Kitabı oku: «Isaak Laquedem», sayfa 12
Und sie nahmen den Thron und zogen ihn.
Da sprach Jesus zu Joseph:
»Trage nun dieses Zimmerwerk in den Palast zurück.«
Joseph gehorchte.
Und das Zimmerwerk fand sich diesmal ganz richtig nach der Größe des Alkoven.
Und der König fragte Joseph:
»Wie ist dieses Wunder geschehen?«
»Ich weiß es nicht,« antwortete Joseph, »doch ich habe zu Hause einen Knaben, der ein Segen für mich und die Welt ist.«
An einem andern Tage, – das war im Monate Adar, dem zwölften des hebräischen Jahres, der theilweise dem Monat Februar, theilweise dem Monat März entspricht, – versammelte Jesus mehrere Kinder; diese wählten ihn wie gewöhnlich zum König und machten ihm von ihren Kleidern einen Thron, auf den er sich setzte, um wie König Salomo Recht zu sprechen, und wenn Einer vorüberging, hielten ihn die Kinder mit Gewalt zurück und sagten zu ihm: »Bete Jesus von Nazareth, den König der Juden an.«
Da kamen auch Leute vorüber, die einen jungen Mann von dreiundzwanzig bis vierundzwanzig Jahren trugen, welcher ohnmächtig auf einer Bahre lag; dieser junge Mann war auf dem Berge gewesen, um mit seinen Kameraden Brennholz zu sammeln, und da er ein Rebhühnernest gefunden, hatte er seine Hand hineingesteckt, weil er die Eier ausnehmen wollte, doch eine in diesem Neste verborgene Schlange hatte ihn gebissen. Sogleich hatte der junge Manne seine Gefährten zu Hilfe gerufen, als diese aber ankamen, lag der Gebissene schon wie todt auf der Erde ausgestreckt. Man trug ihn nach der Stadt, um zu sehen, ob man ihm keine Hilfe leisten könnte, und als sich diejenigen, welche ihn trugen, der Stelle näherten, wo Jesus thronte, liefen ihnen die Kinder entgegen, wie sie es bei den andern Vorübergehenden thaten, und sprachen:
»Kommt und begrüßet Jesus von Nazareth, den König der Juden.
Als sich aber die Gefährten des Verwundeten, wegen des Kummers, welchen sie empfanden, nicht zu diesem Spiele hergeben wollten, da führten sie dieselben mit Gewalt vor Jesus, der sie fragte, was für eine Art von Uebel der junge Mann habe, den sie trugen.
Sie antworteten:
»Sohn Mariä, eine Schlange hat ihn gebissen!«
»Gehen wir mit einander,« sagte Jesus zu den Gefährten des Gebissenen, »und laßt uns die Schlange tödten.«
Und als diese sich weigerten, zu gehorchen, weil sie befürchteten, eine kostbare Zeit zu verlieren, da sprachen die Kinder zu ihnen:
»Habt Ihr nicht den Befehl unseres Herrn Jesu gehört? Laßt uns gehen und die Schlange tödten.«
Wonach sie trotz des Widerstandes derjenigen, welche die Bahre trugen, diese auf ihrem Weg zurückkehren ließen, und als sie beim Neste angekommen waren, sagte Jesus zu den Freunden des Verwundeten:
»Verbirgt sich nicht dort die Schlange?
Und als sie ja geantwortet, rief Jesus die Schlange, welche sogleich zum allgemeinen Erstaunen erschien; doch das Erstaunen war noch viel größer, da Jesus sich abermals an die Schlange wandte und zu ihr sagte:
»Schlange, sauge alles Gift aus, das du in den Adern dieses jungen Mannes verbreitet hast!«
Sogleich kroch die Schlange zu dem Sterbenden, legte ihre Lippen an die Wunde, nahm alles Gift zurück, welches sie darein ergossen, und nachdem sie der Herr verflucht, krümmte sie sich und starb. Und als Jesus den jungen Mann mit seiner Hand berührt hatte, war er geheilt.
Da sprach Jesus zu ihm:
»Du bist der Sohn von Jonas; Du heißest Simon; Du wirst Petrus heißen: Du wirst mein Jünger sein und mich verleugnen.«
An einem anderen Tag mischte sich ein Knabe, der vom Teufel besessen war, unter die Kinder, welche mit Jesus zu spielen pflegten, näherte sich dem Letzteren und setzte sich zu seiner Rechten. Da ward er wie gewöhnlich vom Satan besessen, suchte Jesus zu beißen, und da er ihn nicht erreichen konnte, versetzte er ihm auf die rechte Seite einen heftigen Faustschlag, so heftig, daß Jesus zu weinen anfing und, während er weinte, sprach: .
