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Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 23

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IX.
Maurevel

Während diese lustige, wenigstens dem Anscheine nach, sorglose Jugend sich wie ein goldener Wirbel auf der Straße nach Bondy ausbreitete, ließ Catharina, das kostbare Pergament zusammenrollend, auf welches König Karl seine Unterschrift gesetzt hatte, den Mann in ihr Cabinet einführen, dem ihr Kapitän der Garden einige Tage vorher einen Brief in die Rue de la Cerisaie im Quartiere des Arsenals gebracht hatte.

Eine breite Taffetbinde verbarg, einem Trauersiegel ähnlich, eines von den Augen dieses Mannes und ließ nur das andere Auge entblößt. Man konnte zwischen zwei hervorspringenden Backenknochen die Biegung einer Adlernase sehen, während ein grauwerdender Bart den unteren Theil des Gesichtes umgab. Er war in einen langen, dicken Mantel gekleidet, unter welchem man ein ganzes Arsenal vermuthen mußte. Ueberdieß trug er, obgleich dies nicht Gewohnheit der nach Hofe Berufenen war, ein langes, breites Kriegsschwert mit einem Doppelkorbe. Eine von seinen Händen war verborgen und trennte sich nicht unter seinem Mantel von dem Hefte eines mächtigen Dolches.

»Ah! Ihr hier, mein Herr,« sprach die Königin sich setzend, »Ihr wißt, ich habe Euch nach der Sanct-Bartholomäusnacht, wo Ihr uns so ausgezeichnete Dienste leistetet, versprochen, Euch nicht in Unthätigkeit zu lassen. Die Gelegenheit zeigt sich, oder vielmehr nein, ich habe sie hervorgerufen; dankt mir also.«

»Madame, ich danke Eurer Majestät unterthänigst,« antwortete der Mann mit der schwarzen Binde, mit einer zugleich niedrigen und frechen Zurückhaltung.

»Eine schöne Gelegenheit, mein Herr, wie Ihr nicht zwei im Leben finden werdet, benützt sie also.«

»Ich warte, Madame, nur befürchte ich nach dem Eingange…«

»Der Auftrag könnte gewaltsamer Natur seyn? Der Auftrag, von dem ich spreche, ist ein solcher, nach dem diejenigen lüstern sind, welche vorzurücken wünschen; ein Auftrag, um den Euch die Tavannes und sogar die Guise beneiden würden.«

»Ah, Madame,« versetzte der Mann, »glaubt mir, was es auch seyn mag, ich bin zu den Diensten Eurer Majestät.«

»Dann lest!«

Und sie reichte ihm das Pergament.

Der Mann durchlief dasselbe und erbleichte.

»Wie!« rief er, »ein Befehl, den König von Navarra zu verhaften!«

»Nun, was ist daran Außerordentliches?«

»Aber einen König, Madame! Ich befürchte, hierzu ein nicht hinreichend guter Edelmann zu seyn.«

»Mein Vertrauen macht Euch zu dem ersten Edelmann meines Hofes, Herr von Maurevel,« sprach Catharina.

»Dank sey Eurer Majestät gesagt,« versetzte der Mörder so bewegt, daß er zu zögern schien.

»Ihr werdet also gehorchen?’

»Wenn Eure Majestät es befiehlt, ist es dann nicht meine Pflicht?«

»Ja, ich befehle es.«

»So werde ich gehorchen.«

»Wie wollt Ihr dabei verfahren?«

»Ich weiß es nicht recht, Madame, und ich wünschte sehr, von Euerer Majestät dabei geleitet zu werden.«

»Ihr befürchtet den Lärmen?«

»Ich gestehe es.»

»Nehmt also zwölf sichere Männer mehr, wenn es seyn muß.«

»Allerdings, ich begreife, Euere Majestät erlaubt mir, auf meiner Hut zu seyn, und ich bin ihr dankbar dafür. Aber wo soll ich den König von Navarra ergreifen?«

»Wo wäre es Euch lieber, dieß zu thun?«

»An einem Orte, der mich durch Seine Majestät beschützte, wenn es möglich wäre.«

»Ja, ich begreife, in irgend einem königlichen Palaste. Was würdet Ihr z. B. zum Louvre sagen?«

»Oh! wenn Eure Majestät mir das erlauben wollte, es wäre eine große Gunst.«

»Ihr verhaftet ihn also im Louvre.«

»Und in welchem Theile des Louvre?«

»In seinem Zimmer.«

Maurevel verbeugte sich.

