Kitabı oku: «Kleine Romane und Novellen», sayfa 3
IV
Pascal hatte sich nicht geirrt. Aus Furcht vor irgend einem Unternehmen von Seiten Brunos hatte die Gräfin die Verheiratung um drei Tage beschleunigt, ohne Theresa etwas von der Zusammenkunft zu sagen, welche sie mit ihrem Geliebten gehabt hatte, und aus besonderer Frömmigkeit hatten die bellen Gatten für die Feier der Hochzeit die Kapelle der heiligen Rosalie, der Schutzpatronin von Palermo, gewählt.
Das ist wieder einer der charakteristischen Züge von Palermo, einer ganz der Liebe gehörenden Stadt, sich unter den Schutz einer jungen und hübschen Heiligen gestellt zu haben. Die heilige Rosalie ist daher auch für Palermo das, was der heilige Januarius für Neapel ist, die allmächtige Spenderin der Wohltaten des Himmels, aber sie ist mehr als der heilige Januarius, sie ist von französischem und königlichem Geschlecht und sie stammt in gerader Linie von Karl dem Großen1 ab, wie es ihr über der äußern Tür der Kapelle gemalter Stammbaum beweist, ein Baum, dessen Stamm aus der Brust von Wittekinds Besieger emporsproßt, und nachdem er sich in verschiedene Zweige geteilt, diese auf dem Gipfel wieder vereinigt, um den Fürsten Sinebaldo, dm Vater der heiligen Rosalie, entstehen zu lassen. Aber aller Adel ihres Geschlechtes, aller Reichtum ihres Hauses, alle Schönheit ihrer Person vermochten nichts über die junge Prinzessin. Sie verließ im Alter von achtzehn Jahren den Hof Rüdigers, und zu dem beschauenden Leben fortgerissen, verschwand sie plötzlich, ohne dass man wusste, was aus ihr geworden wäre, und erst nach ihrem Tode fand man sie schön und frisch, als ob sie noch lebte, in der Grotte wieder, die sie bewohnt hatte, und in derselben Stellung, in welcher sie in dem keuschen und unschuldigen Schlummer der Auserkorenen entschlafen war.
Diese Grotte war an der Seite des vor alten Zeiten Evita genannten Berges ausgehöhlt, der in dem Laufe der punischen Kriege durch die uneinnehmbaren Stellungen so berühmt war, welche er den Carthaginensern lieferte;, aber heut zu Tage hat der profane Berg den Namen gewechselt. Sein unfruchtbares Haupt hat die Taufe des Glaubens erhalten und man nennt ihn den Berg Pellegrino, ein Wort, das in seiner doppelten Bedeutung gleicher Weise der kostbare Hügel oder der Berg des Pilgers sagen will. Im Jahre 1624 verheerte Palermo eine Pest; die heilige Rosalie wurde angerufen. Man holte den wunderthuenden Leib aus der Grotte, brachte ihn mit großem Prunke in die Kathedrale von Palermo, und kaum hatten die heiligen Gebeine die Schwelle des halbchristlichen, halbarbarischen, von dem Erzbischof Gauthier erbauten Monumentes berührt, als auf die Bitte der Heiligen, Jesus Christus nicht allein die Pest, sondern auch noch den Krieg und die Hungersnot aus der Stadt verjagte, wie es das von Cannova errichtete Basrelief der Villa-Reale beweist. Damals verwandelten die dankbaren Bewohner von Palermo die Grotte der heiligen Rosalie in eine Kirche, stellten den herrlichen Weg her, der zu ihr führt und dessen Bau in jene Zeiten zurückzugehen scheint, in denen eine römische Kolonie eine Brücke oder eine Wasserleitung, gleich der Granitunterschrift der Mutterstadt, von einem Berge zu dem andern schlug. Endlich wurde die Leiche der Heiligen durch eine liebliche, mit Rosen bekränzte und in der Stellung, in welcher die Heilige entschlafen, an dem Orte selbst, an welchem sie wiedergefunden worden, liegende Marmorstatue ersetzt, und das Meisterstück des Künstlers wurde noch durch ein königliches Geschenk bereichert. Karl III. von Bourbon schenkte ihr ein fünfundzwanzig Tausend Livres geschätztes Kleid von Goldstoff ein Halsband von Diamanten und kostbare Ringe, und da er die ritterlichen Ehren mit den weltlichen Reichtümern vereinigen wollte, so erlangte er für sie das Großkreuz von Malta, das an einer goldenen Kette hängt, und den Orden der Maria Theresia, der in einem mit Lorbeeren umgebenen Stern mit dem Wahlspruch besteht: F o r t i t u d i n i.
