Kitabı oku: «Isaak Laquedem», sayfa 4
»Oh!« machte Napoleone Orsini, die Stirne faltend.»
Wartet doch, gnädiger Herr, die Geschichte ist interessant und wohl werth, daß Ihr sie bis zum Ende anhöret.«
»In der That,« fuhr der Erzähler fort, »ein Mensch von dem Alter, das Quintilian haben mußte, der sich für Quintilian ausgab und nach seinem Gesichte von Jedermann als Quintilian anerkannt wurde, dieser Mensch kam nach Rom, erzählte aus eine scheinbare Art seine Flucht, seine Abwesenheit und seine Rückkehr; dann, als kein Zweifel über seine Identität blieb, forderte er vom Kaiser Septimius Severus die Güter zurück, die der Kaiser Commodus ihm und seinem Bruder confiscirt hatte. Die Sache schien dem Kaiser äußerst gerecht; nur wollte er diesen Quintilian, den er einst gekannt, sehen und sich versichern, daß der Auferstandene wirklich ein Recht aus das Erbe hatte, welches er in Anspruch nahm. Quintilian erschien vor dem Kaiser; durfte man nach dem äußeren Ansehen urtheilen, so war es wirklich der Mann, den der Kaiser gekannt hatte. »Guten Morgen, Quintilian,« sagte er zu ihm in griechischer Sprache. Quintilian erröthete, stammelte, versuchte es, zu antworten, articulirte aber nur Worte ohne Bedeutung, welche keiner Sprache angehörten: Quintilian konnte nicht Griechisch. Das setzte den Kaiser in ein tiefes Erstaunen; er hatte früher, – und dessen erinnerte er sich vollkommen, – diese Sprache mit Quintilian gesprochen. »Hoher Herr, entschuldigt mich,« sagte endlich der Geächtete, »ich flüchtete mich zu barbarischen Nationen und lebte so lange unter ihnen, daß man sich nicht wundern darf, wenn ich die Sprache von Homer und Demosthenes vergessen habe.«
»Gleichviel,« erwiederte der Kaiser, »das wird mich nicht abhalten. Dir die Hand als einem guten Freunde zu geben.« Und er reichte seine kaiserliche Hand Quintilian, der es nicht wagte, ihm die seinige zu verweigern; doch kaum hatte Septimius Severus die Hand des Geächteten berührt, als er ausrief: Ho! ho! was ist das? Das ist eine Hand, die sehr denen der Leute aus dem Volke gleicht, welche Scipio Nasica fragte: »»Sagt doch, Freunde, geht ihr auf den Händen?«« Dann sprach der Kaiser mit ernster Miene: »Diese Hand ist nicht die eines Patriziers, es ist eine Sklavenhand. Du bist nicht Quintilian. Doch gestehe Alles, bekenne, wer Du bist, und es soll Dir nichts geschehen.«« Der arme Mensch fiel sogleich vor dem Kaiser auf die Kniee und gestand Alles, nämlich, daß er nicht adelig, nicht Patrizier; daß er nicht nur nicht Quintilian war, sondern, daß er ihn nicht einmal kannte, nie gesehen hatte; er habe nicht einmal gewußt, daß ein Mensch dieses Namens existire, als eines Tages in einer Stadt Etruriens, wo er seinen bleibenden Aufenthalt genommen, ein Senator ihm begegnet, auf ihn zugelaufen sei und ihn mit dem Namen Quintilian und dem Titel eines Freundes begrüßt habe; an einem andern Tage habe ein Anderer dasselbe gethan und ebenso ein Dritter an einem dritten Tage. Diesen drei Ersten habe er die Wahrheit bekannt, doch sie seien beharrlich geblieben, haben ihm nicht glauben wollen und gesagt, er brauche nichts mehr für sein Leben zu befürchten, da Septimius Severus regiere, und er könne nach Rom zurückkehren und seine Güter in Anspruch nehmen; diese lebten Worte haben ihn bestimmt, er habe gestanden, daß er wirklich Quintilian sei, er habe eine seine Flucht und seine Abwesenheit erklärende Geschichte geschmiedet, sei nach Rom gekommen, wo ihn Jedermann, selbst der Kaiser anerkannt, und durch diese Aehnlichkeit mit dem wahren Quintilian wäre der falsche beinahe in den Besitz eines ungeheuren Vermögens gelangt, als durch seine Unkenntniß des Griechischen Alles entschleiert worden sei. – Die Aufrichtigkeit des Geständnisses rührte Septimius Severus, er verzieh, wie er es versprochen hatte, dem falschen Quintilian und setzte ihm sogar eine kleine Leibrente von zehn bis zwölftausend Sestertien aus, behielt aber die Villa der zwei Brüder. – Dies, gnädiger Herr,« sagte der Unbekannte, indem er sich verbeugte, »dies ist die Geschichte, die ich Euch zu erzählen hatte.«
»Aber,« versetzte Napoleon? Orsini, der sich durch nichts von dem abbringen ließ, was sein Innerstes unablässig beschäftigte, »der Schatz? der Schatz? . . .«
»Ouintilian hatte ihn unter der letzten Stufe einer Treppe, am Ende eines Corridors, begraben, und aus den Stein, der ihn bedeckte, folgende griechische Inschrift gesetzt:
Ενϐα ϰειται ψνχηητου ϰοϭ ϻου
(Hier ist die Seele der Welt eingeschlossen.)
