Kitabı oku: «Kleine Romane und Novellen», sayfa 2
II
Gemma sank auf ihren Sessel zurück, und dieser Erscheinung und diesen Worten folgte ein Augenblick des Schweigens, während dem sie die Zeit hatte, einen raschen und furchtsamen Blick auf den Fremden zu werfen, der auf eine so wunderliche und ungewöhnliche Weise in ihr Zimmer gedrungen war.
Es war ein junger Mann von fünf und zwanzig bis sechs und zwanzig Jahren. welcher der Volksklasse anzugehören schien; er trug den calabresischen Hut mit einem breiten Bande, das wallend auf seine Achseln herabfiel eine Sammetjacke mit silbernen Knöpfen, ein Beinkleid von demselben Stoffe und mit ähnlichen Verzierungen, um seine Hüften trug er einen Gürtel von roter Seide mit Stickereien und grünen Fransen, wie man deren in Messina, die der Levante nachahmend, anfertigt. Endlich vervollständigten lederne Gamaschen und Schuhe dieses Gebirgskostüm, dem es nicht an Eleganz fehlte, und das gewählt zu sein schien, um die glücklichen Verhältnisse der Gestalt dessen hervorzuheben, der es angenommen hatte. Was sein Gesicht anbelangt, so war es von milder Schönheit; es waren diese starken, hervortretenden Züge der Männer des Südens, ihre kühnen und stolzen Augen, ihre schwarzen Haare und Bart, ihre Adlernase und ihre Schakalzähne.
Ohne Zweifel war Gemma durch diese Musterung nicht beruhigt, denn der Fremde sah sie den Arm nach der Seite des Tisches ausstrecken, und da er erriet, dass sie die silberne Schelle suchte, welche dort stand, sagte er zu ihr, indem er seiner Stimme jenen unendlichen Ausdruck von Sanftmut gab, für welche die sizilianische Sprache so günstig ist:
– Haben Sie mich nicht verstanden, gnädige Frau? Ich will Ihnen durchaus kein Leid zufügen, vielmehr, wenn Sie mir die Bitte bewilligen, welche ich an Sie richten will, will ich Sie wie eine Madonna anbeten; Sie sind ja so schön wie die Mutter Gottes, seien Sie auch eben so gut, als sie.
– Aber was wollen Sie denn nur von mir? sagte Gemma mit noch zitternder Stimme, und wie können Sie so zu dieser Stunde bei mir eintreten?
– Wenn ich Sie, edle, reiche und von einem Manne geliebte Dame, der fast ein König ist, um eine Unteredung gebeten hätte, ist es wahrscheinlich, dass Sie mir, dem Armen und Unbekannten, dieselbe bewilligt hätten, gnädige Frau? Wenn Sie außerdem diese Güte gehabt hätten, so konnten Sie zögern, mir zu antworten, und ich hatte nicht die Zeit zu warten.
– Was vermag ich denn für Sie? sagte Gemma, indem sie sich immer mehr beruhigte.
– Alles, gnädige Frau, denn Sie haben meine Verzweiflung oder mein Glück, meinen Tod oder mein Leben in Ihren Händen.
– Ich verstehe Sie nicht, erklären Sie sich.
– Sie haben ein junges Mädchen von Bauso in Ihren Diensten,
– Theresa? .
– Ja, Theresa, fuhr der junge Mann mit bebender Stimme fort; nun aber steht dieses junge Mädchen im Begriffe, sich mit einem Kammerdiener des Fürsten Carini zu verheiraten, und dieses junge Mädchen ist meine Verlobte.
– Ah! Sie sind es? . . .
– Ja. ich bin es, den sie in dem Augenblicke zu heiraten im Begriffe stand, als sie den Brief erhielt, welcher sie zu Ihnen berief. Sie versprach mir treu zu bleiben, mit Ihnen für mich zu sprechen, und, wenn Sie ihre Bitte ausschlügen, wieder zu mir zu kommen; ich wartete daher; aber drei Jahre, sind verflossen, ohne dass ich sie wiedersah, und da sie nicht zurückkehrte, so bin ich Hierher gekommen. Bei meiner Ankunft habe ich Alles erfahren, ich habe nun gedacht, mich Ihnen zu Füßen zu werfen, und Sie um Theresa zu bitten.
– Theresa ist ein Mädchen, das ich liebe, und von der ich mich nicht trennen will. Gaëtano ist der Kammerdiener des Fürsten, und indem sie ihn heiratet, wird sie bei mir bleiben.
