Kitabı oku: «Drei starke Geister», sayfa 8
Lebe wohl, meine gute Mutter. Mein heutiger Brief enthält eine Reihe ächt kindlicher und christlicher Worte, wie Dein Herz sie versteht und wie wir sie oft gegenseitig ausgetauscht haben, wenn wir an einem schönen Herbst- oder Frühlingsabende neben einander im Freien saßen. Bald werden wir und dieser friedlichen Gewohnheit wieder hingeben, um nicht eher von Ihr abzulassen, als bis es dem Herrn gefällt, und zu sich zu rufen.
Grüße meine liebes Schwester Blanka von mir und sage ihr, daß meine Gedanken stets voll schöner Pläne und Wünsche für ihre Zukunft sind.
Ich möchte gern noch mehr schreiben, aber ich will den Brief selbst nach dem Landungsplatze tragen und die Stadt ist durchs eine Wüste von vier Stunden Breite vom Meere entfernt.
Dein Sohn,
Felician Pascal.«
Als der junge Meeren diesen Brief beendigt hatte, fühlte er sich glücklich. Er bildete einen so auffallenden Contrast mit Josephs Beichte und war so ganz der Ausdruck eines Herzens, das den richtigen Lebensweg verfolgt, daß Felician in dem Lesen dieser von ihm selbst geschriebenen Zeilen gleichsam ausruhte, wie der ermüdete Wanderer unter dem selbst aufgeschlagenen Zelte ruht.
Er versiegelte ihn, schrieb die Adresse darauf, nahm Hut und Stock und begab sich aus seinem Gasthofe in Begleitung von Reisenden, die sich aus dem »Nicolas« einschiffen wollten, nach dem Landungsplatze.
Wie sie bestieg er ein Maulthier ohne Zaum und ohne Bügel, auf dessen Rücken nur ein grauer Leinwandsack als Sattel gelegt war.
Nebenher gehende Neger führten die Saumthiere. Hinter ihnen kamen Lastwagen mit Exportwaaren, von Ochsen gezogen, deren Führer ebenfalls nebenher gingen, sich mit einer Hand auf den Rücken des Thieres stützten und während des ganzen Weges schliefen.
In der Ferne erblickte man die dunkle Linie des Meeres, das mit dem Himmel den Horizont bildete.
Aus dieser Entfernung gesehen, erschien der »Nicolas« ohngefähr so groß wie eine Nußschale.
Felician ging nicht allein deshalb noch einmal an Bord, um dem Doktor Maréchal seinen Brief zur Besorgung zu übergeben, sondern auch um zu erfahren, ob Joseph gestorben und wie er gestorben war.
Endlich erreichte man das Meeresufer und Pascal ließ sich sogleich in einem der bereitstehenden Boote nach dem »Nicolas« überfahren, auf dessen Verdeck er in einer halben Stunde ankam.
»Mein lieber Doktor,« sagte er zu Maréchal, »Sie haben mir versprochen, einen Brief an meine Mutter mitzunehmen?«
»Allerdings, und ich werde dieses Versprechen mit Vergnügen erfüllen.«
»Sie werden eine würdige, fromme Frau und ein schönes, liebenswürdiges Mädchen kennen lernen; sie kennen Sie zwar noch nicht, aber wenn Sie ihnen sagen, daß Sie mich kennen, so werden sie Sie sogleich lieben, erstens deshalb und dann auch um Ihrer selbst willen. Sie werden sie umarmen, wie ich Sie umarme, und ihnen meine bevorstehende Rückkehr ankündigen.«
»Wie lange bleiben Sie noch am Kap?«
»Zwei bis drei Monate. Sie wissen, daß ich mit Erbschaften und Geschäftsleuten zu thun habe, mit denen man nie zu Ende kommt.«
»Verlassen Sie Sich auf mich.«
»Jetzt sagen Sie mir noch, wie geht es mit Valery?«
Statt einer Antwort zeigte der Doctor auf einen Schiffsjungen, welcher damit beschäftigt war, eine Kanonenkugel in einen Sack einzunähen.
»Was bedeutet dies?« fragte Pascal.