»Teufel, der du dieses Kind besitzest, ich befehle dir, es zu verlassen und in deine Hölle zurückzukehren.«
Und zu gleicher Zeit sahen die Kinder einen großen schwarzen Hund entfliehen, der Rauch aus seinem Rachen auswarf und nach einigen Schritten, in die Eingeweide der Erde sinkend, verschwand. Der befreite Knabe dankte Jesus, und dieser sagte zu ihm:
»Du wirst mein Jünger sein und mich verrathen! Und an derselben Stelle, wo Du mich mit der Faust getroffen hast, werden mich die Juden mit der Lanze treffen, und durch die Wunde, die sie mir machen, wird der Rest meines Blutes und meines Lebens entfließen.«
Und dies dauerte nach der Sage so fort, bis Jesus ein Alter von zwölf Jahren erreicht hatte, in welchem Alter er zu einer so großen Weisheit gelangt war, daß, als seine Eltern eine Reise nach Jerusalem machten und Jesus verschwunden war, und Joseph und Maria ihn drei Tage lang suchten und erst am Ende von drei Tagen im Tempel wiederfanden, der Knabe das höchste Erstaunen der Priester und Schriftgelehrten erregte, denen er die dunklen Stellen der heiligen Bücher erklärte, welche die Gelehrtesten nie hatten begreifen können, während sie Jesus ganz natürlich begriff, da er die lebendige Erklärung dieser Stellen war.
Da fragten die Priester und die Schriftgelehrten Maria, als sie sahen, daß sie den Knaben zurückforderte:
»Dieses Kind gehört also Dir?«
Und als Maria es bejahte, riefen sie:
»Glücklich ist die Mutter, die einen solchen Sohn geboren.«
Doch beinahe erschrocken über das, was sie alle Tage ihren Sohn thun sahen, führten Maria und Joseph ihn nach Nazareth zurück, wo er ihnen in allen Stücken gehorchte und fortwährend wuchs in Weisheit und Gnade vor Gott und den Menschen.
Dies sind nur einige von den Legenden, die man über die Kindheit von Jesus von Nazareth erzählte, und die ihn, wie gesagt, mit einer geheimnißvollen Verehrung umgaben.
Drittes Kapitel.
Die Versuchung in der Wüste
Achtzehn Jahre verliefen, ohne daß man von dem göttlichen Knaben sprechen hörte, dem die Volkslegenden nicht nur die von uns erzählten Wunder, sondern noch viele andere Wunder zuschrieben, welche wir im Evangelium der Kindheit wie in einer ganz von Frische und Poesie duftenden Wiege schlummern lassen.
Während dieses Zwischenraums war Cäsar Augustus gestorben, nachdem er eine Ruhezeit der Welt gegeben, welche, müde der Eroberungen, der Revolutionen und der Erschütterungen aller Art, der Rast zu bedürfen schien, um sich auf neue Geschicke vorzubereiten.
Tiberius hatte, von Rhodus ankommend, den Thron bestiegen, wie ihn einst Augustus, von Apollonia ankommend, bestieg; dann hatte er sich im zehnten Jahre seiner Regierung, erschreckt durch ein Vorzeichen: – seine Lieblingsschlange, die ihn nie verließ, die er vorne in seiner Toga oder um seinen Hals gerollt trug, war von den Ameisen gefressen worden; – erschreckt, sagen wir, durch dieses Vorzeichen, welches ihm nach der Erklärung seines Astrologen Thrasyllos andeutete, er werde selbst von der Menge verschlungen werden, hatte er sich nach seiner Insel Capreä zurückzogen, um nie mehr nach Rom zurückzukehren.
Es befand sich damals an den Ufern des Jordan, an der Grenze der Wüste, wo er seine ganze Jugend zugebracht, ein Mann von dreißig Jahren; man nannte ihn Johannes, d.h. Holdselig; er war der Sohn von Zacharias und Elisabeth, der Muhme von Maria.
Seine Geburt war auch ein Wunder gewesen: schon vorgerückt im Alter, hatte seine Mutter alle Hoffnung verloren, die Unfruchtbarkeit, die sie betrübte und die einen Gegenstand der Schmach unter den jüdischen Frauen bildete, aufhören zu sehen, als ein Engel ihr erschien, wie der Jungfrau Maria, und ihr verkündigte, sie sei Mutter und ihr Sohn werde Johannes heißen; er werde der Vorläufer sein vom Messias, und sie werde die Gegenwart dieses Messias beim ersten Beben des Kindes in ihrem Schooße erkennen.