»Dies war eine Vorsichtsmaßregel für den Fall, daß er den Schatz nicht selbst holen könnte und genöthig wäre, ihn durch einen Freund nehmen zu lassen.«
»Und dieser Schatz,« fragte Napoleone Orsini, »ist er immer noch an dem Orte, wo er vergraben worden?«
»Das ist wahrscheiulich.«
»Und Du kennst den Ort?«
Der Unbekannte schlug die Augen zu dem Punkte des Himmels auf, wo die Sonne stand.
»Gnädiger Herr,« sprach er, »es ist elf Uhr Morgens: ich habe noch sechs Meilen zu machen, werde sicherlich unter Weges aufgehalten und muß doch um drei Uhr auf dem St. Peters-Platze sein, um meinen Antheil an dem päpstlichen Segen zu empfangen.«
»Es wird Dich nicht lange aufhalten, wenn Du mir sagst, wo dieser Schatz ist.«
»Erweist mir die Ehre, mich bis an das Ende Eurer Besitzungen zurückzuführen, gnädiger Herr, und Ihr werdet mittelst des Weges, den ich Euch nehmen lasse, vielleicht das treffen, was Ihr wünscht.«
»So bezeichne mir den Weg, und ich folge Dir,« sprach Orsini.
Und als der Reisende wieder den Weg einschlug, auf dem er gekommen, folgte er ihm mit einem Eifer, dem der Gang des Fremden, so rasch er war, zu entsprechen Mühe hatte.
Als sie an dem aus dem Grabe von Aurelian gerissenen Schutt vorüberkamen, zeigte der Unbekannte Napoleone Orsini eine erloschene Fackel, welche zu Erforschung des Innern vom Columbarium gedient hatte; der Kapitän begriff das Zeichen mit dem raschen Verstande der Habgier und hob die Fackel auf.
Eine eiserne Hebestange lag mitten unter diesen Steintrümmern und Marmorbruchstücken; der Reisende ergriff sie und ging weiter.
An einem Ofen, wo man das Brod der Soldaten buk, zündete Orsini seine Fackel an.
Durch die Gemächer der Villa, mit deren Topographie er übrigens sehr vertraut zu sein schien, ging der Reisende gerade auf eine marmorne Treppe zu, welche nach einem Badesaale im Geschmacke derjenigen führte, die wir heute noch in Pompeji sehen.
Es war ein unterirdischer, ein langes Gevierte bildender Saal, nur erleuchtet durch zwei Luftlöcher, welche durch Gras und Brombeerstauden verstopft waren; dieser Saal war in sechs Fuß hohe und drei Fuß breite marmorne Felder abgetheilt: jedes derselben war umgeben von einem Gesimse, und Nymphenköpfe, nach dem Modell der Medaille von Syrakus gearbeitet, schmückten die Mitte jeder Füllung.
Dieser Badesaal war indessen seit langer Zeit seiner ursprünglichen Bestimmung entfremdet; die Kanäle, welche das Wasser dahin führten, waren durch die Nachgrabungen, die man gemacht, durchbrochen worden, und die Hahnen hatten die Soldaten herausgerissen, welche erkannten, von Kupfer oder von Bronze, seien diese Metallstücke doch nicht ganz ohne Werth. Der Badesaal selbst aber war eine Art von Beikeller geworden, in welchem man die leeren Fässer verschloß oder vielmehr aufhäufte.