Was die Grotte selbst anbetrifft, so ist sie eine, in ein mit Kalklagen bedecktes Urgebirge gehauene Höhle, von deren Gewölbe glänzende Tropfsteine herabhängen; zur Linken befindet sich ein Altar, in dessen unterem Teile die Statue der Heiligen liegt, die man durch ein goldenes Gitter sieht, und hinter dem Altar stießt die Quelle, an welcher sie ihren Durst löschte. Was die Halle dieser natürlichen Kirche anbelangt, so ist sie durch einen Zwischenraum von drei bis vier Fuß von ihr getrennt, durch welchen das Tageslicht hereinfällt und Efeugewinde herabhängen, so dass die Sonnenstrahlen gleich einem lichtvollen Vorhang den Geistlichen von seinen Zuhörern trennen.
In dieser Kirche wurden Theresa und Gaëtano verheiratet.
Als die Feierlichkeit beendigt, begab sich der Hochzeitszug wieder nach Palermo hinab, wo ihn Wagen erwarteten, um die Gäste nach dem Dorfe Carini zu führen, ein fürstliches Lehen, von welchem Rodolfo seinen Namen und seinen Titel hatte. Dort waren durch die Aufmerksamkeit der Gräfin alle Vorbereitungen zu einem Prachtvollen Mahle getroffen worden; die Landleute der Umgegend waren eingeladen, sie waren von zwei bis drei Stunden im Umkreise, von Montreale, von Capaci und von Favarola herbeigeeilt, und unter allen diesen jungen Landleuten, welche ländlichen Prunk gezeigt hatten, erkannte man die von Pinna de Greci an ihren Kostümen von Morea, das sie getreulich beibehalten haben, obgleich die Kolonie, welche es ihnen vermacht und die es von ihren Vätern hatte, seit zwölfhundert Jahren ihr Geburtsland gegen ein anderes Vaterland vertauscht hat.
Tische waren auf einer von grünen Eichen und schirmenden Fichten beschatteten, von Orangen- und Zitronenbäumen duftenden Esplanade gedeckt worden, welche von Hecken von Granat« und indischen Feigenbäumen umgeben war, eine doppelte Wohltat der Vorsehung, die, indem sie an den Hunger und an den Durst des Armen dachte, diese Bäume gleich einer neuen Manna auf der ganzen Ausdehnung von Sizilien ausgesät hat. Man gelangt zu dieser Esplanade auf einem mit Aloes eingefasstem Wege, deren riesenhafte Blumen, die in der Ferne den Lanzen arabischer Reiter gleichen, einen weit glänzenderen und weit festeren Faden als den des Hanfes und des Flachses enthalten, und während im Süden die Aussicht durch den Palast begrenzt war, über dessen Terrasse sich die Gebirgskette erhob, welche die Insel in drei große Regionen trennt, sah man in Westen, in Norden und in Osten, an den äußersten Enden dreier Täler, dreimal dieses herrliche Meer von Sizilien wieder, das man nach seinen verschiedenen Farben für drei Meere gehalten hätte; denn durch ein von der Sonne, welche am Horizonte zu verschwinden begann, hervorgebrachtes Spiel des Lichtes war es nach der Seite von Palermo himmelblau, um die Fraueninsel herum rollte es Silberwellen, während seine Wogen sich wie flüssiges Gold an den Felsen von Saint-Vito brachen.
Im Augenblicke des Nachtisches und als das Hochzeitsfest eben in seiner vollen Freude war, öffneten sich die Thor des Schlosses und Gemma, auf die Schulter des Fürsten gestützt, mit zwei Dienern voraus, welche Fackeln trugen, und von einer Welt von Bedienten gefolgt, ging die Marmortreppe hinab und näherte sich der Esplanade. Die Landleute wollten aufstehen, aber der Fürst gab ihnen einen Wink, sich nicht stören zu lassen. Gemma und er begannen die Runde um die Tische und blieben zuletzt hinter den Brautleuten stehen. Nun reichte ein Diener einen goldenen Becher hin, Gaëtano füllte ihn mit Wein von Syracus, der Diener bot den Becher Gemma, Gemma sprach einen Wunsch zu Gunsten der Neuvermählten aus, berührte mit ihren Lippen den goldenen Becher und reichte ihn dem Prinzen, der, indem er ihn mit einem Zuge leerte, eine Börse voll Unzen2 hineinschüttete und ihn Theresa überbringen ließ, deren Hochzeitsgeschenk es war; im selben Augenblicke ließen sich die Rufe: Es lebe der Fürst von Carini! es lebe die Gräfin von Castel-Nuovo! hören; die Esplanade erleuchtete sich wie durch einen Zauber, und die edlen Besucher entfernten sich, indem sie, wie eine himmlische Erscheinung, Licht und Freude zurückließen.
