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Kitabı oku: «Gabriele», sayfa 15

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»Der junge Marquis war ganz gemacht, um zu gefallen; niemals hatte Leidenschaft ihn verhindert, alle seine Vortheile zu zeigen und dennoch war sein Wunsch, hier das Ziel zu erreichen, so groß, daß er Alles aufbot, was für ihn sprach. Meine weiche Melancholie halte zu Lucie's Herzen gesprochen, aber ihre Lebhaftigkeit unterwarf sie, wie immer, den Eingebungen des Augenblicks. Und wie viele junge Mädchen widerstehen wohl den tausend berechneten Mitteln, die ein junger Mann, den ein einziger Wunsch beherrscht, anwendet, um seinen Zweck zu erreichen? Die Tugendhafteste hat weniger Widerstand als jede Andere.

»In der Einsamkeit des Landlebens, in der Zeit der Trauer und schon der politischen Unruhen, erfuhr Lucie nichts von der Vermählung, die in Paris statt finden sollte. In der Zeit, als der Marquis nach Paris reiste, um die Heirath zu vollziehen, war sie gerade einen Monat bei einer Freundin zum Besuch, und als sie wieder zu der Marquise zurück kam, war die Heirath geschlossen. . . Da erst . . . durch ihre Thränen, ihre Verzweiflung und ihre Vorwürfe, erfuhr die Mutter das Vergehen ihres Sohnes, die Verwirrung und den Irrtum des jungen Mädchens und das unglückliche Schicksal, das sie, ohne es zu wollen, ihrer Schutzbefohlenen bereitet hatte.

»Da fiel der Marquise mein Antrag wieder ein und sie wollte denselben, um Lucie's Ehre zu retten und ihres Sohnes Fehler zu verstecken, benutzen. Ihre Bitten, ihre Befehle, die Furcht vor der Schande, die Gewalt, die das Alter und die Stellung der Marquise über Lucien ausübten, hatten von dieser eine schweigende Erlaubniß, sie handeln zu lassen, erlangt; aber indem sie mich liebend, vertrauend und beglückt wiedersah, kehrte alle edle Zartheit von Lucie's Seele zurück. Lucie war noch das gute edle Wesen, das der Himmel für zarte Empfindungen und ein Leben voll Glück und Rechtschaffenheit geschaffen hatte. Sie schlug meine Hand aus, gestand mir Alles und das einzige Glück, das meine Hoffnungen sich geträumt hatten, entschwand mir auf immer, und auf immer war die, welche ich liebte, dem Unglücke und der Verzweiflung geweiht! Die reine Jungfrau, der Gegenstand meiner frommen Verehrung, meiner Träume von Liebe, zu der, wie zu dem höchsten Glücke ich kaum meine Augen aufzuheben gewagt hatte, die ich wie einen köstlichen Schatz betrachtet haben würde, der alle, auch die kühnsten Wünsche meines Lebens überstiege und meine schmerzlichen Regungen, meine bitteren Prüfungen in süße Genüsse und entzückende Freuden verwandeln würde . . . sie, die mir Alles hatte sein sollen . . . er hatte sie geopfert . . . für einen Tag der Lust; ich sah sie wieder, mit gebrochenem Herzen, ohne Trost für die Zukunft und selbst in den Erinnerungen, die mir so theuer waren, nur noch vermehrte Schmerzen und Kummer um diese tugendhafte, wahre Liebe, die uns beiden so viel Glück gegeben haben würde, findend!

»Lucie erlag ihrem Schmerze, ihrer Neue bald; sie welkte langsam hin und starb, nachdem sie noch drei Monate gelitten hatte.

»Was in meiner Seele vorging, kann ich nicht beschreiben . . . Alle jene heftigen Leidenschaften, die meine Liebe besänftigt hatte, erwachten mit verstärkter Gewalt; aller erstickte Zorn brach von Neuem aus. Die unzerstörbare Gleichgültigkeit jener Großen, die Euch zerschmettern, ohne Sorge und ohne Mitleid, und sich nicht kümmern über die Schmerzen und den Haß, die sie hervorrufen, reizte die stürmischen Gefühle in meiner Brust, die nur durch die hoffende Liebe eingewiegt waren, so mächtig wieder auf, daß ich wie ein Wahnsinniger aus dem Hotel stürzte; ein glühendes, schreckliches Fieber, welches nur Blut löschen konnte, tobte in meinen Adern, ich forderte den Marquis; er antwortete mir lachend, wie man über thörigte Ansprüche eines Kindes lacht. Ich war ihm nicht ebenbürtig.