– Wenn das eine Bedingung ist, so werde ich bei dem Fürsten in Dienst treten, sagte der junge Mann, indem er sich einen sichtlichen Zwang antat.
– Theresa hatte mir gesagt, dass Sie nicht dienen wollten.
– Das ist wahr! wenn es indessen sein muss, so werde ich dieses Opfer bringen; nur, wenn es möglich wäre, würde ich es vorziehen, auf seinen Gütern eine Stelle zu erhalten, als in seine Dienerschaft einzutreten.
– Es ist gut, ich werde mit dem Fürsten darüber sprechen, und wenn er einwilligt. . ..
– Der Fürst will Alles, was Sie wollen, gnädige Frau; Sie bitten nicht, Sie befehlen, ich weiß es.
– Aber wer wird mir Bürgschaft für sie leisten?
– Meine ewige Dankbarkeit, gnädige Frau.
– Dabei muss ich noch wissen, wer Sie sind.
– Ich bin ein Mann, dessen Unglück oder Glückseligkeit Sie machen können, das ist Alles.
– Der Fürst wird Ihren Namen von mir verlangen.
– Was kümmert ihn mein Name? kennt er ihn? Ist der Name eines Landmannes von Bauso jemals bis zu dem Fürsten gelangt?
– Aber ich, ich bin aus derselben Gegend, als Sie, mein Vater war Graf von Castelnuovo, und bewohnte eine kleine Feste, eine Viertelstunde weit von dem Dorfe.
– Ich weiß es, gnädige Frau, antwortete der junge Mann mit dumpfer Stimme.
– Nun denn? ich muss Ihren Namen kennen, so sagen Sie mir ihn denn, und ich werde sehen, was ich zu tun habe.
– Glauben Sie mir, Frau Gräfin, es ist besser, dass Sie ihn nicht kennen; was liegt an meinem Namen? Ich bin ein rechtschaffener Mann, ich werde Theresa glücklich machen, und wenn es sein muss, mich für den Fürsten und für Sie töten lassen.
– Ihr Eigensinn ist seltsam, und ich halte um so mehr darauf Ihren Namen zu wissen, als ich ihn bereits von Theresa verlangt, und diese, wie Sie, sich geweigert hat, ihn mir zu nennen. Ich sage Ihnen indessen im Voraus, dass ich nur unter dieser Bedingung etwas tun werde.
– Sie wollen es, gnädige Frau?
– Ich verlange es.
– Nun denn! zum letzten Mal, ich bitte Sie inständigst . . .
– Entweder Sie nennen Ihren Namen, oder Sie entfernen sich! sagte Gemma mit einer gebieterischen Gebärde.
– Ich heiße Pascal Bruno, antwortete der junge Mann mit so ruhiger Stimme, dass man hätte glauben können, alle Gemütsbewegung sei plötzlich verschwunden, wenn sein bleiches Ansehen nicht verraten hätte, was er in seinem Innern litt.
– Pascal Bruno! rief Gemma ihren Sessel zurück schiebend aus, Pascal Bruno! wären Sie etwa der Sohn Antonio Brunos, dessen Kopf in dem eisernen Käfige an dem Schloss von Bauso ist?
– Ich bin sein Sohn.
– Wohl an! wissen Sie, warum der Kopf Ihres Vaters dort ist, sagen Sie? Pascal schwieg.
– Nun denn, fuhr Gemma fort, weil Ihr Vater den meinigen hat ermorden wollen.
– Ich weiß das Alles, gnädige Frau, ich weiß ferner, dass, wenn man sie als Kind in dem Dorf spazieren führte, Ihre Kammerfrauen und Ihre Bedienten Ihnen diesen Kopf zeigten, indem sie zu Ihnen sagten, dass es der meines Vaters wäre, der den Ihrigen hätte ermorden wollen; aber was man Ihnen nicht sagte, gnädige Frau, das ist, dass Ihr Vater den meinigen entehrt hatte.
– Sie lügen.
– Gott soll mich strafen, wenn ich nicht die Wahrheit sage, gnädige Frau; meine Mutter war schön und sittsam, der Graf liebte sie, und meine Mutter widerstand allen Anträgen, allen Versprechungen, allen Drohungen, aber, als mein Vater eines Tages nach Taormino gegangen war, hat er sie von vier Mann entführen, in ein kleines, ihm angehörendes Haus zwischen Limero und Furnari bringen lassen, das jetzt ein Wirtshaus ist . . . Und dort! . . . dort, gnädige Frau, schändete er sie!
– Der Graf war Herr und Gebieter des Dorfes von Bauso; seine Bewohner gehörten ihm mit Leib und Gut an und er erwies Ihrer Mutter viel Ehre, dass er sie liebte!. . .