Der Reisende blieb zum zweiten Male aus der letzten Stufe der Treppe stehen, sondirte mit einem Blicke die Badestube und wandte sich gegen eine Füllung, welche rechts von der Thüre angebracht war. Hier angelangt, drückte er mit dem Ende seiner eisernen Stange aus das Auge der Nymphe, das die Mitte der Füllung bildete, und nach einer leichten Anstrengung, zu welcher er durch den Rost, der sich an der Feder angehängt, gezwungen war, gab die Füllung nach, drehte sich aus ihren Angeln und entblößte den dunklen Eingang des unterirdischen Gewölbes.
Orsini, dessen Herz vor Hoffnung pochte, folgte jeder Bewegung des Unbekannten; er wollte sich aus die Treppe stürzen, deren obere Stufen man gewahrte; sein Begleiter hielt ihn aber zurück und sprach: »Wartet doch, es sind ungefähr zwölfhundert Jahre her, daß diese Thüre nicht mehr geöffnet worden ist. . . . Laßt der todten Luft Zeit, hinauszugehen, und der lebendigen, einzudringen, sonst würde die Flamme Eurer Fackel erlöschen, und Ihr selbst vermöchtet nicht mehr zu athmen.«
Beide blieben auf der Schwelle, doch die Ungeduld des jungen Kapitäns war so groß, daß er bald hartnäckig einzutreten verlangte, auf die Gefahr, was daraus entstehen dürfte.
Der Reisende reichte ihm nun die Hebestange, nahm die Fackel, um den Weg zu beleuchten, auf dem er ihm als Führer dienen sollte, und stieg die zehn Stufen hinab, welchem das unterirdische Gewölbe gingen; doch Napoleone Orsini war kaum die vierte Stufe hinabgestiegen, als er sich genöthigt sah, anzuhalten: diese Grabesluft war für den Lebendigen nicht zu athmen.
Der Reisende bemerkte, daß sein Gefährte wankte.
»Wartet hier, gnädiger Herr,« sagte er, »ich will Euch den Weg bahnen; . . . Ihr werdet mir sogleich nachfolgen.«
Navoleone Orsini wollte bejahend antworten, doch er konnte die Stimme nicht finden; es war wohl jene Luft, von der Dante spricht, jene so dicke Luft, welche Alles bis auf die Klagen der Verdammten erstickt und das unreinste Gewürme tödtet.
Der junge Mann stieg zwei Stufen hinauf, um wieder in Berührung mit der äußern Luft zu kommen, und immer mehr erstaunt, folgte er mit dem Blicke unter dieser dicken Luft und dieser mephitischen Finsterniß dem Manne, der von einem andern Fleische als die übrigen Menschen gemacht und nicht denselben Schwächen und Bedürfnissen wie sie unterworfen zu sein schien.
Während des Raumes von ungefähr hundert Schritten sah er, wie sich die Fackel, immer mehr an Helle und Flamme abnehmend, weder das Gewölbe, das über dem Haupte des Unbekannten schwebte, noch die Platten, auf denen er ging, beleuchtend, entfernte; dann schien es ihm, als ob das Licht, ein beinahe unmerklicher Punkt geworden, sich allmälig erhöbe, – was andeutete, da»das unterirdische Gewölbe durchschritten war, und daß der Reisende eine Treppe parallel mit der, aus deren Höhe Napoleone Orsini wartete, hinaufstieg.
Plötzlich verbreitete sich eine große Helle am entgegengesetzten Ende des unterirdischen Gewölbes, ein Lebenshauch drang in den feuchten, düsteren Gang ein und trieb, so zu sagen, den Tod vor sich her.
Napoleone Orsini glaubte, er fühle die schwarze Göttin vorüberziehen; es kam ihm vor, als streifte sie entfliehend mit ihren Flügeln an ihm hin.
Er begriff, daß er nun seinem Gefährten folgen konnte.
Noch ganz schauernd, stieg er die klebrigen Stufen hinab und drang in dem Gewölbe vor.
Der Reisende erwartete ihn am andern Ende, mit einem Fuße aus der ersten, mit dem andern aus der dritten Stufe.
Er beleuchtete mit seiner umgekehrten Fackel einen Stein, aus welchem man ganz deutlich die sechs griechischen Worte: Ενϐα ϰειται ψνχηητου ϰοϭ ϻου las, die er als das Lager des Schatzes bezeichnend angekündigt hatte.
Das Licht, das aus die oberen Stufen niederfiel, kam von einer Oeffnung, welche der Reisende, mit seinen mächtigen Schultern eine von den Platten, die aus den Rundenweg gingen, aushebend, gemacht hatte.