»Als ich, außer mir, mich selbst, nicht kennend, seine Wohnung verließ, fand ich die Straße in Aufruhr, Geschrei und Gedränge umgab mich. Ein Haufen Rasender, wie ich selbst einer war, riß mich mit fort; ich folgte mechanisch, verwirrt und planlos. Ich kann mich nicht mehr besinnen, wie ich auf die Tribune gekommen bin, wo ich eine wüthende, leidenschaftliche Rede hielt, welche die Umstehenden entzückte, die mich augenblicklich zu einem der Repräsentanten dieses Volkes ernannten, dessen Rechte ich so eben vertreten und vertheidigt hatte. Aber in dem Wahnsinne, der sich meiner bemächtigt und mich, meiner selbst unbewußt, hierher geführt hatte, entschlüpfte der Name, der meine Gedanken erfüllte, meinen Zorn reizte, meine Seele erbitterte, mir mehrmals. . . Ja, möge der Himmel es meinem Wahnsinne zurechnen, es war nicht die geheiligte Sache meiner Partei, die ich vertheidigte, es war die meinige, die ich rächte! . . . O heilige Freiheit! ich mißbrauchte deinen Namen, um ein Verbrechen zu begehen; selbst gegen Dich sündigte ich, und dieses Vergehen werden Gott und Menschen nie verzeihen!

»Noch an demselben Abende wurde der Marquis von Fontenoy-Mareuil verhaftet und bald darauf vor das Revolutions-Tribunal gestellt.

»In der folgenden Woche irrte ich, immer noch von diesem glühenden Rachefieber umhergetrieben, meiner Vernunft beraubt, in den Straßen umher, wo eine wahnsinnige Volksmasse mich umtobte . . . wir liefen verwirrt nach einem Ziele, das uns Alle anzog . . . nach einem schrecklichen, abscheulichen Ziele! . . . Plötzlich nannte eine Stimme, die ich noch zu hören glaube, zweimal meinen Namen . . . und die Augen aufrichtend sah ich den gräßlichen Wagen, der die Schlachtopfer fuhr, in deren Mitte der Marquis von Fontenoy-Mareuil aufrecht stehend und ruhig lächelnd, zum dritten Male meinen Namen nannte, indem er hinzufügte: Nun! Du scheinst erschrockener zu sein, als ich! Sieh, wie ein Edelmann zu sterben weiß . . . Und dann sagte er mit derselben sorglosen Heiterkeit zu dem Volke: Meine Herren! mein junger Hofmeister Randal hat sich, wie Sie sehen, bemüht, meine Erziehung zu vollenden! . . .

»Ich hörte, ich sah nichts mehr; und immer meiner selbst unbewußt von dieser Volksmenge fortgerissen, die in tollem Jubel die Verurtheilten mit Koth bewarf, erinnere ich mich nur einer entsetzlichen, abscheulichen Erscheinung, die mich nie mehr verließ! . . . Ich sah . . . ja . . . Ach! ich habe es gesehen . . .ich sehe es noch . . . das blutende Haupt des jungen Mannes, den ich als Kind geliebt, seine Spiele getheilt, der mich geliebkost, . . . mich Freund, Bruder genannt, er, das reiche verzogene Kind, mich, den armen Bauernknaben! . . . All sein Unrecht war vergessen; die blutige Erscheinung hatte mit einem Male das glühende Fieber, den Rachedurst meiner Seele gelöscht und dafür eine eisige Kälte in meine Adern gegossen, an der ich mitten in einem Meere von Blut erstarrte.

»Was nun aus mir wurde, ich weiß es nicht . . . meine Sinne schwanden . . . Ich hatte nur Einen Gedanken! . . . einen Gedanken, der tausendmal quälender als zuvor mein Rachedurst war.

»Wenn der Tod uns Jemand entreißt, an den Liebe oder Gewohnheit uns festhalten, erscheint der, den wir beweinen, uns plötzlich mitten in den schmerzlichen Erinnerungen. Sein Bild scheint auf den leichten Wolken unserer Träume zu schweben und zeichnet sich unserer Phantasie immer richtiger und bestimmter! Wir glauben ihn selbst zu sehen, zu hören! . . . Aber dieser gewaltsame Tod in blühender Jugend, dieser schauderhafte Tod auf dem Schaffot, den ich, ich! veranlaßt hatte, mußte mir noch schärfer und plötzlicher das Jünglingsgesicht vor Augen stellen, das Alles in mir hervorrief, was mich auf ewig quälen konnte, unsere gemeinschaftlichen Spiele und Studien, unsere kleinen freundschaftlichen Streitigkeiten, die er gewöhnlich zuerst endigte, er, das fröhliche, zur Freude geborene, dem Glücke vertrauende, weder am Schicksal noch an den Menschen zweifelnde Kind; er, der für das vorige Jahrhundert geschaffen, das seinige nicht verstand, der alle Reize, alle Anmuth und alle Verkehrtheit des vorigen hatte . . . der von dem jetzigen nur die Leiden kennen lernte!