– Wie es scheint, dachte mein Vater nicht so, sagte Pascal, indem er die Stirn runzelte, und das ohne Zweifel, weil er in Stillea, auf dem Gebiete des Fürsten von Moncada-Paterno geboren war, was die Veranlassung war, dass er den Grafen traf. Die Wunde war nicht tödlich, um so besser, ich habe es lange bedauert, aber heute wünsche ich mir zu meiner Schande Glück dazu.
– Wenn ich mich recht erinnere, so ward Ihr Vater nicht allein als Mörder hingerichtet, sondern Ihre Oheime sind auch noch auf der Galeere?
– Sie hatten dem Mörder ein Obdach gewährt, sie hatten ihn verteidigt, als die Sbirren gekommen waren, um ihn zu verhaften; sie wurden als Mitschuldige angesehen, und, mein Oheim Placido nach Favignana, mein Oheim Pietro nach Livari und mein Oheim Pepe nach Vulcana gesandt. Was mich anbetrifft, so war ich zu jung, und obgleich man mich mit ihnen verhaftet hatte, so gab man mich doch meiner Mutter zurück.
– Und was ist aus Ihrer Mutter geworden?
– Sie ist gestorben.
– Wo das?
– In dem Gebirge, zwischen Pizzo de Goto und Risi.
– Warum hatte sie Bauso verlassen?
– Damit wir nicht jedes Mal, wenn wir vor dem Schloss vorübergingen, sie, den Kopf ihres Gatten, ich nicht den Kopf meines Vaters sähe. Ja, sie ist dort ohne Arzt, ohne Priester gestorben, sie ist in ungeweihter Erde begraben worden, und ich bin ihr einziger Totengräber gewesen. . . da, gnädige Frau, Sie werden mir hoffentlich verzeihen, habe ich auf der frisch umgegrabenen Erde geschworen, meine ganze Familie, die ich allein überlebte, denn ich rechne meine Oheime nicht mehr als dieser Welt angehörig, an Ihnen zu rächen, die Sie allein von der Familie des Grafen übrig sind. Aber, dem ist einmal nun so, ich wurde in Theresa verliebt; ich verließ meine Berge, um das Grab nicht mehr zu sehen, dem ich meineidig zu werden begann, ich ging in die Ebene hinab, ich näherte mich Bauso, und ich »hat noch mehr; als ich erfuhr, dass Theresa das Dorf verließe, um in Ihren Dienst zu treten, dachte ich daran, in den des Grafen zu treten. Ich bebte lange vor diesem Gedanken zurück, endlich gewöhnte ich mich daran. Ich gewann es über mich, Sie zu sehen; ich habe Sie gesehen, und hier bin ich ohne Waffen und als Bittender Ihnen gegenüber, gnädige Frau, vor der ich nur als Feind erscheinen durfte.
– Sie werden die Unmöglichkeit begreifen, antwortete Gemma, dass der Fürst einen Mann in seinen Dienst nimmt, dessen Vater gehangen worden, und dessen Oheime auf den Galeeren sind.
– Warum nicht, gnädige Frau, wenn dieser Mann zu vergessen einwilligt, dass alles das ungerechter Weise geschehen ist?
– Sie sind wahnsinnig!
– Frau Gräfin, wissen Sie, was ein Schwur für einen Gebirgsbewohner ist? Wohl an! ich werde meinen Eid brechen. Sie wissen, was die Rache für einen Sizilianer ist? Wohl an! ich werde auf meine Rache verzichten . . . Ich wünsche Nichts mehr als zu vergessen, zwingen Sie mich nicht, mich zu erinnern.
– Und was würden Sie in diesem Falle tun?
– Ich will nicht daran denken.
– Es ist gut! wir werden unsere Maßregeln dem zu Folge treffen.
– Ich bitte Sie inständigst, Frau Gräfin, seien Sie gütig für mich; Sie sehen, dass ich tue, was ich vermag, um ein rechtschaffener Mann zu bleiben. Sobald ich einmal bei dem Fürsten in Diensten stehe, sobald ich der Gatte Theresas bin, so stehe ich für mich . . . Außerdem werde ich nicht nach Bauso zurückkehren.
– Das ist unmöglich.
– Frau Gräfin. Sie haben geliebt! (Gemma lächelte geringschätzend.) Sie müssen also wissen, was Eifersucht ist; Sie müssen wissen, was man leidet und wie man sich dem Wahnsinn nahe fühlt. Wohl an! ich liebe Theresa, ich bin eifersüchtig auf sie, ich fühle, dass ich den Verstand verlieren würde, wenn diese Heirat sich nicht schließt, und dann. . .