Im vierten Monate aber der Schwangerschaft von Elisabeth wollte die Jungfrau Maria, die selbst seit einiger Zeit empfangen hatte, ihre Muhme besuchen und klopfte an die Thüre des Hauses; Elisabeth, welche allein war, öffnete, und als sie der Jungfrau gegenüber stand, gab sie einen Freudenschrei von sich und sprach: »Woher kommt mir diese Gnade zu, daß die Mutter meines Heilandes sich zu mir begibt?«
Und als Maria von ihr die Erklärung dieser Worte verlangte, sprach sie:
»Ja, denn das, was in mir ist, hat sich bewegt und Dich gepriesen.«
Und dann erklärte sie ihr Alles.
Als Herodes den Kindermord befahl, floh Elisabeth wie alle Mütter und nahm ihr Kind in ihren Armen mit sich, doch nicht alle Mütter waren prädestinirt wie sie. Verfolgt von Soldaten, befand sie sich plötzlich am Fuße eines unbesteigbaren Felsen. Da fiel sie aus die Kniee, hob ihren Sohn zum Himmel empor und rief:
»Herr! es war also nicht wahr, was Du mir sagtest, daß ich in meinem Schooße den Vorläufer vom Messias trage?«
Und sogleich öffnete sich der Felsen; Elisabeth trat ein, und der Felsen schloß sich wieder hinter ihr, ohne eine Spur von ihrem Eintritt zu behalten, so daß die Soldaten, die sie verfolgten, dachten, sie haben eine Erscheinung gesehen.
Dieser Mann, welcher am User des Jordans predigte und taufte, der, von wildem Honig und Heuschrecken lebend, seine Jugend in der Wüste zubrachte und statt jedes Kleides einen, um seine Hüften durch einen ledernen Gürtel befestigten, weiten Rock von Kameelhaar trug, war der Vorläufer.
Man nannte ihn Johannes den Täufer wegen der Taufe, die er allen denjenigen auferlegte, welche von ihm die Absolution des alten Lebens und Rathschläge für das neue Leben verlangten.
Das neue Leben, das Johannes der Täufer predigte, war das Almosen und die aufopfernde Hingebung.
Er sprach zum Volke:
»Wer zwei Röcke hat, der gebe einen dem, der keinen hat, und wer Speise hat, theile mit dem Hungerigen.«
Er sagte zu den Kriegsleuten: »Thut Niemand Gewalt noch Unrecht und laßt Euch begnügen mit Eurem Solde.«
Und zu der Schaar der Zöllner, welche die römische Herrschaft über das Land verbreitete, sprach er: »Fordert nicht mehr, denn gesetzt ist.«
Zu den Pharisäern und Saducäern sprach er:
»Otterngezüchte, Ihr verlangt von mir die Taufe! Wer hat denn Euch bewiesen, daß Ihr dem zukünftigen Zorne entrennen werdet? Sehet zu, thut rechtschaffene Buße und sagt nicht: »»Abraham ist unser Vater.«« Denn ich sage Euch, Gott kann dem Abraham aus diesem Steine Kinder erwecken, Es ist schon die Axt den Bäumen an die Wurzel gelegt; welcher Baum nicht gute Früchte bringet, wird abgehauen und in das Feuer geworfen.«
So daß einige von den Leuten, die ihn hörten, da sie ihn für denjenigen hielten, dessen Vorläufer er nur war, Johannes fragten:
»Bist Du nicht der Messias?«
»Nein,« erwiederte er demüthig. »Ich taufe Euch mit Wasser, es kommt aber ein Stärkerer nach mir, dem ich nicht würdig bin, daß ich die Riemen seiner Schuhe auflöse. Der wird Euch mit dem heiligen Geiste und mit dem Feuer taufen. In desselben Hand ist die Wurfschaufel, und er wird seine Tenne fegen und wird den Weizen in seine Scheune sammeln, und die Spreu wird er mit ewigem Feuer verbrennen.«
Eines Tags sah Johannes unter dem Volke, das zu ihm kam, einen Mann erscheinen, den er nicht kannte, und dessen mitten auf dem Kopfe gescheitelten Haare den galiläischen Ursprung bezeichneten. Wie dieser Mann, auf dessen Gesicht eine erhabene Leutseligkeit, eine unendliche Sanftmuth strahlten, sich näherte, empfand derjenige, welcher sich schon im Schooße seiner Mutter bewegt hatte, als wollte er seinem Herrn entgegengehen, die größte Freude, von der je seine Seele überströmt worden war; und als der Unbekannte, nachdem er die Entfernung, die ihn von Johannes trennte, zurückgelegt hatte, vor dem Täufer stand, da beugte dieser das Haupt und rief, erleuchtet von einer inneren Flamme:
»O Herr! Du kommst, um von mir die Taufe zu empfangen, indeß ich die Taufe von Dir empfangen müßte.«
Jesus aber lächelte und sprach:
»Johannes, laß mich thun nach meinem Willen, denn es geziemt sich, daß Jeder von uns erfülle seine Sendung.«
Fortan widersetzte sich Johannes nicht mehr den Wünschen desjenigen, welchen er beständig als seinen Herrn betrachtet hatte, obgleich er nicht wußte, wo er ihn suchen sollte, sicher aber, eines Tags werde dieser Meister zu ihm kommen oder ihn zu sich rufen.