»Und nun, gnädiger Herr,« sprach der Unbekannte, »hier ist der Stein, hier ist die Fackel, hier ist die Hebestange. . . Ich danke Euch für Eure Gastfreundschaft . . . Lebet wohl!«
»Wie!« rief Napoleone Orsini ganz erstaunt, »wartest Du nicht, bis ich den Schatz ausgegraben habe?«
»Wozu?«
»Um Deinen Antheil zu nehmen.«
Ein Lächeln schwebte über die Lippen des Unbekannten, und er erwiederte:
»Gnädiger Herr, ich habe Eile, ich muß um drei Uhr auf dem St. Peters-Platze sein, um meinen Antheil an einem Schatze zu empfangen, welcher viel kostbarer, als der, den ich Euch überlasse.«
»Erlaube wenigstens, daß ich Dir eine Bedeckung gebe, die Dich bis in die Stadt begleitet.«
»Gnädiger Herr,« sprach der Unbekannte, »wie ich das Gelübde gethan habe, nur Wasser zu trinken, nur Brod zu essen, meine Nahrung nur stehend zu mir zu nehmen, so habe ich auch das Gelübde gethan, allein zu reifen. Lebet wohl, gnädiger Herr, und wenn Ihr mir etwas schuldig zu sein glaubt, so betet für den größten Sünder, der je die göttliche Barmherzigkeit angefleht hat. . .«
Und der Unbekannte gab die Fackel in die Hand seines Wirthes zurück, stieg die Stufen hinauf, die er noch zu ersteigen hatte, entfernte sich durch die Ruinen mit dem raschen, regelmäßigen Schritte, der bei ihm Gewohnheit war, ging an der innern Mauer der Villa Quintilians hin, trat durch das Thor dem entgegengesetzt, durch welches er eingetreten war, hinaus und befand sich abermals auf der alten Straße.
Die Gaëtani
Sobald er sich auf der Via Appia befand und in den Umkreis der seltsamen Vorstadt eingetreten war, welche Rom auf der Straße nach Neapel verlängerte, ungefähr wie das Schwert des Sägesisches seinen Leib verlängert, war der Reisende mitten unter der sonderbaren Bevölkerung, von der wir gesprochen, und die Einzelheiten, die ihm entgangen, als er vom Grabe von Aurelius Cotta herab einen unbestimmten Blick auf Rom warf, mußten ihm nicht nur sichtbar werden, sondern sich sogar in unmittelbare Berührung mit ihm setzen.
In der That, während sich die großen Banditen, wie die Orsini, die Gaotani, die Savelli, die Frangivani der großen Gräber bemächtigt und Garnisonen hinein gelegt hatten, so hatten sich die Zigeuner, die Bettler, die Landstreicher, kurz die kleinen Diebe der kleinen Gräber bemächtigt und ihre Wohnungen darin ausgeschlagen.
Ein Theil von diesen Gräbern war auch zu öffentlichen Zwecken verwendet worden; ausgegraben durch Bestrebungen der Privathabgier, hatte man sie in Folge ihrer Verwüstung zum allgemeinen Nutzen eingerichtet. Das Columbarium von einigen derselben hatte in der That den erstaunten Blicken der Plünderer ein gerundetes, solid von Backsteinen gemauertes Gewölbe geboten, und nachdem man darüber nachgedacht, was man ans diesen halbkreisförmigen Oeffnungen machen könnte, beschloß man, Oefen daraus zu machen; Jeder kam dahin, wie zu der Banngerechtigkeit eines Normannischen Dorfes, um sein Brod zu backen und sein Fleisch zu braten. Ueberdies ließen sich in der Umgegend dieser Oefen Garköche von geringerer Stufe nieder und verkauften Speckwaaren, geräuchertes Fleisch, Geflügel, getrocknete Fische und Backwerk an die Soldaten, welche an den Tagen, wo ihnen die Löhnung ausbezahlt wurde, mit den unglücklichen, vom Luxus des Elendes lebenden Buhlerinnen sich im Innern oder vor den Thüren dieser improvisirten Schenken zu Tische setzten und nach dem Mahle den Tag, wenn es der Tag war, die Nacht, wenn es der Abend war, in diesen todbringenden Häusern der Prostitution beendigten, deren ganze Ausstattung aus einer auf einem Sarkophage ausgebreiteten Matratze bestand, – unselige Häuser der Ausschweifung, ganz im Einklange mit der Bevölkerung und den Oertlichkeiten, unter denen sie sich erhoben.
