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Kitabı oku: «Erinnerungen eines Policeman», sayfa 7

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Ich durchsuchte Schubladen, Schränke, Tische und sammelte sorgfältig alle Papierschnitzel, die mit Buchstaben oder Zahlen beschrieben waren.

Die Durchsuchung des Cassazimmers dauerte lange, schien aber erfolglos zu bleiben. Ich blieb indeß meinem Vorsatz getreu, den jungen flatterhaften Bellebon nicht in meinen Plan einzuweihen.

»Wissen Sie gewiß,« fragte ich ihn, »daß Mr. Lebreton, wie Sie meinen Chef versicherten, in London und in der Nähe weder Frau, noch Schwester oder Geliebte hat?«

»Ich bin fest davon überzeugt,« antwortete der Banquier; »wenigstens hat er in meinem Hause keine Zusammenkünfte. Die Frage des Polizeidirectors schien mir wichtig und ich habe sowohl die Magd als auch meinen Commis Dubarle ernstlich darüber befragt.«

In demselben Augenblicke hörte ich, daß die Thür der Schreibstube aufging und wieder zugemacht wurde. Ich sah durch die angelehnte Thür des Cassazimmers. Es war Dubarle.

Er hatte in weniger als einer Viertelstunde einen Weg gemacht, den ein guter Fußgänger kaum in drei Viertelstunden zurückzulegen pflegt.

Ich betrachtete ihn aufmerksam; er war ganz außer Athem, und gleichwohl war sein Gesicht nicht stark geröthet, wie zu erwarten war, sondern leichenblaß.

Sein Blick begegnete dem meinigen; er suchte offenbar in meinem Gesicht und Benehmen die Ursache meiner Anwesenheit zu lesen.

Mein Besuch war gemacht; ich war überzeugt, daß ich Alles wußte, was ich erfahren konnte. Ich nahm daher von Herrn Bellebon Abschied, nachdem ich ihn ersucht hatte, mir die Zeit der Rückkehr seiner Magd genau anzugeben.

Am andern Morgen erfuhr ich, daß sie beinahe fünf Viertelstunden ausgeblieben war. Es war daher mit der größten Wahrscheinlichkeit zu vermuthen, daß meine Anwesenheit ihr nicht dieselbe Unruhe verursacht hatte wie dem Commis Dubarle.

»Keine Frau, keine Geliebte, keine Schwester!« sagte ich zu mir sahst, als ich in eine Hinterstube des Gastehauses trat, wo ich meinen Posten errichtet hatte. »Keine weibliche Bekanntschaft! Aber woher kommen denn die nach Patschuli duftenden Papierschnitzel, die ich in Lebreton’s Pulte gefunden habe?«

Ich untersuchte die Papierschnitzel genau, ich gab mir alle Mühe, sie an einander zu halten und so vielleicht ein ganzes Blatt zusammen zu setzen. Aber es wollte mir nicht gelingen, sie gehörten zu verschiedenen Briefen und waren so klein, daß es nicht möglich war, einen einzigen vollständigen und verständlichen Satz zusammenzustellen. Die einzigen Worte, die ich zusammenfügte, waren folgende:

»Sie. . . Sie wissen . . . meine arme Fidele verloren . . .«

Das war eine sehr dürftige Nachweisung. Nur über einen Punkt blieb mir kein Zweifel: auf allen Papierschnitzeln war eine und dieselbe Handschrift.

Zwei Stunden später ging ich langsam und nachsinnend in einen andern Stadttheil, wo ich in einer andern Angelegenheit Nachforschungen anstellen wollte. Plötzlich wurde meine Aufmerksamkeit auf einen am Fenster eines Specereiladens festgeklebten Zettel gelenkt. Auf diesem Zettel standen folgende Worte:

»Zwei Guineen Belohnung für die Ablieferung eines abhanden gekommenen Windhundes, der auf den Namen Fidele hört.«

Ich stutzte.

»Fidele!« wiederholte ich in Gedanken. »Ich möchte doch wissen, ob es ein Verwandter der Fidele ist, deren Verlust dem Agenten des Hauses Bellebon gemeldet wurde.«

Ich zog rasch meine Brieftasche hervor und las noch einmal die auf den duftenden Papierschnitzeln stehenden Worte :

»Sie . . . Sie wissen. . . meine arme Fidele verloren.

