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Kitabı oku: «El Salteador»

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Erster Teil

Erstes Capitel.
Die Sierra Nevada

Von den Bergketten, die Spanien nach allen Richtungen durchziehen, von Bilbao nach Gibraltar, von Alicante nach dem Cap Finisierre, ist unbestritten, wegen ihres malerischen Aussehens wie wegen ihrer geschichtlichen Erinnerungen, die poetischste die Sierra Nevada, welche der Sierra de Guaro folgt, von der sie nur durch das reizende Thal abgetrennt ist, in welcher eine Quelle des kleinen Flusses Orgiva liegt, der sich zwischen Almunecar und Motril in das Meer ergießt.

Hier ist selbst in unsern Tagen Alles noch arabisch: die Sitten, die Trachten, die Städtenamen die Bauwerk, obgleich die Mauren seit dritthalbhundert Jahren das Reich der Almohaden verlassen haben.

Dies Gebiet, das ihnen der Verrath des Grafen Julian überlieferte, war aber auch das Lieblingsland der Söhne des Propheten. Andalusien, das zwischen Afrika und Europa liegt, ist gleichsam ein Verbindungsglied zwischen beiden, das die Schönheiten des Einen und den Reichthum des Andern theilt, nicht aber das Traurige und Strenge; man sieht da die üppige Vegetation der Metidscha, von den frischen Wassern der Pyrenäen bewässert; man kennt weder die glühende Sonne von Tunis, noch die Kälte Rußlands. Heil Andalusien, der Schwester Siciliens, der Nebenbuhlerin der »glücklichen Inseln.«

Lebt, liebt und sterbet so heiter, als wenn Ihr in Neapel wäret, Ihr Glücklichen, die Ihr in Sevilla, Granada oder Malaga wohnet!

Ich sah aber auch in Tunis Mauren, die mir den Schlüssel ihres Hauses in Granada zeigten.

Sie hatten ihn von ihren Vätern geerbt und gedachten ihn ihren Kindern zu hinterlassen.

Wenn jemals ihre Kinder in die Stadt Aben-al-hamars zurück kommen, werden sie die Straße und das Haus, das sie bewohnten, wieder finden, ohne daß die zweihundertundvierundvierzig Jahre, die von 1610 —1854 vergangen sind, eine große Veränderung da bewirkt haben, außer daß sie die Bevölkerung von einer halben Million auf achtzigtausend Seelen verringert, und der ererbte Schlüssel würde aller Wahrscheinlichkeit nach die Thüre eines Hauses öffnen, das entweder leer oder unbewohnt ist oder bessert träge Bewohner sich nicht die Mühe genommen haben das Schloß ändern zu lassen.

Wahrhaftig, nichts Spanisches hat auf dem Boden gekeimt, dessen natürliche Vegetation die Palme, der Cactus und die Aloe ist, nichts, nicht einmal der Palast, den der fromme Carl V. da zu bauen anfing, um nicht die Wohnung der Emire und Kalifen einzunehmen, der von der Alhambra überragt wird und unter dem spöttischen Blicke dieser Nebenbuhlerin es nie über ein Stockwerk Höhe bringen konnte.

Alle diese Wunder der Kunst und der Civilisation, welcher die jetzigen Bewohner nie gleichkommen werden, umfaßte das Königreich Granada, der letzte Ueberrest und die letzte Form der Herrschaft der Araber in Spanien, und es streckte sich an der Küste des Mittelmeeres von Tarifa bis Almazarron, d. h. etwa hundertundfünfundzwanzig Stunden lang hin, während es von Motril bis Jaën, d. h. fünfunddreißig bis vierzig Stunden, in das Land hineinreichte.

Die Sierra de Guaro und die Sierra Nevada durchschnitten es in zwei Drittheilen seiner Ausdehnung.

Von dem Gipfel des Malahacen, seiner höchsten Spitze, konnte das Auge zugleich die doppelte Grenze erschauen, im Süden das Mittelmeer, die weite blaue Fläche, die sich von Almunecar bis Algier streckt, im Norden die Vega von Granada, den unermeßlichen grünen Teppich von Huelva bis zur Venta de Cordenas. Im Osten und Westen sodann die endlose Verlängerung der unermeßlichen Kette mit schneebedeckten Gipfeln, die den plötzlich erstarrten Wogen eines zum Himmel aufgethürmten Oceanes glichen. Unten endlich, rechts und links von diesem Eismeere, ein doppelter Ocean von Bergen, die allmälig in Hügel übergehen, welche anfangs mit staubigen Flechten, dann mit röthlicher Haide, dann mit dunklen Fichten, dann mit grünen Eichen, dann mit Bäumen aller Art und grünen Gebüschen bewachsen sind.

Heut zu Tage gehen drei Straßen – eine von Motril, eine von Velez-Malaga, eine von Malaga aus – über die Schneesierra und führen von der Meeresküste nach Granada, die eine über Joyena, die andere über Alcaacin, die dritte über Colmenar.

In der Zeit aber, in welcher diese Geschichte beginnt, d. h. in den ersten Tagen des Juni 1519, gab es jene Straßen noch nicht, oder ihre Stelle wurde vielmehr durch schwach betretene Fußwege bezeichnet, welche nur die Füße der Maulthiere und ihrer Treiber mit kecker Sicherheit betraten. Diese Wege zogen sich durch Schluchten und ihre Höhen hinauf und hinab, man hätte sagen können nur um die Geduld der Reisenden aus die Probe zu stellen. Manchmal zog sich ihre schmale Spirallinie um einen steil emporsteigenden Felsen und dann hing der Reisende mit seinem sorglosen Thiere buchstäblich über dem Abgrunde, in den sein Blick mit Grauen hinab schaute. Je steiler der Pfad sich aufwärts zog, um so heißer wurde auch der Fels und um so mehr zagte der Fuß des Menschen oder des Thieres auf dem Granit auszugleiten, den die Tritte der Carawanen allmälig glatt wie Marmor gemacht hatten.

Sobald das Adlernest, Alhama, erreicht war, wurde der Weg zwar bequemer und stieg sanft abschüssig – angenommen, man kam von Malaga und ging nach Granada – in das Thal Joyena hinab, aber dann folgte einer gewissermaßen körperlichen Gefahr eine andere, welche der Phantasie fortwährend vorschwebte, wenn sie auch bis zum Augenblicke ihres Erscheinens unsichtbar blieb. Sobald die beiden Seiten des Weges gangbar wurden, und in ihrem dichten Gebüsch einen Zufluchtsort gewährten, standen zahlreiche Kreuze mit schauerlichen Inischriften an diesen Seiten.

Diese Kreuze bezeichneten die Gräber der Reisenden, welche von den zahlreichen Räubern ermordet worden waren, die sich in jenen Zeiten bürgerlicher Unruhen vorzugsweise in den Gebirgen von Cordova und Grenada, d. h. in der Sierra Morena und in der Sierra Nevada aufhielten.

Die Inschriften auf diesen Kreuzen ließen auch keinen Zweifel über die Todesart derjenigen zu, welche darunter schliefen. Als wir dreihundert Jahre nach den Reisenden, welche sogleich vor den Lesern erscheinen werden, dieselben Gebirge durchwanderten, sahen wir Kreuze gleich den erwähnten und von den schaurigen Querhölzern derselben schrieben wir Aufschriften ab, die keineswegs beruhigend lauten, wie:

 
Hier
wurde ein Reisender ermordet.
Betet für seine Seele!
 
 
Hier
wurden Vater und Sohn ermordet;
sie ruhen in einem und demselben Grabe.
Gott sey ihnen gnädig!
 

Die gewöhnlichste Aufschrift aber heißt:

 
A qui mataron un hombre.
 

d. h. »hier haben sie einen Menschen ermordet.«

Diese Art Todtenhecke zog sich anderthalb bis zwei Stunden weit, nämlich durch die ganze Breite des Thales. Dann ging man über einen kleinen Fluß, der an dem Dorfe Cacin hinfließt, um sich in den Xenil zu ergießen, und gelangte in den zweiten Theil der Sierra.

Dieser zweite Theil war allerdings minder rauh und minder beschwerlich zu übersteigen. Der Weg verlor sich in einem unermeßlichen Fichtenwalde und hatte die engen Schluchten, wie die steilen Felsenzacken hinter sich gelassen. Man merkte, daß man in mildere Gegenden gelangt war, und nach einer anderthalbstündigen Reise an einem schattenreichen Berge hin erblickte man ein wahres Paradies, nach welchem es auf einem sanften Hange, auf grünem Rasenteppich hinab ging, das mit gelb und duftig blühendem Ginster und Erdbeerbäumen bedeckt, deren Beeren allerdings roth sind wie Erdbeeren, deren etwas seifiger Geschmack aber mehr an den der Banane als an jenen der Frucht erinnert, welcher sie gleichen.

An diesem Punkte seiner Wanderung konnte der Reisende befriedigt und erfreut aufathmen, denn nun schien er von der doppelten Gefahr befreit zu seyn, der er entgangen war: entweder in einen Abgrund zu stürzen und sich zu zerschmettern, oder von einem gerade übellaunigen Räuber ermordet zu werden.

Man sah denn auch wirklich, links vom Wege, in der Entfernung von etwa einer Viertelstunde ein kleines Gebäude weiß herüber schimmern, das halb einem Wirthshause, halb einer Veste glich.

Es hatte eine Terrasse mit einer Brustlehne mit Zinnen, und ein eichenes Thor mit Querbalken und Nägeln.

Ueber dem Thore war das Brustbild eines Mannes mit braunem Gesicht und schwarzem Bart gemalt, der auf dem Kopfe einen Turban und in der Hand ein Scepter hatte.

Unter dem Bilde las man:

Al rey Moro, d. h. zum Maurenkönig.

Obgleich nun nichts andeutete, daß dieser Maurenkönig, unter dessen Namen und Schutz das Wirthshaus gestellt worden, der letzte Fürst sey, der in Granada geherrscht hatte, so konnte doch Niemand, der nur etwas von der edlen Malerkunst verstand, zweifelhaft seyn, daß der Künstler die Absicht gehabt habe, den Sohn Zoravas, Abul-abd-Allah, genannt al Zaquir, darzustellen, den Florian unter dem Namen Boabdil geschildert hat.

Unsere Eile es den Reisenden nachzuthun, d. h. unser Pferd in Galopp zu setzen, um in das Wirthshaus zu gelangen, hat uns verhindert einen Blick auf eine Person zu werfen, die zwar von niederem Stand zu seyn scheint, aber nichtsdestoweniger eine ausführliche Beschreibung verdient.

Allerdings war diese Person sowohl im Schatten einer alten Eiche als auch hinter dem geschlängelten Wege versteckt.

Ein Mädchen von sechzehn bis achtzehn Jahren war es, die theils irgend einem maurischen Volksstamme anzugehören, theils aber auch das Recht zu haben schien, der großen europäischen Familie zugezählt zu werden. Wahrscheinlich waren in ihr beide Volksstämme vereinigt und sie bildete ein Zwischenglied, welches in seltsamer Mischung mit dem heißen und zaubermächtigen Reiz der Südländerin die liebliche milde Schönheit der nordischen Jungfrau verband. Ihr Haar war so schwarz, daß es den bläulichen Schimmer des Rabengefieders erreichte, fiel auf den Hals herab und umgab ein vollkommen ovales Gesicht von höchst würdevollem Ausdrucke. Große blaue Augen, überschattet durch Lider und Brauen von der Farbe des Haares, eine mattweiße Haut, Lippen frisch wie Kirschen, Zähne, die Perlen beschämen konnten, ein Hals, der bei jeder Bewegung die Anmuth und Geschmeidigkeit des Schwanenhalses verrieth, Arme, die zwar etwas lang aber tadellos geformt waren, eine Gestalt biegsam wie das Rohr, das sich im See spiegelt, oder wie die Palme, die in der Oase schwankt, Füße endlich, die unbekleidet blieben, so daß man ihre zierliche Kleinheit bemerken konnte, vollendeten das Bild des Mädchens, auf welche wir die Aufmerksamkeit des Lesers lenken.

Ihre seltsame Kleidung bestand in einem Kranze virginischen Jasmins, den sie von dem Zaune des beschriebenen kleinen Hauses gepflückt hatte und dessen dunkelgrüne Blätter und purpurrothe Blüthen vortrefflich zu dem Rabenschwarz des Haares paßten. Den Hals schmückte eine Kette aus flachen Ringen von der Größe eines Philippdor, die in einander gesteckt waren und wie Flämmchen blitzten. Ihr seltsam geschnittenes Kleid war von dem Seidenstoffe, der matt und hellfarbig gestreift war und damals in Granada gewebt wurde, wie heut zu Tage noch in Algier, Tunis und Smyrna. Um die Hüften wurde es durch einen sevillanischen Gürtel mit Goldfransen knapp zusammen genommen, wie ihn jetzt der Maso trügt, der mit der Guitarre unter dem Mantel der Geliebten ein Ständchen bringen will. Wären Gürtel und Kleid neu gewesen, so hätten sie den Augen vielleicht weh gethan, der zu hellen grellen Farbe wegen, welche die Araber und Spanier lieben, aber langer Gebrauch hatte Alles ziemlich verschmolzen.