Kaum waren sie mit ihrem Gefolge in das Schloss zurückgekehrt, als sich eine heitere Musik hören ließ, die jungen Leute verließen die Tische und eilten noch dem für den Tanz zubereiteten Orte. Gaëtano stand dem Gebrauche gemäß im Begriffe, den Ball mit seiner Braut zu eröffnen, und schon schritt er auf sie zu, als ein Fremder, der auf dem Wege der Aloes ankam, auf der Esplanade erschien; es war Pascal Bruno im calabresischen Kostüme, das wir bereits geschildert haben; nur befanden sich ein Paar Pistolen und ein Dolch in seinem Gürtel, und seine Jacke, wie ein Husarendolman über seine rechte Schulter geworfen, ließ den blutigen Ärmel seines Hemdes sehen. Theresa war die erste, welche ihn erblickte; sie stieß einen Schrei aus, und indem sie ihre entsetzten Augen auf ihn heftete, blieb sie bleich und starr wie bei dem Anblicke einer Erscheinung stehen. Jeder wandte sich nach dem Neu angekommenen um, und diese ganze Menge blieb in schweigender Erwartung, denn sie erriet, dass sich irgend etwas Schreckliches zutragen würde. – Pascal Bruno schritt gerade auf Theresa zu, und indem er vor ihr stehen blieb, schlug er die Arme übereinander und blickte sie fest an.
– Sie sind es, Pascal? murmelte Theresa.
– Ja, ich bin es, antwortete Bruno mit heiserer Stimme; ich habe in Bauso, wo ich Sie erwartete, erfahren, dass Sie sich in Carini verheiraten würden, und ich bin hoffentlich zeitig genug gekommen, um mit Ihnen die erste Tarantella zu tanzen.
– Das ist das Recht des Bräutigams, unterbrach ihn Gaëtano, welcher sich näherte.
– Es ist das Recht des Geliebten, antwortete Bruno. Nun denn, Theresa, wie mir scheint, ist dies das Geringste, was Sie für mich tun können.
– Theresa ist meine Gattin, rief Gaëtano aus, indem er den Arm nach ihr ausstreckte.
– Theresa ist meine Geliebte, sagte Pascal, indem er ihr die Hand reichte.
– Zu Hilfe! rief Theresa aus.
Gaëtano packte Pascal beim Kragen; aber im selben Augenblicke stieß er einen Schrei aus und sank, mit dem Dolche Pascals bis an das Heft in der Brust, zu Boden. Die Männer machten eine Bewegung, um über den Mörder herzufallen, der kaltblütiger Weise eine Pistole aus dem Gürtel zog und sie spannte, dann gab er den Musikanten mit der Pistole einen Wink, die Musik der Tarantella zu beginnen. Sie gehorchten maschinenmäßig; jeder blieb regungslos.
– Vorwärts, Theresa! sagte Bruno.
Theresa schien kein lebendiges Wesen mehr zu sein, sondern ein Automat, dessen Feder die Furcht war. Sie gehorchte, und dieser grässliche Tanz neben einer Leiche dauerte bis auf den letzten Takt. Endlich hörten die Musikanten auf, und als ob diese Musik Theresa allein aufrecht erhalten hätte, sank sie ohnmächtig auf die Leicht Gaëtano’s.
– Ich danke Dir, Theresa, sagte der Tänzer, indem er sie mit trockenem Auge anblickte. Und jetzt, wenn es hier Jemanden gibt, der meinen Namen zu wissen wünscht, um mich anderswo wiederzufinden, ich nenne mich Pascal Bruno.
– Der Sohn Antonio Bruno’s, dessen Kopf an dem Schloss Bauso in einem eisernen Käfig ist? sagte eine Stimme.
– Ganz recht, antwortete Pascal; aber wenn Ihr ihn dort noch zu sehen wünscht, so eilt Euch, denn ich schwöre Euch, dass er dort nicht mehr lange bleiben wird.
Nach diesen Werten verschwand Pascal, ohne dass irgend Jemand Lust hatte, ihm zu folgen, außerdem beschäftigte sich Jedermann entweder aus Furcht oder aus Teilnahme mit Gaëtano und Theresa..
Der eine war tot, die andere war wahnsinnig.