Dann, da die Kirche eine Nothwendigkeit des fünfzehnten Jahrhunderts war, mehr noch als Asyl, denn als Mittelpunkt der Gebete, ragte von Zeit zu Zeit mitten unter diesen, einer verschwundenen Civilisation angehörenden, Trümmern eine Art von Tempel, heidnisch durch seine Base, christlich durch seine Spitze, empor, mit seinen ausgezackten Glockenthürmen, seinem befestigten Kloster und seiner Garnison von Mönchen, die der Prior oder der Abt mit ebenso viel Sorgfalt und ebenso viel Stolz vollzählig erhielt, als die Officiere und Kapitäne ihre Garnison von Soldaten vollzählig zu erhalten sich bestrebten.
Schon mehr als einmal haben wir den Reisenden von der Vergebung reden hören, die er in Rom erflehen wollte, schon mehr als einmal haben wir ihn in Beziehung aus seine Person die Anwendung der göttlichen Barmherzigkeit, welche man doch als unendlich darstellt, in Zweifel ziehen hören; es bot sich ihm eine schöne Gelegenheit, diese Barmherzigkeit Gottes zu versuchen und diese Vergebung zu erstehen, welche zu bewilligen den Dienern seiner Kirche gestattet ist. Die Mönche, die das Wort des Herrn unter dieser Welt von Verworfenen zu verbreiten beauftragt waren, mußten an lichtscheue Geständnisse gewöhnt sein, und wenn nicht die Absolution, – wie es übrigens der Reisende hatte durchblicken lassen, – nur von den höchsten Gipfeln der geistlichen Hierarchie aus ihn herabsteigen konnte, so war, wir wiederholen es, die Gelegenheit schön, und es lohnte sich für ihn wohl der Mühe, daß er in einem dieser Tempel anhielt und einem von diesen Mönchen zu beichten suchte, welche oft kaum, – sei es wegen ihrer Tracht, sei es wegen ihrer Sprache, sei es sogar wegen ihrer Sitten, – von den Zigeunern aller Art, unter denen sie lebten, zu unterscheiden waren
Doch der Fremde ging an der Kirche Santa Maria Nova vorüber, ohne anzuhalten, und zog seines Weges; nach ungefähr einer Meile aber fand er die Straße versperrt durch ein gewölbtes Thor, das sich einerseits an die Ringmauer der St. Valentins»Kirche, andererseits an die Außenwerke eines befestigten Schlosses anlehnte, über dessen Wall man den Gipfel des Grabes von Cäcilia Metella erblickte.
Außer dem großen gewölbten Thore, von dem wir gesprochen, gewährte ein anderes, fünfzehn Schritte von der Straße rechts stehendes Thor Eingang in den Hof dieser Feste, die den Gaëtani, den Neyoten von Bonifaz VIII,, gehörte, welche es versuchten, durch Räubereien die riesenhafte Macht wieder an sich zu reißen, die sie in den ersten Jahren des Papstthums von Benedetto Gaëtano erlangt hatten, als die Könige von Ungarn und von Sicilien diesen, zu Fuße gehend und den Zaum seines Pferdes haltend, nach San Giovanni di Laterano führten, – eine Macht, die sie allmälig wieder verloren seit der Ohrfeige, welche der Papst und das Papstthum von der Hand von Colonna in der Person ihres Vorfahren erhielten.
Das Grab von Cäcilia Metella spielte für die Gaëtani dieselbe Rolle, welche das Grab von Aurelius Cotta für die Corsini spielte: es diente ihnen nämlich als Hauptfeste.
Von allen Gräbern der Via Appia war übrigens vielleicht das der Frau von Crassus, der Tochter von Metellus dem Kritiker, das, wie es noch heute ist, am Besten erhaltene. Der kegelförmige Gipfel war allein verschwunden, um einer mit Zinnen versehenen Plattform Platz zu machen, und eine von den neuen Werken auf den alten Bau gesprengte Brücke führte von den Wällen nach der riesigen Bastei.
Erst fünfundsiebzig Jahre später sollte das Grab der edlen, geistreichen, künstlerischen, Poetischen Frau, welche in ihrem Hause Catilina, Cäsar, Pompejus, Cicero, Lucullus, Terentius Varo, kurz Alles vereinigte, was Rom an Adel, Eleganz und Reichthum besaß, auf Befehl von Papst Paul III. ausgegraben werden, der die ihre Asche enthaltene Urne in eine Ecke des Vestibule des Farnesischen Palastes bringen ließ, wo man sie noch sieht.
Diese Frau mußte einen sehr großen Werth haben, daß ihr nach ihrem Tode Crassus ein solches Grab errichten ließ. – Ihr Grab und die Cäsar geliehenen fünfzehn Millionen sind die einzigen Flecken im Leben von Crassus.
Wie die Feste der Orsini auf der Villa des Quintilian erbaut war, so war die Feste der Gaëtani auf dem Boden erbaut, den einst die ungeheure Villa von Julius Atticus bedeckt hatte. Die Geschichte von Julius Atticus ist minder tragisch als die des Quintilian, ohne weniger seltsam zu sein. – Zum Präfecten von Asien durch den Kaiser Nerva ernannt, fand er, die Festung von Athen zerstörend, einen ungeheuren Schatz. Erschrocken beim Anblicke dieser Reichthümer, schrieb er an den Nachfolger von Domitian und den Vorgänger von Trajan und meldete ihm sein Glück, doch der Kaiser, der kein Recht auf diesen Schatz zu haben glaubte, erwiederte ihm nur: »Desto besser für Dich!« mit einem Ausrufungszeichen.
Diese Antwort befriedigte aber Julius Atticus nicht ganz; er befürchtete, Nerva glaubte, er habe einen gewöhnlichen Schatz, etwas Elendes wie ein paar Millionen Sestertien gefunden. Demzufolge nahm er die Feder und schrieb abermals an den Kaiser: »Cäsar, der Schatz, den ich gefunden, ist ein bedeutender Schatz.«
Nerva hielt es jedoch nicht für angemessen, etwas Anderes zu erwiedern, als das, was er schon in seinem ersten Briefe erwiedert hatte, wobei er nur ein zweites Ausrufungszeichen beifügte: »Desto besser für Dich!!«
Julius Atticus hatte ein ängstliches Gewissen; er befürchtete, dem Kaiser in seinen zwei ersten Briefen keinen hinreichenden Begriff von den Reichthümern, die er sich nicht anzueignen wagte, gegeben zu haben, und schrieb zum dritten Male:
»Aber, Cäsar, der Schatz, den ich gefunden, ist ungeheuer.«
»Desto besser für Dich!!!« antwortete der Kaiser, indem er ein drittes Ausrufungszeichen den zwei ersten beifügte.
Dieses dritte Ausrufungszeichen beruhigte Julius Atticus; er zögerte nicht mehr, sich den Schatz anzueignen, der in der That so groß war, daß er, nachdem er seinem Sohne 6,300,000 Franken, um Bäder zu bauen, gegeben, nachdem er einen Palast in Athen, einen Palast in Rom, einen Palast in Neapel und Villas überall errichtet, nachdem er mit sich von Attica fünfzehn bis zwanzig Philosophen, fünfzehn bis zwanzig Dichter, zehn bis zwölf Tonkünstler, sechs bis acht Maler, für deren Bedürfnisse er so freigebig sorgte, daß Jeder von ihnen ein Leben führte, daß man ihn für einen Senator halten konnte, in seine Heimath zurückgebracht, nachdem er dreißig Millionen dem Kaiser und sechzig Millionen seinem Sohne hinterlassen, noch neunzig Franken Leibrente jedem Athenienser vermachen konnte.
Ach! wie Karl der Große beim Anblick der Normannen über den Verfall des Reiches weinte, so konnte Julius Atticus, trotz seiner Millionen, über den Verfall seines Geschlechtes weinen. Dichter, Redner, Künstler, Vater eines Redners, sah er seinen Enkel so entartet hinsichtlich der erblichen Intelligenz, daß, um ihn lesen zu lehren, sein Vater Herodes Atticus genöthigt war, ihm vierundzwanzig Sklaven zu geben, welche die vierundzwanzig Buchstaben des Alphabets vorstellten und von denen jeder aus seiner Brust die Figur des Buchstaben, dem er entsprach, trug.
Diese ganze Oertlichkeit, – Grab von Cacilia Metella, Villa von Julius und Herodes Atticus, Circus von Mazentius, der nur etwa hundert Schritte davon entfernt ist, Alles dies gehörte Enrico Gaëano, und stand für den Augenblick unter dem Befehle von Gaëtano von Agnani, einem Bastard der Familie.
Die Gaëtani hatten den Flecken Agnani bewohnt, wohin sich während seiner Streitigkeiten mit dem König von Frankreich der Papst Bonifaz VIII. geflüchtet, und hatten ihn mit Bastarden bevölkert.
In der Stunde, zu der wir gekommen sind, nämlich gegen Mittag, belustigte sich Gaëtano der Bastard, – dies war der Name, den man ihm gab, – damit, daß er seine Garnison in Circus von Maxentius übte.
