krank und dem Tode nahe war.

»Geister Sie ihr ein Mittel, damit sie schläft, Herr Doctor,« sagte sie zu Maréchal.

»Ja, Madame,« erwiderte dieser, indem er ein Fläschchen ans der Tasche nahm und einige Tropfen daraus in ein Glas Wasser goß, welches Blanka dann trinken mußte.

»Es ist nur eine Gemüthskrankheit,« sagte er zu Felician, »der Körper leidet nur unter dem Einflusse eines moralischen Schmerzes. Können wir diesen Schmerz beseitigen, so wird sie bald genesen. Dies ist auch der Grund, weshalb ich sie schlafen lasse, so oft Es sich thun laßt.«

Noch den nämlichen Abend reis’te Felician nach Niort und hielt sogleich um die Erlaubniß an, Robert besuchen zu dürfen, was ihm ohne Weiteres gestattet wurde.

Der Gefangene wurde mit aller nur möglichen Rücksicht behandelt und erfreute sich der Achtung und Theilnahme aller seiner Landsleute, so daß sein Gefängniß eher das Ansehen einer freiwilligen Wohnung als eines Kerkers hatte.

Die Bücher welche er verlangt hatte, waren ihm zugestanden worden und so beschäftigte sich der junge Mann der vollkommen ruhig war und dem sein Gewissen nicht den leisesten Vorwurf machte, seit seiner Verhaftung mit Lesen und Studieren.

Felician warf sich in seine Arme.

»Dies ist meine Freisprechung vor Gott,« sagte Robert, seine Umarmung herzlich erwidernd.

»Du hast also diesen großen Verbrecher umgebracht, Robert?« fragte ihn Pascal.

»Ja.«

»Warum hast Du nicht den Dingen ihren regelmäßigen Lauf gelassen?«

»Mein lieber Pascal, ich bin kein Priester und habe nicht wie Sie das Gelübde der Resignation und Demuth abgelegt. Ich habe diesen Menschen niedergestreckt wie damals den Stier, denn er war nicht mehr ein Mensch, sondern ein gefährliches wildes Thier. Da ich im Ganzen ein rechtschaffener Mann bin, so würde es der liebe Gott auch gewiß nicht zugelassen haben, wenn es etwas Unrechtes gewesen wäre. Dieser Schurke hatte schon Unglück genug über Sie und Ihre Familie gebracht. Ich war in einem Nebenzimmer und hörte Ihr ganzes Gespräch mit an. Einen Augenblick hatte ich die Idee, bei Ihnen einzutreten und den Elenden auf der Stelle zu ermorden, aber ich wollte die Strafe nicht in Ihrer Gegenwart an ihm vollstrecken, denn ich fürchtete, Sie könnten sonst als Mitwisser des Mordes angeklagt worden. So ist es besser, und Sie haben gar nichts mit der Sache gemein. Auch Fräulein Blanka steht auf diese Weise in Aller Augen makellos da, was sie übrigens für mich nie aufgehört hat zu sein, und sie braucht in Zukunft vor Niemanden zu erröthen. Was Sie selbst betrifft, mein Bruder, so sind Sie in Ihrer göttlichen Pflichterfüllung eines Hindernisses entledigt und Sie können ungestört auf dem Wege fortwandeln, den Sie durch die engen Pforten der Vergebung und Demuth betreten haben. Sie haben die göttliche Weihe empfangen, aber was kann ich noch in der Welt nützen? nichts. Gott hat mich dazu auserwählt, die Ehre rechtschaffenen Leuten zu retten, und ich danke ihm dafür. Nur etwas hätte mich noch an die Erde fesseln können: die Liebe Blanka’s aber sie liebt mich nicht. Mag mit mir geschehen, was da will. Werde ich zum Tode oder zum Bagno verurtheilt, so verliert Susanna zwar einen Bruder, aber sie findet an Ihnen einen Vater, an Ihrer Mutter eine Mutter und an Blanka eine Schwester. Gott konnte es nicht besser fügen und ich bin in Wahrheit ein glücklicher Mensch.«

Felician umarmte Robert von Neuem.

»Was hast Du zu Deiner Vertheidigung gesagt??« fragte er ihn dann.

»Nichts. Ich habe die Facta erzählt, ohne dessen, was Ihre Schwester betrifft, zu erwähnen, denn die Hauptsache ist, daß sie nicht unter der Sache leidet.«

»Du mußt Deine Freiheit wieder erhalten, Robert, denn es ist jetzt nothwendiger als je, daß Du am Leben bleibst. Wann werden die Gerichtsverhandlungen eröffnet?«

»Ist vierzehn Tagen.«

»In vierzehn Tagen also wirst Du frei sein.«

»Wird die Freiheit eine Wohlthat für mich sein.«

»Wenn Du es willst, ja,« antwortete Felician, indem er ihm die Hand drückte. »Und jetzt habe Vertrauen zu Gott; ich muß nach Moncontour zurückkehren, am Tage der Gerichtssitzung sehen wir uns wieder.«

Felician verließ das Gefängniß und begab sich zum Staatsanwalt.

Robert mußte um jeden Preis gerettet werden.

»Mein Herr,« sagte Felician zu dem Beamten, »ich habe Ihnen in Bezug auf die Gerichtsverhandlungen über die Ermordung des Grafen von La Marche eine Aussage oder vielmehr ein Bekenntniß abzulegen, dass ich Ihnen im Interesse des Angeklagten schuldig bin.«

»Sie sind Herr Felician Pascal und vor einigen Tagen ordinirt worden?« fragte der Staatsanwalt.

»Ja, der bin ich.«

»Ich und Jedermann kennt Sie als einen frommen Mann, und was Sie wünschen können, ist ohne Zweifel der Wille Gottes.«.

»Der Graf von La Marche ist ist ermordet worden,« begann Felician, indem er dem Staatsanwalt die Hand drückte, welche dieser ihm gereicht hatte.

»Ja von einem gewissen Robert.«.

»Kannten Sie den Grafen?«

»Nein, aber jetzt kenne ich ihn und weiß, daß er einer der größten Verbrecher ist, die die Erde je getragen hat.«

»Wissen Sie auch, warum Robert diesen Menschen umgebracht hat? ich will es Ihnen sagen und meine Aussage zu Protokoll geben, damit sie vor Gericht zu Gunsten des Angeklagten benutzt werden kann.«

Felician erzählte nun dem Staatsanwalt Alles, was wir wissen, ohne ihm selbst den Fehltritt seiner Schwester zu verschweigen.

Der Beamte hörte Felician fast mit Bewunderung an, und als er geendigt hatte, fragte er ihn:

»Sie sind also bereit, Ihre Erklärung schriftlich abzugeben, Herr Pfarrer, und sie öffentlich zu wiederholen?«

»Ja.«

»Sie interessieren Sich wohl sehr für Robert?«

»Ich bin ein Freund der Wahrheit und der Gerechtigkeit,« antwortete Felician; »außerdem aber kann ich in der That nicht leugnen, daß mir das Schicksal Roberts sehr am Herzen liegt.«

»Nun, so beantworten Sie mir noch eine Frage, Herr Pfarrer. Robert liebt Ihre Fräulein Schwester, wie Sie sagen?«

»Ja.«

»Und sie liebt ihn ebenfalls?«

»So, daß sie seine Berurtheilung nicht überleben würde.«

»Wußte Robert, daß sie ihn liebt, als er diesen Valery umbrachte?«

»Nein.«

»Sind Sie dessen gewiß?«

»Ich schwöre es Ihnen.«

»Dann hat er also ganz uneigennützig gehandelt, und sich für die Ehre Ihrer Familie aufgeopfert?«

»Nicht anders.«

»Und was gedenkt er zu thun, wenn er freigesprochen wird.«

»Er will die Gegend verlassen-«I

»Gut; es ist unnöthig, daß Sie Ihre Aussage zu Protokoll geben und daß noch Jemand außer mir Kenntniß davon erhält. Wenn Sie sich von hier entfernt haben, werde auch ich sie als nicht gehört betrachten. Sie haben seit acht Tagen genug Prüfungen erduldet und Gott wird Ihnen nicht länger den Lohn für Ihre Kämpfe und Siege vorenthalten. Dieser Lohn soll Ihnen werden. Gehen Sie, mein Bruder, beten Sie und hoffen Sie für die, welche Ihnen theuer sind.«

Felician kehrte nach seinem Dorfe zurück, und am folgenden- Tage hielt er zum ersten Male den Gottesdienst in seiner Kirche.

Acht Tage darauf war Blanka’s Besserung so weit fortgeschritten, daß sie, obgleich sie noch sehr schwach und angegriffen war, doch eine Messe ihres Bruders anhören und einige Kraft aus dem Gebet in der Kirche schöpfen konnte.

Endlich wurden die Assisen eröffnet.

Blanka wollte denselben durchaus beiwohnen und begab sich daher, trotz ihrer Schwäche in Begleitung Felicians und ihrer Mutter nach Niort.

Die Zuschauer drängten sich nicht weniger zu diesen Gerichtssitzungen, als damals in Nimes während des Prozesses Jean Raynals.

Aber Jedermann schenkte Robert eine herzliche Theilnahme, und aus allen Theilen des Saales lächelte man ihm freundlich zu.

Blanka erwartete mit stiller Resignation den Beginn der Verhandlung, und war fest entschlossen, ihr vergangenes Leben öffentlich zu bekennen, wenn es zur Freisprechung Roberts erforderlich war.

Robert war ruhig und gefaßt.

Er hatte Blanka von allem Anfange bemerkt, aber seine Achtung und Liebe verbot ihm, sie mit einem freundlichen Blicke zu begrüßen, bevor die menschliche Gerechtigkeit ihn entweder freigesprochen oder verurtheilt hatte.

Die Sitzung wurde eröffnet.

Zuerst wurde die Anklage vorgelesen. Sie war noch Roberts eigener Aussage abgefaßt, da er der einzige Thäter und der einzige Zeuge des Mordes gewesen war. Robert wendete daher auch durchaus nichts dagegen ein.

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