– Und dann?
– Dann! . . . wehe dann, wenn ich mich des Käfigs erinnere, in welchem der Kopf meines Vaters ist, der Galeeren, auf denen meine Oheime leben, und des Grobes, in welchem meine Mutter schläft.
In diesem Augenblicke ließ sich ein seltsamer Schrei der ein Signal zu sein schien, unten an dem Fenster hören, und fast sogleich läutete eine Schelle.
– Da ist der Fürst! rief Gemma aus.
– Ja, ja, ich weiß es, murmelte Pascal mit dumpfer Stimme, aber bevor er an diese Tür gekommen ist, haben Sie noch die Zeit, mir Ja zu sagen. Ich bitte Sie inständigst, gnädige Frau, bewilligen Sie mir das, war« um ich Sie bitte, geben Sie mir Theresa, stellen Sie mich bei dem Fürsten an.
– Lassen Sie mich durch, sagte Gemma gebieterisch, indem sie auf die Tür zuschritt; aber weit davon entfernt zu gehorchen, stürzte Bruno auf den Riegel zu, den er vorschob. – Sollten Sie es wagen, mich zurückzuhalten? fuhr Gemma fort, indem sie die Schnur einer Schelle ergriff. – Zu Hilfe! zu Hilfe! zu Hilfe!
– Rufen Sie nicht, gnädige Frau, sagte Bruno, in» dem er sich noch beherrschte, denn ich habe Ihnen gesagt, dass ich Ihnen kein Leid zufügen wollte. – Ein zweiter Schrei gleich dem ersten, ließ sich unten an dem Fenster hören. – Es ist gut, es ist gut, Ali, Du wachst getreulich, mein Sohn, sagte Bruno. Ja, ich weiß, dass der Graf kommt, ich höre seine Schritte auf dem Korridor. Gnädige Frau, gnädige Frau, es bleibt Ihnen noch ein Augenblick, eine Sekunde, und alles das Unglück, welches ich voraussehe, wird nicht stattfinden.
– Zu Hilfe! Rodolfo, zu Hilfe! rief Gemma aus.
– Sie haben also weder Herz, noch Seele, noch Erbarmen, weder für sich noch für Andere! sagte Bruno, indem er mit seinen Händen in seine Haare fuhr und die Tür anblickte, welche man gewaltsam erschütterte.
– Ich bin eingeschlossen, fuhr die Gräfin fort, indem sie sich durch den herzukommenden Beistand beruhigte.
– mit einem Manne eingeschlossen, der mir droht. Zu Hilfe! zu Hilfe! Rodolfo, zu Hilfe! zu Hilfe!
– Ich drohe nicht, ich bitte . . . ich bitte noch . . . aber da Sie es wollen! . . .
Bruno stieß das Brüllen eines Tigers aus, und stürzte auf Gemma zu, um sie ohne Zweifel zwischen seinen Händen zu erdrosseln, denn, wie er gesagt, er hatte keine Waffen. Im selben Augenblicke ging eine geheime Tür im Hintergrunde des Alkovens auf, ein Pistolenschuss knallte, das Zimmer füllte sich mit Dampf, und Gemma sank in Ohnmacht.
Als sie wieder zu sich kam, befand sie sich in den Armen ihres Geliebten, ihre Augen suchten voller Entsetzen um sich herum in dem Zimmer, und sobald sie ein Wort auszusprechen vermochte, sagte sie:
– Was ist aus diesem Manne geworden?
– Ich weiß es nicht. Ich muss ihn gefehlt haben, antwortete der Fürst, denn, während ich über das Bett stieg, ist er aus dem Fenster gesprungen, und da ich Sie ohne Bewusstsein sah, habe ich mich nicht um ihn, sondern um Sie bekümmert. Ich muss ihn gefehlt haben, wiederholte er, indem er die Augen in dem Zimmer herum warf, und dennoch ist es sonderbar, ich sehe die Kugel nicht in der Tapete.
– Lassen Sie ihm nachsetzen, rief Gemma aus, und keine Gnade, kein Erbarmen für diesen Mann, gnädiger Herr, denn dieser Mann ist ein Bandit, der mich ermorden wollte.
Man suchte die ganze Nacht in der Villa, in den Gärten und an dem Ufer, aber vergebens; Pascal Bruno war verschwunden.
Am folgenden Morgen entdeckte man eine Blutspur, welche unten an dem Fenster anfing, und sich an dem Meere verlor.