Das Allermerkwürdigste an der Schönen – die freilich in Spanien nicht so selten waren und sind als anderswo – war der reiche Anzug bei der gemeinen Beschäftigung. Sie saß auf einem großen Stein am Fuße eines der erwähnten Grabkreuze im Schatten einer riesigen Eiche, mit den Füßen in dem Bache, dessen Wasser sie wie Silbergaze bedeckte, und spann.

Unfern von ihr kletterte am Berge weidend eine Ziege, ein ruhiges, waglustiges Thier, der gewöhnliche Besitz des Besitzlosen.

Während sie mit der linken Hand die Spindel drehte, mit der rechten den Faden auszog und zugleich auf ihre Füße sah, über welche die kleinen Wellen des Baches plätscherten, sang das Mädchen halblaut eine Art Volkslied, das keineswegs der Ausdruck ihrer Gedanken zu seyn, sondern als Begleitung der Stimmen zu dienen schien, welche in ihrem Herzen sang und von Niemanden gehört wurde.

Von Zeit zu Zeit unterbrach die Sängerin den Gesang und die Arbeit und rief die Ziege, nicht um sie zu sich zu locken, sondern eben nur um ein freundliches Wort an sie zu richten. Sie bediente sich dabei des arabischen Wortes und so oft die Ziege das Wort maza hörte, schüttelte sie muthwillig den Kopf, ließ ihr silbernes Glöckchen klingen und weidete weiter.

Das Lied sang die Spinnerin nach einer langsamen und eintönigen Melodie, die man heute noch in den Ebenen von Tanger und in den Bergen Kabyliens hören kann. Es war die Romanze, welche in Spanien als das Lied vom König Don Fernand bekannt ist.

 
Granada, meine Holde,
Mit dem Band von Golde,
Sey mein Weib in Freud und Stürmen!
Nimm als Gabe, dir zu Ehren,
Drei der Klöster mit den Chören,
Drei der Besten mit den Wehren,
Drei der Städte mit den Thürmen.
 
 
Du brauchest nur zu wählen
Unter den Juwelen,
Ja und wär’s selbst die Giralda!
Wenn sie Dich erfreute,
Nähm‘ ich selbst im Streite,
Als die schönste Beute,
Sevilla die Giralda.
 
 
Und was auch sagt Sevilla,
Und was auch sagt Castitla,
Was auch immer sagt das Land,
Immer achte ich es klein,
Bist Du nur, Granada, mein.
Ach, Granada, laß mich ein,
Bin der König Don Fernand.
 

In diesem Augenblicke blickte sie auf, um ihre Ziege zu rufen, aber kaum hatte sie das Wort maza ausgesprochen, als sie verstummte und ihre Augen sich unverwandt auf den Weg von Alama her richteten.

Am Horizonte erschien ein junger Mann, der auf seinem andalusischen Rosse im Galopp den Berg herunter kam.

Das Mädchen begann dann die Arbeit wieder, aber noch zerstreuter als zuvor, als höre sie nur den Reiter kommen, wenn sie auch nicht mehr hinsah, und stimmte die vierte Strophe des Liedes an, welche die Antwort Granada’s an den König Don Fernand war:

 
Ja, ich liebe Dich, Don Fernand,
Aber mich drückt Unglückshand.
Komm, Befreier, hoch zu Roß!
Kronen tragend und – gefangen,
Sclavin, ob auch goldbehangen,
Harr ich Dein in Sehnsuchtsbangen
In dem Thurm mit Silberschloß.
 

Zweites Capitel.
El correo d‘amor

Während die Spinnerin die legte Strophe sang, war der Reiter so weit heran gekommen, daß sie beim Wiederaufblicken seinen Anzug und sein Gesicht erkennen konnte.

Es war ein schöner Mann von fünf- oder sechsundzwanzig Jahren mit einem breitkrempigen Hute, über den sich flatternd eine feuerfarbige Feder bog.

Im Schatten, den der Hut auf das nur halb beleuchtete Gesicht warf, glänzten zwei schöne schwarze Augen, denen man es ansah, das sie sich leicht an der Glut des Zornes oder an der Flamme der Liebe entzünden könnten. Die gerade Nase von untadeliger Form überragte einen leicht an den Seiten emporgedrehten Schnurrbart und zwischen diesem und dem Kinnbarte bemerkte man prächtige Zähne, weiß und spitzig wie die des Schakals.

Trotz und vielleicht wegen der Hitze trug er einen der cordova’schen Mäntel, die wie ein amerikanischer Poncho geschnitten sind, in der Mitte eine Oeffnung zum Durchstecken des Kopfes haben und den Reiter von den Schultern bis zu der Spitze der Stiefeln bedecken. Dieser Tuchmantel, von der Farbe des Feuers wie die Feder aus dem Hute, unten und an der Halsöffnung herum mit Gold gestickt, verhüllte einen Anzug, der außerordentlich zierlich seyn mußte, wenn man nach dem schließen dürfte, was davon sichtbar war, nämlich nach dem Ende der Aermel und nach den Bändern!

Sein Pferd, das er als vollendeter Reiter beherrschte, war ein schönes fünf- oder sechsjähriges Thier mit rundlichem Hals, flatternder Mähne, kräftigem Kreuz, bis zur Erde reichendem Schweife und von jener kostbaren Farbe, welche die letzte Königin von Castilien, Isabella, in die Mode brachte. Uebrigens war es ein Wunder, daß Roß und Reiter mit dem Feuer, das in beiden glühte, die steilen Pfade hatten zurücklegen können, die wir zu beschreiben versuchten, ohne zehnmal in die Abgründe hinabzustürzen.

Ein spanisches Sprichwort sagt, es gebe einen Gott für die Betrunkenen und eine Göttin für die Verliebten.

Wie ein Betrunkener sah unser Reiter nicht aus, aber einem Verliebten zum Verwechseln ähnlich.

Unbestreitbar wurde diese Aehnlichkeit dadurch, daß der Reiter, ohne sie anzusehen, ja wahrscheinlich ohne sie zu sehen, an dem Mädchen vorüberkam, vor welchem ganz gewiß selbst der König Don Carlos, so zurückhaltend und züchtig er auch trotz seinen neunzehn Jahren war, angehalten hätte, so schön war sie, als sie den Kopf empor richtete, um den geringschätzigen Reiter anzuschauen, und flüsterte:

»Der arme Bursch! Wie schade!«

Warum beklagte die Spinnerin den Reisenden? Auf welche gegenwärtige oder künftige Gefahr deutete sie?

Das erfahren wir wahrscheinlich, wenn wir den eleganten Caballero bis zur Venta des Mohrenkönigs begleiten.

Um zu dieser Venta zu gelangen, zu welcher ihn Eile zu treiben schien, mußte er noch über ein paar kleine Thäler. In jedem derselben, wo die gebahnte Bahn nur etwa acht oder zehn Fuß breit war und durch dichtes Gebüsch von Myrthen und Erdbeerbäumen führte, standen einige Kreuze, welche andeuteten, daß die Nähe der Venta die Reisenden keineswegs vor dem Geschicke bewahrt hatte, welches ein so allgemeines zu sein schien, daß diejenigen, welche die Wege betraten, auf denen so viele angekommen, das Herz sich wohl mit dem dreifachen Erze panzern mußten, von dem Horaz in Bezug auf den ersten Seefahrer spricht. Als der Reiter sich diesen schauerlichen Orten näherte, sah er nur nach, ob sein Schwert noch an seiner Seite hänge, ob sich die Pistolen noch an dem Sattelbogen befänden; als dies die Hand mechanisch, ohne Angst, gethan hatte, ritt er im gleichen Schritte seines Pferdes, mit gleichem furchtlosen Gesichte, durch die schlimme Gegend, el malo sitio, wie man dort sagt.

Auf dem höchsten Punkte des Weges richtete er sich noch einmal in den Steigbügeln auf, um die Venta besser zu sehen; als er sie erblickte, gab er dem Pferde die Sporen und als mache der Wunsch, dem Herrn zu dienen, das Thier unermüdlich, stürzte es in das kleine Thal hinab wie ein Boot, das von dem Kamme der Wogen in die Tiefe hineinschießt.

Die geringe Aufmerksamkeit, welche der Reisende auf den Weg wendete, und der brennende Wunsch, den er zu hegen schien, die Venta zu erreichen, hatten wahrscheinlich zwei Wirkungen.

Erstlich bemerkte er etwa zehn Männer nicht, die in einer Strecke von etwa einer Viertelstunde in dem Dickicht zu beiden Seiten versteckt waren, auf der Erde lagen und die Lunte der neben ihnen liegenden Gewehre sorgsam glimmend erhielten. Bei dem Pferdegetrappel hoben die unsichtbaren Männer den Kopf, stützten sich auf den Arm und das linke Knie, nahmen mit der rechten Hand das Gewehr und legten es mechanisch an die Achsel.

Zweitens überlegten diese Männer im Hinterhalte, als sie den Reiter so schnell vorüberkommen sahen, er habe wahrscheinlich ein Geschäft in der Venta und steige da ab, sie brauchten also keineswegs an der Landstraße einen verrätherisch knallenden Schuß abzubrennen, der vielleicht eine ansehnliche Carawane abschreckte und ablenkte, die ihnen eine reichere Beute bot, als sie bei einem einzelnen Reisen, den zu finden ist, so reich und elegant er auch sein mag.

Diese auf dem Boden im Dickicht liegenden Männer waren in der That die Gräberlieferanten, auf denen sie als gute Christen Kreuze aufpflanzten, nachdem sie die Reisenden hineingelegt hatten, die so unvorsichtig gewesen waren, auf Gefahr ihres Lebens ihre Börse vertheidigen zu wollen, nachdem die würdigen Salteadores sie mit dem Gewehre in der Hand mit den überall herkömmlichen Worten begrüßt:

»Das Geld oder das Leben!«

Auf diese ihr wohlbekannte Gefahr hatte das Mädchen wohl gedeutet, als sie den schönen Reisenden kommen sah und mit einem Seufzer die Worte sprach:

»Wie schade!«

Die Männer im Hinterhalte hatten indeß, wie wir gesehen haben, aus irgend einem Grunde kein Zeichen von ihrer Anwesenheit gegeben. Wie aber Jäger, denen sie glichen, ihren Posten verlassen, sobald das Wild vorüber ist, so kamen auch einige von ihnen, die erst den Kopf vorstreckten, dann den ganzen Körper, hinter dem Reisenden aus dem Walde hervor und gingen nach der Venta zu, in deren Hof der Reiter sprengte.

In dem Hofe stand ein Mozuelo, den Zügel des Pferdes in Empfang zu nehmen.

»Ein Maß Gerste für mein Pferd, ein Glas Xeres für mich, ein möglich gutes Essen für die, welche mir folgen.«

Als der Reisende dies gesagt hatte, erschien der hostalero (Wirth) an dem Fenster und die Männer aus dem Gebüsche erreichten die Thür.

Von beiden Theilen sah man einander an und die Blicke der Männer aus dem Dickicht bedeuteten:

»Wir haben also recht gethan, daß wir ihn nicht anhielten.«

Der Blick des Wirthes antwortete:

»Vollkommen.«

Da der Reiter diesen doppelten Blick nicht beobachtet hatte, weil er damit beschäftigt gewesen war, den Staub von seinem Mantel und seinen Stiefeln zu schütteln, sagte der Wirth:

»Tretet ein, Herr. Wenn auch dir Posada »zum Maurenkönige« im Gebirge liegt, ist sie doch, Gott sey Dank, wohl versorgt. Wir haben alle Arten von Wildbret, nur nicht Hasen, der ein unreines Thier ist. Wir haben eine olla potrida auf dein Herd und einen gaspecho. Wenn Ihr warten wollet. . . Einer unserer Freunde, ein gewaltiger Jäger, verfolgt einen Bären, der vom Gebirge heruntergekommen ist; wir werden Euch also bald frisches Fleisch bieten können.«

»Wir haben keine Zeit auf die Rückkunft deines Jägers zu warten, so verlockend auch der Antrag ist.«

»So werde ich mein Bestes thun.«

»Ja . . . Wenn ich auch überzeugt bin, daß die Señora, deren Bote ich bin, eine Göttin ist, die nur von Blumenduft und Morgenthau lebt, mache immerhin dein Bestes bereit und sage mir, welches Gemach Du ihr anweisen willst.«

Der Wirth öffnete eine Thür und zeigte dem Reisenden ein großes mit Kalk geweißtes Zimmer mit Eichenholztischen und Vorhängen an den Fenstern.

»Dies da,« sagte er.

»Gut,« antwortete der Reisende; »schenke mir ein Glas Xeres ein, siehe zu, daß mein Pferd sein Maß Gerste bekommt und laß mir in deinem Garten einen Strauß der schönsten Blumen pflücken.

»Das soll geschehen,« antwortete der Wirth. »Wie viel Couverts?«

»Zwei: eins für den Vater, eins für die Tochter. Die Diener essen in der Küche, nachdem sie die Herrschaft bedient . . . Geht nicht sparsam mit dem Weine gegen sie um.«

»Seyd unbesorgt. Wer so spricht wie Ihr, wird gewiß immer rasch und gut bedient.«

Wahrscheinlich um den Beweis für das zu geben, was er eben gesagt hatte, ging er hinaus und rief:

»Heda! Gil, zwei Gedecke! Perez, hat das Pferd die Gerste bekommen? – Amapola, lauf in den Garten und, schneide alle Blumen ab, die Du da findest.«

»Seht wohl!« flüsterte der Reiter und er lächelte zufrieden. »Nun, mein Theil! »

Von der Kette, die an seinem Halse hing, löste er eine goldene Kugel von der Größe eines Taubeneies, die durchbrochen gearbeitet war, öffnete sie, stellte sie auf den Tisch, holte aus der ersten Stube eine glühende Kohle, that sie in die goldene Kugel und streute auf die Kohle eine Prise Pulver, dessen Rauch sich alsbald in dem Gemache verbreitete und jenen lieblichen, starken Duft ausströmte, der dem Geruche so wohl thut. sobald man in das Gemach einer Araberin tritt.

In diesem Augenblicke kaut der Wirth zurück. In der einen Hand trug er einen Teller mit einem Glase voll Xeres und in der andern eine eben erst angebrochene Flasche. Ihm folgte Gil mit Tischtuch und Servietten und einem Haufen Teller, dann Amapola mit einem Arm voll jener Blumen mit brennenden Farben, die bei uns nicht ihres Gleichen haben, in Andalusien aber so gewöhnlich sind, daß ich nicht einmal ihren Namen erfahren konnte.

»Mache nun einen Strauß aus den schönen Blumen, Mädchen.« sagte der Reiter, »und gib die übrigen mir.«

Amapola suchte die schönsten Blumen aus und als sie zu einem Strauße zusammen gethan waren, fragte sie:

»Ist es so recht?«

»Vollkommen,« antwortete der Reisende; »binde sie nun zusammen.«

Das Mädchen sah sich nach einem Faden, einer Schnur um, aber der Reisende nahm aus seiner Tasche ein Band in Gold und Purpur, das er zu diesem Zwecke mit sich gebracht zu haben schien und von dem er ein Stück mit seinem Dolche abschnitt.

Dies Bandstück gab er der Amapola, welche den Strauß band und nach der Weisung des Reisenden auf einen der Teller legte, die Gil auf den Tisch gestellt hatte.

Er selbst streute die übrigen Blumen von dem Hofthore bis an den gedeckten Tisch in dem Gemache, dann rief er den Wirth nochmals und sagte:

»Da ist ein Philippdor für die Mühe, die ich Dir gemacht habe.«

Der Wirth verbeugte sich und der junge Reisende fuhr fort:

»Wenn Don Inigo Velasco de Haro Dich fragt, wer die Mahlzeit bestellt habe, so sagst Du: ein Mann, der Dir nicht bekannt. Fragt Dich Dona Flor, wer die Blumen gestreut, den Strauß bereitet, den Wohlgeruch verbreitet, so antwortest Du: ihr Liebesbote, Don Ramiro d’Avila.

Nach diesen Worten schwang er sich leicht aus sein schönes Roß, das der Mozuelo am Zügel hielt, jagte aus dem Hofe der Venta hinaus und setzte seinen Weg in Galopp nach Granada zu fort.