Er erwiederte also in Demuth:
»Meister, gebiete über Deinen Diener.«
Jesus stieg dann in den Jordan hinab, und Johannes der Täufer, der eine Muschel vom Ufer des Flusses aufgehoben hatte, schöpfte Wasser in die Muschel und goß es auf das Haupt des Heilands.
In demselben Augenblick tönte eine himmlische Harmonie in den Lüften, ein blendender Strahl fiel vom Himmel herab, und unter dem Rauschen unsichtbarer Flügel hörte man die Worte:
»Du bist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe,«
Und als diese Stimme noch in den Lüften bebte, ähnlich dem letzten Vibriren einer himmlischen Harfe, da schwebte – das einzige sichtbare Emblem dieser Liebe von Gott, – einen Augenblick eine Taube über dem Haupte von Jesus und verlor sich dann, zu der Flammenwolke aufsteigend, von der sie herabgekommen war.
Von diesem Augenblicke an betrachtete Jesus seine Sendung als geheiligt und nannte sich Christus, das heißt der für den Kampf Gesalbte. Für den Kampf! denn in der That, der Kampf sollte nun beginnen: der Athlet der Menschheit stieg in die Arena herab.
Das war seine geistige Salbung; und wie Samuel einst den jungen David für sein irdisches Reich gesalbt hatte, so hatte Johannes Jesus für sein himmlisches Reich gesalbt.
Nun fühlte sich Jesus stark genug, um Allem Trotz zu bieten. Und als hätte er von Gott eine neue Versicherung seiner himmlischen Sendung empfangen wollen, zog er sich in die Wüste zurück und blieb hier vierzig Tage und vierzig Nächte ohne zu essen und ohne zutrinken.
Und, die Stirne auf der Erde, dankte er Gott, daß er ihm den Bedürfnissen des Leibes zu widerstehen gestattet, daß er den Hunger und den Durst überwinde, daß er endlich die Materie unter seinen Füßen trete, – als mitten in der Finsterniß der vierzigsten Nacht vor seinen Augen, wie aus der Erde hervorkommend oder vom Himmel herabfallend, ein Geschöpf erschien, das dem Aussehen nach dem Menschengeschlecht angehörte, obgleich seine Leibesgestalt eine Elle höher war, als die gewöhnliche Leibesgestalt der Menschen.
Das seltsame Wesen, welches so unversehens auftrat, war schön in jener traurigen, stolzen, düsteren Schönheit, welche Dante und Milton geoffenbart worden ist; sein Auge schien Feuer zu schleudern; der Wind der Wüste, der seine langen schwarzen Haare zurückwarf, entblößte seine von einer breiten Narbe durchfurchte Stirne; sein höhnischer Mund suchte zu lächeln, doch dieses Lächeln hatte etwas tief Verzweiflungsvolles; sein Haupt war umgeben von einer bläulichen Glorie, gemacht aus einer Flamme bleich wie die, welche über den Abgründen schwebt; so oft sein Fuß den Boden berührte, sprang eine Flamme, ähnlich der seiner Stirne, wie ein unterirdischer Blitz daraus hervor.
Es war derjenige, welchen die heilige Schrift, da sie es ohne Zweifel nicht wagte, ihn anders zu bezeichnen, das Ding, das in der Finsterniß geht, genannt hatte.
Er blieb vor Christus, dessen Stirne die Erde berührte, stehen, kreuzte seine ehernen Arme auf seiner breiten Brust und wartete, bis der Sohn Mariä sein Gebet beendigt und seine Stirne wieder erhoben hatte.