Diese Garnison bestand hauptsächlich aus Engländern, Deutschen und Gebirgsleuten, Basken, Picmontesen, Tyrolern, Schweizern, Schottländern, Bauern der Abruzzen.
Dadurch, daß sie sich beständig an einander rieben, miteinander lebten, denselben Bedürfnissen unterworfen waren, dieselben Gefahren liefen, hatten sich diese Leute unter sich eine Art von Sprache geschaffen, ähnlich jenem Patois, das man aus den Küsten des Mittelländischen Meeres spricht, und mit dessen Hilfe die Reisenden die Wanderung um den großen See machen können, den die Alten das Innere Meer nannten. Diese Sprache genügte für den, Austausch ihrer Gedanken und für die Mittheilung ihrer Wünsche.
In demselben Patois gab ihnen auch ihr Anführer seine Befehle.
Am Tage des Kampfes beseelte ein Geist diese Menschen; man hätte glauben sollen, es seien Landsleute, Freunde, beinahe Brüder; war aber das Schlachtfeld geräumt, so gewannen für die Garnison die verschiedenen Nationalitäten wieder die Oberhand: der Engländer ging zum Engländer, der Deutsche zum, Deutschen, der Gebirgsmann zum Gebirgsmann.
Sie waren also, nach ihrer Gewohnheit an Ruhetagen und in Garnisonsstunden, in Gruppen abgetheilt, und jede Gruppe vertrat gewisser Maßen ein Volk; das Gefühl der Nationalität, welches besonders in der Fremde vorherrscht, war das Element der Anziehung und des Zusammenhangs, das diese Söhne derselben Erde vereinigte; indem sie mit einander die Sprache ihres Landes sprachen, indem sie sich mit den Uebungen ihrer Heimath belustigten, gab eine Illusion des Augenblicks dem Engländer die Nebel Britanniens, dem Deutschen das Gemurmel der germanischen Flüsse, dem Gebirgsmann den Schnee seiner Alpenspitzen zurück, und solche Illusionen trösteten diese verhärteten Herzen, liebkosten diese rohen Phantasien, denn sie glaubten sich in ihrem Heimathlande.
Die Einen schossen mit dem Bogen; – das waren englische Schützen, Ueberreste von jenen großen Banden, die uns Franzosen in den Schlachten von Crécy, von Poitiers und von Azincourt so viel Blut abgezapft; sie waren erfahren in der Kunst, einen Pfeil nach dem Ziele abzuschießen, und diese modernen Parther, welche gewöhnlich zwölf Pfeile in ihrem Köcher hatten, sagten kühn, sie tragen den Tod von zwölf Menschen an ihrer Seite.
Die Anderen übten sich im Ringen; – das waren Deutsche; diese blonden Abkömmlinge von Arminius hatten die gymnastischen Hebungen ihrer Väter nicht vergessen; Niemand wagte es auch, mit ihnen dieses furchtbare Spiel zu spielen; man hätte glauben sollen, man sehe die alten Gladiatoren, welche Germanien nach Rom schickte, um mit den Bären und Löwen zu kämpfen. Der Ort, an welchem man sich befand, der Circus von Maxentius, vermehrte noch die Illusion.
Wieder Andere, das waren die Männer von den Gebirgen, üblen sich mit dem Stocke. Oft wurde im heftigsten Gemenge das Eisen der Lanze mit einem kräftigen Schwertstreiche abgeschlagen, dann hatte der Reiter oder der Fußgänger nur noch seinen Stock; er mußte sich also eine Waffe hieraus machen. Das war das Studium, welchem sich diese Leute widmeten, und sie hatten einen solchen Grad von Geschicklichkeit erlangt, daß es besser schien, wenn man es mit ihnen zu thun hatte, so lange das Eisen am Ende der Lanze stak, als wenn der Schaft allein sich in ihren Händen bewegte.
Gaëtano der Bastard ging von einer dieser Gruppen zur andern, ermuthigte und belobte die Sieger, verspottete die Besiegten, schoß mit dem Bogen mit den Engländern, rang mit den Deutschen, spielte mit dem Stocke mit den Gebirgsleuten.
Dadurch, daß er die Spiele dieser Menschen an Ruhetagen theilte, zog er sie nach sich, trieb er sie vorwärts, oder sammelte er sie um sich an Tagen des Kampfes.
Die Schildwachen waren übrigens aus den Mauern und an den Thoren ausgestellt, als hätte sich der Feind aus einen Pfeilschuß gelagert. Die Befehle waren streng, die Disciplin unbeugsam: man durfte nicht trauen.
Für den Augenblick saß Gaëtano auf dem Piedestal einer fehlenden Statue und dachte: woran? an die Dinge, von denen die Condottieri träumen; an die schönen Frauen, an das Geld, an den Krieg.
Er hörte hinter sich den regelmäßigen Gang mehrerer Personen und wandte sich um.
Drei Soldaten brachten ihm einen Fremden.
Einer der Soldaten trat aus ihn zu und sprach ein paar Worte leise mit ihm, während die Anderen zehn Schritte hinter dem Ersten rechts und links von dem Mann, den sie zu ihrem Ches mehr wie einen Gefangenen als wie einen Gast führten, stehen geblieben waren.
Die Gaotani hatten nicht, um die Gastfreundschaft am grünen Donnerstag zu üben, dieselbe Ursache wie die Örsini, da weder an diesem, noch an einem andern Tage einer von den Ihrigen auferweckt worden war.
Gaëtano neigte den Obertheil seines Körpers, um die Meldung des Soldaten zu hören; dann, als er ihn angehört hatte, sagte er:
»Ah! ah! nun, er mag näher kommen!«
Der Soldat winkte; seine Kameraden schoben den Unbekannten gegen Gaëtano den Bastard vor.
Dieser sah ihn kommen, ohne auszustehen, spielte mit der rechten Hand mit seinem Dolche, woran ein vergoldeter Griff, und mit seiner linken an seinem schwarzen Schnurrbart.
Als er ihm sodann gegenüberstand, sagte er:
»Du hast also die Frechheit, unsere Besitzungen durchschreiten zu wollen, ohne Dein Wegegeld zu bezahlen?«
»Gnädiger Herr Gaëtano,« erwiederte der Fremde, indem er sich verbeugte, »ich würde mich nicht weigern, zu bezahlen, besäße ich die Summe, welche Eure Leute von mir fordern; doch ich komme vom andern Ende der Welt, um den Segen des heiligen Vaters zu erlangen, und ich bin arm wie ein Pilger, der aus die Unterstützung der guten Herzen und der frommen Seelen zählt, um zum Ziele seiner Fahrt zu gelangen.«
»Wie viel hat man von Dir gefordert?«
»Einen römischen Thaler.«
»Ah! ein römischer Thaler ist also eine bedeutende Summe?« fragte lachend der Bastard.
»Alles ist beziehlich, gnädiger Herr,« erwiederte demüthig der Fremde; »ein römischer Thaler ist eine bedeutendere Summe für denjenigen, welcher sie nicht hat, das heißt: für mich, als eine Million für den wäre, der dieses Denkmal hat errichten lassen . . . «
Und er deutete mit dem Ende seines Stabes ans das Grab von Cäcilia Metella.
»Du hast also nicht einmal einen römischen Thaler?«
»Eure Soldaten haben mich durchsucht, gnädiger Herr, und nur ein paar Bajocchi bei mir gefunden.«
Gaetano schaute die Soldaten mit einem fragenden Blicke an.
»Es ist so!« sagten diese; »das ist Alles, was er besaß.«
Und sie zeigten ein paar Kupfermünzen, welche zusammen ungefähr einen halben Paol machten.
»Gut, sprach Gaittano, »man wird Dir Dein Geld zurückgeben; doch damit kommst Du nicht davon . . . es ist hier Gewohnheit, daß man auf die eine oder andere Weise bezahlt; die jungen und hübschen Mädchen bezahlen, wie die heilige Maria die Aegypterin mit ihrer Person; die Reichen bezahlen mit ihrer Börse, die Kaufleute mit ihren Waaren; die Musikanten spielen uns eine Melodie; die Improvisatoren sprechen Verse, die Tänzer tanzen uns Etwas; die Zigeuner prohezeihen uns . . . Jeder hat seine Weise auf dieser Welt und bezahlt uns mit seiner Münze. Sage uns, was Deine Münze ist, und bezahle uns mit dieser!«
Der Pilger schaute umher, und als er in einer Entfernung von ungefähr hundert Schritten einen von jenen großen englischen, in Form von fliegenden Drachen gemachten Schilden sah, der mit der Spitze in der Erde stak und ganz mit Pfeilen gespickt war, sagte er demüthig: »Wohlan, ich will diese wackeren Leute mit dem Bogen schießen lehren.«
Gaëtano der Bastard brach in ein Gelächter aus, und da die Engländer die Worte des Unbekannten nicht begriffen hatten, weil er Italienisch gesprochen, so fragte er in dem Patois, von dem wir gesagt, es sei die gewöhnliche Sprache der Condottieri gewesen: