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Kitabı oku: «Jacquot Ohnohr», sayfa 6

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VII.
Die Prinzessin Varvara

Gerade ein Jahr nach dem Tode der Fürstin Marfa Petrowna überreichte man dem Fürsten Alexis einen Brief von seinem Sohne, dem Prinzen Boris.

Er las den Brief; dann mit schrecklichen Flüchen rief er seinen Intendanten und den Vorgesetzten seiner Dienerschaft vor sich und erheilte ihnen folgenden Befehl:

»Hört mich an, Ihr Alle, und vergesse Niemand ein Wort von dem, was ich sagen will! Der Prinz Boris wird morgen mit seiner Närrin von Frau hier ankommen; ich verbiete Euch allen ausdrücklich, sie anders als mit Beleidigungen zu begrüßen. Man läßt sie bis zu mir kommen, aber man spannt ihnen die Pferde nicht ab, denn ich habe ihnen nur eine kleine Lektion zu geben, und wenn das geschehen ist, werde ich sie aus dem Schlosse jagen. Habt Ihr mich verstanden?«

»Ja, mein Fürst,« antworteten der Intendant und der Vorgesetzte der Dienerschaft; »Sie können ruhig sein, es soll geschehen, wie Sie es wünschen.«

Und in der That geschah es so. Am folgenden Tage gegen elf Uhr meldete man, daß der Wagen des Prinzen und seiner Gemahlin auf das Schloß zukomme.

Ich kann Dir nicht sagen, mein lieber Iwan Andreowitsch, was die beiden jungen Ehegatten bei ihrer Ankunft in Niskevo zu leiden hatten. Der Prinz hielt sich düster und schweigend in seinem Wagen; die Prinzessin antwortete mit sanftem Lächeln, aber indem sie bittere Thränen vergoß, auf die Beleidigungen und Grobheiten, womit man sie von allen Seiten überhäufte; man hatte ausdrücklich für diese Gelegenheit etwa hundert Gassenjungen zusammengebracht, die ihnen vom Eingange des Dorfes bis zum Schlosse beständig zuschrieen.

Der Fürst Alexis hielt eine große Peitsche von gedrehtem Leder in der Hand und erwartete in dem großen Salon die Ankunft seines Sohnes und seiner Schwiegertochter; seine Augen glänzten, wie die eines Wolfes, der in der Nacht eine Schafherde umgeht. Wir verbargen uns so gut wir konnten in allen Winkeln, denn wir sahen, daß sich ein furchtbares Ungewitter vorbereitete. Ich hatte insgeheim einen Pope kommen lassen und ihn in ein abgelegenes Zimmer gebracht, für den Fall, daß das Einschreiten eines Priesters nothwendig werden sollte, wenn der Fürst zu einem äußersten Mittel käme.

Es herrschte in dem ganzen Schlosse ein Schweigen, wie in der Natur, wenn ein Orkan losbrechen will.

Die beiden jungen Ehegatten erschienen endlich auf der Schwelle des Salons.

Bei ihrem Eintritt machte der Fürst eine rasche Bewegung des drohenden Zornes und erhob seine Peitsche; aber beim Anblick dieser jungen Frau, so schön, so sanft, so rein, daß sie ein vom Himmel herabgekommener Engel zu sein schien, fiel dem Fürsten die Peitsche aus den Händen, sein Gesicht veränderte plötzlich einen Ausdruck, und drohend, wie es gewesen war, wurde es in wenigen Secunden freundlich und lächelnd.

Die jungen Leute wollten sich dem Vater zu Füßen werfen, aber der Prinz Boris führte diese Bewegung allein aus; denn der Fürst Alexis gestattete es der jungen Frau nicht; er umfaßte sie mit der einen Hand und streichelte ihr mit der anderen das Kinn, indem er mit seiner einschmeichelndsten Stimme sagte:

»Ah! da bist Du ja, kleine Schelmin! Ei, ei, jetzt verstehe ich meinen Herrn Sohn; denn Du bist sehr hübsch! Umarme mich, Duschinka; wir werden schon Bekanntschaft machen, sei nur ruhig.«

Dann wendete er sich zu seinem Sohne.

»Sei willkommen, Boris,« sagte er zu ihm; »ich wollte Dir nur eine Lehre geben; da ich aber Deine Frau sehe, habe ich keinen Muth dazu. Gott sei mit Dir!«

Die Wendung, welche die Sache nahm, verursachte uns ein großes Erstaunen; aber wir müssen auch sagen, daß die Prinzessin von so glänzender Schönheit und so engelgleicher Milde war, daß sie nur durch den Blick ihrer schönen Augen den Zorn eines Tigers hatte entwaffnen können.

Ich lief in das Zimmer, wo der Pope eingeschlossen war, und ließ ihn aus dem Schlosse gehen, ohne daß ihn Jemand bemerkte.

An diesem und den folgenden Tagen fand ein großes Fest in dem Schlosse statt; Festlichkeiten und Bälle folgten einander wie in den schönsten vergangenen Zeiten; nur kamen während der Mittagstafel keine Bären, keine Gesellschafterinnen vor, und es lagen keine Betrunkene in den Gängen ausgestreckt; Alles ging in der vollkommensten Ordnung zu, und wenn einer von den Freunden des Fürsten ganz leise zu sagen wagte: »Werden wir nicht einen Umgang durch die Pavillons halten und einige Worte mit dem Olymp reden?« da warf ihm der Fürst Alexis einen so strengen Blick zu, daß der unbesonnene Freund fühlte, wie die Zunge sich in seinem Munde lähmte.

Und alle diese Veränderungen gingen unter dem Einflusse und vermöge der Rathschläge Varvara's vor.

Sie durfte nur sagen: »Genug, mein kleiner Vater! – Es ist nicht gut, was Sie da thun!« – und der Fürst Alexis handelte im Augenblick nach ihrem Rathe.

Nicht nur hatte man aufgehört, die Leute in den Marstall zu schicken, sondern auch alle Peitschen, alle Knuten und Karbatschen waren zur großen Freude Aller verbrannt worden.

Dies war noch nicht Alles; der Fürst Alexis verheirathete alle seine Gesellschafterinnen von der ersten bis zur letzten, und diejenigen von den kleinen Adeligen und den Bekannten, welche einen unruhigen Charakter und eine zu große Neigung zu der Flasche hatten, wurden auf die vom Schlosse entfernten Besitzungen geschickt.

Die Folge davon war, daß bei uns eine Reinheit der Sitten und eine Ordnung eingeführt wurde, die man nie zuvor gekannt hatte.

Die Jagd selbst ging nicht mehr wie sonst vor sich; der Fürst hatte aufgehört, sich auf Fässer Branntwein zu setzen und unmäßig zu trinken; er leerte wohl noch zwei oder drei kleine Gläser Wodky und bewirthete wohl noch eine Kameraden damit; aber im Vergleich zur Vergangenheit erhielt er sie und sich selber in der strengsten Nüchternheit.

»Man muß nicht zu viel trinken,« sagte er zu seinen Gästen; »denn wenn Duschinka es erführe, würde sie mich schelten.«

Dieser Zustand währte ein ganzes Jahr, und es war sehr davon die Rede, den kleinen Prinzen Danilo kommen zu lassen, der mit seiner Amme zurückgeblieben war, und den seine Eltern nicht mitzubringen gewagt hatten, da sie nicht gewußt, wie die Sache ausfallen würde; aber er war schon dreizehn Monate alt, man schrieb, daß er schon allein zu gehen anfange, und der Fürst Alexis sagte, er sterbe vor Verlangen, seinen Enkel zu sehen.

Zum Unglück wurde während dieser Zeit der Friede gebrochen, der auf die Schlacht bei Austerlitz gefolgt war, und der Feldzug von 1806 eröffnet; der Prinz Boris war noch im Dienste, und als er die Nachricht erhielt, daß man wieder gegen Frankreich zu Felde ziehen wolle, mußte er abreisen, um sich der Armee anzuschließen.

Die Prinzessin Varvara wollte durchaus ihren Gemahl begleiten; aber der Fürst Alexis bat sie mit Thränen in den Augen, ihn nicht so in seinem Alter zu verlassen; der Prinz Boris war ebenfalls der Meinung, daß es weder klug, noch passend sei, daß seine Gemahlin ihn zur Armee begleite; die Prinzessin gab folglich den Bitten ihres Schwiegervaters und dem Rathe ihres Gemahls nach und willigte ein, im Schlosse zu bleiben.

Ich erinnere mich noch vollkommen an den traurigen und herzzerreißenden Abschied der beiden Ehegatten; man hätte denken sollen, daß sie die Ahnung hatten, daß sie einander nicht wiedersehen würden.

Der Fürst Alexis segnete seinen Sohn, indem er ihn mit einem Heiligenbilde berührte, umarmte ihn zärtlich, ermahnte ihn zur Tapferkeit und dem Kaiser Alexander gut zu dienen.

»Was Deine Frau betrifft,« sagte er zu ihm, »so sei ihretwegen ohne Unruhe; sie soll hier ein so angenehmes und ruhiges Leben haben, wie das einer Königin nur sein könnte.«

Nach der Abreise des Prinzen Boris wurde das Leben im Schlosse, wie in der Vergangenheit, und noch stiller fortgesetzt, denn die Prinzessin empfand einen tiefen Kummer über die Abreise ihres Mannes; aus diesem Grunde wurden die Besuche immer seltener, und von Bällen und Mittagstafeln war nicht einmal mehr die Rede.

Der Fürst Alexis verließ seine Schwiegertochter fast nie und suchte sie durch alle möglichen Mittel über das Schicksal ihres Mannes zu beruhigen.

Zum Unglück empfand der Feind des Menschengeschlechts einen heftigen Unwillen, als er diese so sanfte und friedliche Traurigkeit betrachtete, die fast dem Glück gleich kam, erregte im Herzen des Fürsten böse Gedanken und flößte ihm eine strafbare Liebe ein, so daß er alle Mittel seines Geistes in Bewegung setzte, um sie zu bewegen, dieselbe zu theilen.

Wie man leicht denken kann, wurde die junge Prinzessin in Schrecken gesetzt, als sie hörte, wie der, welcher ihrem Gemahl versprochen hatte, sie zu überwachen, eine solche Sprache gegen sie führte. Mit aller Milde, deren sie fähig war, wollte sie ihm das ganze Entsetzen des Verbrechens vorstellen, welches er beabsichtigte; aber der Satan hatte schon eine zu große Herrschaft über das Herz des Fürsten erlangt, als daß er Vernunft annehmen konnte.

Der Kampf währte mehrere Monate.

Endlich, eines Tages, als man auf die Jagd gehen wollte und die Jäger schon am Fuße der Freitreppe warteten, trat der Fürst um sechs Uhr Morgens in das Zimmer seiner Schwiegertochter, unter dem Vorwande, ihr Lebewohl zu sagen; er blieb bis sieben Uhr dort.

Dann hörte man ihn plötzlich rufen:

»Man schicke mir Uliaschka und Basilika!«

Die beiden Weiber kamen, stets bereit, den Befehlen des Fürsten zu gehorchen; sie fanden ihn mit seiner Schwiegertochter ringend, die nicht schreien konnte, da sie ein Taschentuch zwischen den Zähnen hatte.

»Nun, Ihr Weiber, bringt mir diese Taube in Ordnung, wie Ihr wißt.«

Darauf banden die beiden Henkerinnen der armen Prinzessin die Arme auf den Rücken und entfernten sich bedächtig.

»Eine Fanfare !« rief der Fürst, das Fenster öffnend und es sogleich wieder schließend.

Zweihundert Hörner ertönten zugleich, womit sich das Geheul der Jagdhunde vereinte, die plötzlich von dieser Fanfare erweckt wurden.

Dieses Geräusch verhinderte, das Geschrei der Prinzessin Varvara zu hören.

Die Feste und Bacchanalien wurden im Schlosse Grubenski wieder begonnen; die Gesellschafterinnen kehrten in ihre Zimmer zurück, die seit achtzehn Monaten verlassen gewesen; die Pavillons wurden erleuchtet, um die Prinzessinnen des Olymp wieder zu empfangen, und unter den Gesängen und Tänzen ertönte wieder wie ehemals das Geschrei derjenigen, welche man in den Marstall schickte, um dort die Knute zu empfangen.

VIII.
Die Vertauschung

Die Prinzessin Varvara war krank, so krank, daß sich Niemand mehr ihrem Zimmer näherte, daß die Niemand sah oder mit ihr redete; wenn sie in den Teich gefallen und darin ertrunken wäre, hätte sie nicht mehr vom Schlosse entfernt sein können, als sie es zu sein schien; nur erzählte man, daß sie durchaus nach Memel abreisen wolle, wo ihr Mann war, daß der Fürst Alexis sich aber ausdrücklich dieser Reise widersetze.

Unter den Dienern des Fürsten befand sich ein gewisser Grinchka Chatune, welcher, um sich dem Kriegsdienste zu entziehen, zehn Jahre seiner Jugend bei dieser Bande von Seeräubern auf dem süßen Wasser zugebracht, welche gegen Ende des letzten Jahrhunderts auf der Wolga kreuzten, die Fahrzeuge enterten, die Waaren wegnahmen und sich der Reisenden bemächtigten, um ein Lösegeld zu erhalten.

An einem schönen Tage war er dieses Lebens überdrüssig geworden und zu dem Fürsten gekommen, um ihm Alles zu gestehen und um seinen Schutz zu bitten, das heißt, um Straflosigkeit; der Fürst stellte sich gern der Justiz der Gouverneure entgegen; dies gab ihm selber einen Begriff von einer Macht und befriedigte seinen Stolz; er nahm also Grinchka unter seine Diener auf bewilligte ihm nach und nach sein Vertrauen und gab ihm endlich freien Zutritt zu einer Person. Zum Dank für diesen Schutz war Grinchka der Spürer des Fürsten geworden; durch Grinchka wußte dieser Alles, was auf seinen Besitzungen vorging, so daß Alle Grinchka fürchteten und verabscheuten, und daß man selbst so weit ging zu sagen, wenn er mit den Seeräubern auf der Wolga gemeinschaftliche Sache gemacht, so habe er in dem Walde von Saratow in einer Nacht seine Seele dem Teufel verkauft und sich seit jener Zeit der Zauberei und allen Arten abscheulicher Künste hingegeben.

Nun hatte sich Grinchka eines Tages eines Briefes bemächtigt, den die Prinzessin Varvara an ihren Gemahl schrieb, um sich über ihren Schwiegervater zu beklagen. Welche Beschuldigung brachte sie gegen den Fürsten Alexis vor? Niemand erfuhr es je; aber was leicht zu sehen war, ist, daß der Fürst, nachdem er diesen Brief gelesen, in düsteres Nachdenken versank, den ganzen Tag in den großen Zimmern des Schlosses umherirrte, indem er seine Hände hinter dem Rücken hielt und den Marsch der Strelitzen pfiff, was immer bei ihm das Zeichen einer großen Zerstreutheit war.

Am folgenden Tage verdoppelte sich diese Zerstreutheit, nachdem er einen Brief von dem Secretair des Gouverneur von Kasan erhalten hatte; dieser Mann, der ihm sehr ergeben war, warnte ihn, auf einer Hut zu sein, da der Gouverneur von Kasan, obgleich er zu seinen Freunden gehöre, nicht umhin könne, eine Visitation bei ihm anzustellen und eine Untersuchung einzuleiten, und zwar in Folge eines Briefes, den er von der Prinzessin Varvara erhalten; nur, fügte der Secretair hinzu, würde er es so anordnen, daß der Besuch erst in vier oder fünf Tagen stattfinden solle, damit, wenn irgend Beweise der Schuld vorhanden wären, man Zeit habe, dieselben verschwinden zu lassen. Als der Fürst von diesem Briefe Kenntniß genommen hatte, ging er in seinem Zimmer auf und ab, noch viel finsterer und gedankenvoller, als am Tage zuvor; den ganzen Tag aß und trank er nicht; es schien ein düsteres Gewölk bereit, Donner und Blitze zu schleudern; auch wagte keiner von uns, sich ihm in den Weg zu stellen.

Als der Abend gekommen war, ließ er seine verdammte Seele Grinchka Chatune rufen und blieb bis zum Tage mit ihm eingeschlossen.

Trieben sie irgend eine teuflische Zauberei, das kann Niemand sagen; Gott allein weiß, was zwischen ihnen vorgegangen.

Als der Morgen gekommen war, gab der Fürst Alexis den Befehl, alles Nöthige zu der Reise der Prinzessin Varvara vorzubereiten, welche zu ihrem Gemahl nach Memel gehen sollte; der Tag verging mit Vorbereitungen, und am Abend hielt ein Wagen vor der Freitreppe an.

Dann sah man die Prinzessin, das Gesicht blaß von Krankheit und Seelenleiden, die große Treppe des Schlosses herunterkommen und bis zur äußeren Balustrade gehen; dort sagte sie. Allen Lebewohl, näherte sich respectvoll dem Fürsten Alexis, beschränkte sich aber darauf, ihm die Hand zu küssen, ohne ein einziges Wort auszusprechen; nur konnte jeder bemerken, daß sie krampfhaft erbebte, als sie die Hand des Fürsten berührte, und beinahe auf die Ouadersteine der Treppe niedergefallen wäre.

»Gott schütze Dich, Schwiegertochter,« sagte der Fürst Alexis zu ihr.

Dann wendete er sich zu den Frauen und sagte:

»Man setze sie in die Kutsche.«

Man half der Prinzessin Varvara beim Einsteigen in die Kutsche. Vorn zum Kutscher setzte sich Chatune und auf den Hintersitz Uliaschka und Vasilika, das heißt, dieselben Frauen, die ihr einen Monat vorher die Hände gebunden hatten.

Als die Diener dies sahen, wechselten sie einen Blick voll Traurigkeit, denn jeder dachte bei sich selber, daß diese Begleitung nichts Gutes bedeute, und daß sich irgend ein großes Unglück vorbereite.

Um elf Uhr Abends ging der Fürst Alexis allein aus dem Schlosse, stieg in den Garten hinunter und begab sich gerades Wegs zu dem rosenfarbigen Pavillon, wo er einen Theil der Nacht zubrachte. Um fünf Uhr Morgens kehrte er von dort zurück, verschloß die Thüre mit der größten Sorgfalt und warf den Schlüssel in den Teich.

Von dem Morgen wurden alle Thüren, die zu dem Garten führten, fest verschlossen und verrammelt und es wurde. Allen strenge verboten, dort einzudringen oder sich auch nur zu nähern.

In derselben Nacht, als der Fürst aus dem Schlosse ging, um sich in den rosenfarbigen Pavillon zu begeben, geschah ein anderes sehr seltsames Ereigniß.

Aringa, die Tochter des Stallknechts Nikisoff verschwand, ohne daß man eine Nachricht von ihr erhielt. Sie litt seit vier Wochen an einem starken Wechselfieber und war schon in gesunden Tagen nicht besonders anziehend, so daß an eine Entführung nicht zu denken war. – Das seltsame Verschwinden war Allen sehr auffallend, aber Niemand wagte auszusprechen, was er darüber dachte.

Vierzehn Tage später kehrte Chatune mit den beiden Weibern, welche die Prinzessin Varvara auf ihrer Reise begleitet hatten, auf das Schloß zurück; sie erzählten, die Prinzessin wäre immer kränker geworden, so wie sie sich von dem Schlosse entfernt hätten, und diese Krankheit hätte so zugenommen, daß die arme junge Frau in einem kleinen Dorfe habe anhalten müssen; sie habe einen Arzt Wien lassen, aber er habe ihr nicht helfen können und die Prinzessin wäre am dritten Tage ihres Aufenthalts im Dorfe gestorben.

Chatune übergab dem Fürsten Alexis die Papiere, welche diesen traurigen Todesfall bestätigten. Diese Papiere waren die Bescheinigungen von dem Gouverneur der nächsten Stadt bei dem Dorfe, wo die Prinzessin gestorben war, von dem Arzte, der sie vor ihrem Tode behandelt und von dem Popen, der bei ihrem Begräbniß fungiert hatte.

Der Fürst Alexis nahm alle diese Papiere, und nachdem er sie gelesen, schloß er sie sorgfältig in seinen Secretair.

Darf ich Dir noch erst sagen, mein kleiner Vater, Iwan Andreowitsch, daß die Prinzessin Varvara auf einem Umwege in den rosenfarbigen Pavillon gebracht wurde, daß der Fürst Alexis von diesem Teufel Chatune und den beiden Furien Vasilika und Uliaschka unterstützt, die Prinzessin Varvara in das Zimmer einmauerte, wo man ihren Körper wieder gefunden, während man anstatt ihrer in den Wagen, der die Prinzessin zu ihrem Gemahl bringen sollte, die Tochter des Stallknechts Nikisoff setzte, die am Fieber krank lag, unterwegs starb und unter dem Namen und anstatt der Prinzessin Varvara begraben wurde?

Uebrigens wurden alle Spuren dieser unglücklichen Geschichte bald verlöscht. Chatune und seine beiden Mitschuldigen blieben nicht lange in dieser Welt: am zweiten Tage nach ihrer Rückkehr nach Grubenski befahl ihnen der Fürst Alexis, augenblicklich das Schloß zu verlassen und auf einem seiner Meierhöfe auf der andern Seite der Wolga zu wohnen. Es war im Herbste und der Fluß war voll von Treibeis, welches die Ueberfahrt sehr gefährlich machte. Chatune und die beiden Weiber gehorchten dennoch, denn Niemand hätte gewagt, sich den Befehlen des Fürsten zu widersetzen; aber sie waren noch nicht in der Mitte des Flusses, als das schwache Fahrzeug, worin sie sich befanden, von den Eisschollen umgeworfen wurde, so daß die, welche darin saßen, in den Fluthen verschwanden und ohne Rettung untergingen.

Als das Gerücht sich verbreitete, daß einige von unseren Leuten in der Wolga ertränken, liefen wir rasch zum Flusse hin und sahen den Fürsten Alexis, seine Hände hinter dem Rücken haltend, auf einem ausgehöhlten Felsen stehen; der Wind hatte ihm die Mütze entrissen die zehn Schritte von ihm entfernt lag, und seine grauen Haare im Winde wehend betrachtete er ruhig die drei Körper, welche der Fluß in seinem raschen Laufe mit sich fortführte und die von Zeit zu Zeit wieder auf der Oberfläche erschienen.

Als Alles völlig verschlungen war, die drei menschlichen Körper, so wie auch das schwache Fahrzeug, welches sie getragen, bekreuzte sich der Fürst andächtig, denn er sprach ohne Zweifel ein Gebet für die Ruhe der Seelen derjenigen, welche eben vor seinen Augen untergegangen; dann hob er seine Mütze auf und kehrte in seine Wohnung zurück.

So gingen alle Spuren dieses traurigen Ereignisses – auf immer verloren, bis zu dem Tage, wo man die Leiche oder vielmehr die Gebeine der Prinzessin Varvara in dem rosenfarbigen Pavillon wiederfand, so daß nicht nur die Gouverneure von Kasan, sondern auch die von ganz Rußland hätten zwanzig Nachforschungen und ebenso viel Haussuchungen anstellen können, ohne irgend etwas zu entdecken.

Ebenso wie die Körper in der Tiefe des Flusses liegen, blieb die Gewissensqual und Reue in der Tiefe des Herzens des Fürsten Alexis zurück, und als er glaubte, daß das Geheul Arabka's seine Todesstunde verkündige, kam das schreckliche Geheimniß an den Tag, und er hatte nicht eher Ruhe, als bis er mir Alles erzählt hatte.

Freilich zwei Stunden später, als das Ungewitter vorüber war; als die Sonne wieder erschien und man dem Fürsten meldete, daß man fünf oder sechs Eber auf gespürt, war dieser plötzlich wieder umgewandelt, vergaß oder schien zu vergessen, was geschehen war, und sprang auf wie ein Schlachtroß, wenn es die Trompete hört. Und mit der Lebhaftigkeit eines jungen Mannes von fünfundzwanzig Jahren aus seinem Pavillon hervorgehend, rief er mit volltönender Stimme:

»Zu Pferde! zu Pferde!«

Und sich in den Sattel schwingend, ritt er nur unvollständig bekleidet im Galopp davon, ohne seinem Testamentsvollstrecker Muransky Lebewohl gesagt zu haben.

Wir folgten einen Spuren und galoppierten, so schnell unsere Pferde uns tragen wollten, dem Uraginskiwalde zu.

Türler ve etiketler

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Litres'teki yayın tarihi:
06 aralık 2019
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