»Sohn des Menschen,« fragte dann mit dumpfem Tone die finstere Erscheinung, »kennst Du mich?«
»Ja,« antwortete Jesus mit einer so sanften, so traurigen Stimme, daß sie einen seltsamen Contrast mit der des Anderen bildete, »ja, ich kenne Dich . . . Du warst einst der Viel geliebte meines Vaters, der Schönste von den aus seinen Händen hervorgegangenen Engeln; Du trugst das Licht vor ihm her, wenn er jeden Morgen unter den Zügen der Sonne sein Antlitz im Osten zeigte. Dann hätte man Dich für eine flammende Kornblume, gestreut auf die Fluren des Feuerhimmels, mitten unter den andern Blumen des Himmels gehalten. Die Hoffart stürzte Dich ins Verderben. Du hieltst Dich für Gott, Du empörtest Dich gegen Deinen Herrn, und von den Höhen des Paradieses herab schleuderte Dich sein Blitz in die Abgründe der Erde . . .«
»Wo ich König bin,« sprach der Erzengel, das Haupt, erhebend und sein brennendes Haar schüttelnd.
»Ja, ich weiß es,« erwiederte Jesus, »König der Welt und Vater der Gottlosen.«
»Vater der Gottlosen,« fuhr der Erzengel mit Stolz fort. »Das ist mein schönster Titel! Alles in der Natur anerkannte demüthig die Macht Jehovahs; die Sterne folgten stillschweigend den Gesetzen, die er aufgestellt; das Meer, so meuterisch es war, unterwarf sich seinem Befehle und achtete seine Grenzen; die höchsten Berge neigten das Haupt, wenn er unter Donner und Blitz in den Lüften hinzog; die bezähmten Elemente hielten sich in Abhängigkeit und schauerten; die Thiere von der Milbe bis zum Leviathan, die unsichtbaren Mächte, von den Thronen bis zu den Herrschaften,3 warfen sich vor seinem Antlitz nieder; Alles ebnete sich. Alles beugte sich. Alles schwieg vor ihm! Ich allein erhob mich unter der allgemeinen Erniedrigung und sprach mit einer Stimme, welche die Welt beben machte, mit einer Stimme, welche bis zur Spitze der vergangenen Jahrhunderte hinauf und bis in die tiefsten Abgründe zukünftiger Jahrhunderte hinabstieg: »»Ich werde nicht dienen! – Ego dixi: Non, serviam!««
»Ja,« erwiederte Jesus traurig, das hast Du gesagt, und darum hat mich mein Vater gegen Dich gesandt.«
»Hast Du, ehe Du die Sendung angenommen, meine Macht gemessen? Und weißt Du, was in den Gebeten, die sie an mich richten, diejenigen, welche mich anbeten, von mir sagen? Sie sagen: Nichts kann seinem Gesichte widerstehen, und Alles, was ist unter dem Himmel, gehört ihm; er läßt sich weder durch die Macht der Worte, noch durch die rührendsten Bitten beugen; sein Körper ist gleich den Schilden von gegossenem Erz und bedeckt mit Schuppen, die sich an einander pressen, dergestalt, daß der Hauch nicht durch sie dringen kann. Die Stärke ist in seinem Halse, und die Hungersnoth geht vor ihm her; die Blitze fallen aus seinen Leib, ohne daß er auch nur die geringste Bewegung auf die eine oder die andere Seite macht. Wenn er zu den hohen Orten hinaussteigt, kennen die Engel den Schrecken und reinigen sich; die Sonnenstrahlen sind unter seinen Füßen und er geht aus dem Golde wie aus Koth. Er macht die Tiefe der Meere kochen wie das Wasser in einem Kessel, und die Wellen steigen, wie in einer Kufe die durch die Hitze des Feuers emporgetriebene Flüssigkeit steigt. Das Licht glänzt aus seiner Spur, und er sieht den Abgrund hinter sich weiß werden und schäumen. Es gibt keine Macht, die ihm zu vergleichen wäre, da er geschaffen worden ist, um nichts zu fürchten und da er der König ist aller Kinder der Hoffart.«
»Weißt Du,« erwiederte Jesus einfach, »weißt Du, was diejenigen, welche Dich fürchten, zu meinem Vater in den Gebeten sagen, die sie an ihn richten? »»Herr! Herr! befreie uns von dem Bösen!«« Und die Stimme eines einzigen Menschen, der Gott um Gnade anruft, tönt weiter und steigt höher hinaus, als dieser Wettstreit der Stimmen der Gotteslästerer, in deren Mitte Du Dich brüstest!«
»Ist der Herr, von dem Du sprichst, so mächtig,« versetzte der Erzengel, »warum begnügt er sich mit dem Himmel und gestattet er, daß ich der König sei aus der Erde?«
»Weil die Quelle des Bösen ist eingedrungen in das Paradies mit der Schlange, und weil die Schlange ist gekrönt worden zur Königin durch die Schuld von Eva.«
»Warum hat er dann der Schlange erlaubt, daß sie ins Paradies kam?«
»Weil in dem Augenblick, wo die Welt aus seinen Händen hervorgegangen, der erhabene Arbeiter, der allmächtige Bildner dachte, er bedürfe der Schlange als eines Probirsteines, an dem er die Menschheit würde auf die Probe stellen.
Doch mein Vater hat beschlossen, das Böse habe lange genug bestanden aus der Erde durch die Schuld von Eva und die Gegenwart der Schlange; es ist aber gerade diese Schuld, die ich büßen will, und Du bist die Schlange, der ich den Kopf zertreten soll.«
»Du kommst also bewaffnet mit Zorn und Haß?« sagte der Erzengel. »Desto besser, denn wir werden streiten mit denselben Waffen.«
»Ich komme bewaffnet mit Barmherzigkeit und Liebe, und ich hasse nichts . . . nicht einmal Dich.«
»Du hassest mich nicht?« rief Satan erstaunt.
»Nein, ich beklage Dich!«
»Und warum beklagst Du mich?«
Jesus schaute den finstern Erzengel mit unendlicher Sanftmuth und Traurigkeit an und sprach:
»Weil Du nicht lieben kannst!«
Und bei diesem einfachen Worte bebte dieser ganze eherne Körper, wie das Sinnkraut, das die Hand eines Kindes berührt.
»Wohl, es sei! Sohn des Menschen, ich nehme den Kampf an, und es ist Dir besser als irgend Jemand bekannt, daß mir eine große Macht gegeben ward!«
»Die, den Menschen zu versuchen, doch aus Erfahrung weißt Du, daß Du nichts gegen den Gerechten vermöchtest.«
»Erinnere Dich Adams!«
»Erinnere Dich Hiobs.«
Der Athem pfiff zwischen den Zähnen des Erzengels.
»Und warum bin ich gegen Hiob gescheitert?« fragte er.
»Weil der Geist Gottes mit ihm war.«
»Also ist der Geist Gottes auch mit Dir?«
»Der Geist Gottes ist in mir; ich bin der Sohn Gottes.«
»Wenn Du der Sohn Gottes bist, warum bist Du den Bedürfnissen der Menschheit unterworfen? Warum hast Du während der vierzig Tage und Nächte, die Du fastest, Hunger und Durst gelitten?«
»Ich habe Hunger und Durst gelitten, und ich wollte leiden, denn da ich weiß, daß ich die Schmerzen erschöpfen muß, bevor ich meine Sendung erfülle, habe ich es in der Einsamkeit der Wüste versucht, mit mir selbst das Maß meines Muthes zu nehmen.«
»Und Du hast es genommen?«
»Ja; denn ich konnte sagen zu diesen Steinen: »»Verwandelt euch in Brod!«« und zu diesem Sande: »»Verwandle dich in Wasser!«« Und ich habe es nicht gethan,«
»Und aus Dein Wort hätten diese Steine und dieser Sand gehorcht?«
»Gewiß.«
»Dann gib ihnen den Befehl, und da Deine vierzig Tage und Deine vierzig Nächte des Fastens abgelaufen sind, so stille Deinen Hunger und Deinen Durst.«
Jesus lächelte und sprach:
»Es stehet, geschrieben im heiligen Buche: »»Der Mensch lebt nicht allein von Brod, sondern von einem jeglichen Worte Gottes.«
Die Hände des Erzengels preßten sich krampfhaft an seine Brust an.
»Nun!« sagte er, da Du die heilige Schrift anrufest, so will ich sie auch anrufen, wenn nicht etwa Deine Macht, welche größer ist als die meinige, sich dem widersetzt, daß ich Dich bringe, wohin ich gehen will.«
»Ich werde gehen, wohin Du willst,« sprach Jesus, »denn ich wünsche, daß die Stärke des Herrn, obgleich sie entwaffnet ist. Deine mit allen Deinen Waffen gerüstete Macht beschäme.«
Der Erzengel schaute einen Augenblick Jesus mit einem unbeschreiblichen Ausdrucke von Haß an, dann warf er, zu seinem ersten Gedanken zurückkommend, seinen Mantel auf die Erde, setzte seine beiden Füße auf eines der Enden desselben und sprach: »Mache es wie ich.«
»Es sei!« erwiederte Jesus.
Und er setzte seine Füße auf das andere Ende des Mantels.
In demselben Augenblick trug ein Wirbel Beide fort und den Raum mit der Geschwindigkeit eines Blitzes, der den Himmel zerreißt, durchschneidend, befanden sich Beide in Jerusalem auf den Zinnen des Tempels.