»Und wann dieß, Madame?«

»Diesen Abend, oder vielmehr diese Nacht.«

»Gut, Madame. Wenn Euere Majestät nur die Gnade haben wollte, mich über Eines zu belehren.«

»Worüber?«

»Ueber die seinem Range schuldigen Rücksichten.«

»Rücksichten!… Rang! … Wißt Ihr nicht, daß der König von Frankreich Niemand in seinem Lande Rücksichten schuldig ist, und Niemand als ihm im Range gleich anerkennt?«

Maurevel machte eine zweite Verbeugung.

»Ich habe nur noch einen Punkt zu berühren, Madame,« sprach er, wenn es mir Eure Majestät erlaubt.«

»Ich erlaube es.«

»Wenn der König die Rechtskräftigkeit des Befehles bestreiten würde; es ist zwar nicht wahrscheinlich. Aber…«

»Im Gegentheil, mein Herr, das ist sicher.«

»Er wird sie bestreiten?«

»Ohne allen Zweifel.«

»Und er wird sich folglich weigern, zu gehorchen?«

»Ich befürchte es.«

»Er wird widerstehen?«

»Wahrscheinlich.«

»Ah, Teufel!« sprach Maurevel, »und in diesem Falle?«

»In welchem Falle?«

»Im Falle, daß er widerstehen würde, was soll ich dann thun?«

»Was thut Ihr, wenn Ihr mit einem Befehle des Königs beauftragt seyd, d. h. wenn Ihr den König.vertretet und man Euch Widerstand leistet, Herr von Maurevel?«

»Madame,« sprach der Sbirre, »wenn ich mit einem solchen Befehle beehrt werde, und der Befehl betrifft nur einen einfachen Edelmann, so tödte ich ihn.«

»Ich habe Euch gesagt, mein Herr,« versetzte Catharina, »und ich glaube, es ist nicht so lange her, daß Ihr es bereits vergessen haben könntet: der König von Frankreich erkennt in seinem Gebiete keinen Rang an. Damit sage ich Euch, daß der König von Frankreich allein König ist, und daß neben ihm die Größten nur einfache Edelleute sind.«

Maurevel erbleichte, denn er fing an zu begreifen.

»Oh, oh,« sagte er, »den König von Navarra tödten?«

»Aber wer spricht dann davon, ihn zu tödten? wo ist der Befehl, ihn zu tödten? Der König will nur, daß man ihn in die Bastille führe und der Befehl enthält nichts Anderes. Er lasse sich verhaften, gut. Läßt er sich aber nicht verhaften, leistet er Widerstand, versucht er es, Euch zu tödten…«

Maurevel erbleichte.

»So werdet Ihr Euch vertheidigen,« fuhr Catharina fort, »man kann von einem Tapfern, wie Ihr seyd, nicht verlangen, daß er sich tödten läßt, ohne sich zu vertheidigen. Und wenn Ihr Euch vertheidigt, was wollt Ihr? … dann geschehe, was geschehen mag. Ihr versteht mich?«

»Ja, Madame.«

»Es scheint, Ihr wollt, daß ich nach den Worten:Befehl zu verhaften, mit eigener Hand beifüge:todt oder lebendig?«

»Ich gestehe, Madame, daß dies meine Bedenklichkeiten heben würde.«

»Wenn Ihr den Auftrag ohne dieses nicht für ausführbar haltet, so muß es Wohl geschehen.«

Und Catharina entrollte, die Achsel zuckend, das Pergament mit der einen Hand und schrieb mit der andern:todt oder lebendig.