»Es bedeutet, daß der;Sack für ihn zurecht gemacht wird, in welchem er ins Meer versenkt werden soll.«
»Er ist also todt?«
»Noch nicht, denn er hat ein so zähes Leben wie eine Katze, aber wir werden nicht einmal warten, bis er seinen letzten Seufzer ausgehaucht hat, um ihn uns vom Halse zu schaffen. Er kann unmöglich davon kommen und es ist sowohl für ihn als für uns eine Wohlthat, wenn wir ihm die letzten Augenblicks des Todeskampfes ersparen. Er wäre im Stande, noch das ganze Schiff anzustecken. Wenn Sie zehn-Minuten hier bleiben, so können Sie seiner Beerdigung beiwohnen, wenn man diese Cerenonie so nennen will.«
»Nein,« sagte Pascal, »ich mag dies nicht mit ansehen.«
»Dann leben Sie wohl, mein Bruder, denn wir wollen ihn heraufholen.«
Die beiden Männer umarmten sich herzlich.
Nachdem Pascal auch vom Kapitain Abschied genommen hatte, bestieg er gedankenvoll sein Boot wieder, das sogleich vom Schiffe abstieß.
Als er am Lande ankam, hörte er zwei Kanonenschüsse. Sie waren das Lebewohl des »Nicolas« der seine Anker lichtete.
»Jetzt ist es wahrscheinlich vorüber mit dem Unglücklichen,« sprach Pascal vor sich hin, indem er ein heißes Gebet für Josephs Seelenruhe zum Himmel sandte. »O menschlicher Hochmuth! dahin also führst Du!«
Siebentes Kapitel.
Blanka
Pascal blieb, wie er vorausgesehen hatte, noch drei Monate am Kap.
Er bedurfte dieser Zeit, um die Erbschaft zu heben, welche er seiner Schwester mitbringen wollte; denn der Erblasser war ohne Testament gestorben und seine Angelegenheiten waren nicht in der besten Ordnung. Ueberhaupt mögen Hinterlassenschaften auch hoch so klar und einfach sein, ihre Erhebung geht niemals rasch von Statten. Das Geld hat eine solche Anziehungskraft, daß selbst Die, welche es nur in ihrer Verwahrung haben es dem Eigenthümer so lange als möglich vorenthalten. Es dünkt ihnen, als wären sie die Besitzer desselben, so lange sie es in ihrer Kasse haben, und vielleicht nähren sie sogar im Stillen die Hoffnung, es für immer aufbewahren und es sich zuletzt zueignen zu können.
So war das Ende des-Monats Dezember herangekommen.
Dies war eine ungünstige Zeit für eine lange Seereise, aber Felician dachte nur an die Freude, seine Mutter und seine Schwester wieder zu sehen und sobald als möglich die Laufbahn zu betreten, der er sich zu widmen beschlossen hatte.
Die drei Monate, die er in der Kapstadt verlebt, hatte er zur Vollendung seiner auf dem Seminar begonnenen theologischen Studien angewendet, denn wie man sich denken kann, nahmen seine Geschäfte nicht alle seine Zeit in Anspruch. Er war nun so weit vorbereitet, daß er sich nur noch dem Bischof vorzustellen brauchte, um seine Ordination zu empfangen.
Er, reiste daher ab und landete im Monat April 1834 mit dem freudigen Gefühle, das Jedermann beim Wiedersehen der Heimath empfindet, auf französischen Boden. Um nichts von seinen Eindrücken zu verlieren, um die Wonne der Heimkehr recht mit Muße zu genießen beschloß er, den Weg, der ihn noch von seiner Familie trennte, zu Fuße zu machen, so sehr es ihn auch drängte, sie zu umarmen. Er übergab sein Gepäck einem Spediteur zur Besorgung und trat wohlgemuth seinen Marsch an, auf Wegen, die er zwar nicht kannte, auf denen er sich aber schwerlich verirren konnte, da es die seines Vaterlandes waren. Man muß lange gereist und von Hause entfernt gewesen sein, um die unendliche Freude zu begreifen, die man empfindet, wenn der Fuß den heimathlichen Boden wieder betritt. Die Natur verwandelt sich plötzlich und lächelt uns so freundlich an, wie keine andere Gegend, wäre sie auch noch so schön. Die Lust scheint leichter, die Straße weniger hart zu sein und ich behaupte, daß eine fünfzehnstündige Wanderung auf vaterländischen Boden weniger ermüdet, als ein Marsch von zehn Stunden in dem herrlichsten, aber fremden Lande.
Pascal schritt also rasch und munter vorwärts. Ueberall fand er Gott, grüßte die hölzernen und steinernen Kruzifixe am Wege, auf deren Stufen ermüdete Schnitterinnen saßen, hielt sich nur auf, um ein frugales Mahl einzunehmen oder um einiger Stunden Schlafes zu genießen und brach immer mit der Morgenröthe wieder auf, um die lieblichen und reinen Frühlingsdüfte in ihrer ganzen Frische einzuathmen
Die Ebenen, die Hügel und die Berge, welche er überschritten hatte, entschwanden nach und nach seinen Blicken, aber je näher er dem Ziele seiner Reise kam, desto mehr ergriffen ihn unbestimmte Ahnungen, welche gewiß in jedem Menschen unter ähnlichen Umständen unwillkürlich aufsteigen. Wenn Ihr lange von Denen entfernt gewesen seid, die Ihr liebtet, wenn der Weg, den Ihr verfolgtet, nur Euch gestattete, Ihnen zuschreiben, ohne daß. Ihr Nachricht von ihnen erhalten konntet, da Ihr nirgends eine Zeit lang verweilten und wenn Ihr dann nach Monaten oder Jahren zu ihnen zurückkehrt, stieg dann nicht plötzlich der Gedanke in Euch auf, daß Ihr lange nichts von ihnen hörten, daß das Leben ein schwankendes, zerbrechliches Rohr ist, und daß Ihr wohl leicht das Hans, welches Ihr bewohnt verließet, leer wiederfinden könntet? Ihr sagtet zu Euch selbst. Wenn der Zufall wollte, daß meine Mutter gestern gestorben wäre, und daß ich nur ankäme, um sie begraben zu sehen! Die Möglichkeit ist vorhanden. Oder wenn ich das Hans meiner Kindheit schwarz ausgeschlagen und die heiteren Freunde meiner Jugend trauernd und niedergeschlagen um einen von Kerzen beleuchteten Sarg wiederfinden sollte! Oder auch, wenn ich an die Thür klopfen werde, deren Schwelle ich so oft überschritten habe, ohne zu: ahnen, daß einst das Unglück durch sie einziehen könnte, und diese Thür würde mir von einer unbekannten Person geöffnet, die zu mir sagte: Was wollen Sie? und mir auf den Namen, den ich ihr zitternd nenne, antwortete: Die Person, nach der Sie fragen, ist längst gestorben! Und vielleicht könnte ich mich nicht einmal erinnern, was ich an dem Tage gethan, als dieses Unglück mich traf; ich war vielleicht heiter, ich machte vielleicht Pläne für die Zukunft! Wenn ich die Briefe, die ich von Zeit zu Zeit an sie schrieb, um ihnen meine Heimkehr scheinbar näher zu rücken, noch unberührt und versiegelt finden sollte! Wenn ich endlich da, wo ich ein geliebtes Wesen zu finden hoffte, das mich unter Freudenthränen in seine Arme geschlossen hätte, nur eine Marmorplatte mit einem Namen darauf und einen leblosen Körper finden sollte, der das Geräusch meiner Schritte nie mehr vernimmt! Es wäre gräßlich!.Bald nahmen diese unbestimmten Ahnungen in Eurem Geiste die Gestalt von Wahrscheinlichkeiten an, denn nichts ist wahrscheinlicher als der Tod, und Ihr waret schon im Begriff, stehen zu bleiben, ja sogar umzukehren, weil Euch der Zweifel tausendmal lieber war, als die Gewißheit, denn der Zweifel ist noch ein Schimmer von Hoffnung. Dann betrachtetet Ihr Alles, was Euch umgab, die Bäume, die Wolken, den Horizont, in der Hoffnung, daß vielleicht eine Veränderung der Natur Euch die Veränderung, welche Ihr befürchtet, andeute; aber die Natur war noch immer die nämliche, denn sie stirbt nicht, und die Zukunft verriet Euch keines ihrer Geheimnisse. Ihr setzt daher im Streite mit Euch selbst Euren Weg fort und ein heftiges Klopfen bemächtigte sich plötzlich Eures Herzens; Ihr waret in der Stadt oder in dem Dorfe angekommen. Nun betrachteten Ihr ängstlich alle Vorübergehenden. Welche Freude empfandet Ihre wenn erste bekannte Gesicht Euch heiter anlächelte! Ihr hattet also nichts zu fürchten, denn so bös können die Menschen nicht sein, um Jemanden mit lächelndem Angesicht zu begrüßen, wenn sie wissen, daß seiner ein Unglück und ein Schmerz wartet. Ein ganz natürlicher Aberglaube verhinderte Euch indessen, dieses erste Lächeln zu befragen. Ihr hattet seinen heitern Gruß als Bürgschaft und wolltet Euer Glück nur aus dem Munde Derer hören, die es Euch ganz gewähren konnten. Ihr schrittet ruhiger und vertrauensvoller vorwärts und Ihr erkanntet die Dinge, wie sie früher gewesen waren. Ihr bemerktet von ferne das Haue, das Euer Ziel war, und nichts in seinen Aeußern hatte sich verändert. Eure Aufregung wurde nun so heftig, daß Ihr Eure Schritte hemmtet und zu Euch sagtet: Dort sind sie und ahnen nicht, daß ich ihnen so nahe bin. Sie sprechen vielleicht von mir, sie fragen sich, wo ich jetzt sein mag, sie glauben mich noch in dem Lande, aus dem ich ihnen das letzte Mal schrieb. Und Ihr maltet Euch im Geiste das Bild aus, das sich Euern Augen darbieten würde, wenn Ihr die geliebte Schwelle überschritten Endlich klopfte Ihr an die Thür, Eure Dienerin öffnet, in dem Wahne, einen Fremden zu finden, und als sie Euch erkannte, stieß sie einen Freudenschrei aus und verkündete sogleich dem ganzen Hause Eure unerwartete Ankunft. Nun entstand ein Geräusch von Stühlen, Küssen, Thränen und Fragen, und alle Eure trüben Ahnungen entflohen durch die offene Thüre, gleich Dieben, welche nichts zu stehlen gefunden haben.
Eine der zauberhaften Wirkungen der Heimkehr besteht darin, das in einem Augenblicke die seit der Abreise verflossene Seit und alle während dieser Zeit gehegten Besorgnisse verschwinden. Man glaubt den, welchen man wieder sieht, erst den Tag vorher verlassen zuhaben, man kehrt so rasch und so ganz in das frühere Leben zurück, daß man sich gar nicht getrennt zu haben glaubt. Nun beginnt die Erzählung der Reisen, der Unfälle und der überstandenen Gefahren, über die man lachen kann, da sie vorüber sind, dann fragt auch der Reisende und erkundigt sich nach seinen Bekannten, die während seiner Abwesenheit die lange und beschwerliche Reise des Lebens fortgesetzt haben. Welche Veränderungen! Einige haben die Gegend verlassen, Andere haben sich verheirathet, noch Andere sind gestorben! Ein Wunsch, eine Erinnerung, eine Thräne fällt auf jeden der ausgesprochenen Namen, und Alles ist abgethan. Das Herz hat eine egoistische Seite, die es verhindert, sich lange mit Anderen zu beschäftigen, wenn es vollkommen glücklich ist, denn die Rückkehr in den Kreis geliebter Personen ist ein Glück, das zu den vollkommensten auf dieser Welt gehört.
Pascal empfand Alles, was wir hier geschildert haben. Wer ihn auf dem mit blühenden Brombeersträuchern eingefaßten schmalen Fußpfade hätte gehen sehen, der ihn nach dem mütterlichen Hause führt, würde eine große Unruhe an dem einsamen Wanderer bemerkt haben.
Das Dorf lag auf einer Anhöhe und zeichnete sich bald mit seinem massiven Kirchthurme auf dem blauen Hintergrunde des Himmels ab. Moncontour hat eine reizende Lage. Es ist von Mandelbäumen und Hagedornbüschen umgeben und rund herum ziehen sich freundliche, vom Pflugschar sorgfältig gekämmte Hügel, welche an den grün gebliebenen Stellen durch weidendes Vieh belebt sind, das jeden Vorübergehenden mit staunenden Augen anblickt.
Das Haus der Madame Pascal war, ohngeachtet seiner außerordentlichen Einfachheit, eines der schönsten in der ganzen Umgegend. Auf dem Wege, den Felician verfolgte, war es das erste, welches er erreichen mußte, denn es stand ohngefähr hundert Schritte weit vom Dorfe entfernt. Bald erblickte es der junge Mann hinter einem Vorhange von Pappeln, freundlich lächelnd wie ein junges Mädchen hinter ihrem Schleier. Zehn Minuten später hatte er das Gitterthor erreicht, von dem er in seinem Briefe sprach, und mit hochklopfendem Herzen zog er leise an der Glocke.
Der Gärtner öffnete und konnte einen Ausruf der Freude nicht zurückhalten, als er seinen jungen Herrn erkannte.
»Wo ist meine Mutter?« fragte Felician, indem er ihm die Hand reichte und die seinige herzlich drückte.
»Sie ist hier.«
»Und meine Schwester?«
»Ist bei ihr; sie sind Beide im Garten, ich will sie sogleich benachrichtigen.«
»Nein, bleibt hier, Freund, ich will mir das Vergnügen machen, sie zu überraschen.«
Mit einem stillen Dankgebet zu Gott schritt Pascal dem Garten zu, der hinter dem Hause lag und von einer niedrigen Mauer umgeben war.
Er bemerkte seine Mutter und seine Schwester welche, miteinander plaudernd, Arm in Arm auf und ab gingen.
Er schlug einen Seitenweg ein, um ihnen zuvorzukommen, und trat dann plötzlich vor sie.
Man erlasse es mir, die Freude und das Erstaunen der glücklichen Mutter zu schildern. Es giebt Dinge die sich nur fühlen, aber nicht beschreiben lassen.
Blanka äußerte ihre Freude über das Wiedersehen des Bruders nicht auf die nämliche Art wie ihre Mutter. Sie erschrak und erbleichte, als sie ihn Vor sich sah, und ihre Blässe entging dem jungen Manne nicht.
»Du umarmst mich nicht, Blanka?« fragte er sie.
»Dein Anblick hat mich so ergriffen und mich so glücklich gemacht,« erwiderte sie mit schwacher Stimme, »daß ich glaubte, ich würde in Ohnmacht fallen.«
Zu gleicher Zeit legte das schöne Mädchen eine Hand auf ihre Brust, als wollte sie die lauten Schläge ihres Herzens beschwichtigen, und als sie sich ein wenig erholt hatte, fiel sie ihrem Bruder um den Hals.
Von diesem Augenblicke an ging sie nicht mehr von seiner Seite und überhäufte ihn mit Liebkosungen und Fragen.
»Erzähle von Deines Reisen und Deine Pläne,« sagte sie zu ihm. »Warum hast Du uns den Tag deiner Ankunft nicht gemeldet? Wie bist Du gereist?«
»Ich komme von Nantes zu Fuß,« antwortete Pascal.
»Dann bist Du gewiß sehr ermüdet und wirst der Ruhe bedürfen.«
Und ohne aus seine Antwort zu warten, führte ihn Blanka in’s Speisezimmer und ihre Mutter bereitete selbst das Wiedervereinigungsmahl, was sie in ihrem mütterlichen Aberglauben keiner fremden Hand überlassen, wollte.
Blanka setzte sich nun ganz nahe zu ihrem Bruder und die beiden Geschwister nahmen einer des anderen Hände. Felician konnte nicht müde werden, sie zu betrachten, so schön war sie. Ihr waltendes blondes Haar, ihre feine weiße.Haut, durch welche man fast das Blut in den Adern circuliren sah, ihre großen, blauen, glänzenden und feuchten-Augen, die zwei frisch bethauten Blumen glichen, ihre schön geformte Nase, ihr kleiner purpurrother Mund, der sich nur öffnete um die perlenweißen Zähne blicken zu lassen, ihr schlanker und geschmeidiger Hals: dies Alles bildete ein wundervolles Ganzes, an dessen Anblick sich Felician nicht sättigen konnte. In dem Stande, dem er sich gewidmet hatte, war Blanka das einzige weibliche Wesen, das er lieben durfte, und daher war seine Liebe zu ihr nur um so stärker und inniger. Es war ihm erlaubt, alles Schöne zu bewundern und alles Gute zu« lieben, und da Blanka gut und schön war, so hatte er in ihr das Ideal der Liebe, frei von allem Materiellen und Leidenschaftlichen. Diese Liebe war so eifersüchtig, so sorgsam und so ängstlich, daß sie, wie wir gesehen haben, über das kleinste Wölkchen erschrak.