Am folgenden Sonntag fand in Bauso das Kirchweihfest statt; das ganze Dorf war voller Freude, man trank in allen Schenken, man schoss an allen Straßenecken mit Böllern. Die Straßen waren geschmückt und lärmend, und vor allen war die, welche nach dem Schloss führte, voller Menschen, die sich dort aufgehäuft hatten, um die jungen Leute nach der Scheibe schießen zu sehen. Es war dies eine Belustigung, welche von dem Könige Ferdinand IV. während seines gezwungenen Aufenthalts in Sizilien sehr begünstigt worden war, und mehrere von denen, welche sich in diesem Augenblicke dieser Übung widmeten, hatten vor Kurzem in dem Gefolge des Kardinals Russo Gelegenheit gehabt, ihre Geschicklichkeit an den neapolitanischen Patrioten und den französischen Republikanern zu beweisen; aber für den Augenblick war das Ziel eine einfache Karte und der Preis ein silberner Becher geworden. Die Scheibe war gerade unter dem eisernen Käsig angebracht, in welchem sich der Kopf Antonio Bruno’s befand, zu dem man nur über eine Treppe gelangen konnte, welche von dem Innern der Festung zu einem Fenster führte, vor welchem dieser Käfig befestigt war. Die Bedingungen des Schießens waren übrigens höchst einfach; um zu der Gesellschaft zu gehören, hatte man nur nötig, in die gemeinschaftliche Kasse, welche dazu dienen sollte, den silbernen Becher zu bezahlen, die mäßige Summe von zwei Carlins für jeden Schuss zu hinterlegen, den man zu tun wünschte, und man empfing dagegen eine auf den Zufall gezogene stummer, welche die Reihe bestimmte, in welcher man zum Schuß gelangte, die Minder geschickten nahmen bis zu zehn, zwölf und vierzehn Kugeln, die, welche auf ihre Geschicklichkeit rechneten, beschränkten sich auf fünf bis sechs. Unter allen diesen ausgestreckten Armen und allen diesen verworrenen Stimmen streckte sich ein Arm aus, der zwei Carlins hinwarf, und eine Stimme ließ sich hören, welche eine einzige Kugel verlangte. Jedermann wandte sich erstaunt über diese Armut oder über dieses Vertrauen um. Der Schütze, welcher eine einzige Kugel verlangte, war Pascal Bruno.
Obgleich er seit vier Jahren nicht in dem Dorfe erschienen war, so erkannte ihn doch jeder wieder; aber Niemand redete ihn an. Da man ihn aber als den geschicktesten Schützen der ganzen Gegend kannte, so verwunderte man sich nicht, dass er nur eine einzige Kugel genommen: er hatte Nr. 11. Das Schießen begann.
Jeder Schuss wurde mit Gelächter oder Beifallsbezeugungen empfangen, und in dem Maße, als die ersten Kugeln verschossen wurden, wurde auch das Gelächter minder lärmend. Was Pascal anbelangt, so schien er, traurig und tiefsinnig auf seine englische Büchse gestützt, keinen Anteil an dem Entzücken oder an der Lustigkeit seiner Landsleute zu nehmen; endlich kam auch an ihn die Reihe; man rief seinen Namen, er erbebte und erhob den Kopf, als ob er diesen Ruf nicht erwartet; aber indem er sich sogleich wieder fasste, nahm er den Platz hinter dem gespannten Stricke ein, der zur Schranke diente. Jeder folgte ihm voller Angst mit den Augen; kein Schütze hatte solche Teilnahme erregt und eine solche Stille hervorgebracht.
Pascal selbst schien die ganze Wichtigkeit des Schusses zu fühlen, den er zu tun im Begriffe stand, denn er stellte sich fest, das linke Bein vorgestreckt, und indem er seinen Körper auf dem rechten Beine ruhen ließ, legte er sorgfältig an und, seine Linie von unten auf nehmend, er« hob er langsam den Lauf seiner Büchse. Jedermann folgte ihm mit den Augen, und man sah mit Erstaunen, wie die Mündung der Büchse die Höhe der Scheibe überschritt, und indem er sie immer noch erhob, erst in der Richtung des eisernen Käfigs anhalten; jetzt blieben der Schütze und die Büchse einen Augenblick lang regungslos, als ob sie von Stein wären; endlich fiel der Schuss, und der aus dem eisernen Käfig3 fortgerissene Kopf fiel von der Höhe der Mauer zu dem Fuße der Scheibe! . . . Ein Schauder überlief alle Anwesenden, und kein Ausruf empfing diesen Beweis von Geschicklichkeit.
In Mitte dieses Schweigens raffte Pascal Bruno den Kopf seines Vaters auf und schlug, ohne ein Wort zu sagen und ohne ein einziges Mal hinter sich zu blicken, den Fußpfad ein, der nach den Bergen führte.