Der Zettel am Schaufenster des Specereiladens war von drei Wochen her datirt.

2

Ich trat in den Laden. Die Frau vom Hause war zugegen.

»Madame,« sagte ich zu ihr, »ich glaube die Person zu kennen, welche den auf diesem Zettel bezeichneten Hund gefunden hat.«

»Das wäre mir sehr angenehm,« erwiederte die Frau, »denn er gehört einer meiner Kunden, und die arme Dame ist über ihren Verlust ganz untröstlich.«

»Es wäre vielleicht indiscret, nach dem Namen dieser Dame zu fragen. . .«

»Keineswegs, ich will Ihnen ihre Adresse zeigen, welche sie selbst geschrieben hat. Es ist eine Französin, und da der Name für uns Engländer schwer auszusprechen ist, so bat ich sie, ihn selbst in mein Buch zu schreiben.«

Sie reichte mir das offene Einschreibebuch und deutete mit dem Finger auf die Stelle, wo der Name geschrieben stand.

Ich las mit unbeschreiblicher Freude folgende Adresse-:

»Madame Levasseur, Oak-Cottage, an der Straße von Edmonton nach Southgate.«

Die Schriftzüge waren denen auf dem Zettel ganz gleich, und stimmten auch mit der Handschrift der wenigen bei Lebreton gefundenen Wörter überein.

Es waren französische Schriftzüge.

Diese Andeutungen konnten zu einem ganz unerwarteten Resultat führen, und ich faßte sogleich den Entschluß, die aufgefundene Spur eifrig zu verfolgen.

Nachdem ich der Kaufmannsfrau einige Fragen, deren Antworten ich für nöthig hielt, mit möglichst unbefangener Weise vorgelegt hatte, entfernte ich mich mit dem Versprechen, der Madame Levasseur am andern Morgen den Hund zuzuschicken.

Ich begab mich sogleich zu einem bekannten Hundehändler, kaufte für einen halben Kronenthaler einen Windhund, und nahm ihn an einer Schnur mit nach Hause.

Am andern Morgen gegen acht Uhr klopfte ich, als Vagabunde, respective Hundedieb verkleidet, an die Hausthür der Madame Levasseur. Ich muß zu meinem Lobe sagen, daß die Umwandlung so vollständig war, dass meine Frau. der ich mich vorstellte, mich durchaus nicht erkennen wollte.

Madame Levasseur war zu Hause, aber zu leidend, um das Zimmer verlassen zu können. Sie wollte mich nicht vorlassen. Die Hausmagd erbot sich, den Hund in dem Korbe, wo ich ihm ein weiches Lager bereitet hatte, in das Zimmer ihrer Gebieterin zu tragen ; aber ich antwortete, daß ich den Hund nur der Dame selbst zeigen würde, da ich die versprochene Belohnung von zwei Guineen nicht verlieren wollte. Die Magd sah wohl, daß mein Entschluß unerschütterlich war, und schlug mir die Thür vor der Nase zu – eine Vorsicht, die ganz natürlich war, denn mein Aeußeres , war gar nicht geeignet, Vertrauen einzuflößen.

Nach fünf Minuten kam die Hausmagd wieder, befahl mir, meine Schuhe zu reinigen und forderte mich auf, ihr in den ersten Stock zu folgen.

Ich wurde vorgelassen.

Madame Levasseur war recht hübsch, aber es fehlte ihr der feine Anstand, die Anmuth, wodurch sich die Dame von wahrer Bildung auf den ersten Blick zu erkennen gibt. Sie saß auf dem Sopha und gab durch Miene und Haltung zu erkennen, wie sehr sie wünschte, ihre liebe Fidele wieder zu sehen.

Sie war über meinen Anblick so erschrocken, daß sie sich deshalb aufrichtete und laut, fast kreischend rief :

»Monsieur Levasseur!«

Auf diesen Ruf stürzte ein großer, hübscher, schnurrbärtiger Gentleman ins Zimmer. Er war halb angekleidet und eben mit dem Rasieren beschäftigt, denn die Hälfte seines Gesichtes war mit Seifenschaum bedeckt und erhielt das Rasiermesser in der Hand.

»Was gibts Theuerste?« fragte besorgt; »was ist Dir geschehen, daß Du so schreiest«?

»Sieh nur diesen Unhold an!« antwortete die Dame, auf mich deutend.

Der Hund, der noch in dem Korbe war, konnte ihr keinen Schrecken verursacht haben.

Der Gentleman fing an zu lachen. Madame Levasseur, deren Furcht durch die Anwesenheit ihres Mannes beschwichtigt ward, richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf den Korb.

Ich ließ den Windhund heraus.

»Ach, mein Gott!« rief sie, als der abscheuliche Köther zum Vorschein kam, »das ist ja mein Hund nicht!«

»Wie?« erwiederte ich ganz erstaunt; »ich habe ihn aufgefangen; er hatte keinen Herrn, und da dachte ich, er müsse es seyn.«

Madame Levasseur begann nun sich vor dem unbekannten Hunde. der ihr nach der grausamen Enttäuschung um so schrecklicher erschien, eben so zu fürchten, wie sie sich anfangs vor meiner vagabundirenden Persönlichkeit gefürchtet hatte. Der Mann gab mir zu verstehen, daß mich die Hausmagd mit dem Besen fortjagen werde, wenn ich mich samt meinem Hunde nicht auf der Stelle fortpackte.

Nachdem ich während dieser kurzen Unterredung den besten Gebrauch von meinen Augen gemacht hatte, setzte ich den Hund wieder in den Korb und entfernte mich.

An der nächsten Straßenecke setzte ich den Korb sammt dem Hunde ab.

»Der liebe Lebreton hat also weder Frau, noch Geliebte, noch Schwester!« sagte ich frohlockend zu mir selbst, als ich fünfzig Schritte von dem Hause entfernt war. »Ich bin ein Gimpel, ein dummer Tropf, wenn das Bild, welches zwischen Mann und Frau an der Wand hängt, nicht sein Porträt ist.«

Ich hatte also die Spur aufgefunden und konnte mich der Hoffnung hingeben, den jungen Banquier wieder in den Besitz der Wertpapiere zu setzen, die ihm die ersehnte Heirath möglich machen und sein Glück sichern sollten.

Er hatte mir mit wenigen Worten und mit Thränen gestanden, welche glückliche Zukunft er durch den Verlust der großen Summe zerstört sehe.

Denselben Abend gegen neun Uhr verließ Mr. Levasseur in sehr eleganter aber geschmackloser Kleidung das Haus, nahm einen Wagen und fuhr schnell der Stadt zu. Er ahnte nicht, daß ihm ein eben so eleganter englischer Dandy mit Perrücke und Vollbart auf dem Fuße folgte.

Dieser Dandy war kein Anderer als ich. Ich kann mich rühmen, daß ich den Dandy eben so natürlich spielte, wie ich einige Stunden zuvor den Hundedieb gespielt hatte.

Levasseur stieg am Ende von Regent-Street aus und nahm seinen Weg gegen Vine-Street. Ich folgte ihm. Er ging in ein Gasthaus, ich ebenfalls.

Dieses Gastbaus war keineswegs fashionable; es war vielmehr der Sammelplatz aller fremden Kutscher, Köche und Kammerdiener, die dort spielten, rauchten, zechten und einen für Engländer unausstehlichen Lärm machten. Alle im Gastzimmer befindlichen Personen waren mit ihrem Spiel so eifrig beschäftigt, daß sie weder Levasseur noch mich beachteten.

Levasseur setzte sich an einen Tisch; ich nahm einige Schritte von ihm Platz. Er bestellte ein Glas Grog; ich ließ mir eine Flasche Sherry bringen.

Ich bemerkte bald, daß Levasseur mit dem Spiel der Anwesenden genau bekannt war; ich erfuhr auch, daß er kein Franzose, sondern ein Waadtländer war.

Der Abend verstrich, ohne daß ich eine neue Entdeckung machte; ich merkte nur, daß Levasseur Jemand erwartete. Gegen elf Uhr entfernte er sich mit einem sehr verdrießlichen Gesicht.

Am folgenden Abend ging’s eben so; aber am dritten Abend sah ich mit mehr Freude als Erstaunen den Agenten des Wechselhauses eintreten. Lebreton war in meinen Augen der Correspondent und Mitschuldige der Diebe, vielleicht der Thäter selbst.

Er erschien mit allen Anzeichen des Mißtrauens und der Vorsicht; er sah sich nach allen Seiten so scheu um, daß ich wohl einsah, daß ihn nur die dringendste Nothwendigkeit bewegen konnte, dieses übelberüchtigte Haus zu betreten. Er blieb in der Thür stehen und wechselte einen Blick mit Levasseur. Dieser stand auf und verließ das Gastzimmer.

Im ersten Augenblicke wollte ich ihnen folgen; aber ich besann mich, sie hätten es bemerken und meinen ganzen Plan vereiteln können.

Meine Vorsicht wurde durch den Erfolg gerechtfertigt.

Die beiden Freunde blieben nur wenige Minuten aus. Levasseur und Lebreton kamen wieder in die Gaststube und setzten sich an einen Tisch in meiner Nähe.

Lebreton sah ausfallend verstört und ängstlich aus. Ich hatte mich nicht geirrt; es war wirklich das Porträt, das ich in dem Salon der Madame Levasseur gesehen hatte. Dieses verstörte, blasse Gesicht bildete einen auffallenden Contrast zu dem frechen, boshaften Ausdruck, den ich in den Zügen seines Spießgesellen beobachtete.

Lebreton, der fast mit Gewalt hereingeführt wurde, blieb übrigens nur einige Minuten im Gasthause, und die einzigen Worte, die ich von seinem Gespräch mit Levasseur verstand, waren folgende:

»Ich fürchte, daß er Verdacht hat.«

Während dieser an sich geringfügigen Ereignisse, die mich nach und nach auf die Spur der Industrieritter führten, erreichte die Ungeduld Bellebon’s den höchsten Grad. Er schrieb mir einen Brief nach dem andern, denn ich hatte jedes andere Verkehrsmittel abgelehnt, und in jedem Briefe erklärte er mir, daß seine Lage mit jedem Tage mißlicher werde; denn das Ende des Monats und mithin die Verfallzeit rückte näher.

Der Banquier dauerte mich und ich entschloß mich, einen kühnen Schritt zu wagen, der im Fall des Gelingens das Räthsel vollständig lösen und schnurstracks zum Ziel führen mußte. Ich hoffte, durch erheuchelte Liebe zum Spiel, zur Völlerei und Liederlichkeit die Aufmerksamkeit Levasseurs auf mich zu lenken und seine Freundschaft zu gewinnen; aber gestehe, daß meine ersten Versuche erfolglos blieben, er beachtete mich nicht.

Einmal glaubte ich indeß zu bemerken, daß er meinen Worten einige Aufmerksamkeit schenkte. Ich erzählte nemlich einigen Spielgenossen, ich sey der vertraute Freund eines Mannes, der im Stande sey, englische Banknoten, die zu London für ungültig erklärt worden, im Auslande zu Gelde zu machen. Aber nach einigen Minuten aufmerksamen Zuhörens nahm der schlaue Industrieritter wieder seine kalte, höhnische Miene an. Er schien einen gewissen Widerwillen gegen mich zu hegen, und ich sah die Nothwendigkeit ein, sein Vertrauen zu gewinnen. Endlich gelang es mir, und ich glaube mich sehr geschickt dabei benommen zu haben.

Eines Abends erschien ein gemeiner, aber ziemlich eleganter Abenteurer in dem Gasthause, wo ich Levasseur seit einiger Zeit zu treffen pflegte. Der neue Gast war noch nicht zehn Minuten da, so wußte die ganze Sippschaft, daß er Trelawney hieß und daß seine Brieftasche, für den Augenblick wenigstens, famos gespickt sey. Er hatte uns gegenüber Platz genommen und bei einer Bowle Punsch mit frecher Prahlerei erzählt, er wohne in Conduit-Street und habe sehr viel Geld. Um diese letzte Behauptung zu beweisen, zog er eine mit Banknoten gefüllte Brieftasche hervor. An unserm Tische saßen nur wenige Personen, die meinem Plane fremd waren. Ich bemerkte, wie Levasseur den gierigen Blick beobachtete, den ich auf die Brieftasche des neuen Gastes warf. Endlich, nachdem Trelawney eine halbe Stunde geprahlt und gefaselt hatte, bezahlte er seine Zeche und ging fort.

Kaum hatte sich die Thür hinter ihm geschlossen, so stand ich ebenfalls auf und schlich ihm fast eben so leise nach, als Levasseur mir nachschlich

Hundert Schritte von dem Wirthshause stand ich still und betrachtete mit wahrer Gaunerneugier die Hausthüre und die matt erleuchteten Fenster ; dann lauschte ich mit der argwöhnischen Vorsicht eines durchtriebenen Spitzbuben auf das ferne Geräusch einer in Schlummer versunkenen Stadt. Levasseur folgte mir wie mein Schatten.

An einer Straßenecke holte ich Trelawney ein; ich stieß ihn wie zufällig an und stahl ihm dabei seine Brieftasche. Als ich diesen kühnen Handstreich ausgeführt hatte, eilte ich in ein Wirthshaus.

Ich wollte in der offenbaren Absicht, den Inhalt der erbeuteten Brieftasche mit Muße zu untersuchen, die Thür der Hinterstube, in die ich mich zurückgezogen hatte, verschließen; aber die Thür ging nicht zu. Ich sah zu, woher dieses Hinderniß kam, und – Levasseur stand vor mir.

Das Gesicht des Industrieritters hatte den Ausdruck den das Gesicht Satans gehabt haben muß, als er den ersten Menschen bei der Sünde ertappte.

»Lassen Sie sich nicht stören,« sagte er; »ich bin’s . . . ich war so eben Zeuge des famosen Handgriffs den Sie ausführten. Der tausend! lieber Mr. Williams« – diesen Namen hatte ich mir gegeben – »Sie sind ein unternehmender Mann. Sie werden freilich einsehen, daß ich Sie mit einem Worte auf die Galeeren schicken kann.«

Ich machte ein so erschrockenes Gesicht, daß Levasseur zu lachen anfing.

»O beruhigen Sie sich nur, Theuerster,« sagte er, meine Schulter berührend. »Was würde aus der Welt werden, wenn die Wölfe einander zerrissen?«

Nach diesen beruhigenden Worten zog er die Glocke und sagte zu dem eintretenden Kellner:

»Ehe Flasche Sherry und Zwieback!«

Als wir allein waren, setzte er hinzu:

»Aber was können Ihnen die Banknoten nützen, wenn Sie sie nicht bis morgen einwechseln? Und das wäre zu viel gewagt; denn Trelawney wird die Anzeige bei der Polizei machen und der Bankcasse das Nummernverzeichniß überreichen. Sie sagten zwar vor einigen Tagen, daß Sie für solche Artikel einen Abnehmer haben . . .«

Die Frage war verfänglich, und ich zögerte mit der Antwort.

»Nur nicht spröde gethan, Freundchen,« setzte Levasseur mit ganz veränderten fast drohendem Ton hinzu ; »Sie sind in meiner Gewalt, und Sie haben die Wahl, entweder zu thun was mir beliebt, oder eine Reise nach Neuseeland zu machen. Ich möchte Ihnen rathen, aufrichtig gegen mich zu seyn und mir den Namen Ihres Geschäftsfreundes zu nennen.«

»Er ist in diesem Augenblicke nicht in London,« stammelte ich.

»Ich lasse mich so leicht nicht hinter’s Licht führen,« sagte Levasseur. »Wenn Sie klug sind, so machen Sie gemeinsame Sache mit mir, statt mir den Rücken zu kehren. Ich habe ebenfalls einige Banknoten einzuwechseln . . . Nicht wahr, wir versichert uns jetzt? Zu welchem Preise übernimmt sie Ihr Geschäftsfreund, und wie bringt er sie an den Mann?«

Ich zögerte noch; dann antwortete ich verlegen:

»Im Allgemeinen gibt er den vierten Theil des Nennwerthes der Banknoten und gibt sie im Auslande aus. Die Noten werden dann von unbetheiligten Personen vorgewiesen, und in diesem Falle muß die Bank zahlen.

»Operirt er mit den Wechseln eben so?«

»Ja wohl, eben so. «

»Wird Ihr Freund das Geschäft machen, wenn die Summe auch bedeutend ist?«

»Ich glaube, daß er reich genug ist, um ziemlich große Operationen machen zu können.«

»Gut; Sie müssen mich ihm vorstellen.«

Er sagte dies in einem befehlenden Tone.

»Unmöglich!« erwiederte ich mit dem Ausdrucke des Schreckens; »mein Freund unterhandelt nicht mit Fremden.«

»Sie müssen mich ihm vorstellen,« wiederholte Levasseur; »merken Sie wohl: Sie müssen! . . . sonst wissen Sie was Ihnen bevorsteht: ich erzähle dem ersten besten Polizeidiener, der mir begegnet. das kleine Taschenspielerstückchen, dessen Zeuge ich so eben war.«

Ich fing an zu zittern, als ob ich durch diese Drohung eingeschüchtert wäre, und stammelte den Namen Lewi Samuel.

»Wo wohnt dieser Lewi Samuel?« fragte Levasseur.

»Seine Adresse ist ein Geheimniß,« erwiederte ich; »aber ich kann Ihnen die Mittel angeben, mit ihm zu corresporrdiren.«

Endlich, nach einigem Hinundherreden, welches mir meine Einwilligung zu entreißen schien, wurde zwischen Levasseur und mir verabredet, daß ich am folgenden Tage in Oak-Cottage speisen sollte. Lewi Samuel sollte sich um sieben Uhr Abends allein einfinden. Ich wurde beauftragt, dem Juden zu sagen, daß sich die Banknoten und Wechsel, die Levasseur versilbern wollte, auf zwölftausend Pfund Sterling beliefern, und als Honorar für meine Bemühung wurde mir eine Banknote von fünfhundert Pfund Sterling zugesichert.

»Jetzt merken Sie wohl, Freund Williams,,« mahnte Levasseur. ehe er mich verließ, »Sie haben zwischen fünfhundert Pfund Sterling und der Deportation zu wählen. Sie sind zu klug, um nicht die fünfhundert Pfund Sterling vorzuziehen. Sie können gegen mich nichts beweisen, ich hingegen habe gegen Sie die überzeugendsten Beweise in Händen.«

Am andern Morgen war ich sehr früh auf dem Polizeiamt. Ich erzählte meinem Chef, welche Maßregeln ich bisher ergriffen, und theilte ihm meinest ganzen Plan mit. Ich zeichnete mit Bleistift einen Grundriß der Umgebungen von Oak-Cottage, um zu beweisen, daß man sich dem Hause nicht ungesehen nähern könne, und daß kein anderer Agent als der, welcher die Rolle des Juden spielen sollte, zu verwenden sey.

Oak-Cottage lag wirklich so frei, daß man auf allen Seiten eine weite Aussicht hatte, und einen Fremden schon in großer Entfernung sehen konnte.

Die größte Vorsicht war daher nothwendig; denn die Gauner konnten im Fall einer Gefahr die Wechsel und Banknoten in die Nähe eines Camins oder Ofens legen, um sie nöthigenfalls sogleich verbrennen zu können. Waren aber die materiellen Beweise des Diebstahls zerstört, so wurde die Verhaftung Levasseurs überflüssig – wenn auch nicht für die öffentliche Ruhe, doch im Interesse Bellebon’s, dessen Schicksal mir sehr am Herzen lag.

Am meisten beunruhigte meinen Chef die Unmöglichkeit, mehre Agenten zu meiner Verfügung zu stellen.

»Aller Wahrscheinlichkeit nach können es nur zwei seyn,« antwortete ich; »es wäre mir sehr lieb, Jackson zu meiner Verfügung zu haben: ich kann mich auf ihn verlassen wie auf mich selbst. Angenommen, Lebreton und Dubarle wären bei Levasseur, so glaube ich doch, daß wir Beide, Jackson und ich, mit Hilfe unserer Waffen und der Ueberraschung das Kleeblatt bezwingen werden.«

Der Polizeidirector machte noch einige Einwendungen; aber ich erwiederte, daß ich im Vertrauen aus die gerechte Sache entschlossen sey das Wagstück zu bestehen, und beurlaubte mich, um mich zu Jackson zu begeben, und ihm seine Rolle einzustudiren.