»Blanka, meine innig geliebte Schwester,« rief plötzlich der junge Mann, indem er ihren schönen Kopf in seine Hände nahm und einen Kuß auf ihre Stirn drückte, »sage mir, daß Du glücklich bist.«
»Ja, ich bin glücklich, sehr glücklich, lieber Bruder!« erwiderte Blanka im Tone der Ueberzeugung.
»Nun, so wollen wir essen, denn ich bin hungrig.«
Madame Pascal trat eben wieder in’s Zimmer und brachte die reichlich gefüllten Teller.
Felician setzte sich zwischen sie und seine Schwester und die Fragen begannen von-Neuem.
»Bleibst Du nun immer bei uns?« fragte die Mutter.
»Ja, liebe Mutter, nur auf einen Monat werde ich Euch noch Verlassen müsse.«
»Wohin willst Du denn wieder?«
»Nach dem südlichen Frankreich.«
»Und welchen Zweck hat diese Reise?«
»Ich habe den Willen eines Verstorbenen zu, vollziehen, dessen Beichte ich kurz vor seinem Tode angehört habe.«
»Du hast eine Beichte angehört?«
»Ja, liebe Mutter; und schon morgen will ich zum Bischof von Niort gehen, nur ihm diesen Fehler zubekennen, denn ein solcher ist es, da ich noch nicht ordinirt war, als ich die-Beichte anhörte. Da ich sie aber mit dem vollsten Glauben gehört habe und mein Entschluß, mich Gott zu treiben, sich nicht geändert hat, da ferner aus dieser Beichte viel Gutes für die Kirche und für mehrere Menschen hervorgehen kann, so hoffe ich, daß der Herr Bischof sie mir verzeihen wird. Aber beruhigt Dich; liebe Mutter ich reise nicht eher wieder ab, als bis ich Priester bin, und bis dahin wird noch einige Zeit vergehen.«
»Weißt Du nun auch, was ich während Deiner Abwesenheit gethan habe?«
»Nein, gute Mutter, aber ich bin überzeugt, daß das, was Du gethan hast, zu meinem Besten war.«
»Ich bin in Niort gewesen.«
»Wozu?«
»Um mit dem Bischofe zu sprechen.«
»Und hast Du mit ihm gesprochen?«
»Ja, ich habe über Dich mit ihm gesprochen und habe ihm Deine Briefe gezeigt.«
»Und dann. . .?«
»Dann hat er mir gesagt, ich sollte Dich sogleich nach Deiner Ankunft zu ihm schicken, und unserm Herrn Pfarrer, eine andere Seele bekommen sollte, hat er geschrieben, bis auf weitere Nachricht noch hier zu bleiben. Verstehst Du, was dies bedeutet?«
»Ja, ich glaube es zu verstehen, erwiderte Pascal hocherfreut; »in Folge Deiner Bemühungen soll ich die Stelle unseres jetzigen Pfarrers erhalten.«
»So ist’s, habe ich. recht gethan?«
»Wie kannst Du so fragen! – Morgen bei guter Zeit will ich nach Niort gehen.«
»Aber dazu ist es nöthig, daß Du gehörig ausruhest. Laß das Zimmer in Bereitschaft bringen, Blanka welches Deinen Bruder schon so lange erwartet, und sich selbst darauf, daß es an nichts darin fehlt. Nicht wahr, Du willst ein wenig schlafen, lieber Felician?«
Mutter und Sohn umarmten sich nochmals, denn dies ist die beredte Sprache der Mütter und Kinder, die sich lieben und sich nach langer Trennung wiedersehen.
Blanka ging, um zu thun, was Madame Pascal ihr aufgetragen hattet aber ehe sie sich in das Zimmer ihres Bruders begab, trat sie in das ihrige, und nachdem sie sich überzeugt hatte, daß Niemand sie sehen konnte, nahm sie ein Blatt Papier und schrieb eiligst mit zitternder Hand einige Worte darauf.
Ohne sich die Zeit zu nehmen, es in Briefform zu brechen, drückte sie es in der Hand zusammen und verbarg es in ihrem Busen, ohne Zweifel um es zu verwahren, bis sie es an seine Adresse gelangen lassen konnte.
Als sie hierauf ihr Zimmer verließ, war sie in einer so heftigen Gemüthsbewegung, daß sie sich an der Wand anhalten mußte, um nicht zu fallen.
War es denn etwas Böses, was sie eben gethan hatte?