Mit dem ewigen Lächeln, das hoffärtig sein sollte, aber nur widrig war, sprach Satan:
»Bist Du wahrhaft der Sohn Gottes, so wirf Dich von hier hinab, denn es steht geschrieben im Psalm 91: »»Es wird Dir kein Uebles begegnen, denn der Herr hat seinen Engeln befohlen, daß sie Dich bewahren und auf den Händen tragen, auf daß Du nicht etwa Deinen Fuß auf einen Stein stoßest.««
»Ja, doch es steht auch geschrieben im sechsten Buch Mosis: »»Ihr sollt den Herrn Euren Gott nicht versuchen.««
»Es ist gut! etwas Anderes also,« sprach der Erzengel bebend vor Wuth. »Willst Du mir immer folgen?«
»Ich gehöre Dir für diese Nacht,« sprach Jesus; »mache mit mir, was Dir beliebt.«
Und abermals mit einer Geschwindigkeit fortgetragen, gegen welche der Flug des schnellsten Adlers die Unbeweglichkeit des über seiner Beute mit den Flügeln schlagenden Falken geschienen hätte, durchschnitten Beide den Raum; sie sahen unter sich Städte, Wüsten, Flüsse, Meere fliehen und befanden sich in einigen Secunden im Mittelpunkte Tibets, aus dem Gipfel des Dschawahir.
»Weißt Du, wo wir sind?« fragte der Erzengel.
»Wir sind auf dem höchsten Gipfel der Erde,« erwiederte Jesus.
»Ja, und ich werde Dir alle Reiche der Welt zeigen.«
Und sogleich wurde die Bewegung der Erde sichtbar, denn Beide blieben, auf dem höllischen Mantel stehend, unbeweglich und unerschütterlich, indeß die Erde und die Atmosphäre, die sie mit sich zieht, sich fortwährend drehen.
»Schau!« sprach Satan.
Jesus bezeichnete mit dem Kopfe nickend, daß er schaue.
»Hier ist vor Allem Indien,« sagte der Erzengel; »das ist die Ahnfrau des Menschengeschlechts, die Wiege der Racen, der Ausgangspunkt der Religionen. Siehst Du es vorüberziehen mit seiner furchtbaren Natur, die aus dem Menschen einen schwachen und abhängigen Theil der Schöpfung, ein armes, auf dem Schooße seiner Mutter verirrtes Kind, ein in der Unermeßlichkeit verlorenes Atom macht? Indien, wo, um auf eine geringschätzige Art verschwendet, über alles Maß vervielfältigt zu werden, der Mensch weder stärker, noch zahlreicher ist als anderswo, denn die Macht des Todes ist dort gleich der Macht des Lebens; Indien, wo, überall unverhältnißmäßigen und erdrückenden Kräften begegnend, der Mensch nicht einmal zu kämpfen versucht, sondern sich auf Gnade und Ungnade ergibt, gestehend, daß um in her, außer ihm Alles Gott ist, und daß er nur eine zufällige Beigabe dieser einzigen, universellen, unzerstörbaren Substanz ist; Indien, wo die Erde drei Ernten im Jahre gibt, und wo ein Sturmregen aus einem Wiesenthale ein Meer und aus einer Wüste eine Wiese macht; wo das Rohr ein hundert Fuß hoher Baum ist, wo der Maulbeerbaum eine Riese ist, aus dessen Stamm ein Wald hervorsproßt, welcher mit seinem feuchten Schatten hundert Ellen lange Schlangen, Horden von Tigern, Herden von Löwen bedeckt; Indien, wo die Flüsse laufen, um den Durst aller Ungeheuer der Schöpfung, der Kaimans, der Flußpferde, der Elephanten, zu stillen; Indien endlich, wo die Pest zu Millionen die Menschen verschlingt, welche die Natur zu Millionen geschaffen hat, so daß es, wenn es ein paar Jahrhunderte ohne Cholera und Typhus bleibt, auf Europa einen Ocean von Menschen ergießen wird, unter dessen Wellen ganz Europa verschwinden muß!!«
Und während der Erzengel sprach, zog Indien vorüber mit seinem Himalaya-Gebirge, das die Luft zerriß, mit seinen düstern, endlosen Wäldern, seiner Cambodscha, seinem Ganges, seinem Indus und seinen hundertundfünfzig Millionen vom chinesischen Meere bis zum persischen Meerbusen verbreiteten Menschen.
»Schau!« sprach der Erzengel.
Jesus bedeutete durch ein Zeichen, daß er schaue.
»Hier ist Persien,« fuhr der Erzengel fort, »Persien, das ist die große Straße der Sonne und des Menschengeschlechts; zu seiner Linken die Scythen, zu seiner Rechten die Araber; das ist das Karavanserai der Welt; alle Völker haben nach und nach dort gewohnt; früher, ehe es erfuhr, daß es nur ein Gasthaus war, baute es auf meine Eingebung den Thurm von Babel, dessen Ruinen heute noch höher sind, als die höchste Pyramide; doch nun, da es seine Tempel und seine Dynastien hat fallen sehen, baut es nur noch für ein paar Generationen; seine Häuser sind Zelte von Backstein und nicht mehr. Fünfzig Millionen Menschen suchen dort, das Licht und das Feuer anbetend, in dieser Atmosphäre lebend, wo der Winter und der Sommer zu gleicher Zeit bestehen, die Vergessenheit in einem erkünstelten Rausche, der sie sanft zum Tode hinüber führt.
Und unter dem bezeichnenden Nagel des Erzengels zog Persien vorüber, von den Quellen des Oxus bis zum rothen Meere, seinen Durrah-See, seinen Aral- See, sein caspisches Meer wie drei Spiegel von ungleicher Größe entrollend; ferner sein Euphrat und sein Tigris, zwei riesigen, in der Sonne sich krümmenden Schlangen ähnlich; dann sein Persepolis, sein Babylon und sein Palmyra, Städte, welche heute nur noch Ruinen sind, damals aber Königinnen mit pupurnen Mänteln und goldenen Kronen waren.
»Schau!« sagte der Erzengel.
Jesus machte ein Zeichen, daß er schaue.
»Siehe Aegypten,« fuhr Satan fort, »Aegypten, das ist ein Geschenk, welches mir der Nil gemacht hat; eines Tags, erfaßt mich die Laune, werde ich, wenn seine dreißig Städte, wenn seine sechzig Millionen Menschen: Griechen, Aegypter, Abyssinier, Aethiopier, sich weigern, mich anzuerkennen, seinen Fluß in das rothe Meer ablenken und Aegypten vernichten, indem ich auf dasselbe Sand statt Wasser ergieße. Mittlerweile betrachte es von Elephantine bis Alexandria: es ist ein Thal von Smaragden, ein Kornspeicher voll von Früchten, ein Garten voll von Blumen. Es nährt Rom, Griechenland, Italien. Allerdings stirbt dagegen sein Volk Hungers und wartet, daß die Hand, welche die Hebräer in der Wüste genährt hat, die Manna für dasselbe regnen lasse.«
Und Aegypten zog vorüber zwischen seiner doppelten Wüste, mit seinen ungeheuren Wasserfällen, mit seinen Pyramiden und seinen bis zu den Klauen im Sande begrabenen Sphynren, deren starres, unbewegliches Auge seit fünfhundert Jahren die Knochen der Soldaten von Cambyses bleichen sah.
»Schau!« sagte der Erzengel.
Jesus bedeutete durch ein Zeichen, daß er schaue.
»Hier kommt Europa,« sprach Satan; »vergleiche es mit unserem massenhaften Asien, und Du wirst sehen, daß es viel besser ausgeschnitten, viel tauglicher zur Bewegung, nach einem viel verständigeren und glücklicheren Plane gezeichnet ist. Bemerke, wie es zu einer fruchtbaren Umarmung, da es an Baudenkmälern strotzt und an Menschen Mangel leidet, seine Arme nach Afrika ausstreckt, das nur Menschen und keine Monumente hat. Das ist Sardinien mit seinen Plumparia-Felsen, Sicilien mit seinem Vorgebirge Lilybäum; Italien mit seiner Spitze von Rhegium; Griechenland mit seinem dreifachen Vorgebirge Akritas, Teneros und Malea. Siehe, wie alle diese Inseln des ägäischen Meeres einer riesigen Flotte gleichen, welche in einem großen Hasen liegt und bereit ist, unter Segel zu gehen, um den Welthandel zu treiben, während es sich im Norden durch Scandinavien an die Eisberge des Pols anlehnt. Oh! es ist sehr fest mit seinen Füßen, die es auf das fruchtbare Asien stützt, und seinem vom wilden Meere gebadeten Kopfe! Es hat Städte, die sich Athen, Korinth, Rhodus, Sybaris, Syracus, Cadiz, Massilia, Rom nennen. Sieh, wie es gegen einen einzigen Mittelpunkt, um das Capitol, diesen unbeweglichen Felsen, die westliche Barbarei, d.h. Spanien, Britannien, Gallien, die östliche Civilisation, d.h. Griechenland, Aegypten, Syrien zieht. Schau Europa wohl an, denn das ist die Perle der Nationen, es ist der Demant der Zukunft!«