III
Mit Tagesanbruch verließen Fischerbarken wie gewöhnlich den Hafen, und zerstreuten sich auf dem Meere; die eine von ihnen, auf welcher sich ein Mann und ein Knabe von zwölf bis vierzehn Jahren befanden, hielt indessen im Angesicht von Palermo an, zog ihr Segel ein, um beizulegen, und da diese Regungslosigkeit an einem für den Fischfang wenig günstigen Orte Verdacht auf sie ziehen konnte, so beschäftigte sich der Knabe damit, seine Netze auszubessern; was den Mann anbetrifft, so lag er in dem Boote, den Kopf auf eines der Borde gestützt, und schien in ein tiefes Sinnen versunken, von Zeit zu Zeit schöpfte er indessen wie mit einer maschinenmäßigen Bewegung Seewasser mit seiner rechten Hand, und goss dieses Wasser auf seine linke, mit einer blutigen Binde zusammengezogene Schulter. Dann zog sich sein Mund mit einem so wunderlichen Ausdrucke zusammen, dass man Mühe gehabt hätte zu unterscheiden, ob es ein Lachen oder ein Knirschen der Zähne wäre, das ihm diesen Ausdruck verlieh. Dieser Mann war Pascal Bruno, und dieser Knabe war der, welcher, unten an dem Fenster stehend, ihm zwei Male durch einen Schrei das Signal zur Flucht gegeben hatte; auf den ersten Blick konnte man ihn leicht für den Sohn eines noch weit heißeren Landes erkennen, als das, in dem sich die Ereignisse zutragen, welche wir erzählen. In der Tat, dieser Knabe war an der Küste von Afrika geboren, und sehen wir jetzt, wie Bruno und er einander begegnet waren.
Es war ungefähr ein Jahr her, dass Algerische Seeräuber, welche wussten, dass der Fürst von Moncada-Paterno, einer der reichsten Herren von Sizilien, in einem kleinen Speronaro von Pantellerie nach Cutanea, nur von ein Dutzend Männern seines Gefolges begleitet zurückkehrte, sich hinter der ungefähr zwei Meilen weit von der Küste gelegenen Insel Porri einschifften. Wie die Seeräuber es vorhergesehen, kam das Schiff des Fürsten zwischen der Insel und dem Ufer vorüber; aber in dem Augenblicke, wo sie es in der Meerenge sahen, verließen sie mit drei Barken die kleine Bucht, in welcher sie versteckt waren, und ruderten mit aller Macht, um dem, Schiffe des Fürsten den Weg abzuschneiden. Dieser befahl sogleich dem Lande zuzusteuern, und das Schiff auf den Strand von Fugello laufen zu lassen. Da an dem Orte, wo das Schiff aufgefahren war, das Wasser kaum drei Fuß Tiefe hatte, so sprangen der Fürst und sein Gefolge in das Meer, indem sie ihre Waffen über ihre Köpfe hielten, und das Dorf zu erreichen hofften, das sie ungefähr eine halbe Meile weit von da sich erheben sahen, ohne dass sie nötig hätten, sich ihrer zu bedienen. Kaum aber waren sie gelandet, als ein anderer Haufen von Seeräubern, der in der Voraussicht dieses Manövers mit einer Barke dem Bufaidonne wieder hinaufgefahren war, aus dem Schilfe hervorkam, in dessen Mitte der Fluss stießt, und dem Fürsten den Rückzug abschnitt, auf den er rechnete. Der Kampf begann sogleich, aber während die Leute des Fürsten mit diesem ersten Haufen zu tun hatten, langte der zweite an, und da jeder Widerstand sichtlich nutzlos wurde, so ergab sich der Fürst, indem er Lösegeld für sich und sein ganzes Gefolge zu bezahlen versprach. In dem Augenblicke, wo die Gefangenen ihre Waffen gestreckt hatten, erblickte man einen Haufen von Landleuten, welche mit Gewehren und Sensen bewaffnet herbeieilten. Die Seeräuber, welche, Heeren der Person des Fürsten, dem zu Folge den Zweck erreicht hatten, den sie wünschten, warteten die neu Ankommenden nicht ab, und schifften sich mit einer solchen Eile ein, dass sie drei Mann ihrer Mannschaft, welche sie für tot oder für tödlich verwundet hielten, auf dem Schlachtfelde zurückließen.