V
Es war kaum ein Jahr seit den Ereignissen verflossen, welche wir in den vorhergehenden Kapiteln erzählt haben, und ganz Sizilien, von Messina bis Palermo, von Cefalu bis zum Vorgebirge Passaro, war bereits voll von den Gerüchten der Heldentaten des Banditen Pascal Bruno. In Ländern wie Spanien und Italien, wo die schlechte Einrichtung der Gesellschaft immer darnach strebt, das nach unten zurückzuweisen, was unten geboren ist, und wo die Seele keine Flügel hat, um den Körper zu erheben, wird ein überwiegender Verstand gar häufig ein Unglück für eine niedrige Geburt; da er immer aus dem politischen und geistigen Kreise hervorzutreten trachtet, in den der Zufall ihn eingeschlossen hat, da er beständig einem Ziele zuschreitet, von dem ihn Tausend Hindernisse trennen, da er ohne Unterlass das Licht sieht, das er nicht bestimmt ist, zu erreichen, so fängt er damit an, zu hoffen, und endigt damit, zu verwünschen. Dann empört er sich gegen diese Gesellschaft, welche Gott seiner Meinung nach so blind in zwei Hälften geteilt hat, die eine für das Glück, die andere nur zu Leiden; er lehnt sich gegen diese himmlische Parteilichkeit auf, und macht sich aus eigener Macht zum Verteidiger des Schwachen und zum Feinde des Mächtigen. Deshalb ist der spanische und der italienische Bandit zugleich so poetisch und so volkstümlich, weil es zuvörderst fast immer ein großer Schmerz ist, der ihn von der rechten Bahn abgebracht, und weil später sein Dolch und seine Büchse das Göttliche durch die menschlichen Satzungen verfälschte Gleichgewicht wieder herzustellen streben.
Man wird sich daher nicht verwundern, dass Pascal Bruno mit seinen Familienschicksalen seinen verwegenen Charakter, seiner außergewöhnlichen Geschicklichkeit und Stärke, die wunderliche Person geworden ist, welche er werden wollte. Es kam dies daher, weil er sich, wenn man so sagen darf, zum Richter der Gerechtigkeit gemacht hatte, es kam daher, weil in ganz Sizilien, und besonders in Bauso und seiner Umgegend, kein Act der Willkür begangen wurde, der seinem Richterstuhle zu entgehen vermochte; und da seine Urteile fast immer die Starken trafen, so hatte er alle Schwachen für sich. So, wenn ein übertriebener Pacht von einem reichen Herrn irgend einem armen Pächter auferlegt worden war, wenn eine Heirat auf dem Punkte stand, durch die Habgier einer Familie fehl zuschlagen, wenn ein ungerechtes Urteil einen Unschuldigen treffen sollte, so nahm Pascal Bruno auf die Nachricht, welche er davon erhielt, seine Büchse, ließ vier korsische Hunde los, welche seine einzige Bande bildeten, bestieg sein Pferd von Val-de-Noto, das wie ein halber Araber und ein halber Gebirgsbewohner war, verließ die kleine Feste Castel-Nuovo, die er zu seiner Residenz gemacht hatte, suchte den Herrn, den Vater oder den Richter auf, und die Pachtsumme ward verringert, die Heirat ward geschlossen, der Gefangene freigegeben. Man wird daher leicht einsehen, dass alle diese Leute, denen er zu Hilfe gekommen war, ihm ihr Glück durch treue Ergebenheit vergalten, und dass jedes gegen ihn gerichtete Unternehmen an der dankbaren Wachsamkeit der Landleute scheiterte, welche ihn durch verabredete Signale sogleich von den ihn bedrohenden Gefahren benachrichtigten.
