Kitabı oku: «Erinnerungen eines Policeman», sayfa 3
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Ich habe nie eine schweigsamen und minder interessante Reisegesellschaft gehabt als diese. Jeder Passagier schien seine besonderen Gründe, seine geheimen Ursachen zum Stillschweigen, zur Abgeschlossenheit zu haben. Nur ein paarmal bot sich eine Gelegenheit, mit dem Nachbar einige höfliche aber kalte Worte zu wechseln. Diese Anlässe waren an sich unwichtig; aber in den Augen eines Policemans haben die geringfügigsten Dinge eine Bedeutung und ich merkte mir jeden einigermaßen beachtenswerthen Umstand; unter Anderem, daß die drei Freunde nicht bis Kendal fahren, sondern vor einem Wirthshause an der Landstraße aussteigen wollten.
Auf der nächsten Station stieg ich aus und gab Barnes einen Wink, mir zu folgen.
Kennen Sie das Wirthshaus, wo die drei Herren ausgestiegen sind?« fragte ich ihn.
»Ja wohl,« antwortete Barnes, »es ist zwei Miles von Five Oaks House.«
»So nahe!« erwiederte ich verwundert ; »einer von uns sollte dort einkehren.«
»Es wäre am besten, daß ich ausstiege,« sagte Barnes, »ich kenne die Gegend sehr genau.«
»Das ist wahr,« erwiederte ich; »steigen Sie aus und beobachten Sie die drei Gauner. Ich fahre mit Mr. Bristowe bis Kendal . . . Aber unter welchem Vorwande wollen Sie vor dem Wirthshause aussteigen? Die Andern wissen, daß Sie bis Kendal eingeschrieben sind; solche Leute sind argwöhnisch, und hier muß jeder Argwohn vermieden werden, wenn nicht der ganze Plan vereitelt werden soll.«
»Das ist meine Sorge, « antwortete Barnes; »fürchten Sie nichts.«
»Gut, ich verlasse mich auf Sie, Barnes. Kommen Sie, wir müssen wieder einsteigen, die Pferde sind gewechselt.«
Der Eilwagen fuhr sogleich wieder ab. – Nach einigen Minuten zog Barnes eine große Feldflasche hervor und setzte sie mit großem Behagen an den Mund. Dieser zärtliche Kuß wurde nach einer Viertelstunde und nachher in immer kürzeren Zwischenpausen wiederholt. Der Inhalt der Flasche mochte wohl sehr stark wirken, denn unser Reisegefährte gab bald deutliche Anzeichen eines tüchtigen Rausches zu erkennen. Nach einer Stunde vermochte er kaum noch zu lallen und die Augen aufzuschlagen. Barnes schien einen schlimmen Rausch zu haben, denn er begann so unausstehlich zu zanken und so tolle Dinge zu plaudern, daß ich jeden Augenblick fürchtete, er werde mein Incognito verrathen und unsern Reisegefährten Mißtrauen einflößen. Aber er berührte diese kitzlichen Punkte mit keinem Worte, und als der Eilwagen vor dem bezeichneten Wirthshause anhielt, stolperte er hinaus, wankte im Zickzack in die Gaststube, warf sich auf eine Bank, legte den Kopf aus den Tisch und schwur, er werde um alles Gold der drei Königreiche bis zum andern Morgen nicht von der Stelle gehen.
Vergebens stellte ihm der Conducteur vor, daß er seinen Platz bis Kendal bezahlt habe, vergebens suchte er ihn zum Einsteigen zu bewegen, er mußte endlich den Trunkenbold seinem Schicksal überlassen.
Ich war in der grüßten Verlegenheit; ich dachte mit Entrüstung, wie Barnes im Stande seyn werde, die drei schlauen Gauner zu überwachen. Ich trat auf ihn zu, als die Gaststube eben leer war, und rüttelte ihn.
»Um des Himmels willen, Barnes, was haben Sie gethan und in welche Verlegenheit bringen Sie mich! Sie sind betrunken; was soll ich jetzt anfangen? Ich kann doch nicht zugleich die drei Gauner im Auge behalten und Mr. Bristowe nach Kendal begleiten.«
Aber Barnes, der an meinen Reden wohl merkte, daß wir allein waren, richtete sich rasch auf, sah sich nach allen Seiten um und machte einen Luftsprung.
»Odds-bobs!« rief er frohlockend, »ich hatte Ihnen ja gesagt, daß ich das Kleeblatt anführen würde; ich hatte freilich nicht gedacht, daß Sie auch in die Falle gehen würden.«
In diesem Augenblick ging die Thier aus, und blitzschnell wurde Josias wieder so betrunken, daß es unmöglich war, das Spiel zu durchschauen. Aus dem Theater habe ich nie eine so vollendete Darstellung gesehen; es war leicht zu erkennen, daß Josias in der großen Schule der Natur studirt hatte.
Ich verließ ihn daher vollkommen beruhigt und stieg wieder in den Eilwagen, der auf den Ruf des Conducteurs: All right sogleich in starkem Trabe abfuhr.
Da die drei Industrieritter und Barnes ausgestiegen waren, so befand ich mich mit Bristowe allein im Wagen.
Meine Verkleidung war nun überflüssig geworden und ich legte meine überflüssigen Westen, Shawls und Röcke, meine blonde Perrücke und meine grüne Brille ab. Mit Hilfe eines Packets, das ich in einer Serviette bei mir trug, machte ich vollständig Toilette, und in einigen Minuten war ich zum Erstaunen meines Reisegefährten. Derselbe, der ihn im Postkaffeehause so stürmisch angeredet hatte.
»Beim Himmel!« sagte Bristowe, »Sie sind ein famoser Komödiant, Sir. Erlauben Sie, daß ich Ihnen gratulire und Sie um Erklärung der Ursache dieser Umwandlung ersuche.«
»Ach, Sir!« antwortete ich. »ich fürchte, daß Sie diese Erklärung nicht sehr erbaulich finden werden.«
»Wie so?« fragte er, »was habe ich denn mit Ihrer Erklärung zu thun?«
Ich erklärte ihm mit möglichster Schonung die furchtbare Lage, in der er sich befand.
Er war mehr erstaunt als erschrocken. Er versicherte, von dem entsetzlichen Vorfall, der im Hause seines Oheims stattgefunden, kein Wort gehört zu haben. Aber ungeachtet des tiefen Eindrucks, den eine solche Nachricht auf ihn machen mußte, gab er weder durch Wort noch Geberde die mindeste Befangenheit zu erkennen.
»Ich bin weit entfernt, Mr. Bristowe, Ihre Geheimnisse enträthseln zu wollen,« sagte ich nach einer langen Pause; »aber Sie werden einsehen, daß Sie sich in einer sehr gefährlichen Lage befinden, wenn die Umstände, die ich Ihnen erzählt habe, vor Gericht nicht genügend aufgeklärt werden.«
»Sie haben Recht,« erwiederte er, »ich sehe, daß ich in eine gefährliche Schlinge gerathen bin. Aber ich bin schuldlos und zweifle nicht, daß sich früher oder später ein Mittel finden finden wird, meine Schuldlosigkeit zu beweisen.«
Er wurde wieder so schweigsam wie vorher, und wir Beide sprachen kein Wort mehr, bis der Eilwagen, meiner Weisung gemäß, vor dem Gefängniß zu Kendal anhielt.
Bei dem Anblick der düstern, verschlossenen Thür, der vergitterten Fenster, der vor dem Gebäude auf- und abgehenden Schildwache erschrak Bristowe und wechselte die Farbe; aber er gewann sogleich seine Fassung wieder und sagte ganz gelassen:
»Ich zürne Ihnen nicht, Sir, Sie thun Ihre Pflicht.
Auch ich werde meine Pflicht thun, und mein Geschick einer gerechten, allwissenden Vorsehung anvertrauen.«
Wir traten in das Gefangenenhaus. Hier wurde der Arrestant und sein Gepäck mit möglichster Schonung durchsucht.
Zu meinem größten Erstaunen, ich möchte fast sagen zu meinem Schrecken, fanden wir in seiner Börse ein spanisches Goldstück und in dem Futter seines Reisesackes ein mit Diamanten besetztes Kreuz. Ich wußte auf den der Polizei zugeschickten Notizen, daß die Goldmünzen von spanischem Gepräge waren und daß sich unter den in Five Oaks House gestohlenen Sachen ein mit Diamanten besetztes Kreuz befand.
Der Gefangene betheuerte, er wisse nicht, wie diese beiden Gegenstände in seinen Besitz gekommen seyen. Diese Versicherungen wurden von dem Gefangenwärter mit spöttischem Lächeln beantwortet. Ich sagte ebenfalls kein Wort: ich war im ersten Augenblicke zu bestürzt über die Täuschung, der ich mich hingegeben, als ich sein unbefangenes, heiteres Benehmen gesehen hatte.
Der Gefangenwärter beschränkte sich keineswegs auf jenes höhnische Lächeln.
»Ganz gewiß,«t spottete er, »haben Sie geschlafen, während das Goldstück in Ihre Tasche und das Diamantenkreuz in Ihren Reisesack gekommen ist.
»Ja, ja,« sagte ich, an meine Stirn schlagend, »so muß es seyn; ich hatte nicht daran gedacht, es kann nur geschehen seyn, während Sie geschlafen haben.«
Der Gefangenwärter sah mich erstaunt an; aber ich hatte das Haus verlassen, ehe er Zeit hatte, eine Erklärung meiner Worte zu verlangen.
Am andern Morgen war der Gerichtssaal mit Zuhörern überfüllt; denn es hatte sich schnell die Nachricht verbreitet, daß der Angeklagte verhört werden sollte. Viele Gerichtspersonen und Beamte, die nichts dabei zu thun hatten, saßen auf der Richterbank; denn der Prozeß hatte wegen der Stellung des Gefangenen und der räthselhaften Umstände, welche das Verbrechen umgaben, unter den Einwohnern der Stadt und Umgegend ungemeines Aufsehen gemacht.
Das Benehmen des Angeklagten war befangen, aber ruhig und gefaßt. In seinem festen. entschlossenen Blick glaubte ich auch jenes Selbstbewußtsein zu erkennen, welches der Verbrecher nie mit Erfolg zur Schau trügt. «
Nach Vernehmung einiger minder wichtigen Zeugen wurde der Knecht des Fischhändlers vorgerufen und gefragt, ob er die Person. die er zu Five Oaks am Tage vor dem Raubmorde gesehen, wiedererkennen werde.
Der Zeuge, der voraussetzte, es könne damit nur der Gefangene gemeint seyn, sah ihn wohl einige Minuten schweigend an; endlich sagte er:
»Ich sah den jungen Gentleman vor dem Camin stehen; er hatte seine Lagermütze auf dem Kopfe. Ehe ich rede, wünschte ich den Angeklagten mit der Mütze zu sehen.«
Bristowe setzte sogleich seine Mütze auf und der Zeuge rief:
»Ja, er ist’s! Es ist derselbe, den ich zu Five Oaks House gesehen habe.«
Der Advocat Carven nahm als Vertreter Bagshawn’s das Wort und gab den Richtern zu bedenken, daß sich diese Aussage im Grunde nur auf eine Militärmütze und überhaupt auf einen Anzug beziehe. Der Zeuge gestehe ja, daß er nicht das Gesicht. sondern nur die Kleidung der betreffenden Person gesehen.
Der Präsident ließ die Bemerkung des Advocaten keineswegs unbeachtet. wies aber auch die Aussage des Zeugen nicht zurück, um sie mit anderen Aussagen zusammenzustellen. Mehre Zeugen versicherten überdies, am Morgen vor dem Raubmorde von der unglücklichen Sara King gehört zu haben, daß der Neffe ihres Herrn angekommen sey.
Bristowe nahm nun das Wort. Er gab zu bedenken, Sara Kinn habe gar nicht lange bei seinem Onkel gedient; sie sey in dessen Haus gekommen, während er, Bristowe, in Indien gewesen sey. Sie könne ihn daher nicht gekannt haben, und er selbst habe sie nie gesehen. Höchst wahrscheinlich sey daher ein Anderer unter seinem Namen erschienen, und dieser Andere müsse den Raubmord begangen haben.
Der Präsident antwortete, alle diese Bemerkungen würden seiner Zeit den Geschworenen vorgelegt werden; aber in der Voruntersuchung könne man diesen Einwendungen nur eine bedingte Wichtigkeit beilegen, denn es sey hier nur zu entscheiden, ob der Gefangene in Anklagestand zu setzen sey, oder nicht.
Der nächste Zeuge war ein Polizeibeamten der die ersten Nachsuchungen gehalten hatte. Dieser Beamte hatte zu Five Oaks Hause das Stück des von Bagshawn an seinen Neffen geschriebenen Briefes gefunden.
Bagshawn wurde vorgeladen, denn der Gerichtshof wünschte zu wissen, ob er die auf dem Stück Papier befindliche Handschrift als die seinige anerkenne.
Der Gefangene vernahm diesen Beschluß mit tiefster Bewegung, als er bis dahin gezeigt hatte. Er stand auf und bat dringend , man möge seinem Oheim und ihm den Schmerz ersparen, sich nach mehrjähriger Trennung unter so erschütternden Umständen zum ersten Male wieder zu sehen.
Aber der Präsident antwortete mit dem Tone des Bedauerns:
»Es ist nicht möglich, Mr. Bristowe, in Ihrer Abwesenheit einen Zeugen zu verhören. Fassen Sie daher Muth, die Aussage Ihres Oheims wird einfach Ja oder Nein lauten, sie wird daher so kurz wie möglich seyn, aber sie ist durchaus nothwendig.«
»So verhindern Sie wenigstens, Mr. Carven,« sagte der Gefangene zu dem Anwalt seines Oheims mit einer Aufregung, die er nicht mehr zu bezwingen vermochte, »verhindern Sie wenigstens, daß meine Schwester nicht mitkomme; ich würde es nicht ertragen!«
Man beruhigte ihn durch das Versprechen, daß seine Schwester nicht vorgeladen werden solle.
Das junge Mädchen war vor Schrecken und Unruhe krank geworden.
Die Thür ging auf, und die zahlreiche Versammlung erwartete in ängstlicher Spannung das Erscheinen des neuen Zeugen.
Bagshawn trat bald darauf ein. Er war ein siebzigjähriger Greis mit weißem Haar; seine Gestalt war durch das Alter, aber noch mehr durch den Schmerz gebeugt; seine Augen waren gesenkt. und sein Gang verrieth die größte Niedergeschlagenheit.
»Onkel! lieber Onkel!« rief der Gefangene, auf ihn zu eilend
Der alte Mann blickte aus und sah seinem Neffen scharf in das klare, feurige Auge. Gewiß glaubte er in diesem Auge eine vollständige Widerlegung der gegen den jungen Mann gerichteten Anklage zu lesen, denn er breitete die Arme aus und sank weinend an seine Brust.
»Verzeihe mir, Robert,« sagte er schluchzend, »o verzeihe mir, daß ich an Dir gezweifelt! Deine Schwester hat nie den leisesten Argwohn gehabt.«
Eine lange, tiefe Stille folgte; endlich trat der Gerichtsdiener auf einen Wink des Präsidenten vor, berührte den Arm des alten Mannes und erinnerte ihn, an welchem Orte er sich befinde.
»Ja, ja,« sagte der Greis, indem er schnell seine Thränen trocknete und sich gegen den Gerichtshof wandte. »Entschuldigen Sie, meine Herren, es ist mein Neffe . . . der Sohn einer Schwester, die mir sehr theuer war.«
Dabei sah er die Richter mit einem bittenden Blick an.
»Mein Neffe,« fuhr er fort, »war bis zu seinem zwanzigsten Jahre bei mir . . . und nun finde ich ihn hier . . . einer Handlung angeklagt, deren er nicht fähig ist. Sie werden mich gewiß entschuldigen, meine Herren.«
»Es bedarf keiner Entschuldigung, Mr. Bagshawn,« antwortete der Präsident mit Wohlwollen ; »aber unsere Pflicht zwingt uns diese unglückliche Angelegenheit weiter zu verfolgen.«
Dann befahl er dem Gerichtsdiener, dem Zeugen das in Five Oaks aufgefundene Brieffragment vorzuweisen.
»Jetzt sagen Sie uns,« fuhr der Präsident fort, »ob dies ein Stück des Briefes ist, den Sie an Ihren Neffen geschrieben haben, um ihm anzuzeigen, daß Sara King Befehl erhalten, Sie zu empfangen, und daß sich die für den Ankauf des Gutes Ruland bestimmte Geldsumme zu Five Oaks befinde.«
»Ja, meine Herren,« antwortete der Zeuge, es ist meine Handschrift.«
Die Reihe kam nun an mich.
»Jetzt,« sagte der Schriftführer, sich zu mir wendend, belieben Sie die in Ihren Händen befindlichen Beweisstücke vorzulegen.«
Ich legte das spanische Goldstück und das diamantene Kreuz aus den Tisch.
»Herr Bagshawn,« sagte der Präsident, »belieben Sie dieses Goldstück und dieses Kreuz genau anzusehen.«
Der Greis trat vor, betrachtete die beiden Gegenstände sehr aufmerksam.
»Antworten Sie bei Ihrem Eide, fuhr der Präsident fort, »erkennen Sie diese beiden Gegenstände als Ihr Eigenthum?«
Der alte Gentleman betrachtete das Goldstück und das Diamantenkreuz von allen Seiten ; seine Hände zitterten und sein unschlüssiger Blick befragte seinen Neffen, ehe er die Frage beantwortete.
»Mr. Bagshawn,« sagte der Schriftführer, »Sie müssen Ja oder Nein antworten.«
»O! antworten Sie, Onkel! antworten Sie,« sagte der Angeklagte gelassen. »Sagen Sie die Wahrheit und fürchten Sie nichts. Mit Gottes Hilfe werde ich dem Netz entrinnen, in welches ich verstrickt bin.«
»Das gebe der Himmel,« sagte der Greis. »Gott wird Dir helfen, Robert, denn Du bist schuldlos. Ja, meine Herren, dieses Goldstück und dieses Kreuz gehören zu den aus meinem Hause geraubten Gegenständen.«
Ein leises, tiefes Aechzem das den Gerichtssaal durchbebte, bewies die innige Theilnahme aller Anwesenden.
Auf die Frage des Präsidenten erklärte ich, wie ich die Gegenstände, welche eben die Aufmerksamkeit des Gerichtshofes in Anspruch nahmen, gefunden hatte.
Als ich meine Aussage zu Protokoll gegeben, beriethen sich die Richter einige Minuten; dann wandte sich der Präsident zu dem Angeklagten mit den Worten:
»Ich habe Ihnen mit Bedauern anzuzeigen, daß der Gerichtshof genügende Beweise gegen Sie zu haben glaubt, um Sie in Anklagestand zu setzen, und folglich ins Gefängniß zurückzuschicken . . . Es ist unsere Pflicht alles anzuhören, was Sie zu Ihrer Vertheidigung zu sagen haben; aber Ihr Vertheidiger wird Ihnen vielleicht rathen, Alles dies einem andern Gerichtshofe vorzutragen, hier würde es Ihnen nichts nützen.«
Der Advocat Carven trat dieser Meinung bei; aber der Gefangene erklärte nachdrücklich, daß er die gegen ihn erhobene Anklage nicht durch sein Stillschweigen gutheißen werde.
»Ich habe nichts zurückzuhalten, nichts zu verschweigen!« sagte er kalt und mit Nachdruck, »ich habe nichts zu verbergen, ich will meine Freisprechung von dieser niederen Beschuldigung nicht den Spitzfindigkeiten der Advocaten verdanken. Wenn ich aus dieser Untersuchung nicht mit einem reinen makellosen Namen hervorgehen kann, so will ich lieber untergehen. Die Thatsachen, welche ich dem Gerichtshofe vorzulegen habe, sind folgende:
»Am Abende des Tages, wo ich den Brief von meinem Oheim erhielt, war ich im Drurylane-Theater, wo ich einen Sperrsitz im Parterre nahm. Nach dem Theater ging ich in ein Kaffehhaus, um eine Schale Eis zu nehmen. Als ich gegen ein Uhr Nachts wieder in den Gasthof kam, bemerkte ich beim Auskleiden, daß man mir meine Brieftasche, welche nicht nur den erwähnten Brief, von welchem hier ein Fragment liegt und eine bedeutende Summe in Banknoten, sondern auch sehr wichtige Papiere enthielt, gestohlen hatte. Es war zu spät, um sogleich die Anzeige bei der Polizei zu machen, ich mußte daher bis zum andern Morgen warten. Als ich mich ankleidete, um fortzugehen, meldete man mir, es wünsche mich Jemand in einer wichtigen Angelegenheit zu sprechen. Ich ließ den Unbekannten hereinkommen. Er stellte sich mir als einen Agenten der Sicherheitsbehörde vor und sagte, die Polizei wisse schon um den Diebstahl, den ein Mitschuldiger verrathen habe, und wenn ich einige Hoffnung behalten wolle, mein Eigenthum wieder zu bekommen, so müsse ich dem mit Nachforschungen beauftragten Agenten sogleich folgen.
»Wir verließen mit einander den Gasthof, und nachdem wir uns den ganzen Tag in vielen engen Gassen umhergetrieben und viele verdächtig aussehende Orte besucht hatten, meldete mir mein Begleiter nach kurzem Aufenthalte in einem Hause, wo ein Polizeicommissär wohnen sollte, das mir gestohlene Geld sey bereits von London weg in das westliche England gebracht worden. Die Diebe beabsichtigten wahrscheinlich, die Banknoten in einer großen Stadt gegen Gold einzuwechseln, ehe die Nachricht von dem Diebstahl verbreitet werde. Man müsse die Verbrecher ohne den mindesten Zeitverlust verfolgen.
»Ich wollte mich wieder in den Gasthof begeben, um die Kleider zu wechseln, denn ich war leicht gekleidet, und eine Nachtreise erforderte wärmere Kleidung. Aber der angebliche Polizeiagent wollte es nicht zugeben, er versicherte, der Eilwagen werde sogleich abfahren. Er gab mir aus seinem eigenen Kleiderschrank einen Policemanmantel und eine Pelzmütze.
»Wir kamen nach Bristol, wo ich zwei Tage mit fruchtlosen Nachforschungen verlor. Endlich verschwand mein Begleiter, und ich sah ein, daß ich aller Wahrscheinlichkeit nach von einem der Diebe gefoppt worden war. Ich kehrte daher so schnell als möglich nach London zurück.
»Eine Stunde nach meiner Ankunft begab ich mich auf das Polizeiamt. machte die Anzeige des Diebstahls und nahm gleich darauf eine Fahrkarte nach Kendal. Dies ist Alles was ich zu sagen habe.«
Leider machte diese an sich ziemlich unwahrscheinliche Geschichte sowohl aus die Richter als auf die Zuhörer einen mehr ungünstigen als guten Eindruck. Ich war vielleicht der Einzige, der an der Wahrheit dieser Aussage nicht zweifelte. Die Geschichte war für einen Roman nicht sinnreich genug.
»Wenn diese sonderbare Geschichte wirklich wahr ist, Mr. Bristowe,« sagte der Schriftführer, »so wird es Ihnen sehr leicht seyn, ein Alibi nachzuweisen.«
»Das war mein erster Gedanke, weil es der einzige Beweis ist, mit welchem ich die Anklage entkräftigen kann,« antwortete der Gefangene gelassen; »aber als ich mich erinnerte, in welchen entlegenen Stadttheilen von London ich umhergeführt wurde, als ich mich in Mantel und Pelzmütze sah, gab ich diesen Gedanken sogleich auf, denn ich fürchte, daß es mir nicht möglich seyn wird, meine Identität zu beweisen.«
»Die Sache ist um so weniger zu bedauern,« entgegnete der Schriftführer mit dem ironischen Tone, der den unteren Justizbeamten eigen zu seyn pflegt, »da der Besitz dieser Goldstücke und dieses Diamantenkreuzes eine andere eben so wahrscheinliche, obschon ganz verschiedene Geschichte erfordert.«
Der Gefangene gab durch Achselzucken zu erkennen, daß er nicht im Stande sey, eine befriedigende Antwort zu geben, und erwiederte mit derselben Ruhe:
»In der That, Sir, diesen Umstand weiß ich nicht zu erklären.«
Hier war das Verhör des Angeklagten zu Ende, und es wurde Befehl gegeben, Robert Bristowe wieder ins Gefängniß zu führen und als Raubmörder in Anklagestand zu setzen.
In diesem Augenblick wurde mir ein Billet zugesteckt. Unter dem fast unleserlichen Gekritzel stand der Name Barnes.
Sobald ich die wenigen Zeilen gelesen hatte. wandte ich mich an den Gerichtshof und bat um Aufschub bis zum folgenden Tage, mit dem Versprechen. einen höchst wichtigen Zeugen zu stellen, dessen Aussage in dem Protokoll der Voruntersuchung nicht fehlen dürfe.
Diese Bitte wurde mir natürlich gewährt; der Angeklagte wurde aus den folgenden Tag verwiesen, und der Gerichtshof trennte sich.