Unter denen, welche so herbeieilten, befand sich Pascal Bruno, dessen unstetes Leben ihn bald hier bald dorthin führt«, und den sein unruhiger Geist in alle abenteuerliche, Unternehmungen verwickelte. Auf dem Strande angelangt, wo der Kampf stattgefunden hatte, , fanden die Landleute einen Bedienten des Fürsten von Paterno tot, einen andern leicht an dem Schenkel verwundet, und drei Seeräuber in ihren, Blute ausgestreckt, aber noch atmend. Zwei Flintenschüsse hatten bald jedem von ihnen Gerechtigkeit widerfahren lassen, und ein Pistolenschuss sollte eben den dritten seinen Kameraden nachsenden, als Bruno, der bemerkte, dass es ein Kind wäre, die Hand abwandte, die eben das Pistole losdrücken wollte, und erklärte, dass er den Verwundeten unter seinen Schutz nähme. Einige Einsprüche erhoben sich gegen dieses Mitleiden, das unzeitig schien; wenn aber Bruno einmal etwas gesagt hatte, so beharrte er auch darauf; er spannte daher seine Büchse, und erklärte, dass er dem ersten den Kopf zerschmettern würde, der sich seinem Schützling näherte, und da man ihn als einen Mann kannte, der seine Drohung augenblicklich in Ausführung brachte, so ließ man ihn den Knaben in seine Arme nehmen und sich mit ihm entfernen. Bruno ging sogleich nach dem Ufer zu, stieg in eine Barke, in welcher er gewöhnlich seine abenteuerlichen Züge machte, und deren Eigenschaften er so genau kannte, das sie ihm wie ein Pferd seinem Reiter zu gehorchen schien, spannte sein Segel und steuerte nach dem Vorgebirge Aliga-Grande.
Kaum hatte er sich überzeugt, dass die Barke den rechten Strich verfolgte und ihres Steuermannes nicht mehr bedürfe, als er sich mir seinem immer noch ohnmächtigen Verwundeten beschäftigte. Er schlug den weißen Burnus zurück, in den er gehüllt war, schnallte den Gürtel ab, in welchem noch sein Yatagan steckte, und sah bei dem letzten Scheine der untergehenden Sonne, dass die Kugel zwischen der rechten Hüfte und den falschen Rippen eingedrungen und am Rückgrate wieder herausgekommen wäre, die Wunde war gefährlich, aber nicht tödlich.
Der Abendwind, das Gefühl von Frische, das von dem Seewasser hervorgebracht ward, mit welchem Bruno die Wunde wusch, brachten den Knaben wieder zur Besinnung, ohne die Augen aufzuschlagen, sprach er einige Worte in einer unbekannten Sprache aus, aber Bruno, welcher wusste, dass eine Schusswunde gewöhnlich einen heftigen Durst hervorbrachte, erriet, dass er zu trinken verlange, und näherte seinen Lippen eine Flasche mit Wasser; der Knabe trank begierig, stieß einige undeutliche Klagen aus, und sank wieder in seine Ohnmacht zurück. Pascal legte ihn so weich als er es vermochte auf den Boden seiner Barke, und indem er die Wunde der Luft ausgesetzt ließ, fuhr er fort, von fünf zu fünf Minuten sein in Seewasser getauchtes Taschentuch darauf zu drücken, ein Mittel, das die Seeleute gegen alle ihre Wunden für wirksam halten.
Gegen die Stunde des Aue Maria befanden sich unsere Seefahrer an der Mündung der Ragusa, der Wind blies von Afrika, Pascal hatte daher nur ein leichtes Manöver zu machen, um in den Fluß einzufahren, und drei Stunden nachher fuhr er, indem er Modica zur Rechten ließ, unter der, auf der von Noto nach Chiaramonti führenden Heerstraße geschlagenen Brücke durch. So legte er noch eine halbe Meile zurück; da aber nun der Fluss aufhörte schiffbar zu sein, so zog er seine Barke in die Oleander- und Papyrus-Büsche, welche das Ufer begrenzen, und indem er den Knaben wieder auf seine Arme nahm, trug er ihn Land einwärts. Bald erreichte er den Eingang eines Thales, in das er sich vertiefte» und es dauerte nicht lange, dass er zu seiner Rechten und zu seiner Linken den Berg steil wie eine Mauer und von Stelle zu Stelle ausgehöhlt fand, denn in diesem Thale sind die letzten Reste einer alten Troglodyten, Stadt, dieser ersten Ansiedlungen der Insel, welche die griechischen Kolonien zivilisierten. Bruno trat in eine dieser Höhlen, die durch eine Treppe mit einem oberen Stocke in Verbindung stand, dem ein einziges viereckiges Loch in Form eines Fensters Luft gab; ein Bett von Schilf war in einer Ecke aufgehäuft; er breitete den Burnus des Knaben darauf aus und legte ihn auf den Burnus; stieg dann wieder hinab, um Feuer anzuzünden, und kehrte bald mit einem brennenden Fichtenzweige zurück, den er in der Wand befestigte, dann setzte er sich neben das Lager des Verwundeten auf einen Stein, und wartete, bis er wieder zu sich käme.