Dann begannen wunderliche Erzählungen in dem Munde aller zu kreisen, denn je schwächer der Verstand ist, desto mehr ist er geneigt, an das Wunderbare zu glauben. Man sagte, dass Pascal Bruno in einer Gewitternacht, in welcher die ganze Insel gebebt, ein Bündnis mit einer Hexe geschlossen und von ihr gegen seine Seele erlangt hätte, unsichtbar zu sein, die Gabe zu haben, sich in einem Augenblicke von einem Ende der Insel zu dem andern zu begeben, und weder durch Blei, noch durch Eisen, noch durch Feuer besiegt werden zu können. Das Bündnis sollte, wie man sagte, drei Jahre dauern, da es Bruno nur eingegangen war, um eine Rache zu vollziehen, zu welcher dieser Termin genügte, so beschränkt er auch schien. Weit davon entfernt, diesen Verdacht zu zerstören, sah Pascal ein, wie günstig er ihm sei, und trachtete im Gegenteil, ihm Glaubwürdigkeit zu geben. Seine vielfachen Verbindungen hatten ihm so oft Mittel geliefert, an seine Unsichtbarkeit glauben zu lassen, indem sie ihn mit Umständen bekannt machten, von denen man annehmen musste, dass sie ihm gänzlich unbekannt waren. Die Schnelligkeit seines Pferdes, mit dessen Hilfe er sich am Morgen in unglaublichen Entfernungen von den Orten befand, wo man ihn am Abend zuvor gesehen, hatte von seiner Gabe, den Ort zu wechseln, überzeugt, endlich hatte ein Umstand den er mit der Geschicklichkeit eines Mannes von höherem Verstand benutzt, durchaus keinen Zweifel über seine Unverwundbarkeit mehr übrig gelassen. Es war folgender:
Der Mord Gaëtanos hatte großes Aufsehen gemacht, und der Fürst von Carini hatte allen Hauptleuten Befehle erteilt, dass sie sich des Mörders bemächtigen sollten, der übrigens durch die Verwegenheit seines Benehmens denen ein leichtes Spiel bot, welche ihn verfolgten. Sie hatten dem zu Folge diese Befehlt ihren Untergebenen mitgeteilt, und der Landrichter von Spadafora wurde eines Morgens benachrichtigt, dass Pascal Bruno die Nacht in dem Dorfe zugebracht hatte, um nach Divicto zu gehen. Er legte die beiden folgenden Nächte Männer an der Straße in den Hinterhalt, in der Hoffnung, Pascal werde auf demselben Wege zurückkehren, den er eingeschlagen hatte, um hinzu« gehen, und für seine Rückkehr die Dunkelheit benutzen.
Ermüdet, zwei Nächte gewacht zu haben, versammelten sich am Morgen des dritten Tages, der ein Sonntag war, die Soldaten in einer zwanzig Schritte weit von der Straße gelegenen Schenke; sie waren eben mit ihrem Frühstück beschäftigt, als man ihnen meldete, dass Pascal Bruno ruhig den Berg auf der Seite von Divicto herab käme. Da sie nicht mehr Zeit hatten, sich wieder in ihren Hinterhalt zu legen, so erwarteten sie ihn da, wo sie waren, und als er nur noch fünfzig Schritte weit von dein Wirtshaus entfernt war, stellten sie sich vor der Tür auf, ohne dass sie indessen auf ihn zu achten schienen. Bruno sah alle diese Angriffsvorbereitungen, ohne sich scheinbar darum zu bekümmern, und statt wieder umzukehren, was ihm ein Leichtes gewesen wäre, setzte er sein Pferd in Galopp, ohne seinen Weg zu unterbrechen. Als die Soldaten sahen, was seine Absicht war, bereiteten sie ihre Waffen vor und die ganze Compagnie begrüßte ihn in dem Augenblicke, wo er vor ihr vorüberkam, mit einer allgemeinen Salve, aber weder das Pferd noch der Reiter wurden davon getroffen, und Mensch und Tier verließen unversehrt den Dampfwirbel, in den sie einen Augenblick lang gehüllt gewesen waren. Die Soldaten sahen sich einander kopfschüttelnd an, und erzählten dem Landrichter von Spadafora, was ihnen begegnet war.
Das Gerücht von diesem Abenteuer verbreitete sich am selben Abend in Bauso, und einige weit erfinderische Köpfe, als die andern, begannen zu glauben, dass Pascal Bruno bezaubert wäre, und dass Blei und Eisen, wenn es gegen ihn gerichtet wäre, sich abplatteten und stumpf würden. Am folgenden Tage wurde diese Behauptung durch einen unverwerflichen Beweis bestätigt, man fand an der Tür des Richters von Bauso die Jacke Pascal Brunos aufgehängt, die von dreizehn Kugeln durchbohrt war, und die in ihren Taschen die dreizehn abgeplatteten Kugeln enthielt. Einige Freigeister behaupteten wohl, und unter diesen war Cäsar Alletto, Notar von Calvaruso, aus dessen Munde wir diese Umstände haben, dass der dem Gewehrfeuer wundervoller Weise entkommene Bandit, indem er diesen Umstand benutzen wollte, selbst seine Jacke an einen Baum gehängt, und die dreizehn Schüsse auf sie getan, deren Spuren sie trug, aber die Mehrzahl blieb nichtsdestoweniger von der Bezauberung überzeugt, und die Furcht, welche Pascal bereits einflößte, vermehrte sich dadurch beträchtlich. Diese Furcht war so groß, und Bruno war so überzeugt, dass sie von den unteren Klassen zu den höheren übergegangen wäre, dass, da er einige Monate vor der Zeit, zu welcher wir gelangt sind, für eines seiner philanthropischen Werke (es handelte sich um die Wiederaufbauung eines abgebrannten Wirtshauses) zwei Hundert Unzen Gold nötig hatte, er sich an den Fürsten von Butera wandte, um diese Summe von ihm zu entleihen, indem er ihm einen Ort des Gebirges andeutete, wo er es abholen würde und ihn aufforderte, es dort pünktlich zu vergraben, damit er es während einer Nacht, die er dem Fürsten bezeichnete, abholen könnte; im Falle der Nichtausführung dieser Aufforderung, welche für einen Befehl gelten konnte, benachrichtigte Bruno den Fürsten, dass es zum offenen Kriege zwischen dem Könige des Gebirges und dem Herrn der Ebene kommen würde; wenn aber dagegen der Fürst die Gefälligkeit hätte, ihm diese Summe zu leihen, so würden ihm die zwei Hundert Unzen Gold getreulich von der ersten Summe zurückerstattet werden, die er dem königlichen Schatz nähme.
Der Fürst von Butera war einer jener Männer, wie es deren in unsern modernen Zeiten eben keine mehr gibt, er war ein Überrest des alten sizilianischen Adels, verwegen und ritterlich wie jene Normannen, von denen er abstammte. Er nannte sich Herkules, und schien nach dem Vorbild seines altertümlichen Patrons gebaut. Er schlug mit einem Faustschlag ein widerspenstiges Pferd zu Boden, zerbrach auf seinem Knie eine einen halben Zoll dicke Eisenstange und verbog einen Piaster. Ein Ereignis, in welchem er Beweis von großer Kaltblütigkeit abgelegt hatte, hatte ihn zum Abgott des Volkes von Palermo gemacht. Im Jahre 1770 hatte das Brot in der Statt gefehlt, ein Aufstand war ausgebrochen; der Gouverneur hatte das ultimo ratio geltend machen wollen, eine Kanone war in der Straße Toledo aufgefahren worden, das Volk marschierte gegen die Kanone, und der Artillerist stand, die brennende Lunte in der Hand, im Begriffe, auf das Volk zu schießen, als der Fürst von Butera sich auf die Mündung des Stückes setzte, wie er es auf einen Sessel getan haben würde, und von dort aus eine dermaßen beredsame und vernünftige Rede hielt, dass das Volk sich augenblicklich zurückzog, und der Artillerist, Lunte und Kanone ungebraucht in das Zeughaus zurückkehrten. Aber das war nicht der einzige Grund, dem er seine Volkstümlichkeit verdankte.
Alle Morgen ging er auf der Terrasse spazieren welche den Marineplatz übersah, und da die Türen seines Palastes von Tagesanbruch an für Jedermann offen standen, so fand er daselbst immer eine zahlreiche Versammlung armer Leute; er trug für diese Runde gewöhnlich eine große Weste von Hirschleder, deren ungeheure Taschen alle Morgen von seinem Kammerdiener mit Carlins und halben Carlins gefüllt werden mussten, die während dieses Spazierganges bis auf den letzten verschwanden, und zwar mit einer Weise zu verfahren und zu sprechen, die nur ihm angehörte, so dass er immer bereit schien, die niederzuschlagen, denen er Almosen gab.
– Exzellenz, sagte eine arme, von ihrer Familie umgebene Frau, haben Sie Erbarmen mit einer armen Mutter, die fünf Kinder hat.
– Ein schöner Grund! antwortete der Fürst zornig, habe ich sie Dir etwa gemacht?
– und mit einer drohenden Gebärde ließ er eine Hand voll Münzen in ihre Schürze fallen.
– Signor Principe, sagt ein anderer, ich habe nichts zu essen.
– Einfaltspinsel! antwortete der Fürst, indem er einen Faustschlag nach ihm führte, der ihn für acht Tage satt machen konnte, backe ich etwa Brot? scher Dich zu dem Bäcker.4
Wenn der Fürst durch die Straßen kam, so entblößten sich daher auch alle Köpfe, wie wenn Herr von Beaufort durch die Hallen ging; aber noch weit mächtiger als der französische Frondeur, hätte er nur ein Wort zu sagen gehabt, um sich zum Könige von Sizilien zu machen; es war ihm jedoch niemals eingefallen, und er blieb Fürst von Butera, was wohl eben so viel wert war.
Diese Freigebigkeit hatte indessen einen Tadler gefunden, und das in dem Hause des Fürsten selbst! Dieser Tadler war sein Haushofmeister. Man wird begreifen, dass ein Mann von dem Charakter, den wir anzudeuten versucht haben, besonders auf seine Mahlzeiten jenen Luxus und jene Pracht verwenden musste, die ihm so natürlich waren; er hielt daher auch im buchstäblichen Sinne des Wortes offene Tafel, und er hatte täglich zum Mindesten fünf und zwanzig bis dreißig Gäste zu Tische, unter denen sieben oder acht ihm immer unbekannt waren, während andere sich dagegen mit der Regelmäßigkeit von Kostgängern einer Table d’hote daran setzten. Unter diesen Letzteren war auch ein gewisser Hauptmann Altavilla, der seine Epauletten erlangt hatte, indem er dem Kardinal Russo von Palermo nach Neapel folgte, und der mit einem Jahresgehalt von Tausend Dukaten von Neapel nach Palermo zurückgekehrt war. Unglücklicher Weise hatte der Hauptmann den Fehler, ein wenig Spieler zu sein, was seine Pension für seine Bedürfnisse unzulänglich gemacht hätte, wenn er nicht zwei Mittel gefunden, durch welche sein Vierteljahresgehalt der am wenigsten wichtige Teil seines Einkommens geworden wäre, das erste dieser Mittel, und dieses stand, wie ich gesagt, zur Verfügung von Jedermann, das erste dieser Mittel war, täglich bei dem Fürsten zu Mittag zu essen, und das zweite, pünktlich jeden Tag. wenn er vom Tische aufstand, sein silbernes Besteck in seine Tasche zu stecken. Dieses Manöver dauerte einige Zeit lang, ohne dass diese tägliche Entwendung bemerkt wurde; aber so gut die Schenktische des Fürsten auch versehen sein mochten, so fing man doch an zu bemerken, dass eine Leere in ihnen entstand. Der Verdacht des Haushofmeisters fiel sogleich auf den Santa-Fede;5 er belauerte ihn aufmerksam, und es bedurfte nur einer Aufsicht von zwei bis drei Tagen, um seinen Argwohn in Gewissheit zu verwandeln. Er benachrichtigte sogleich den Fürsten davon, der einen Augenblick lang überlegte und dann antwortete, dass, so lange der Hauptmann nur sein Besteck nehmen würde, er Nichts dagegen zu sagen hätte; wenn er aber die seiner Nachbarn in seine Tasche stecke, er dann schon einen Entschluss zu fassen wissen würde. Der Hauptmann Altavilla war daher einer der häufigsten Gäste seiner Exzellenz des Fürsten Herkules von Butera geblieben.
Dieser letztere befand sich in Castrogiovanni, wo er eine Villa besaß, als man ihm den Brief Brunos überbrachte; er las ihn und fragte, ob der Bote die Antwort erwarte. Man antwortete ihm mit nein und er steckte den Brief mit derselben Kaltblütigkeit in seine Tasche, als ob es ein gewöhnliches Schreiben wäre.
Die von Bruno festgesetzte Nacht kam herbei, der Ort, den er bezeichnet hatte, lag auf dem südlichen Rücken des Ätna, neben einem jener Tausend erloschenen Vulkane, welche ihre eintägige Flamme seiner ewigen Flamme verdanken, und deren vorübergehendes Dasein genügt hat, um Städte zu zerstören. Man nannte diesen den Monlebaldo; denn jeder dieser schrecklichen Hügel hat einen Namen erhalten, sobald er aus der Erde hervortrat. Zehn Minuten Weges weit von seinem Fuße erhob sich ein riesenhafter und allein stehender Baum, den man den Kastanienbaum der Hundert Pferde nannte, weil um seinen Stamm herum, der Hundert und acht und siebzig Fuß Umfang hat, und unter seinem Laube, das für sich allein einen Wald bildet, man Hundert Reiter mit ihren Pferden unterstellen kann. In der Wurzel dieses Baumes kam Pascal das Pfand zu suchen, welches ihm anvertraut werden sollte. Er brach dem zu Folge gegen elf Uhr von Centorbi auf, und begann gegen Mitternacht bei dem Scheine des Mondes den riesenhaften Baum und das kleine zwischen seinen verschiedenen Stämmen erbaute Haus zu erblicken, welches dazu dient, die unermessliche Ernte seiner Früchte aufzunehmen. In dem Maße, als er näher kam, glaubte Pascal einen Schatten zu unterscheiden, der gegen einen der fünf Stämme gelehnt stand, welche ihren Saft aus derselben Wurzel schöpften. Bald nahm dieser Schatten einen Körper an, der Bandit blieb stehen und spannte seine Büchse, indem er ausrief: