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Kitabı oku: «Katharine Blum», sayfa 5

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Während Bernhard in Gedanken den Brief mit den Händen zerknitterte, hörte er auf Mathias, obgleich es gar nicht so aussah.

Plötzlich wendete er sich zu diesem, stampfte mit dem Fuße und dem Flintenkolben auf und sagte:

»Mathias, Du bist ausgemacht ein. . .«

»Mäßigen Sie sich nicht, Herr Bernhard,« sagte Mathias mit seinem halb einfältigen, halb boshaften Wesen; »es ist nicht gut, wenn man sich Gewalt anthut.«

»Du bist ein Halunke,« sagte Bernhard; »packe Dich!«

Und er that einen Schritt gegen den Vagabunden, um ihn mit Gewalt hinaus zu bringen, wenn er nicht gutwillig gehen wollte; aber Mathias setzte ihm nach seiner Gewohnheit keinen Widerstand entgegen. Nach dem einen Schritt, den Bernhard vorwärts tat, schritt er zwei rückwärts, aber während er sich entfernte, und hinter sich sah, um die Türe nicht zu verfehlen, erwiderte er:

»Vielleicht hätte ich einen andern Dank verdient, aber das ist so Ihre Art . . . Jeder nach seiner Art, wie man sagt. Auf Wiedersehen, Herr Bernhard, auf Wiedersehen.«

Auch aus der Türe rief er noch einmal in einem Tone, in welchem sein alter und neuer Haß zu erkennen war: »Hören Sie, ich sage auf Wiedersehen!«

Dabei beschleunigte er seinen gewöhnlich langsamen und schläfrigen Schritt, sprang über den Graben und ging tief hinein in den Schatten der großen Bäume, wo er verschwand.

Siebentes Kapitel
Eifersucht

Das Auge Bernhards folgte dem Mathias nicht auf der Flucht, sondern richtete sich auf den Brief zurück.

»Ja,« murmelte er; »ich begreife ganz gut, daß er als Pariser den Brief geschrieben hat; er zweifelt an Nichts; aber daß sie nur auf dem Wege zurückkommen sollte, den er ihr angiebt, daß sie einen Platz in seinem Tilbury annehmen sollte, kann ich nicht glauben! Ah! Du bist es, Franz; sei willkommen.«

Diese Worte galten dem jungen Manne, von dem wir sowohl die Türe des Vaters Wilhelm Watrin, als auch das erste Kapitel unsres Romans eröffnen ließen.

»Ja, ich bins,« sagte er. »Ich wollte nur sehen, ob Dich nicht etwa der Schlag gerührt hätte.«

»Noch nicht,« sagte Bernhard, welcher seine Lippen zusammenkniff.

»Dann, vorwärts!« fuhr Franz fort. »Robineau, la Feuille, la Jeunesse und Berthelin sind schon beim Hirschsprunge, und wenn Vater Knurrbart uns hier noch findet, bekommen wir unser Teil, aber nicht von dem Wildschwein.«

»Komme erst her!« sagte Bernhard.

Diese Worte wurden rau und befehlerisch gesprochen, was so wenig mit der Gewohnheit Bernhards übereinstimmte, daß Franz ihn erstaunt ansah; als er da das bleiche Gesicht, die erregten Züge und den Brief erblickte, den Jener in der Hand hielt, und der die Ursache der plötzlichen Veränderung des Gesichts und des Wesens des jungen Mannes zu sein schien, trat er halb lächelnd, halb besorgt näher, legte die Hand an die Mütze, wie Soldaten, die einen Vorgesetzten grüßen und sagte:

»Zu Befehl!«

Da das Auge Franzens aus den Brief gerichtet war, hielt Bernhard die Hand mit dem Papiere auf den Rücken und fragte, während er die andere auf Franzens Schulter legte:

»Was sagst Du vom Pariser?«

»Von dem jungen Manne, der beim Holzhändler Raisin ist?«

»Ja.«

Franz bewegte beifällig den Kopf und schnalzte mit der Zunge.

»Ich sage, daß er sehr gut gekleidet geht,« erwiderte er; »und immer nach der neuesten Mode, wie es scheint.«

»Es handelt sich nicht um seine Kleidung.«

»So meinst Du sein Gesicht? Nun, er ist ein ganz hübscher Mann, das muß Jeder sagen,« antwortete Franz.

»Ich rede gar nicht von seinem Körperlichen,« fiel Bernhard ungeduldig ein, »sondern von seinem Charakter.«

»Charakter?« entgegnete Franz, der durch den Ton seiner Stimme schon andeutete, daß, wenn von dem Charakter die Rede sei, seine Meinung sich sehr ändern werde.

»Ja, von dem Charakter,« wiederholte Bernhard.

»Nun, als Mädchenjäger scheint er gar nicht ungeschickt zu sein,« sagte Franz.

»Mir sehr gleichgültig,« entgegnete Bernhard, der die Faust ballte; »er mag sich nur in Acht nehmen, nicht in mein Gehege zu kommen.«

Bernhard hatte diese Worte in so drohendem Tone gesprochen, daß Franz ihn ganz bestürzt ansah.

»Was hast Du nur?« fragte er.

»Komm noch näher.«

Franz gehorchte. Bernhard legte seinen rechten Arm um den Nacken des Freundes und hielt ihm mit der linken Hand den Brief Chollets vor die Augen.

»Was sagst Du zu dem Briefe?« fragte er.

Franz sah erst Bernhard, dann den Brief an und endlich las er:

»Liebe Katharine . . .«

»Oho,« unterbrach er sich; »ist das Deine Cousine?«

»Ja,« antwortete Bernhard.

»Ich glaube doch, er bekäme die Mundsperre nicht, wenn er »Mademoiselle Katharine« sagte, wie alle andern.«

»Lies nur weiter; Du bist noch nicht zu Ende.«

Franz las und begann einzusehen, um was es sich handele:

»Liebe Katharine, ich erfahre, daß Sie nach anderthalbjähriger Abwesenheit zurückkommen werden, in welcher ich Sie bei meinen kurzen Reisen nach Paris kaum sehen, viel weniger mit Ihnen sprechen konnte. Ich brauche Ihnen Wohl nicht zu sagen, daß in diesen anderthalb Jahren Ihr reizendes Gesichtchen mir nicht aus dem Sinne gekommen ist, und daß ich diese ganze Zeit über nur an Sie gedacht habe. Da ich Ihnen nun so bald als möglich mündlich sagen möchte, was ich Ihnen schreibe, so werde ich Ihnen bis Gondreville entgegenkommen, und ich hoffe, daß Sie nach Ihrer Rückkehr billiger denken werden, als vor Ihrer Abreise, da Sie in der Pariser Luft hoffentlich den Bauernlümmel Bernhard Watrin ganz vergessen haben.

»Ihr Verehrer bis an den Tod,
»Louis Chollet.«

»Das hat der Pariser geschrieben?« fragte Franz.

»Zum Glück! »den Bauernlümmel Bernhard Watrin!« Du hast es gelesen.«

»Nun ja, aber . . . Mamsell Katharine . . .?«

»Das frage ich auch, Franz.«

»Glaubst Du, daß er ihr wirklich entgegen gefahren ist?«

»Warum nicht? Solche Stadtherren zweifeln an gar Nichts, und warum sollte er auf einen Bauernlümmel Rücksicht nehmen?«

»Und Du. . .?«

»Ich?«

»Du weißt doch, wie Du mit Mamsell Katharine stehst.«

»Das wußte ich, ehe sie nach Paris ging, aber wie es bei ihrem anderthalbjährigen Aufenthalte dort geworden, kann ich nicht wissen.«

»Du hast sie ja besucht.«

»Zweimal; seit acht Monaten sah ich sie nicht und in acht Monaten kann in einem Mädchenkopfe sehr viel vorgehen.«

»Pfui! das ist ein schlechter Gedanke,« sagte Franz. »Ich kenne Mamsell Katharine auch und wollte mich für sie verbürgen.«

»Franz! Franz! Die Beste ist, wenn auch nicht falsch, doch gefallsüchtig. Dieses anderthalbe Jahr in Paris. . . ach!«

»Ich sage Dir, Du wirst sie wiederfinden, wie Du sie bei dem Abschiede verlassen hast.«

»Wenn sie sich zu ihm in das Tilbury setzt, sitzt Du , . .,« fiel Bernhard mit drohender Gebärde ein.

»Was wäre dann?« fragte Franz erschrocken.

»Die beiden Kugeln in dem Gewehr,« antwortete Bernhard, »die ich des Wildschweins wegen mit dem Kreuze gezeichnet habe . . .«

»Nun?«

»Eine davon wäre für ihn und die zweite für mich . . . Komm!«

»Bernhard! Bernhard!« sagte Franz, der sich mitzugehen sträubte.

»Komm! Komm!« wiederholte Bernhard ungestüm. Er zog ihn mit sich fort, blieb aber plötzlich stehen, denn in der Türe trat ihm seine Mutter entgegen.

»Sehr gut!« sagte Franz und er rieb sich die Hände, weil er hoffte, die Anwesenheit der Mutter würde die Vorsätze Bernhards ändern.

Die gute Frau trat lächelnd mit einer Tasse Kaffee in der Hand ein. Sie brauchte aber nur mit einem Blicke den Sohn anzusehen, um mit dem Muttergefühle sofort zu erkennen, daß etwas Ungewöhnliches in ihm vorgehe. Sie ließ sich indes nichts merken und sagte mit ihrem gewöhnlichen Lächeln:

»Guten Morgen, Bernhard.«

»Guten Morgen, Mutter!« antwortete Bernhard, dann wollte er fortgehen, sie hielt ihn aber auf und fragte:

»Wie hast Du geschlafen?«

»Sehr gut, Mutter.«

»Du gehst schon?« fuhr sie fort.

»Sie warten am Hirschensprung auf mich und Franz wollte mich holen.«

»Es hat keine Eile,« fiel Franz ein; »sie mögen warten. Zehn Minuten mehr oder weniger macht doch nichts aus.«

Bernhard that wieder einen Schritt.

»So warte doch einen Augenblick,« sagte die Mutter;

»ich habe Dir ja kaum guten Morgen gesagt. – Es ist recht trübes Wetter,« setzte sie mit einem Blicke nach dem Himmel hinzu.

»Es wird sich schon aufhellen,« antwortete Bernhard. »Adieu, Mutter.«

»So warte doch und genieße etwas, ehe Du gehst.«

Dabei reichte sie dem Sohne die Tasse Kaffee, die sie für sich selbst bereut hatte.

»Ich danke, Mutter; ich habe keinen Appetit,« antwortete Bernhard.

»Du trinkst ja den Kaffee so gern, gerade wie Katharine,« fuhr die Mutter fort.

Bernhard schüttelte den Kopf.

»Du willst nicht? Nun, so nimm wenigstens einen Schluck. Er wird mir dann besser schmecken.«

»Gute Mutter!« sagte Bernhard, der die Tasse nahm und sie wieder hinstellte, nachdem er einen Schluck daraus getrunken hatte.

»Zitterst Du nicht, Bernhard?« fragte die Mutter besorgt.

»Im Gegenteil, ich habe nie eine sicherere Hand gehabt; sieh einmal.«

Er warf sein Gewehr aus der rechten in die linke Hand, und um die Kette zu zerreißen, woran er sich gefesselt fühlte, setzte er hinzu:

»Adieu, für diesmal, Mutter. Ich muß nun fort.«

»Wenn Du nicht anders willst, so gehe, aber bleibe nicht lange; Du weißt, daß Katharine früh kommt.«

Bernhard wollte fort, in der Türe aber begegnete ihm der Vater.

»Nun auch der Vater!« dachte er, und trat einen Schritt zurück.

Vater Watrin kam mit der Pfeife im Munde Zurück, wie er gegangen war, aber sein graues Auge glänzte. Er sah Bernhard gar nicht, oder stellte sich wenigstens als sähe er ihn nicht; er sagte zu Franz:

»Bravo! Bravo! Du weißt, daß ich keine Komplimente mache.«

»Im Gegentheil,« antwortete Franz, der ein Lachen nicht unterdrücken konnte, obwohl es ihm nicht leicht ums Herz war. »Nicht wahr, es ist so, wie ich gesagt habe?«

»Alles.«

Bernhard machte wieder eine Bewegung hinaus zu gehen, da sein Vater nicht auf ihn zu achten schien, aber diesmal hielt ihn Franz zurück.

»Bernhard,« sagte er; »'s ist wegen des Wildschweins.«

»Ja,« antwortete Bernhard; »wir haben keine Zeit zu verlieren. Adieu!«

»Setze Dich keiner unnötigen Gefahr aus, Bernhard,« empfahl die Mutter.

Watrin sah seine Frau mit dem stillen Lächeln an, dazwischen den aufeinandergedrückten Zähnen gar nicht durchkommen zu können schien, und sagte:

»Nun, Mutter, wenn Du für ihn schießen willst, kann er in der Küche bleiben. – Eine Jägersfrau! Schäme Dich.«

Bernhard war unterdessen zu Franz getreten und sagte:

»Nicht wahr. Du entschuldigst mich bei den Andern?«

»Warum?«

»Weil ich nicht mitgehe. Ich muß nach Gondreville zu.«

»Bernhard!« rief Franz und faßte den jungen Mann am Arme.

»Schon gut.« antwortete dieser; »ich bin doch mündig und kann tun, was mir beliebt.«

Er fühlte, daß eine Hand sich auf seine Achsel legte, drehte sich um und fragte:

»Was, Vater?«

»Dein Gewehr ist geladen?«

»Ja.«

»Zwischen die Schulter schießest Du.«

»Ich kenne die Stelle,« antwortete Bernhard und er reichte dem Vater, dann der Mutter die Hand zum Abschiede worauf er hinaus eilte, während Vater Watrin seine Frau ansah und dann mit einer gewissen Besorgnis frage:

»Was hat der Junge heute. Mutter? Er sieht mir ganz anders aus wie sonst.«

»Mir kommt er auch so vor,« antwortete die Mutter »Du solltest ihn zurückrufen, Alter.«

»Warum? um zu fragen, ob er schlechte Träume gehabt hat?«

Er trat darauf in die Türe, die Hände in den Taschen, die Pfeife in dem Munde und rief Bernhard nach: »Hörst Du? Zwischen die Schulter treffen?

Bernhard hatte aber Franz schon verlassen, der allein nach dem Hirschsprung ging. Gleichwohl antwortete eine Stimme, die Stimme Bernhards, aber in einem Tone, welcher den Alten erschreckte:

»Ja, ja, Vater; ich weiß schon, wohin die Kugel gehört.«

»Gott sei mit dem Kinde!« sagte die Mutter, die das Kreuz schlug.

Achtes Kapitel
Vater und Mutter

Watrin und seine Frau sahen einander um, als sie allein waren; dann sprach der Vater mit sich selbst, als könne die anwesende Mutter ihm durchaus keine Aufklärung geben und fragte:

»Was will der Bernhard auf dem Wege nach der Stadt vornehmen?«

»Auf dem Wege nach der Stadt?« fragte die Frau. »Er geht nach der Stadt zu?«

»Ja, und auf dem kürzesten Wege, durch den Wald.«

»Weißt Du das gewiß?«

»Frage nicht so töricht,« entgegnete der Alte, der nicht zu wissen schien, ob er Franz zurückrufen oder selbst zu dem Sammelplatze gehen solle. Die Frau hielt ihn zurück und sagte:

»Bleibe da, Alter, ich habe mit Dir zu reden.«

»Vater Watrin sah sie von der Seite an; sie nickte bestätigend.

»Wenn man Dich anhören wollte, Du hättest immer etwas zu sagen; es ist nur nicht immer gewiß, ob's des Anhörens wert ist.«

Er wollte jetzt wirklich hinaus gehen, die Frau aber hielt ihn zum zweiten Male zurück.

»So bleibe doch,« sagte sie, »da ich Dir etwas zu sagen habe.«

Watrin blieb, aber in sichtlicher Ungeduld.

»Was willst Du?« fragte er.

»So sei doch geduldig! Bei Dir soll man immer fertig sein, ehe man anfängt.«

»Hm!« antwortete Watrin, der mit einem Mundwinkel zu lächeln versuchte. »Man weiß wohl, wenn Du anfängst, aber nicht, wenn Du aufhörst. Du fängst bei dem alten Schielax an und hörst bei dem Großtürken auf.«

»Dies Mal werde ich mit Bernhard anfangen und aufhören. Bist Du zufrieden?«

»Schieß nur los!« antwortete Watrin, der die Arme, ergeben in sein Schicksal, übereinander schlug.

»Du hast selbst gesagt, Bernhard wäre nach der Stadt zu gegangen.«

»Ja.«

»Auf dem kürzesten Wege durch den Wald.« »Nun? Weißt Du etwa, wohin er gegangen ist? Wenn Du es weißt, so sag's, daß die Sache ein Ende hat – Du siehst, ich höre Dich an. Wenn Du's nicht weißt, verlohnte es nicht die Mühe, mich aufzuhalten.«

»Jetzt redest Du, was nicht nötig ist.«

»Ich bin schon ganz still,« sagte Watrin.

»Er ist in die Stadt gegangen . . .« begann die Frau.

»Um Katharine schneller zu sehen? Wenn das Deine Neuigkeit ist, so behalte sie in Gottes Namen für Dich.«

»Du bist auf dem Holzwege. Er ist nicht in die Stadt gegangen, um Katharine früher zu sehen.«

»Warum ist er sonst in die Stadt gegangen?«

»Um Mamsell Euphrosine zu sehen.«

»Die Tochter des Holzhändlers, die Tochter des Maire, die Tochter Raisins? Geh weg!«

»Ja, wegen der Tochter Raisins, des Holzhändlers und Maires.«

»Hör' auf!«

»Warum denn?«

»Hör' auf, sag' ich.«

»Hab' ich doch in meinem Leben keinen solchen Menschen gesehen!« entgegnete Mutter Watrin, welche die Hände in Verzweiflung zusammenschlug. »Niemals einen Grund. Mache ich das so, habe ich Unrecht; mache ich es anders, habe ich Unrecht; rede ich, soll ich still sein; sage ich Nichts, hätte ich den Mund auftun sollen. Du mein lieber Gott, warum hat man denn die Zunge, als daß man sagen soll, was man auf dem Herzen hat?«

»Nun,« antwortete Watrin, indem er die Frau schelmisch ansah, »ich denke, Du lässt Deine Zunge nicht einrosten.«

Als wisse er, was er wissen wollte, fing Watrin an, seine Pfeife frisch zu stopfen und pfiff dazu ein Jagdstückchen, um,. wie es schien, dadurch seine Frau aufzufordern, nicht Weiter zu reden. Diese ließ sich aber so leicht nicht abschrecken. Sie fuhr fort:

»Wenn ich Dir nun sage, daß mir's das Mädchen selbst gesagt hat.«

»Wann?« fragte Watrin lakonisch.

p»Am vorigen Sonntage, auf dem Wege aus der Messe.«

»Was hat sie gesagt?«

»Sie sagte . . . Willst Du mich anhören oder nicht?«

»Ich höre ja schon.«

»Also sie sagte: »Wissen Sie, Madame Watrin, daß Ihr Bernhard recht unternehmend ist?«

»Der Bernhard?«

»Ich wiederhole nur ihre Worte: »Wenn ich vorbei gehe, sieht er mich an, so an, daß ich nicht wüßte, wohin ich die Augen tun sollte, wenn ich den Fächer nicht hätte.«

»Hat sie Dir denn auch gesagt, daß Bernhard mit ihr gesprochen?«

»Davon hat sie Nichts gesagt.«

»Also!«

»So warte doch nur! Mein Gott, bist Du ein ungeduldiger Mensch! Sie sagte noch: »Wir werden Sie in diesen Tagen einmal besuchen, Madame Watrin, aber sorgen Sie dafür, daß dann Ihr Sohn nicht da ist; ich käme in gar zu große Verlegenheit, denn, das gestehe ich, hübsch ist Ihr Sohn.«

»Und das kitzelt Dich, Alte, nicht wahr?« fiel Watrin achselzuckend ein. »Das schmeichelt Deiner Eitelkeit, wenn ein Stadtmädchen, die Tochter des Maire, Dir sagt, Dein Bernhard sei hübsch?«

»Gewiß.«

»Und dann geht die Einbildung gleich mit dem Verstand durch; . . . da werden, Pläne gemacht . . .«

»Warum denn nicht?«

»Du denkst Dir den Bernhard schon als Schwiegersohn des Maire. . .«

»Und wenn er die Tochter heirathete . . .«

»Na!« fiel Vater Watrin ein, indem er mit der einen Hand die Mütze abnahm und mit der andern einen Büschel seiner grauen Haare faßte, als wolle er sie ausraufen, »und man soll nicht aus der Haut fahren, wenn man solche Dinge anhören muß!«

Als habe Watrin auch nicht ein Wörtchen gesagt, fuhr die Frau fort:

»Wenn ich nun sage, Herr Raisin selbst hat mich erst gestern angeredet, als ich vom Markte kam, und gesagt: »Madame Watrin, Sie sollen ja die Kaninchen so vortrefflich zurichten; ich werde mich einmal ohne Umstände zu einem solchen Gerichte einladen?«

»Und die Absicht davon suchst Du nicht?« fragte der Alte, der gewaltige Rauchwolken um sich blies, wie er es nur zu tun pflegte, wenn er hitzig zu werden anfing, so daß er endlich, wie Jupiter der Donnerer, in Wolken verschwand.

»Nein,« antwortete die Frau, die nicht einsah, wie die Worte, die sie eben wiederholt hatte, noch einen andern geheimen Sinn haben könnten.

»So will ich Dir's erklären.«

Da die Erklärung lang sein mußte, so nahm Vater Watrin, wie bei allen feierlichen Gelegenheiten, die Pfeife aus dem Munde, hielt die Hand auf den Rücken, drückte die Zähne noch mehr zusammen, als gewöhnlich, und begann:

»Der Herr Maire ist gescheit, pfiffig und klug und besitzt gerade nur so viel Ehrlichkeit, um nicht gehangen zu werden. Wenn er durch seine Tochter mit Dir von Deinem Sohne reden ließe und selbst mit Dir von Deinem Kaninchengerichte spräche, meint er, würdest Du mir die Schlafmütze über die Ohren und die Augen ziehen, damit ich nichts merke, wenn er eine Buche oder eine Eiche umschlagen lässt, die ihm nicht gehört . . . Aber damit ist's nichts, Herr Maire . . . Wenn Sie das Gras von den Stadtwiesen für Ihre Pferde holen lassen, so geht das mich Nichts an, aber Komplimente mögen Sie mir machen, so viel Sie wollen, Sie dürfen keine Ruthe mehr aus dem Walde nehmen, als Sie gekauft haben.«

Die Frau war zwar nicht überführt, machte aber eine Bewegung mit dem Kopfe, welche bedeutete, es könne allerdings etwas Wahres in dem sein, was der Alte sage.

»Nun meinetwegen,« sagte sie mit einem Seufzer; »wir wollen davon nicht weiter reden, aber leugnen wirst Du nicht, daß der Pariser in Katharine verliebt ist?«

»Na,« fiel Watrin ein, und that, als wolle er seine Pfeife an den Boden werfen, »nun kommen wir gar aus dem Regen in die Traufe.«

»Warum das?« fragte die Frau.

»Bist Du fertig?«

»Noch nicht.«

»Da,« sagte Vater Watrin, indem er in die Tasche griff, »das Übrige kaufe ich Dir mit dem Geldstücke da ab . . . unter der Bedingung, daß Du Nichts mehr sagst.«

»Was hast Du gegen ihn?«

Watrin nahm wirklich das Geld aus der Tasche.

»Gilt der Handel?« fragte er.

»Er ist doch ein schöner, junger Mensch,« fuhr die Frau hartnäckig fort.

»Zu schön,« antwortete Watrin.

»Reich,« fuhr die Frau fort.

»Zu reich.«

»Galant.«

»Zu galant, viel zu galant! Seine Galanterie könnte ihn einmal um die Ohrläppchen, wenn nicht um die ganzen Ohren bringen.«

»Ich verstehe Dich nicht.«

»Das ist auch nicht nöthig und mir sehr gleichgültig, wenn ich nur weiß, was ich will.«

»Das mußt Du aber zugeben, daß es eine schöne Partie für Katharine wäre.«

»Für Katharine?« wiederholte Vater Watrin. »Für Katharine ist Nichts zu schön.«

Die Alte machte eine fast verächtliche Gebärde.

»Du willst doch nicht etwa sagen, das Mädchen sei nicht schön?«

»I, schön ist sie, ja, wie der liebe Tag.«

»Oder sie sei nicht keusch und züchtig?«

»Die heilige Jungfrau ist nicht reiner, als sie.«

»Sie sei nicht reich?«

»Nun, wenn's Bernhard zufrieden ist, bekommt sie die Hälfte von dem, was wir haben,« »

Vater Watrin lächelte still und antwortete:

»Du kannst ganz ruhig sein, Bernhard wird Nichts dagegen haben.«

»Das ist nicht Alles,« fuhr die Frau kopfschüttelnd fort.

»Was noch?«

»Die Religionssache,« antwortete die Frau mit einem Seufzer.

»Nun ja, weil Katharine protestantisch ist, wie ihr armer Vater. Immer die alte Leier.«

»Es wird gar nicht viel Leute geben, die eine Ketzerin gern in ihrer Familie sehen.«

»Eine Ketzerin wie Katharine? Da bin ich ganz anders gesinnt, denn ich danke dem lieben Gott jeden Morgen, daß sie in unserer Familie ist.«

»Ketzer sind Ketzer,« fuhr die Frau mit einer Bestimmtheit fort, welche einem Theologen des sechzehnten Jahrhunderts Ehre gemacht haben würde.

»Das weißt Du?«

»Der Herr Bischof von Soissons hat es in der letzten Predigt gesagt, die ich von ihm gehört, alle Ketzer würden verdammt.«

»Was der Herr Bischof sagt, hat bei mir nicht mehr Werth, als die Tabakasche in meiner Pfeife da,« antwortete Vater Watrin, indem er den Kopf seines Pfeifenstummels auf dem Daumennagel ausklopfte. »Hat nicht der Abbé Gregoire, nicht bloß in seiner letzten Predigt, sondern in allen seinen Predigen gesagt, alle guten Menschen kämen in den Himmel?«

»Das wohl,« entgegnete die Frau hartnäckig, »aber der Bischof muß das besser wissen, weil er Bischof und der Abbé nur Abbé ist.«

»Na,« sagte Vater Watrin, der die Pfeife frisch gestopft hatte und in Ruhe rauchen zu wollen schien, »bist Du nun fertig?«

»Ja, und ich habe Katharinen doch auch lieb.«

»Das weiß ich.«

»Als wäre sie meine eigene Tochter.«

»Daran zweifle ich nicht.«

»Und dem sollte es schlecht bekommen, der schlecht von ihr spräche oder ihr etwas zu Leid täte.«

»Gut. Run noch einen Rath, Mutter.«

»Welchen?«

»Du hast genug geredet.«

»Ich?«

»Ich glaub's . . . Künftig rede nicht mehr, als man Dich fragt, oder . . . tausend Millionen Donnerwetter!«

»Was ich getan habe, habe ich getan, eben weil ich Katharinen gerade so lieb habe wie Katharine,« entgegnete die Frau, die, wie Frau von Sévigné, das Interessanteste für das Postscriptum aufgespart zu haben schien.

»Da soll doch gleich . . .!« fuhr Watrin fast erschrocken auf; »Du willst noch nicht genug geschwatzt haben?

getan hast Du etwas? Was hast Du getan? Laß hören.«

Watrin steckte den Pfeifenstummel, der gestopft, aber noch nicht wieder angezündet war, weit in den Mund hinein, schlug die Arme auf der Brust über einander und wartete.

»Wenn Bernhard Mamsell Euphrosinen und der Pariser Katharinen heiratete . . .« begann die Frau.

»Schon gut! Was hast Du getan?« fragte der Alte.

». . . Würde mich der alte Watrin gewiß nicht »dumme Gans« schimpfen, wie er es oft thut.«

»Schieß los! Schieß los! Was hast Du getan?«

»Ich habe zu dem Herrn Maire gesagt: »Nun, Herr Maire, morgen ist doppeltes Fest bei uns: Kirchweih in Corcy und Ankunft meiner Nichte Katharine. Kommen Sie also morgen, um meine Kaninchen zu kosten, mit Mamsell Euphrosine und Herrn Chollet. Wenn's schön Wetter ist, gehen wir dann zusammen nach Corcy.«

»Und das hat er angenommen, nicht wahr?« fragte Watrin, der so heftig auf die Pfeife biß, daß wieder ein Stück abbrach.

»Ohne allen Stolz.«

»Die alte dumme Frau!« rief Watrin in Verzweiflung aus. »Sie weiß, daß ich ihren Maire nicht ausstehen kann; sie weiß, daß ich die zimperliche Euphrosine nicht riechen mag; sie weiß, daß ich dem Pariser von weitem aus dem Wege gehe, und ladet mir doch die ganze Gesellschaft in's Haus! Und wann? Zu einem Festtage.«

»Nun,« entgegnete die Frau, die froh war, ihre Sünde bekannt zu haben, »eingeladen sind sie nun.«

»Ja wohl, eingeladen sind sie!«

»Absagen können wir es nicht lassen.«

»Leider nicht; aber das weiß ich, daß mir nun heute kein Bissen schmeckt. . . Adieu!«

»Wo willst Du hin?« fragte die Frau.

»Ich will sehen, ob das Schwein tot ist. Ich hörte einen Schuß.«

»Alter!« sagte die Frau bittend.

»Nein!«

»Wenn ich's nicht recht gemacht habe . . .«

»Das hast Du . . .«

»So nimm's nicht übel, Wilhelm; ich hatte die beste Absicht dabei.«

»Mit guten Absichten und Vorsätzen ist der Weg zur Hölle gepflastert.«

»So höre doch. . .«

»Laß mich in Frieden, oder . . .« und Watrin erhob die Hand.

»Oho,« entgegnete die Frau, »das ist mir einerlei. Du darfst so nicht fortgehen, Du darfst mich nicht im Zorn verlassen. Wenn in unserem Alter Eins von dem Andern geht, weiß nur der liebe Gott, ob man einander wieder sieht.«

Und große Thränen rannen über ihr Gesicht.

Watrin sah die Thränen, die in seinem Hause sehr selten waren. Er zuckte die Achseln, trat zu seiner Frau und sagte:

»Alte dumme Frau, gegen den Maire bin ich aufgebracht, nicht gegen meine Alte. Komm her, Plappertasche, und gieb mir einen Schmatz,« setzte er hinzu, indem er die Gefährtin in die Arme schloß, den Kopf aber mit der Pfeife zur Seite wendete.

»Horch! Was ist das?« unterbrach er sich.

Ein Wagen rollte auf der Straße draußen und fuhr an die Türe des neuen Hauses heran; zu gleicher Zeit hörte man eine jugendliche, heitere Stimme, die rief:

»Vater! Mutter! Ich bin's!«

Bei diesen Worten sprang ein schönes Mädchen von etwa achtzehn Jahren von dem Wagentritte und auf die Schwelle des Hauses.

»Katharine'« riefen die beiden Alten im Hause, und eilten der Ankommenden mit offenen Armen entgegen.