Es war nicht das erste Mal, dass Bruno diese Zufluchtsstätte besuchte; oft war er auf seinen zwecklosen Streifzügen, die er durch Sizilien unternahm, um sein einsames Leben zu zerstreuen, die Tätigkeit seines Geistes zu beruhigen und seine bösen Gedanken zu verscheuchen, in dieses Tal gekommen, und hatte dieses seit drei Tausend Jahren in dem Felsen ausgehauene Zimmer bewohnt, dort gab er sich jenen unbestimmten und unzusammenhängenden Träumereien hin, welche den denkenden Menschen, denen die Wissenschaft fehlt, eigentümlich sind. Er wusste, dass es ein von der Erde verschwundenes Geschlecht wäre, welche in fernen Zeiten diese Zufluchtsstätten ausgehauen, hatten, und, dem Volksaberglauben ergeben, glaubte er wie alle Bewohner der Umgegend, dass diese Menschen Zauberer waren; dieser Glaube aber, weit davon entfernt ihn von diesen furchtbaren Orten zurückzuhalten, zog ihn vielmehr unwiderstehlich dorthin, er hatte in seiner Jugend gar viele Geschichten von bezauberten Waffen, von unverwundbaren Menschen, von unsichtbaren Reisenden erzählen hören, und seine furchtlose und nach dem Wunderbaren begierige Seele hegte nur einen Wunsch, nämlich den, irgend ein solches fabelhaftes Wesen, einen Hexenmeister, Zauberer oder Dämon anzutreffen, das ihm mittelst eines höllischen Bündnisses eine übernatürliche Gewalt verleihe, welche ihm Überlegenheit über die andern Menschen verschaffen würde. Aber vergebens hatte er die Schatten der ehemaligen Bewohner des Thales von Modica beschworen; keine Erscheinung hatte auf seine Wünsche geantwortet, und Pascal Bruno war zu seiner großen Verzweiflung ein Mensch wie andere Menschen geblieben, nur mit Ausnahme der Kraft und Gewandtheit, welche wenig Gebirgsbewohner in einem Grade besaßen, der mit ihm hätte verglichen werden können,
Seit ungefähr einer Stunde träumte Bruno so neben seinem jungen Verwundeten, als dieser aus dem Zustande von Erstarrung erwachte, in welche er versunken war; er schlug die Augen auf, blickte mit einer Art von Verwirrung um sich, und ließ seine Blicke auf dem verweilen, der ihn gerettet hatte, ohne noch zu wissen, ob er in ihm einen Freund oder einen Feind sehen solle. Während dieser Prüfung, und in einem unbestimmten Instinkte der Verteidigung, legte der Knabe die Hand an seinen Gürtel, um seinen getreuen Yatagan zu suchen, als er ihn aber dort nicht fand, stieß er einen Seufzer aus.
– Leidest Du? sagte Bruno zu ihm, indem er, um sich verständlich zu machen, jene Frankensprache an» wandte, welche die allgemeine Sprache der Küsten des mittelländischen Meeres von Marseille bis nach Alexandrien, von Constantinopel bis Algier ist, und mit deren Hilfe man die Runde der alten Welt machen kann.
– Wer bist Du? antwortete der Knabe.
– Ein Freund.
– Ich bin also kein Gefangener?
– Nein.
– Und wie komme ich dann hierher?
Pascal erzählte ihm Alles, der Knabe hörte ihm aufmerksam zu; als der Erzähler seinen Bericht beendigt, heftete jener seine Augen auf die Brunos, und sagte mit dem Ausdrucke inniger Dankbarkeit zu ihm:
Du willst also mein Vater sein, da Du mir das Leben gerettet hast?
Ja, sagte Bruno, ich will es.
– Vater, sagte der Verwundete, Dein Sohn nennt sich Ali, und Du, wie nennst Du Dich?
– Pascal Bruno.
– Allah beschütze Dich! sagte der Knabe.
– Wünschest Du irgend etwas?
– Ja, Wasser, ich habe Durst.
Pascal nahm eine irdene, in einer Vertiefung des Felsens verborgene Schale, und ging hinab, um Wasser an einer Quelle zu schöpfen, welche neben der Höhle floss. Als er wieder hinaufkam, warf er die Augen auf den Yatagan des Knaben, und er sah, dass dieser nicht einmal daran gedacht hatte, sich ihm zu nähern. Ali nahm begierig die Schale und leerte sie in einem Zuge.
– Allah möge Dir eben so viel glückselige Jahre verleihen, als sich Tropfen Wasser in dieser Schale befanden.
– Du bist ein gutes Geschöpf, murmelte Bruno, sorge jetzt nur für Deine Genesung, und wenn Du geheilt bist, so kannst Du nach Afrika zurückkehren.
Der Knabe genas und blieb in Sizilien, denn er hatte eine heftige Freundschaft zu Bruno gefasst, dass er ihn nie mehr verlassen wollte. Seitdem war er beständig bei ihm geblieben, er begleitete ihn auf seinen Jagden in den Gebirgen, half ihm seine Barke auf dem Meere steuern, und war bereit, sich auf einen Wink des Mannes töten zu lassen, den er seinen Vater nannte.
Am Tage zuvor hatte er ihn nach der Villa des Fürsten von Carini begleitet; er erwartete ihn unter den Fenstern während seiner Unterredung mit Gemma, und er war es, der diesen zweimaligen Alarmruf ausgestoßen hatte, das erste Mal, als der Fürst an dem Gittertor geläutet, und das zweite Mal, als er in das Schloss eingetreten war. Er stand im Begriffe, selbst in das Zimmer hinaufzugehen, um Bruno Hilfe zu leisten, wenn es nötig wäre, als er diesen aus dem Fenster springen sah. Er folgte ihm auf seiner Flucht. Beide gelangten an das Ufer, warfen sich in ihre Barke, welche sie erwartete, und da sie in der Nacht nicht das hohe Meer erreichen konnten, ohne Argwohn zu erwecken, so begnügten sie sich, sich unter die Fischerbalken zu mischen, welche den Anbruch des Tages erwarteten, um den Hafen zu verlassen.
Während dieser Nacht erwies Ali nun auch Pascal alle die Pflege, welche er in einem ähnlichen Zustande von ihm erhalten hatte, denn der Fürst von Carini hatte richtig gezielt, und die Kugel, welche er vergebens in seiner Tapete suchte, hatte die Schulter Brunos fast durchbohrt, so dass Ali mit seinen Yatagan nur einen leichten Einschnitt zu machen brauchte, um sie an der entgegengesetzten Seite von der, durch welche sie eingedrungen war, wieder heraus zu ziehen. Alles das hatte sich zugetragen, ohne dass Bruno sich kaum darein mischte und nur daran zu denken schien, und das einzige Zeichen von Aufmerksamkeit, welches er seiner Wunde widmete, war, wie wir bemerkt, sie von Zeit zu Zeit mit Seewasser anzufeuchten, während der Knabe tat, als ob er seine Netze ausbessere.
– Vater, sagte Ali plötzlich, indem er sich in dieser scheinbaren Beschäftigung unterbrach, sieh doch nach der Seile des Landes!
– Was gibt es?
– Ein Haufen von Leuten.
– Wo das?
– Dort, auf dem Wege nach der Kirche.
In der Tat, eine ziemlich zahlreiche Gesellschaft ging den sich windenden Weg hinauf, auf welchen man auf den heiligen Berg gelangte. Bruno erkannte, dass es das Gefolge einer Hochzeit wäre, die sich nach der Kapelle der heiligen Rosalia begab.
– Steuere nach dem Lande und rudere herzhaft, rief er aus, indem er sich völlig aufrichtete.
Der Knabe gehorchte, ergriff mit jeder Hand ein Ruder, und las kleine Boot schien über die Oberfläche des Meeres dahinzufliegen.
In dem Maße, als es sich dem Ufer näherte, nahmen Brunos Züge einen immer schrecklicheren Ausdruck an; endlich, als sie nur noch ungefähr eine halbe Meile entfernt waren, rief er mit dem Ausdrucke kaum zu schildernder Verzweiflung aus:
– Das ist Theresa! Sie haben die Verheiratung beschleunigt, sie haben den Sonntag nicht abwarten wollen, sie haben sich gefürchtet, dass ich sie bis dahin entführen möchte! . . . Gott ist mein Zeuge, dass ich Alles getan habe, was ich vermocht, damit alles ein gutes Ende nähme. . . Sie sind es, die es nicht gewollt, wehe ihnen! Bei diesen Worten spannte Bruno mit Alis Hilfe das Segel der kleinen Barke auf, welche, indem sie sich um den Berg Pellegrino wandte, nach Verlauf von zwei Stunden hinter dem Vorgebirge Gallo verschwand.