»Seit dieser Epoche ist mein ganzes Leben nur Ein Gedanke, nur Eine Erinnerung; oft gab ich mich ihr ohne Widerstand hin, oft suchte ich sie zu zerstreuen. Ich vervielfältigte meine Geschäfte, meine Arbeiten; sie gelangen fast immer; das Glück war mir günstig. Aber was galt mir das Gold? welche Freude konnte es mir gewähren? ich suchte Unglück zu lindern, Thränen zu trocknen . . . die drohende, blutige Erscheinung verbannte ich nicht! Es war mir nicht einmal gegönnt, meiner armen Familie zu helfen! . . . sie schlug meine Gaben aus! . . . Meine Brüder, Bauern auf den Gütern des Marquis, lebten glücklich in dieser bescheidenen Lage; sie verloren zugleich mit einem guten sanften Herrn die Pachtungen, die sie von ihm hatten. Alle Besitzungen der Familie von Fontenoy-Mareuil wurden eingezogen und zum Vortheil der Nation verkauft und andere Pächter angestellt. . . Ich mußte zu tausend heimlichen Mitteln meine Zuflucht nehmen, um das Elend meiner Verwandten zu lindern; denn sie hatten erfahren, daß ich der Ankläger des Marquis gewesen war, und Niemand wollte von dem, den sie Alle haßten und verachteten, etwas annehmen.

»Was soll ich noch weiter sagen? Meine Mutter allein erlaubte mir, sie heimlich zu sehen; aber sie weinte, die arme Frau, über das Verbrechen ihres einen Sohnes und den Tod des andern; denn er war auch ihr Kind, sie hatte ihn mit ihrer Milch genährt, ihn auf ihren Armen getragen! . . . Sie litt um ihn, sie litt um mich; . . . und diese Zusammenkunft war zu peinlich für mich, als daß ich sie hätte wiederholen mögen. Es blieb mir also kein froher Gedanke für diese Welt; keine Freundschaft, keine Liebe; ich hatte Alles verloren! . . . Alle gaben mich auf . . . sogar meine Mutter! Umsonst wollte ich mir einige Menschen durch Wohlthaten gewinnen, umsonst durch Liebe Jemand an mich fesseln . . . die Einen waren undankbar; die Anderen nahm mir der Himmel! . . . ihre Mutter . . . Elénore's Mutter, ein armes, junges, sanftes Mädchen, die ich mit meinem Geschick vereinte, starb, nachdem wir ein Jahr verheirathet gewesen waren, indem sie diesem Kinde das Leben gab, von dem ich immer mein finsteres Geschick abzuwenden bemüht war. Indem ich ihr meinen Namen nahm, glaubte ich ihr auch den Antheil an meinem Unglück zu nehmen. . . Aber der Himmel ist unerbittlich!

»Nun brauche ich Ihnen, mein Herr, nicht mehr zu sagen, wie Ihr in meiner Gegenwart ausgesprochener Name und Ihr erster Anblick eine so heftige Bewegung in mir hervorbringen konnte. Es war mir bekannt, daß die einzige Tochter des Marquis den Herzog von Mauléon geheirathet hatte; schon hatten meine Bemühungen und geleisteten Dienste mich in Beziehung zu Frau von Savigny, einer Dame, die die Marquise von Fontenoy-Mareuil kannte, gesetzt; durch sie hoffte ich Alles zu erfahren, was die Nachkommen dessen betraf, den zu beweinen ich nie aufhören werde; ein unwillkürlicher Instinct ließ mich Ihnen auf allen Schritten folgen, und als ich Sie wiedergefunden hatte, als ich auf Ihrem Gesichte einige Züge des mir immer gegenwärtigen Bildes fand, . . . da schien es mir, als sei mir die unverläßliche Pflicht auferlegt, über Sie zu wachen; als werde Alles, was ich für Sie thäte, meine Seele erquicken und mir vom Himmel angerechnet werden! . . . Aber ist es die Rache dieses Himmels, die ich nicht habe erweichen können? oder wirkt der Schwindel, der mich damals fortriß, noch auf mich, um diese Unruhe und Unordnung in alle meine Handlungen zu bringen? Alle ziehen nur Unglück nach sich, und wenn ich sehe, wem die Welt oft ihre Achtung, der Himmel seine Gunst verschwenderisch gewährt, so muß ich mich für das Opfer eines schrecklichen Verhängnisses ansehen und den Kampf gegen ein verfluchtes Geschick aufgeben,

»Lange habe ich Gutes gethan, ohne den Muth zu verlieren, ich habe allen Uebeln abzuhelfen gesucht, die ich kannte. Außer einem, meiner Tochter gesicherten mäßigen Vermögen habe ich alle meine Reichthümer den Armen geweiht und habe wie sie gelebt. Alles, was dieser Pracht geglichen hätte, die ich einst so sehr beneidete, alle Macht, die ich einst so glühend ersehnte, würde mich schaudern gemacht haben; weil ich es als den Preis des Verbrechens, das ich verabscheute, angesehen haben würde. Mein Leben hat nur aus Entsagung, Leiden und Gebet bestanden! Wenn dies noch nicht genug ist, mein Herr! nehmen Sie dieses Leben, rächen Sie Ihre Familie, Ihren Namen! . . . nehmen Sie die wenigen unglücklichen Tage, die ich noch zu leben habe! .., Aber lassen Sie das Leben meiner Tochter nicht wie das meinige der Reue und der Schande verfallen sein!«

Und der zitternde Greis sank zu Yves von Mauléons Füßen und flehte zu ihm mehr noch durch Thronen als durch Worte.

Yves war verwirrt, unsicher, gerührt; er hatte diesen tiefen Schmerz, diese bittere, nagende Reue nicht ohne Mitleid sehen können . . . Er nahm die weinende Elénore, legte sie in die Arme ihres Vaters, und versuchte einige der Gedanken und Gefühle, die in seinem Herzen wogten, auszusprechen; aber seine Stimme konnte kaum einige Worte hervorbringen und fast unverständlich und stockend sagte er:

»Ihre Tochter. . . wird Sie trösten . . . sie ist sanft, gut und tugendhaft . . . möge sie für Sie immer dieselbe bleiben! . . . ich weiß nicht . . . ich kann nicht wissen, welche Pflicht der Himmel mir auferlegt . . . was mein Vater . . . aber . . . Ich glaube . . . und ich beschwöre beide, meine Handlungsweise zu billigen . . . ja es ist mir, als wären sie es, die sie mir eingeben . . .Ja ich glaube, daß, nachdem ihre Strenge ausgeübt ist . . . sie mich jetzt zum Vollstrecker der Nachsicht ausersehen haben! O mein Vater! o mein Gott! erhöret mein Gebet! lasset seine letzten Tage ruhig und ungetrübt sein! Er hat so viel gelitten! Vergönne mir, mein Vater, ihm in Deinem Namen zu vergeben!« Seine Hand drückte die des Greises, und er entfernte sich.

Fünftes Kapitel
Madame Rémond

»Wäre Gabriele hier, würde es bald gemacht sein, denn sie ist geschickt wie eine Fee,« sagte die Marquise von Fontenoy-Mareuil, indem sie eine seidene Brieftasche reparierte, an der etwas losgegangen war und indem sie eine unzählige Menge kleiner, aber.niedlicher und zum Theil sogar prachtvoller Putz- und Nippessachen ordnete, als Lichtschirme, Kästchen von verschiedenen Formen, Fächer, Börsen, Zeichnungen, Gemälde, Petschafte, gestickte Nadelkissen, Schreibzeuge u.s.w., welches Alles auf einem von reizenden jungen Frauen umringten großen Tische lag. Einige derselben vollendeten noch reizend kleine Arbeiten, die sie gebracht hatten. Eine neigte sich über den Tisch, um das günstigste Licht für ein Aquarell-Gemälde von ihren zarten Händen auszuwählen, dessen leichte Schattierung und zarte Umrisse ein hohes Talent anzeigten. Künstliche Hilfsquellen, um die müßigen Stunden auszufüllen., angenehme, süße Beschäftigungen, die die Künste dem Wohlstande bieten, um die Langeweile zu zerstreuen und die oft sogar das Unglück ertragen helfen.

Jeder brachte seinen Tribut zu der Lotterie, die Frau von Fontenoy-Mareuil für die Armen veranstaltet hatte. Die Neugierde bei der Ankunft jedes neuen Gegenstandes; die Theilnahme, die seine Bestimmung erregte; zuweilen der geheime Wunsch, es in eine werthere Hand gelangen zu sehen, ein Wunsch, dessen Erfüllung der Zufall versagte, oder gewährte; die Reden über die Geschicklichkeit in der Auswahl der dargebotenen Gewinne; die Scherze, zu denen die verschiedenen Gewinne Veranlassung gaben, waren für diesen Abend an die Stelle der gewöhnlichen Einförmigkeit der Reunion getreten. Statt einen steifen Zirkel im Salon zu bilden und einander schweigend zu beobachten, mischten die Frauen, erfreut, sich einmal in ihrer ganzen Lebendigkeit zeigen zu können, sich in die Gruppen der jungen Leute, welche die ausgestellten Gegenstande betrachteten. Die fröhlichen, muntern Neckereien der Jugend; die ironischen Bemerkungen der Erfahreneren; dieses liebenswürdige Nichts, das die Unterhaltung belebt und das in den zahlreichen und steifen Asscmbléen der jetzigen Zeit unterdrückt wird, entschlüpfte unwillkürlich diesen gewöhnlich geschlossenen schönen Lippen; denn um Loose anzubieten, um das Mitleid für die Armen in Anspruch zu nehmen, um auf verschiedene Arbeiten aufmerksam zu machen, sie laut zu loben und ganz leise zu tadeln, mußte man reden; und einige der Frauen waren geistreich, fein, liebenswürdig und fröhlich bei Ausübung einer wohlthätigen Handlung, die auf eine zugleich so angenehme Weise sich nicht oft darbietet.

Heinrich von Marcenay war der Frau von Savigny zur Seite. Ein sympathetischer Zug von Bosheit und Bitterkeit hatte sie seit einiger Zeit zu Freunden gemacht. Herr von Marcenay hatte, da er seine Stellung in der Gesellschaft nur seiner Gewandtheit verdankte, besonders von Seiten seiner Eitelkeit viel zu leiden gehabt, ehe es ihm gelungen war, seinen Platz gesichert zu sehen. Aber einmal zugelassen, hatte er sich mit Hilfe des sacyrischen Geistes, der seine Unterhaltung, wie seine Schriften charkterisirte, eine Art von Ueberlegenheit angemaßt, der Frau von Savigny ihre alte Abneigung geopfert hatte. Die Unsicherheit, die ihre unglückliche Liebe zu Yves ihrem Betragen gegeben hatte, die Lächerlichkeit, die unerwiderte Liebe einer Frau in der Gesellschaft zuzieht, die üble Laune, die sie boshaft gegen Andere und unvorsichtig für sich selbst gemacht hatte, überlieferten sie zu sehr der Bösartigkeit, als daß sie nicht hätte Lust bekommen sollen, denjenigen, der sich zum gefürchtetsten Organe derselben erhoben hatte, zu fesseln. Herr von Marcenay seinerseits war der Meinung, daß die Freundschaft einer Frau, die durch Geburt, Vermögen, Verhältnisse und Charakter einen bedeutenden Platz in der Gesellschaft einnahm, ihm nützlich, ihr Haß ihm schädlich sein könnte. So wurden sie Freunde, aus Furcht, aus Haß, wegen Allem was sie von Andern schied und dieselben verhinderte, sie zu leiten. In der Politik, in Geschäften, wie in geselligen Kreisen, gibt es mehrere Verbindungen, die auf solche Weise geschlossen werden und durch sich selbst diejenigen, die sie geschlossen haben, quälen.

Frau von Fontenoy-Mareuil, immer noch mit ihrer Betrübniß über Gabriele's Abwesenheit beschäftigt, nannte eben ihren Namen, als Yves eintrat. Er hatte sich nur Zeit genommen, flüchtig Toilette zu machen und zu seiner Großmutter zu eilen, so sehr sehnte er sich, die wieder zu sehen, die seinen Gedanken vorschwebte. Es schien ihm, als habe dieser Tag, weil er seine Gedanken geändert hatte, auch in ihrem Verhältniß eine Veränderung bewirkt, und obgleich sein Brief an Gabriele eine Entsagung auf seine Rechte aussprach, glaubte er dieselben durch sein Verhalten, durch seine Pläne und durch seine Liebe zu Gabriele, die er empfand, ohne sie sich selbst zu gestehen, gerade heute auf's Neue gewonnen zu haben.

Er sah wohl, als er eintrat, reizende junge Damen, deren Lächeln die Aufmerksamkeit herausforderte; anmuthige Gestalten, elegante Toiletten . . . Alles war heiterer, natürlicher, lebendiger als gewöhnlich; es war eine fröhliche geputzte Versammlung in dem Salon seiner Großmutter, wo er Gabrielen allein bei ihr zu finden gewohnt war . . . und doch schien ihm dieser angefüllte, erleuchtete Salon plötzlich leer und finster . . . sie war nicht darin!

Die Marquise bemerkte das unruhige, getäuschte Ansehen ihres Enkels. Wußte er denn nicht, daß er Gabrielen nicht finden würde.

»Yves,« sagte sie, ihn allein nehmend, während die allgemeine Aufmerksamkeit auf die Ziehung der Lotterie gerichtet war, »ist es nicht wirklich betrübend, daß diese Soiree, auf die ich mich gefreut hatte, weil sie die Honneurs machen sollte, durch ihre Abwesenheit verbittert werden muß? Das liebe Kind! Sieh, um ihretwillen hatte ich diese erlesene Gesellschaft eingeladen! Alles, was die Verhältnisse nur Verschiedenes gewähren: Fremde aus allen Ländern, Mitglieder aller politischen Parteien, Literaten aus allen Fächern! . . .«

Yves sah, der Bewegung seiner Großmutter folgend, sich im ganzen Salon um, aber er sah nichts, was seine Aufmerksamkeit fesseln konnte. Um die Freuden geistiger Mitteilung zu genießen, um die Verdienste Anderer zu würdigen, um sich der Künste, der Wissenschaften zu freuen, an den Zeitereignissen Theil zu nehmen, muß das Herz ruhig sein, muß kein Kummer, keine Leidenschaft die Seele beherrschen, oder beunruhigen; und vielleicht sind die vielen ehrgeizigen Vorurtheile unserer Zeit schuld, daß man so oft eine Stimmung mit in die Gesellschaft bringt, die zu zerstreut ist, um das Verdienst zu entdecken und zu schätzen, und daher entsteht die Langeweile, die man in der Gesellschaft verbreitet und empfindet.

Die Marquise hatte mehrere ausgezeichnete Fremde vereinigt, um dieselben, wie sie sagte, an diesem Abend, in ihrem Salon die Reise durch Europa machen zu lassen.

»Bietet Paris,« wiederholte sie oft, »nicht denen, die eben so neugierig als träge sind, eine bewunderungswürdige Art zu reisen dar? Was sucht man eigentlich in der Fremde? Nicht das Klima eines Landes, von dem ein Reisender alle Unannehmlichkeiten erduldet, ohne seine Vortheile zu genießen; er glüht unter Italiens Sonne und erstarrt in dem Eise Russlands, da ihm die Reise nicht gestattet, sich wie die Einwohner vor Hitze oder Kälte zu schützen. Was die Denkmaler der Künste anbetrifft, so gewährt es nicht so viel Genuß, sie flüchtig vorüber eilend zu betrachten, als ihre Abbildungen mit Muße am heimatlichen Kamin zu studieren. Der Anblick eines Landes bietet oft wenig Abwechslung, und die Mehrzahl der Reisenden geben sich, in ihren Wagen zurückgelehnt, nicht einmal die Mühe, die Gegend, die sie passieren, zu betrachten. Auch ist das höchste Glück, das den Reisenden zu Theil wird, daß sie durch Empfehlungsschreiben in einige glänzende Salons Zutritt erhalten, wo der Zufall sie, wie bei uns,. unter einer unbedeutenden, geputzten Menge einige wenige ausgezeichnete Personen finden läßt. Und ohne Paris zu verlassen, kann ich Alles sehen und kennen lernen, was die ganze Welt Vorzügliches darbietet, alle Notabilitäten des Verstandes, Geistes, Ranges, der Wissenschaften und der Künste; und zwar kann dieses Alles nirgends so vereinigt sein als hier. Siehst Du Alles, was Neugierde uns zuführt? was die Revolutionen zu uns schicken? . . . es ist die Elite aller Länder! England, Russland, Deutschland schicken uns oft die mächtigen Männer, die sie beherrschen; Spanien, Italien und Polen die vorzüglichen Männer, die von ihnen verbannt werden, und so haben wir einen Zusammenfluß vom Vorzüglichsten.«

Yves hörte seine Großmutter an, ohne sie zu verstehen . . . er begriff nicht, wie ein Salon, wo die fehlte, die die Honneurs desselben hätte machen müssen, ihn interessieren konnte.

Die Marquise merkte endlich, daß die Ursache von Gabriele's Abwesenheit dem jungen Manne unbekannt war und da sie sich mit Jemand beschäftigen mußte, der in diesem Augenblicke kam, nahm sie das kleine Billet, welches sie an demselben Morgen erhalten hatte, und legte es in ihres Enkels Hände.

Er sah aus demselben die, Ursache von Gabriele's Abwesenheit, aber auch daß ihr seine Reise nach Sévres bekannt war, und ohne Zweifel kannte sie auch Elénore's Liebe und ihre Flucht, wie ihren beiderseitigen Aufenthalt in dem kleinen einsamen Häuschen. Ganz erfüllt von diesem Gedanken, hielt er die Krankheit der Madame Rémond nur für einen Vorwand, um sich zu entfernen und nie zu ihm zurückzukehren.

In diesem Gemüthszustande gingen alle kleinen Koquetterieen der niedlichsten Frauen, alle moquantesten Anspielungen der Frau, von Savigny, alle Scherze und Neckereien Heinrichs von Marcenay für Yves verloren. Die Gesellschaft erhielt von ihm nur die unerläßlichsten Höflichkeiten und die Aufmerksamkeiten, die er durchaus nicht umgehen konnte. Georg Rémond kam, Yves unterhielt sich lange leise mit ihm, was Frau von Savigny beunruhigte und alle ihre Vermuthungen wankend machte.

Endlich war diese Soirée, die dem jungen Herzog eine Ewigkeit däuchte, zu Ende. Aber am folgenden Tage kehrte Gabriele noch nicht zurück. Die Marquise ließ sich mehrmals nach dem Befinden der Madame Rémond erkundigen; es ging ihr schlecht, ihre Tochter konnte sie nicht verlassen. Den folgenden Tag entschloß sich Herr von Mauléon, den sonst Madame Rémonds bloßer Name in die Flucht jagen konnte, zu ihr zu gehen. Es war in der Abenddämmerung und sein Herz schlug, als er eintrat.

Er gelangte ohne Geräusch bis zu der Kranken, Gabriele hatte zwei Tage und zwei Nächte in Kummer und Anstrengung zugebracht. In einem Augenblicke, wo ihre Mutter schlummerte, war sie, ganz dicht am Bett in einem großen Armstuhle sitzend, eingeschlafen. Es war so viel Grazie, selbst in der Mattigkeit und Traurigkeit ihrer Stellung, so viel tiefer Schmerz auf diesem noch kindlichen Gesichte, daß Yves in unwillkürlicher Betrachtung stehen blieb vor diesem jungen Mädchen, die so der Kummer in den ersten Tagen ihres Lebens erfaßt hatte und von der er seit dieser Heirath, die sie verwünschen mußte, die an ihr ganzes Leben das Unglück ketten konnte, nie eine Klage, nie einen Vorwurf gehört hatte.

So blieb er lange stehen und wurde nicht müde, sie anzusehen und sich in Betrachtungen zu verlieren, deren häufig nuancierter Wechsel einem Beobachter seine Gedanken enthüllt haben würde. Aber er war allein; die Personen, die Gabriele bei der Pflege ihrer Mutter unterstützten, hatten sich bei seinem Eintritt in ein Nebenzimmer zurückgezogen. Sie schlief, und Madame Rémond lag in einer schlummerähnlichen Betäubung, in der sie nichts sah und hörte.

Was dieser drei Monate zuvor so verlebte, so gleichgültige, gelangweilte junge Mann für lebhafte und wahre Eindrücke bei tiefer Betrachtung in sich keimen fühlte, ist nicht auszusprechen. Es war Eifersucht unter andern, ja selbst Zorn! Denn er fand sie ungerecht gegen sich. Doch sagte er: Sie, die so hell sieht, die so fein empfindet, die Alles so schnell begreift, sie versteht mich nicht . . . fühlt nichts für mich . . . beurtheilt mich sehr falsch!. . . Und,« fügte er traurig hinzu, »sie hat mich so beurtheilen müssen! Meine Handlungen . . . meine Worte . . . Alles hat ihr eine falsche Ansicht von meinem Charakter und von meinen Empfindungen gegeben. Alles mich aus ihrem Herzen entfernen müssen! . . . Und jetzt ist das Glück der Zukunft vielleicht für uns Beide verloren!

In diesem Augenblicke rief Madame Rémond ihre Tochter mit schwacher Stimme und Yves zog sich mechanisch hinter die Vorhange des Bettes zurück, die ihn Gabriele's Blicken ganz entzogen; aber er sah sie bei dem leisen Rufe der Kranken aus ihrem leichten Schlummer aufschrecken, Kummer und Ermüdung vergessen und sich mit freundlichem, ruhigem Gesichte, um ihr ihre anscheinende Ruhe mitzutheilen, ihrer Mutter nahen. Sie hatte jede Spur von Besorgniß verbannt, um keine einzuflößen, denn ihr erster Instinct in Allem war immer fein und gut Aber als sie mit rührender Zärtlichkeit ihrer Mutter Arznei gegeben und ihre Kissen zurecht gelegt hatte, zeigte Yves sich. . . Es war eine Ueberraschung für sie, eine Freude für die Mutter . . . die ihre Kräfte sammelte, um mit ihm zu reden, ehe das Erstaunen Gabrielen erlaubt hatte, ihn anzureden.

»Ich wollte Sie rufen lassen,« sagte Madame Rémond zu dem jungen Manne, »Sie müssen gegenwärtig sein . . . auch ist es mir lieb, Ihnen, so lange ich es noch kann, noch einige Worte sagen zu können.«

»Meine Mutter . . .« sagte Gabriele mit dem Tone sanften Vorwurfs »Warum sprichst Du so?«

»Warum nicht, mein Kind? ich glaube wirklich, daß ich im Begriff bin, die letzte große Reist anzutreten!. . . Weine doch nicht, das wäre unvernünftig. Muß nicht Jeder diesen Weg gehen? Einer früher, der Andere später . . . das ist Alles!. . . Ich weiß wohl, daß ich noch lange leben könnte, daß ich noch nicht zu den Aeltesten gehöre . . . auch kann es vielleicht wohl nur die Krankheit sein, die mir solche Gedanken einflößte Aber was ich sage . . . daß man daran denken, und seine Angelegenheiten in Ordnung bringen muß . . . davon stirbt man noch nicht!. . .«

»Du befindest Dich besser diesen Morgen,« antwortete Gabriele, ihre Thränen trocknend: »Mama . . . Du bist Besser, wie ich sehe, denn Du scherzest, und gestern hattest Du nicht die Kraft, auch nur ein Wort zu sagen!« Sie küßte die Stirn ihrer Mutter und ein Strahl von Hoffnung glänzte in dem Blicke, den sie auf Yves warf.

»Ich würde ganz damit zufrieden sein,« sagte Madame Rémond, mich noch eine Zeitlang des Lebens zu freuen; . . . aber um deswillen darf man das Wichtigste nicht bei Seite setzen. Ist der Notar gekommen? Ich will vor allen Dingen mein Testament vollziehen, welches er mir in gerichtlicher Form hat aufsetzen müssen.«

»Mütterchen, er kann ja ein anderes Mal kommen,« sagte Gabriele, ihr Entsetzen hinter einem Lächeln verbergend.

»Höre, Gabriele,« erwiderte ihre Mutter mit schwächerer Stimme, der sie aber einen starken und befehlenden Nachdruck zu geben suchte: »Du mußt nicht alle die Zierereien der reichen Leute annehmen, die bei dem Worte Tod schaudern und eines schönen Tages die Welt verlassen, ohne an das, was sie sich, was sie den Ueberlebenden schuldig sind, zu rechter Zeit gedacht zu haben . . . Wir haben mehr Muth . . . wir armen Leute!. . . Wenn ich sage »arme Leute«, ist es in der Erinnerung und Gewohnheit von ehedem! . . . Ich glaube wirklich, daß ich mich eigentlich noch nicht daran gewöhnt habe, reich zu sein! Es ist auch eben so gut, reich oder arm, man kann nichts mitnehmen in die andere Welt und ich habe recht gethan, mich an das Alles nicht zu sehr zu gewöhnen!. . . Nun Muth! geh', mein Kind, erkundige Dich, ob der Notar nicht, während ich schlummerte, gekommen ist.«

Yves blieb allein mit Madame Rémond, die kranke Frau erinnerte ihn nur wenig an die gemeine Frau, die ihm so sehr mißfallen hatte. Er fand selbst in dieser ernsten Resignation, die dem Mittelstande eigen zu sein pflegt, einen Muth, den er bewunderte. Er dachte, daß das Zartgefühl Gabriele's, mit dieser moralischen Kraft vereinigt, deren Werth denen, die sie besitzen, unbekannt ist, eben den mächtigen Zauber hervorgebracht haben müsse, der die natürliche, einfache junge Frau so anmuthig und hinreißend machte.

»Sehen Sie . . . mein Schwiegersohn,« sagte Madame Rémond mit vertraulichem Tone, »meine Sache ist beendet, ich weiß es. Ich hatte dem Doktor gesagt, daß er mir die Wahrheit sagen möge! Nun, ich empfehle Ihnen Gabriele, das liebe Kind!. . . Sie ist so unschuldig, so gut, so verständig!. . . Denken Sie nur, erst vorgestern . . . sie weiß nicht, daß ich es gehört habe . . . hat sie ihren Cousin Georg fortgeschickt . . . damit man nicht über seine Besuche sprechen möge, während sie hier ist!. . . Ich weiß wohl, daß es eine Pflicht ist . . . Nichts zu thun, was dem Rufe schaden kann, das ist in der Ordnung! Aber . . .

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30 kasım 2019
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