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Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 17

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Achtes Kapitel.
Dir Kraft des Guten und die Kraft des Bösen

Als die beiden Männer einander gegenüber standen, sprach sich ihre ganze Seele in ihren Blicken aus. Das Auge des Einen blieb ruhig und heiter wie der erste Strahl eines Sommertages, während das des Andren in einem fahlen Glanze leuchtete, wie der erste Blitz eines Gewitters.

Für Felician war schon kein Zweifel mehr. Die unheildrohende Gestalt vor ihm hatte einen Theil seines Lebensglückes zerstört.

Die beiden Männer bertraten in diesem Augenblicke die beiden großen Prinzipien der Weltordnung: Das Gute und das Böse. Der Kampf sollte beginnen; welcher von Beiden wird siegen?

Der Stolz allein schöpft seine Kraft aus sich selbst, und deshalb fällt er. Felician erhob die Augen zum Himmel und flehte den Gott, dem er diente, um die Kraft an, deren er selbst, um die Resignation, deren das unglückliche Mädchen bedürfen würde, für die er noch vor einigen Minuten gebetet hatte.

Uebrigens war, Felicians ganze Haltung so ruhig, das Valery zu sich sagte:

»Er ahnet noch nichts; er erkennt mich nicht.«

Der Kampf begann daher schon mit einem Nachtheile fürs ihn, da Pascal seinen wahren Namen kannte.

Valery brach. zuerst das Stillschweigen, indem er in einem Tone, als wäre er Felician gänzlich fremd, zu

diesem sagte:

»Fräulein Blanka ist ohne Zweifel diesen Morgen bei Ihnen gewesen und hat Ihnen ein Billet von mir überbracht?«.

Felician machte eine bejahende Kopfbewegung.

»Ich komme selbst zu Ihnen,« fuhr der ehemalige Bettler fort, »um mir die Antwort auf diesen Brief zu erbitten.«

»Nehmen Sie Platz, Herr Valery,« sagte Felician in sanftem Tone, »wir wollen ruhig mit einander sprechen.«

»Sie haben mich also erkannt?« fragte Valery.

»Seit gestern weiß ich von Herrn Maréchal. Daß Gott Sie gerettet hat, und seit einem Augenblicke weiß ich, daß der Graf von La Marche und Herr Valery eine und die nämliche Person sind.«

Valery blickte unwillkürlich umher, denn der Gedanke war in ihm aufgestiegen, daß Felician ihn vielleicht festnehmen lassen und sein früheres Bekenntniß veröffentlichen wollte.

Valery hatte darauf gerechnet, eine großartige Wirkung hervorzubringen, wenn er Felician seinen wirklichen Namen sagen würde, aber siehe da, der junge Priester kannte ihn im Voraus und äußerte nicht das mindeste Erstaunen. Dieses erste Mittel, auf das er gezählt hatte, schlug also fehl und er fühlte, daß ihm sein Gegner in diesem einen Punkte überlegen war.

»Nun ja,« erwiderte er, »ich bin allerdings Valery und will Sie um die Hand Ihrer Fräulein Schwester bitten, die ich liebe und die mich ebenfalls liebt.«

»Wenn Sie meine Schwester wirklich liebten, mein Herr, so würden Sie, anstatt es mir in diesem kalten und fast drohenden Tone anzukündigen, weinend vor mir auf die Kniee gefallen sein und zu mir gesagt haben:

Mein Leben und mein Tod sind in Ihrer Gewalt, mein Bruder, Sie haben die Macht in Händen, mich der gerechten Strafe zu überliefern, oder mir zu verzeihen, ich bereue mein Verbrechen, denn ich liebe Ihre Schwester und eine solche Liebe schließe alle Tugenden in sich; sie wird, je.nach Ihrem Willen, meine ewige Strafe oder meine ewige Erlösung-sein.«

»Und wenn ich so zu Ihnen gesprochen hätte, was würden Sie gethan haben?«

»Ich würde Ihnen die Hand gereicht und zu Ihnen gesagt haben: Gott wendet alle Mittel an, um verirrte Seelen zu sich zurück zu führen und ich danke ihm, daß er meine Schwester zum Werkzeuge Ihrer Bekehrung auserwählt hat. Gedulden Sie sich ein Jahr und überzeugen Sie sich während desselben, ob Sie sich nicht selbst täuschen; ist Ihre Reue, Ihre Besserung und Ihre Liebe dann aufrichtig und ernstlich, so werde ich Ihnen die Hand meiner Schwester gewähren, nicht allein zur Befriedigung Ihrer Liebe, sondern auch als ein lebendes Unterpfand der göttlichen Verzeihung.«

»Da ich also keine Heuchelei bei meinem Verlangen angewendet, da ich Sie nicht durch Verstellung hintergangen und da ich Ihnen mein Ansuchen kalt und ernst vorgetragen habe, so weisen Sie es zurück?«

»Welchen Weg Sie auch eingeschlagen hätten, ich würde die Wahrheit darunter erkannt haben. Ich liebe meine Schwester zu sehr, als daß ich mich in den Gefühlen, welche sie einflößt, irren könnte.«

»Sie verweigern mir also ihre Hand?«

»Ja, mein Herr.«

»Weil ich ein Verbrecher bin?«

»Weil Sie Ihre Verbrechen nicht bereuen.«

»Und Sie wollen sie mir wahrscheinlich büßen lassen?«

»Als ich erfuhr, daß Sie noch am Leben seien, habe ich mich in meine Zelle eingeschlossen und bin mit meinem Gewissen darüber zu Rathe gegangen, welches Verfahren ich gegen Sie einschlagen sollte.«

»Und Ihr Gewissen bat Ihnen gesagt: Valery hat einen Greis und eine Frau ermordet, er hat einen Unschuldigen an seiner Stelle hinrichten sehen, aber Gott hat ihn so krank werden lassen, daß er mir diesen dreifachen Mord entdeckte und mir das Recht gab, ihn zu veröffentlichen. Er ist vor sechs Monaten nicht gestorben, also hat ihm Gott noch sechs Monate zu leben vergönnt. Ich aber kenne nur meine Pflicht: Valery hat gemordet, also muß er sterben, das Evangelium und die menschliche Gesellschaft wollen es so. Nicht wahr, dies hat Ihr Gewissen Ihnen gesagt?«

»Sie irren sich.«

»Was hat es Ihnen sonst gesagt?«

»Es hat mir gesagt: Als Valery das Geständniß seiner Verbrechen ablegte und mich ermächtigte, es bekannt zu machen, glaubte er schon in der Gewalt des Todes zu sein; sonst würde er es mir nicht anvertraut haben. Da nun der Tod nicht eingetreten, da also die Ursache des Bekenntnisses aufgehoben worden, so fragt es sich, ob mit der Ursache zugleich die Wirkung aufgehoben ist, Da Gott ein Wunder an ihm gethan hat, so wollte et ihm ein Mittel zu leben gestatten, und dieses Mittel ist die Reue. Wenn Valery aufrichtig bereut, wenn er mit seinem vergangenen Leben gebrochen hat und auf den Weg des Guten zurückkehren will, so werde ich schweigen. Hat er dagegen ein neues Verbrechen begangen und ich sehe, daß das Böse zu tiefe Wurzeln in ihm geschlagen hat, dann werde ich thun, was ich thun sollte, wenn sein Tod wirklich erfolgt wäre, und ich werde die menschliche Gerechtigkeit der göttlichen zu Hilfe kommen lassen.«

»Und jetzt?…«

»Jetzt wiederhole ich Ihnen das Nämliche.«

»Wenn ich also ein neues Verbrechen begangen hätte und im Begriff wäre, noch eins zu begehen, so würden Sie mich anzeigen?«.

»Ja, dann würde ich die doppelte Verpflichtung haben, das Böse der Vergangenheit zu sühnen und es für die Zukunft zu verhindern. Ich frage Sie daher noch einmal, fühlen Sie die Kraft in sich, gegen sich selbst zu kämpfen und Alles aufzubieten, um zum Guten zurück zu kehren?«

»Das Gute ist ein leeres Wort,« versetzte Valery in spöttischem und drohendem Tone; »Sie haben dies eben selbst mit Bedauern zugestanden.«

Felician antwortete hierauf mit einem Blicke, in welchem sich die ganze Kraft und Ueberzeugung seiner Seele aussprach.

»Eine Aufrichtigkeit ist der andern wert,« fuhr Valery fort. »Nein, ich bereue meint Vergangenheit nicht, ich will meinen Lebenslauf nicht ändern, und dennoch werden Sie schweigen und mich ungestört meine Leidenschaften befriedigen lassen. O, ich habe für Alles gesorgt, als ich mich gerettet und aus dem Wege nach Frankreich sah, und da ich mir weder eine neue Heimath wählen, noch mich verstellen wollte, um das Stillschweigen von Ihnen zu erlangen, das Sie mir vielleicht verweigert haben würden, da ich endlich frei über mein Vermögen und über meine Zukunft verfügen wollte, so nahm ich mir vor, Sie in die Unmöglichkeit zu versetzen, mein Bekenntniß zu veröffentlichen und Sie, den Mann des Guten, zum gezwungenen Theilnehmer an meiner zukünftigen Existenz zu machen, welcher Art sie auch sein mag. Ich habe den Namen eines Grafen von La Marche angenommen, habe eine in der Nähe Ihres Hauses gelegene Besitzung gekauft, bin in die Messe gegangen, wenn Ihre Schwester sie besuchte und habe mir ihre Liebe zu erwerben gewußt. Hat sie nicht gesagt, daß es ihr Tod wäre, wenn sie nicht meine Gattin würde?«

»Dies hat sie mir in der That gesagt,« antwortete Felician in gelassenem Tone; aber meine Schwester ist jung und sie wird Sie vergessen.«

»Sie wird mich nicht vergessen, denn es giebt Dinge, die man nicht vergißt und ich habe Ihnen noch nicht Alles gesagt. Ich habe mir die Liede Ihrer Schwester zu erwerben gewußt und sie hat sich mir hingegeben.»

Bei diesen Worten überzogen sich Felicians Wangen mit einer Todtenblässe und er entgegnete mit fester Stimme:

»Sie lügen, mein Herr!«

»Sie glauben, ich lüge?»rief Valery; »nun, so lesen Sie.«

Zu gleicher Zeit legte er Felician sämtliche Briefe von Blanka vor.

Felician faltete den ersten besten aus einander und las ihn.

Eine einzige große Thräne fiel auf das in seinen Händen befindliche Papier, das er schweigend wieder zusammenbrach.

Dann gab er Valery das Packet Briefe mit den Worten zurück:

»Ich bitte Sie um Entschuldigung, daß ich gesagt habe, Sie lügen, ich nehme dieses Wort zurück. Mein Gott! verleihe mir Kraft!« flehte er leise.

»Verlassen Sie diese Gegend, setzte er leise hinzu, »entfernen Sie sich so weit als möglich von dem Arme der, Gerechtigkeit und suchen Sie der Reue Eingang in Ihr Herz zu verschaffen.«

»Nein, ich werde mich nicht entfernen.«

»Dann werden Sie ohne allen Zweifel verhaftet, in’s Gefängniß geworfen und zum Tode verurtheilt.«

»Nein, denn da ich zuvor in öffentlicher Gerichtssitzung die Briefe Ihrer Schwester vorlesen und sagen werde, daß Sie nicht die menschliche Gesellschaft, sondern nur sich selbst persönlich rächen wollen, so daß Ihr Name für alle Zeiten entehrt wäre, so werden Sie schweigen, als hätte ich bereut und mich gebessert. Sie sehen, daß auch diesmal wieder das Böse über das Gute siegt.«

»Sie irren sich, ich werde meinem Gewissen folgen. Ich habe Ihnen gesagt, daß ich Sie anzeigen würde, falls Sie ein neues Verbrechen begangen hätten; dies haben Sie gethan und daher werde ich sprechen. Gott will, das meine Schwester als Opfer falle, der Wille Gottes geschähe!«

»Dann wird Ihre Schwester vor Scham und Ihre Mutter vor Kummer sterben, denn Blanka ist die erklärte Mätresse eines Mörders gewesen.

»Meine Schwester wird entehrt sein, aber Gottes Wille ist geschehen und ich glaube, daß auf der Erde noch Reue und im Himmel noch Gnade genug sein wird, um einem verirrten Mädchen die Ruhe wieder zu geben.«

»Hören Sie mich an. Wir sind hier allein, Niemand kann uns hören und kein Mensch wird je erfahren, was zwischen uns vorgegangen ist, denn weder Sie noch ich haben ein. Interesse, davon zu sprechen. Glauben Sie mir, es ist das Beste, Sie bringen Ihre übertriebenen Grundsätze dem Glücke Ihrer Schwester, der Ruhe Ihrer Familie und der Ehre Ihres Namens zum Opfer. Machen wir einen Tausch: Geben Sie mir meine Erklärung zurück, ich gebe Ihnen die Briefe und die Sache ist abgethan.«

»Nein, mein Herr, Ihre Mittel und Versuchungen können mich nicht wankend machen. Von dem Tage an, wo man sich dem Himmel weiht, trägt man eine unversiegbare Quelle von Kraft- Geduld und Demuth in seinem Innern. Es gefällt dem Herrn, mich heute durch den größten Schmerz zu prüfen, der mir bereitet werden kann, sein Wille soll erfüllt werden.«

Was ich indeß einmal beschlossen habe,, muß geschehen,« versetzte Valery mit unterdrückter Wuth.

»Und was haben Sie beschlossen?«

»Ich habe beschlossen, daß ich Sie zwingen werde zu schweigen und daß ich nicht Ihre Schwester, sondern ein anderes Mädchen heirathen werde.«

»Sie haben ein Mittel, um dies zu erreichen, indem Sie mich ermorden, wie Sie den Pfarrer von Lafou ermordet haben und dann Ihre Erklärung aus dem Secretair dort nehmen, in welchem sie sich befindet.«

»Und wer sagt Ihnen, daß ich dies nicht thue?« erwiderte Valery leiser, indem er näher zu Felician trat, der nicht von der Stelle ging. »Sie kennen mich also noch nicht vollkommen? Sie wissen noch nicht, wer ich bin und daß ich, um das mir vorgesteckte Ziel zu erreichen, alle Hindernisse, die sich mir entgegenstellen, zu beseitigen verstehe, selbst die, welche Gott mir in den Weg legt? Sie wissen also nicht, Unglücklicher, daß jenes Papier die einzige Schranke ist, die noch zwischen mir und der glänzendsten Zukunft steht, welche ein Mensch träumen kann, daß ich, der gewesene Bettler seht nahe daran bin, das höchste Ziel des Ehrgeizes,. alle Würden und Ehren dieser Welt zu erreichen, daß mein ungewöhnlicher Verstand, das Werk meines Willens, mich, wenn es mir gefällt, binnen einem Jahre zu einem der vornehmsten und angesehensten Männer in Frankreich machen kann, und Sie glauben, daß ich Anstand nehmen werde, ein so unbedeutendes Hinderniß, wie Sie, aus dem Wege zu räumen? Sie glauben, daß, wenn ich schon die Ehre der Schwester gemordet habe, um meinen Zweck zu erreichen, und dieses Mittel mir fehlgeschlagen ist, mir die Ermordung des Bruders, als das letzte noch übrige Mittel, schwer fallen wird? Sie sind im Irrthum, mein Herr, Sie müssen sterben!«

Bei diesen Worten ging Valery an die Thür, verschloß sie sorgfältig und trat dann an das Fenster, um dies ebenfalls zu schließen. Aber hier sah er eine Menge Menschen auf der hell erleuchteten Straße versammelt – denn Felicians Ordination war ein Fest für das ganze Dorf – und es blieb ihm also zur Flucht weder die Dunkelheit, noch Einsamkeit, diese beiden unentbehrlichen Gehilfen der Mörder.

»Wenn er einen einzigen Schrei ausstößt,« dachte er, so ist in einem Augenblicke das Haus umzingelt und ich werde festgenommen.«

Valery wandte sich um und blickte Felician an, als wollte er aus dessen Haltung seinen Entschluß bemessen.

Felician lag auf den Knieen und betete.

Valery betrachtete ihn einige Secunden, ging dann auf die Thür zu, öffnete sie und entfernte sich mit den Worten:

»Nein, nicht diesen Abend und auch nicht hier.«

Beim Geräusch der zugeworfenen Thür blickte Pascal auf und als er sich allein sah, sprach er mit dankbar zum Himmel erhabenen Händen:

»Mein Gott, Du hast mich zwischen mein Gewissen und meine Ehre, zwischen meine Pflicht gegen Dich und die Liebe zu meiner unglücklichen Schwester gestellt; ich danke Dir, mein Gott, daß Du mir die Kraft verliehen hast, den Eid, den ich Dir geleistet, zu halten und Deiner Verehrung alle irdischen Leidenschaften aufzuopfern!»

Und er fiel von Neuem auf die Kniee und fuhr in seinem Gebete fort.

In diesem Augenblicke wurde die Thür leise ein wenig geöffnet und ein Mann betrachtete ihn einige Secunden mit rührender Bewunderung.

Dieser Mann der bleich war wie ein Gespenst und der alles vorangegangene im Nebenzimmer mit angehört hatte, war Robert.

Er schloß die Thier wieder, ohne den jungen Priester in seiner Andacht zu stören, ging auf die Straße hinunter und folgte dem sich entfernenden Grafen, indem er vor sich hin sagte:

»Jetzt hast Du es mit mir zu thun!«

Neuntes Kapitel.
Die physische Kraft

Felician war vernichtet. So fromm eine Seele auch sein mag, dergleichen Schläge müssen sie zu Boden drücken. Der Kampf, den er gegen Valery bestanden, war nichts gegen den, welchen er gegen sich selbst bestanden hatte und aus dem er siegreich hervorgegangen war. Felician war jung, er liebte Blanka mehr als sein Leben, seine Ehre mehr, als Blanka, aber mehr als Alles liebte er Gott,. und Gott legt Denen die ihn lieben, schwere Pflichten auf. Einen Augenblick hatte sich seine Jugend, wie ein feuriges Pferd sich unter dem Sporn des Reiters bäumt, gegen die fürchterliche Herausforderung des ruchlosen Frevlers empört; einen Augenblick hatte die menschliche Natur ihren Willen gegen die Pflicht des Priesters geltend machen wollen. Felician hatte gefühlt wie das stürmische Blut des Zornes durch seine Adern rollte; er hatte die Augen geschlossen unter der brennenden Wolke, die, ohne daß wir uns dessen bewußt sind, unserm Herzen den Rachedurst und unsrer Hand eine Waffe giebt; aber bald hatte die christliche Ergebung sich aus dem Grunde seines Herzens bis zur Höhe seiner kochenden Leidenschaft erhoben und sie überfluthet wie ein klarer Strom, welcher steigt und in seinem durchsichtigen Wasser die kahlen und mephitischen Klippen verbirgt, die er einen Augenblick unbedeckt gelassen hatte. Die Seele des gottesfürchtigen jungen Mannes hatte dann nur eine ruhige und heitere Fläche dargeboten, die nicht von dem unreinen Grunde getrübt wurde, sondern in der sich das klare Blau des Himmels spiegelte.

Es war demnach einer der gräßlichen Siege, welche den Sieger tödten können; aber ist es nicht etwas Herrliches und Erhabenes, diese Religion der Demuth, der Pflicht und der Ergebung, die Christus auf die Erde gebracht und welche der Seele die großen und hehren Siege offenbart hat, welche sie seit Jesu Christo über sich selbst zu erringen vermag? Ist der Mensch nicht wirklich ein Glied der Gottheit, der sich so hoch über sich selbst erheben kann, daß er, während er an Wunden und Schlägen leidet und selbst stirbt, wie der göttliche Erlöser, mit seinem Blute auch zugleich Verzeihung giebt? Muß sie nicht endlich die Universalreligion werden, diese wundervolle Lehre, welche den Körper zum ewigen Sklaven der Seele gemacht hat?

Als Pascal sein Gebet beendigt hatte, setzte er sich nieder und überließ sich noch einmal seinen Betrachtungen.

»So ist denn Blanka entehrt,« sagte er zu sich selbst, »so ist denn unser Name geschändet und meine Zukunft schon am ersten Tage vernichtet. Wird mir Gott Kraft und Zeit genug geben, um dieses ganze Gebäude von Glück und Reinheit von Neuem auszuführen? Ich hoffe es; für jetzt habe ich gethan, was ich thun mußte und habe mir keinen Vorwurf zu machen; ich darf gerade auf meinem Wege fortwandeln. Noch diese Nacht reise ich nach Nimes und erfülle meine Sendung, als wäre nichts geschehen. Aber zuvor muß ich mich fest überzeugen, daß ich nicht aus Rache so handle und daß nichts mich selbst Betreffendes meinen Entschluß bestimmt hat, der menschlichen Gerechtigkeit ihren Lauf zu lassen, wenn dieser große Verbrecher noch im Bösen beharren sollte.«

Pascal überlegte einen Augenblick und nach reiflicher Prüfung seines Innern fuhr er fort:

«Nein, es ist weder Haß, noch Zorn, noch Rachsucht in mir. Wenn morgen dieser Mann zum Tode verurtheilt würde und ich ihm bis zum letzten Augenblicke geistlichen Beistand leisten wüßte, so fühle ich, daß ich ihn ermahnen würde, als wäre er mir gänzlich fremd und als hätte er nicht jedes irdische Bund meines Lebens zerrissen. Dies ist noch nicht genug. Als ich gestern erfuhr, daß er noch am Leben ist, sagte ich zu mir, die menschliche Gesellschaft würde mehr durch seine Reue und Besserung als durch seinen Tod gewinnen, er darf also nicht sterben. Das Schafott ist eine gezwungene Reue und Gott läßt sich dadurch nicht täuschen. Ich werdet meine Anzeige nur gegen das, formelle Versprechen machen, daß ihm das Leben geschenkt und ihm zu seiner Besserung die Zeit gelassen wird, welche die Natur ihm vergönnen will, denn es ist. unmöglich, daß ein so großer Verbrecher nicht einst zur Erkenntniß kommt. Die Todesstrafe ist entweder zu hart oder zu milde. Die größte Strafe, die einem Verbrecher auferlegt werden und die allein ihn zur Besserung führen kann, ist die Erinnerung, und diese vermag nur das Leben zu bieten. Valery soll leben, denn bei meiner Seele und meinem.Gewissen, der Priester darf die Todesstrafe nicht anerkennen. Und nun noch einmal habe Dank mein Gott,I daß Du das letzte Verbrechen dieses Mannes hast auf mich fallen lassen, das heißest auf ein Wesen, das unfähig ist, einen Augenblick an Dir zu zweifeln.«

Felician rief seine Haushälterin, eine brave Frau, die seit zwanzig Jahren in der Pfarrwohnung war, die ihn hatte zur Welt kommen sehen und daher auch ihm die Wirtschaft führen wollte.

«Ich bitte Dich, meine.gute Margarethe,« sagte er zu ihr, mir sogleich das Kabriolet zu bestellen, in dem ich nach Niort gefahren bin, so wie ein Postpferd und einen Postillon. Ich muß auf einige Tage verreisen.«

»Es soll geschehen, Herr Pfarrer erwiderte Margarethe.«

»Umarme mich,« setzte Felician hinzu, indem er sie in seine Arme schloß, während die Thränen aus seinen Augen quollen; »ich fühle das Bedürfniß, ein rechtschaffenes Herz an meine Brust zu drücken.«

»Was fehlt Ihnen denn, Herr Pfarrer?«

»Nichts, Margarethe, nichts. Vergiß nicht den Wagen zu bestellen.«

»Tragen, Sie keine.Sorge.«

Felician nahm seinen Hut und entfernte sich, um zu seiner Schwester zu gehen.

Als er auf die Straße trat, wurde er von den versammelten Dorfbewohnern mit neuen Lebehochrufen empfangen.

»Ich danke Euch herzlich, Ihr Lieben,« sagte er gerührt zu ihnen, »seit versichert, daß ich für Euch beten und daß Gott Euch segnen wird.«

Alle-diese braven Leute, die gewiß keine Ahnung davon hatten, welcher tiefe Kummer den jungen Priester das Herz zerriß; begleiteten ihn bis zur Tür seines mütterlichen Hauses und gaben ihm so; einen öffentlichen und einhelligen Beweis ihrer ihrer Achtung und Verehrung.

Als Felician das Gartenthor hinter sich schloß, ertönte noch einmal der Ruf: »Es lebe der Herr Pfarrer!« dann entfernten sich die Leute nach und nach und bald sank das ganze Dorf wieder in das gewohnte Stillschweigen.

Es war, als hatte Gott dem jungen Manne diese rührenden und herzlichen Zeichen der Theilnahme gesendet, um ihn schon für die überstandene Prüfung zu belohnen und ihn für den Kampf zu stärker, den er noch zu bestehen hatte.

Felician fand Blanka neben ihrer Mutter sitzend, den Blick auf die Thür geheftet und bei dem leisesten Geräusche erhebend.

Lächelnd trat er ein, umarmte seine Mutter und sagte zu Blanka, indem er ihre Hand ergriff:

»Komm mit mir, Blanka, ich muß mit Dir sprechen.«

Sie konnte die Augen nicht von denen ihres Bruders abwenden, als wollte sie schon im Voraus ihr Schicksal in denselben lesen.

Er führte sie in ein Nebenzimmer und als er sich neben sie gesetzt hatte, umarmte er sie, ohne ein Wort zu sprechen.

Dieser Kuß gab dem armen Kinde einigen Muth.

»Ist Herr von la Marche bei Dir gewesen?« fragte sie ihn.

»Ja,« antwortete Felician, »und er hat mir Alles gesagt.«

»Alles?« rief Blanka.

»Alles.«

»Und Du hast mir vergeben, lieber Bruder?« fuhr sie fort, indem sie ihm zu Füßen sank und ihren Kopf in seinem Schoße verbarg.

»Mit welchem Rechte könnte ich Dir nicht vergeben.«

»Der Graf hat Dich um meine Hand gebeten?«

»Ja,«

»Und Du hast sie ihm zugesagt?«

»Nein.«

»Nicht?« versetzte Blanka mit Erstaunen.

»Dieser Mann liebt Dich nicht, und er ist Deiner nicht würdig, mein Kind.«

»O, ich danke Dir, mein Bruder!« rief Blanka, indem sie sich an Felicians Brust warf.

»Was willst Du damit sagen?«

»Ich will damit sagen, daß ich ihn eben so wenig liebe, daß ein entsetzliches Verhängniß mich seiner Gewalt unterworfen hat und daß ich die Verbindung mit ihm nur geschlossen hätte, um die Ehre unseres Namens zu retten, daß sie aber eine ewige Strafe für mich gewesen sein würde. Wie gütig ist Gott, daß er mir gestattet, den begangenen Fehltritt auf andre Art zu büßen! Nicht wahr, lieber Bruder, kein Fehler ist so groß, daß er nicht durch Reue gesühnt werden könnte?« Ich will in ein Kloster gehen und Tag und Nacht beten, will mein Herz ganz dem Himmel weihen, nur nicht die Gattin dieses Mannes werden. Kein Mensch wird den Grund dieses Schrittes erfahren und meine Seele wird Hand in Hand mit der Deinigen den Weg des Herrn wandeln.

Tief betrübt hörte Felician seine Schwester an und als er ihr antworten wollte, brachen seine Thränen hervor und seine edlen Züge bedeckten sich mit einem erquickenden Thau.

»Um des Himmels willen, was fehlt Dir, lieber Bruder?« rief Blanka. »O, ich bitte, weine nicht!«

»Höre mich an, meine innig geliebte Blanka,« entgegnete Felician, indem er seine Augen trocknete und die Stirn seiner Schwester mit Küssen bedeckte; »Du weißt daß ich Dich liebe, Du weißt, daß ich mein Leben, als es mir noch gehörte, gern für Dich gelassen haben würde, Du weißt, daß mein Herz nur ein Unglück in Deinem Fehltritte erblickt und daß kein Gedanke, an einen Vorwurf in mir aufsteigt, und dennoch, armes Kind, wird Deine Strafe von meiner Hand und aus meinem Munde kommen, der in diesem Augenblicke nur von Vergebung spricht; ich bin es endlich, der Deine Entehrung, die ich gern vor Alter Augen verborgen hätte, der Oeffentlichkeit Preis geben muß.«

»Was meinst Du damit, lieber Bruder?«

»Jener Mann, der eben bei mir war, hat, ehe er Dich kennen lernte, ein Verbrechen begangen und Gott hat befohlen, daß ich der Entdecker dieses abscheulichen Verbrechens werden soll. Dein Fehltritt ist nur eine fürchterliche Berechnung seines höllischen Geistes gewesen, denn er wollte mich durch Deine Entehrung zum Stillschweigen zwingen. Er wird gerichtet und zum Tode verurtheilt werden, dies unterliegt keinem Zweifel; aber ehe er stirbt, wird er Deine Schande offenbaren und Dein Fehltritt wird vor den Augen der ganzen Welt auf Deiner Stirn geschrieben stehen. Deshalb weine ich, deshalb bitte auch ich Dich um Verzeihung für den Schmerz, den mein Gewissen und meine Religion Dir zu bereiten mich zwingen.«

»Dies wird die Mutter nicht überleben,« hauchte Blanka, die leichenblaß wurde und kaum im Stande war, sich aufrecht zu erhalten, »und es wird auch mein Tod sein; aber da es Deine Pflicht ist, lieber Bruder, so thue es; da Gott es befiehlt, so gehorche; Gottes Wille geht dem unsrigen vor.«

Felician zog sie an seine Brust und die beiden Geschwister hielten sich einige Augenblicke schweigend umarmt, während ihre Thränen in einander flossen.

»Endlich darf ich ungehindert weinen,« sagte Pascal, »denn vor einer Schwester braucht sich der Mann seiner Schwäche nicht zu schämen und mein Herz ist übervoll. Ach, wir waren so glücklich und ich hatte so schöne Pläne für Dich entworfen!«

»O, sprich nicht so, Felician, Du zerreißest mir das Herz!«

»Du hast Recht. So höre denn, was wir thun wollen. Diese Nacht reise ich ab, Du bleibst bis zu meiner Zurückkunft bei meiner Mutter und dann gehst Du in ein Kloster. Da Dein Fehler vor die Oeffentlichkeit kommt, so muß auch die Sühne dafür öffentlich stattfinden, und diese Sühne bist Du nicht Gott, sondern auch den Menschen schuldig, sonst würde ich zu Dir sagen: nicht die Mauern eines Klosters sind es die dem Herrn gefallen, sondern die Gedanken, die man mit hinein bringt, und diese Gedanken kann man eben so gut im Hause bei seiner Mutter als im verborgensten Winkel der Erde hegen. Wir haben einem braven Manne, den Du ohne Deinen Willen gekränkt hast, denn unser Haus ist eine Stätte des Unglücks, wir haben Robert versprochen, seine Schwester Susanne zu uns zu nehmen. Dieses Versprechen müssen wir halten, Blanka, denn Robert darf von dem Vorgefallenen nichts erfahren und muß ebenfalls diese Gegend verlassen. Die Mutter und Susanne aber bleiben bei mir.«

»Ach ja, Felician!« schluchzte Blanka, »Du hast Recht, wenn Du sagst, daß unser Haus dem Unglück geweiht ist, und doch weißt Du noch nicht Alles.«

»Was weiß ich denn noch nicht, mein Kind?«

»Ich liebe Robert und er ist von Allem unterrichtet, ausgenommen vielleicht davon nicht, daß ich ihn liebe.«

»Mein Gott! mein Gott!« rief Felician, indem er kraftlos auf seinen Stuhl zurücksank, »das ist mehr als ich ertragen kann!«

Blanka weinte an seiner Seite und flüsterte leise vor sich hin:

»Wie werde ich aus dieser entsetzlichen Lage zwischen meiner Buße und meiner Liebe zu Robert kommen?«

Felician war einer Ohnmacht nahe und bedurfte der frischen Luft. Schwankend erhob er sich, ohne ein Wort zu sprechen, und nachdem er seine Schwester noch einmal umarmt hatte, verließ er das mütterliche Haus und kehrte in seine Wohnung zurück, wo er auf die Kniee fiel und betete. —

Jetzt zwei Fragen. Glaubet Ihr, daß die Körperkraft dem Menschen verliehen worden ist, wie dem Thiere, ohne Grund und ohne Zweck?

Ich glaube es nicht.

Glaubet Ihr, daß Gott gewissen rechtschaffenen und ehrenwerthen Leuten das Recht gegeben hat, sich ohne Beihilfe des Gesetzes zu Werkzeugen seiner Gerechtigkeit aufzuwerfen, wenn sie in ausnahmsweise Fälle kommen, welche für die ganze menschliche Gesellschaft so gefährlich und verderblich sind, wie wir es bei Valery gesehen haben?

Ich glaube es fest.

Es war völlig dunkel geworden. Robert ging ohngefähr dreißig Schritt hinter Valery und außer diesen beiden Männern war dein Mensch auf der einsamen Straße zu sehen.

Valery war bleich, aufgeregt und zitternd wie das Bild der Angst.

Robert war ebenfalls bleich, aber ruhig und finster wie seine Statute der Notwendigkeit.

Plötzlich verschwand Valery in einem Seitengäßchen, auf dem eine schmale und holprige Treppe zwischen zwei Mauern in’s Thal hinabführte.

Robert ging schneller und bog in das nämliche Gäßchen ein. Er war jetzt nur noch zehn Schritt von Valery entfernt.

Als dieser ohngefähr auf der Mitte der Treppe war, die er langsam und wie in Gedanken versunken hinunterstieg, schlug ihn Robert sanft auf die Schulter.

Valery fuhr erschreckt zusammen und wendete sich um.

Aber die Dunkelheit war so dicht, daß er den jungen Zimmermann nicht erkannte, den er überhaupt erst zweimal gesehen hatte.«

»Was wollen Sie?« fragte Valery.

»Sie sind doch wirklich der Nämliche, den man den Grafen von La Marche nennt?« entgegnete Robert in ruhigem und ernstem Tone.

»Ja; warum?«

»Weil ich Ihnen sagen will, was Sie eben zu Herrn Felician Pascal gesagt haben: Beten Sie, denn Sie müssen sterben.«

»Und wer wird mich umbringen wenn ich fragen darf?« versetzte Valery höhnisch.

»Ich.«

Zu gleicher Zeit zog Robert seine Jacke aus, warf sie von sich und streifte seine Hemdärmel empor.

»Das möchte ich wohl sehen!»rief Valery, indem er sich ebenfalls kampffertig machte; aber im nächsten Augenblicke hatte Robert seine beiden Hände ergriffen und hielt sie in seiner Linken so fest wie in einem Schraubstock.«

»Ich gebe Ihnen fünf Minuten Zeit, um Ihre Sünden zu bereuen,»sagte der athletische junge Mann. »Wie Sie eben zu Felician sagten, sind Sie auf Alles vorbereitet; Sie haben gegen alle Kräfte dieser Welt gekämpft, aber eine Kraft haben Sie vergessen, gegen die Ihr ungewöhnlicher Verstand, wie Sie Ihren Höllengeist zu nennen belieben, nichts vermag: es ist die Körperkraft, diese rohe Kraft, die ich besitze und die Sie aus der Welt befördern wird, ehe Sie Zeit gehabt haben, eine neue Schändlichkeit zu begehen.«

»Wer sind Sie denn?»stotterte Valery.

»Ich bin die strafende Gerechtigkeit, wie Sie sehen.«

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06 aralık 2019
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