»Seht,« sagte sie, »findet Ihr den Befehl nun ganz in Ordnung?«

»Ja, Madame.« antwortete Maurevel, »aber ich bitte Eure Majestät die Anordnung des Unternehmens ganz mir zu überlassen.«

»In welcher Beziehung? Kann das, was ich gesagt habe, der Ausführung schaden?«

»Euer Majestät sagte, ich sollte zwölf Mann nehmen?«

»Ja, um sicherer zu seyn.«

»Wohl, ich bitte um Erlaubniß, nur sechs zu nehmen.«

»Warum dies?«

»Madame, weil man, wenn dem Prinzen Unglück widerführe, was wohl seyn kann, leicht sechs Mann damit entschuldigen dürfte, sie haben bange gehabt, über einen Gefangenen nicht Meister werden zu können, während Niemand zwölf Wachen darüber entschuldigen würde, daß sie nicht hätten die Hälfte ihrer Kameraden tödten lassen, ehe sie Hand an eine Majestät gelegt.«

»Schöne Majestät, meiner Treue, die kein Königreich hat!«

»Madame,« sprach Maurevel, »es ist nicht das Königreich, was den König macht, sondern die Geburt.«

»Gut,« versetzte Catharina, »macht es, wie Ihr wollt: nur wünschte ich, Ihr würdet den Louvre nicht verlassen.«

»Aber, Madame, um meine Leute zu sammeln?«

»Ihr habt wohl einen Sergenten, den Ihr hiermit beauftragen könnt?«

»Ich habe meinen Lakaien, der nicht nur ein treuer Bursche ist, sondern mich auch zuweilen bei solchen Unternehmungen unterstützte.«

»Laßt ihn holen und besprecht Euch mit ihm. Ihr kennt das Waffencabinet des Königs, nicht wahr? Man wird Euch dort ein Frühstück vorsetzen, und Ihr gebt ihm Eure Befehle. Der Ort wird Eure Sinne befestigen, wenn sie erschüttert wären. Kommt mein Sohn von der Jagd zurück, so geht Ihr in mein Betzimmer, und Ihr erwartet dort die Stunde.«

»Aber wie werden wir in das Zimmer gelangen? Der König hat ohne Zweifel einen Argwohn und schließt von Innen.«

»Ich besitze einen doppelten Schlüssel zu allen Thüren,« sprach Catharina, »und man hat die Riegel von der von Heinrich weggenommen. Gott befohlen, Herr von Maurevel; auf baldiges Wiedersehen. Ich will Euch in das Waffencabinet des Königs führen lassen. Erinnert Euch, daß das, was ein König befiehlt, vor Allem ausgeführt werden muß, daß keine Entschuldigung zugelassen wird, daß eine Niederlage, ja sogar ein Nichterfolg die Ehre des Königs compromittiren würde.«

Und ohne Maurevel Zeit zu einer Antwort zu lassen, rief Catharina Herrn von Nancey, ihren Kapitän der Garden, und befahl ihm, Maurevel in das Waffencabinet des Königs zu führen.

»Tod und Teufel!« sprach Maurevel seinem Führer folgend, »ich schwinge mich auf in der Hierarchie des Mordes; von einem einfachen Edelmanne zu einem Kapitän; von einem Kapitän zu einem Admiral, von einem Admiral zu einem König ohne Krone. Und wer weiß, ob ich nicht eines Tages an einen gekrönten König komme!«

X.
Die Jagd

Der Piqueur, der den Eber gestellt und den König versichert hatte, das Thier habe sein Lager nicht verlassen, täuschte sich nicht. Kaum hatte man den Leithund auf seine Fährte gesetzt, als er in das Gehölze drang und aus einem Dorngesträuche den Eber hervortrieb, der wie der Piqueur an der Spur erkannt hatte, ein Hauptschwein, das heißt, ein Thier von der stärksten Gestalt war.

Der Eber lief gerade aus und zog fünfzig Schritte vom König über die Straße, nur von dem Leithunde gefolgt, der ihn bestätigt hatte. Sogleich koppelte man ein erstes Relai los, und zwanzig Hunde begannen die Verfolgung.

Die Jagd war die Leidenschaft von Karl. Kaum hatte das Thier den Weg überschritten, als er ihm nach sprengte, zur Verfolgung blasend, in Begleitung des Herzogs von Alençon und von Heinrich, dem ein Zeichen von Margarethe angedeutet hatte, er sollte Karl nicht verlassen.

Alle andere Jäger folgten dem König.

Die königlichen Wälder waren in jener Zeit, in welcher die Geschichte sich ereignet, die wir erzählen, entfernt nicht das, was sie jetzt sind, große Parke mit breiten für Carrossen zugänglichen Alleen. Die Könige hatten damals noch nicht den Gedanken gehabt, sich zu Handelsleuten zu machen und ihre Wälder in Schläge aller Art abzutheilen. Die Bäume, nicht von gelehrten Forstmännern, sondern von der Hand Götter gesät, die den Samen den Launen des Windes zuwarf, waren nicht in Rauten abgetheilt, sondern wuchsen nach Gefallen und wie sie es noch heute in den Urwäldern Amerikas thun. Kurz, ein Wald war in jener Zeit ein Ort, wo es Wildschweine, Hirsche, Wölfe im Ueberfluß gab, und nur ein Dutzend Fußpfade durchzog den Wald von Bondy, den eine kreisförmige Straße umgab, wie der Kreis des Rades die Felgen umgibt. Wollte man den Vergleich weiter treiben, so würde der Eierdotter nicht schlecht den einzigen im Mittelpunkte des Gehölzes liegenden Kreuzweg darstellen, auf dem sich die verirrten Jäger wieder sammelten, um von da aus sich nach dem Punkte zu begeben, wo die verlorene Jagd abermals erschien.

Nach Verlauf einer Viertelstunde geschah, was gewöhnlich in solchen Fällen vorkam: beinahe unüberwindliche Hindernisse hatten sich dem Laufe der Jäger entgegen gesetzt, die Stimmen der Hunde waren in der Ferne erloschen und der König selbst war fluchend und schwörend, wie er dies gewöhnlich that, nach dem Scheideweg zurückgekehrt.

»Nun, Alençon, nun Henriot!« rief er, »Tod und Hölle! Ihr seyd hier ganz ruhig, wie Nonnen, welche ihrer Aebtissin folgen. Hört, das heißt nicht jagen. Ihr, Alençon, seht aus, als kämet Ihr aus einem Schächtelchen, und seyd dergestalt parfumirt, daß Ihr, wenn Ihr zwischen dem Thiere und meinen Hunden durchkommt, machen könnt, daß diese die Fährte verlieren. Und Ihr, Henriot, wo habt Ihr Euere Schweinsfeder, Euere Büchse?«

»Sire,« entgegnete Heinrich, »wozu eine Büchse? Ich weiß, daß Euere Majestät das Thier gerne schießt wenn es sich stellt. Was die Schweinsfeder betrifft, so bin ich ziemlich ungeschickt in Handhabung dieser Waffe, welche in unsern Gebirgen, wo man auch den Bären mit dem einfachen Dolche jagt, nicht gebräuchlich ist.«

»Bei Gottes Tod, Heinrich, wenn Ihr in Euere Pyrenäen zurückgekehrt seyd, müßt Ihr mir einen Wagen voll Bären schicken, denn es muß eine schöne Jagd seyn, Leib an Leib mit einem Thiere, das uns erdrücken kann. Doch ich glaube, ich höre die Hunde. Nein, ich täuschte mich.«

Der König nahm sein Horn und blies eine Fanfare. Mehre Fanfaren antworteten. Plötzlich erschien ein Piqueur, der eine Melodie hören ließ.

»Man hat ihn im Gesicht!« rief der König, und er sprengte im Galopp davon, gefolgt von allen Jägern, die sich um ihn gesammelt hatten.

Diesmal täuschte sich der Piqueur nicht. Wie der König vorrückte, hörte man allmählich das Gebelle der Meute, jetzt aus mehr als sechzig Hunden bestehend; denn man hatte nach und nach alle an den Orten, welche der Eber durchlief, aufgestellte Relais losgelassen. Der König ließ ihn noch einmal an sich vorüber und warf sich, ein hochstämmiges Gehölze benützend, unter den Aesten durch, mit aller Gewalt in das Horn stoßend, dem Thiere nach.

Die Prinzen folgten ihm eine Zeit lang: aber der König hatte ein so kräftiges Pferd, durch seinen Eifer fortgerissen schoß es über so abhängige Wege, durch so licht verwachsene Gebüsche hin, daß zuerst die Frauen, dann der Herzog von Guise und seine Edelleute, und hierauf auch die zwei Prinzen ihn zu verlassen genöthigt waren. Tavannes hielt noch einige Zeit aus, aber am Ende leistete er ebenfalls Verzicht.

Alle Welt, mit Ausnahme von Karl und einigen Piqueurs, welche, durch das Versprechen einer Belohnung angestachelt, den König nicht verlassen wollten, befand sich wieder in der Gegend des Scheideweges.

Die zwei Prinzen waren nahe bei einander in einer großen Allee. Hundert Schritte von ihnen hatten der Herzog von Guise und seine Edelleute Halt gemacht. Auf dem Scheidewege hielten sich die Frauen.

»Sollte man nicht wirklich glauben,« sagte der Herzog von Alençon zu Heinrich, mit dem Augenwinkel den Herzog von Guise bezeichnend, »dieser Mensch mit seiner geharnischten Escorte wäre der wahre König? Uns, arme Prinzen würdigt er nicht einmal eines Blickes.«

»Warum sollte er uns besser behandeln, als wir unsere eigenen Verwandten behandeln?« antwortete Heinrich. »Ei! mein Bruder, sind wir, Ihr und ich, nicht wahre Gefangene, Geißeln unserer Partei am Hofe von Frankreich?«

Der Herzog Franz bebte bei diesen Worten und schaute Heinrich an, als wollte er eine umständlichere Erklärung hervorrufen, aber Heinrich war bereits weiter gegangen, als dieß seiner Gewohnheit entsprach, und schwieg.

»Was wollt Ihr damit sagen?« fragte Franz, sichtbar ärgerlich, daß sein Schwager, nicht fortfahrend, ihn diese Erklärungen eröffnen ließ.

»Ich sage, mein Bruder, daß diese so wohlbewaffneten Menschen, denen man es zur Aufgabe gemacht zu haben scheint, uns nicht aus dem Gesichte zu verlieren, ganz das Ansehen von Wachen haben, welche zwei Personen zu entfliehen verhindern wollen.«

»Entfliehen, warum, wie?« fragte Alençon, vortrefflich das Erstaunen und die Unschuld spielend.

»Ihr habt hier ein vortreffliches Roß, Franz,« sagte Heinrich, seinen Gedanken verfolgend, während er die Miene annahm, als veränderte er das Gespräch. »Ich bin überzeugt, es würde sieben Lieues in einer Stunde und zwanzig von jetzt bis Mittag zurücklegen. Es ist schön’ Wetter. Das ladet, bei meinem Worte, ein, die Zügel schießen zu lassen. Seht diesen hübschen Kreuzweg. Versucht es Euch nicht, Franz? Mir, was mich betrifft, brennt, der Sporn.«

Franz antwortete nicht; er erröthete und erbleichte nur abwechselnd; dann horchte er, als ob er das Geräusch der Jagd vernehme.

»Die Nachricht von Polen bringt ihre Wirkung hervor,« sagte sich Heinrich, »und mein lieber Schwager hat seinen Plan. Er wünschte, daß ich mich flüchten würde; aber ich werde nicht allein fliehen.«

Kaum hatte er diese Betrachtung vollendet, als mehrere Neubekehrte, welche seit ein paar Monaten an den Hof zurückgekommen waren, in kurzem Galopp anlangten und die zwei Prinzen mit einem äußerst freundlichen Lächeln begrüßten.

Durch die Eröffnungen von Heinrich herausgefordert, hatte der Herzog von Alençon nur ein Wort zu sprechen und eine Geberde zu machen, und es war offenbar, daß die dreißig bis vierzig Reiter, welche sich in diesem Augenblick versammelt hatten, als wollten sie gegen die Truppe des Herrn von Guise Widerstand leisten, seine Flucht begünstigen würden. Aber er wandte seinen Kopf ab, setzte sein Horn an den Mund und blies zur Versammlung.

Die Neuangekommenen, als hätten sie geglaubt. das Zögern des Herzogs rühre von der Nähe und Gegenwart der Anhänger von Guise her, schlüpften allmählich zwischen diese und die zwei Prinzen und stellten sich mit einer strategischen Geschicklichkeit auf, woraus man ersehen konnte, daß sie an millitärische Anordnungen gewöhnt waren. Um zu dem Herzog von Alençon oder dem König von Navarra zu gelangen, hätte man in der That über ihre Leiber reiten müssen, während sich vor den zwei Schwägern eine völlig freie Straße unabsehbar ausdehnte.

Plötzlich erschien zwischen den Bäumen, zehn Schritte von dem Könige von Navarra, ein anderer Edelmann, den die zwei Prinzen noch nicht gesehen hatten. Heinrich suchte zu errathen, wer es wäre, als dieser Edelmann, seinen Hut lüpfend, sich dem Könige von Navarra als den Vicomte von Turenne, einen der Führer der protestantischen Partei, den man in Poitou glaubte, zu erkennen gab.

Der Vicomte wagte es sogar, ein Zeichen zu machen, das offenbar sagen wollte:

»Kommt Ihr?«

Aber Heinrich, der das unempfindliche Gesicht und das matte Auge des Herzogs von Alençon scharf befragt hatte, drehte zwei bis drei Mal den Kopf auf seiner Schulter, als ob ihn etwas in dem Kragen seines Wammses belästigte.

Das war eine verneinende Antwort. Der Vicomte begriff dieselbe, gab seinem Pferde die Sporen und verschwand im Gehölze.

In demselben Augenblicke hörte man die Meute sich nähern, dann sah man am Ende der Allee, in der man sich befand, den Eber vorüberkommen, nach ihm die Hunde und dann, wie den höllischen Jäger, Karl IX. ohne Hut, das Horn am Munde, blasend, daß ihm die Lunge hätte springen sollen. Nur drei oder vier Piqueurs folgten ihm, Tavannes war verschwunden.

»Der König!« rief der Herzog von Alençon und jagte nach.

Durch die Gegenwart seiner Freunde beruhigt, machte Heinrich diesen ein Zeichen, sich nicht zu entfernen, und ritt zu den Damen.

»Nun«, sprach Margarethe, ihm einige Schritte entgegenkommend.

»Nun, Madame,« sagte Heinrich, »wir jagen den Eber.«

»Das ist das Ganze?«

»Ja, der Wind hat sich seit gestern gedreht. Ich glaube Euch auch vorhergesagt zu haben, daß dieß so kommen würde.«

»Diese Windveränderungen sind schlimm für die Jagd, nicht wahr, mein Herr?»fragte Margarethe.

»Ja,« erwiederte Heinrich, »das stößt zuweilen alle feste Anordnungen um, und man muß einen neuen Plan entwerfen.«

In diesem Augenblick machte sich das Gebelle der Hunde, abermals näher kommend, rasch hörbar, und ein stürmisches Geräusch kündigte den Jägern an, daß sie auf ihrer Hut seyn müßten. Jeder richtete den Kopf empor und horchte.

Jetzt brach der Eber hervor, und folgte, statt sich wieder in das Gehölze zu werfen, dem Pfade, der gerade nach dem Scheideweg führte, wo sich die Damen, die Edelleute, die ihnen den Hof machten, und die Jäger, welche die Jagd verloren hatten, befanden.

Hinter dem Eber kamen athemlos dreißig bis vierzig sehr kräftige Hunde. Ungefähr zwanzig Schritte hinter den Hunden ritt der König Karl, ohne Baret, ohne Mantel, die Kleider von den Dornen zerrissen, das Gesicht und die Hände voll Blut.

Nur einer oder zwei Jäger befanden sich noch bei dem König.

Der König setzte das Horn nur ab, um seine Hunde zu hetzen; er hörte nur auf seine Hunde zu hetzen, um sein Horn wieder zu nehmen. Die ganze Welt war vor seinen Augen verschwunden. Wäre sein Pferd zusammengebrochen, so würde er wie Richard III. gerufen haben: »Ein Königreich für ein Pferd!«

Aber das Pferd schien so eifrig zu seyn, wie sein Herr. Seine Füße berührten den Boden nicht und seine Nüstern schnaubten Feuer. Der Eber, die Hunde und der König schossen wie eine Erscheinung vorbei.

»Hallali! hallali!« rief der König vorüberreitend, und er setzte wieder sein Horn an die blutigen Lippen.

Ein paar Schritte von ihm kamen der Herzog von Alençon und zwei Piqueurs. Die Pferde der Andern hatten nachgelassen oder sie hatten sich verloren.

Jedermann folgte, denn offenbar mußte der Eber bald Stand halten.

Nach Verlauf von zehn Minuten verließ der Eber wirklich den Fußpfad, auf dem er forteilte, und warf sich in das Gehölze, aber auf einer Lichtung angelangt lehnte er sich mit dem Hintertheile an einen Felsen an und stellte sich gegen die Hunde.

Auf das Geschrei von Karl, der ihm gefolgt war, eilten Alle herbei.

Man hatte den interessanten Augenblick der Jagd erreicht. Das Thier schien zu einer verzweifelten Gegenwehr entschlossen. Ausgereizt durch einen Lauf von mehr als drei Stunden stürzten sich die Hunde mit einer Erbitterung auf dasselbe, welche durch das Geschrei und die Flüche des Königs verdoppelt wurde.

Alle Jäger reihten sich im Kreise aneinander an. Etwas voraus, hatte der König den Herzog von Alençon, der mit einer Büchse bewaffnet war, und Heinrich hinter sich, welcher nur sein einfaches Jagdmesser bei sich trug.

Der Herzog von Alençon machte seine Büchse vom Haken los und zündete die Lunte an. Heinrich ließ sein Jagdmesser in der Scheide spielen.

Der Herzog von Guise, der alle diese Jagdübungen verachtend ansah, hielt sich mit seinen Edelleuten etwas zurück.

Die in einer Gruppe versammelten Frauen bildeten eine kleine Schaar, welche gleichsam das Seitenstück zu der des Herzogs von Guise gab.

Was Jäger war, blieb, die Augen starr auf das Thier geheftet, in ängstlicher Erwartung.

In einiger Entfernung stand ein Piqueur, der sich fest auf den Boden stemmte, um die zwei Hatzhunde des Königs zurückzuhalten, welche, mit ihren Panzerhemden bedeckt, heulend, und sich immer wieder vorwerfend, daß man alle Augenblicke glauben mußte, sie würden ihre Ketten zerbrechen, den Moment erwarteten, um dem Eber an die Ohren zu fallen.

Das Thier benahm sich wundervoll. Zu gleicher Zeit von vierzig Hunden angegriffen, die es einhüllten, wie eine brüllende Fluth, die es mit ihrem buntscheckigen Teppich Gedeckten, die von allen Seiten sich in seine rauhe Haut mit den starren Haaren einzuarbeiten suchten schleuderte es mit jedem Schlage seines Gewerfes17 zehn Schritte von sich einen Hund, der mit aufgeschlitztem Bauche niederfiel und sodann die Eingeweide nachschleppend sich abermals in das Gemenge warf, während Karl mit entflammten Augen, mit weit aufgerissenen Nasenlöchern, über den Hals seines von Schweiß triefenden Pferdes gebeugt, ein wüthendes Hallali blies.

In weniger als zehn Minuten waren zwanzig Hunde kampfunfähig.

»Die Doggen! die Doggen!« rief Karl.

Bei diesem Rufe öffnete der Piqueur den Haken der Koppelriemen, und die zwei Hunde stürzten mitten in das Kampfgewühle, warfen Alles nieder, schoben Alles auf die Seite, und bahnten sich mit ihren eisernen Leibern einen Weg bis zu dem Thiere, das jeder an einem Ohre packte.

Als der Eber sich so gefaßt fühlte, ließ er vor Wuth und Schmerz seine Zähne aneinander krachen.

»Bravo, Durdent, bravo, Risquetout!« rief Karl: »Muthig, Hunde! Eine Schweinsfeder!«

»Ihr wollt meine Büchse nicht?« sagte der Herzog von Alençon.

»Nein,« rief der König, »nein, man fühlt nicht, wie die Kugel eindringt, und es ist kein Vergnügen dabei, während man die Schweinsfeder eindringen fühlt.«

Man reichte dem König einen im Feuer gehärteten, mit einer eisernen Spitze versehenen Jagdspieß.

»Mein Bruder, nehmt Euch in Acht,« rief Margarethe.

»Frisch auf, Sire!« rief die Herzogin von Nevers, »fehlt ihn nicht, Sire! Einen guten Stoß diesem Parpaillot!«18

»Seyd ruhig, Herzogin,« versetzte Karl.

Und seinen Spieß fest fassend, stieß er ihn nach dem Eber, der, von den zwei Hunden gehalten, den Stoß nicht vermeiden konnte. Aber bei dem Anblick der glänzenden Schweinsfeder machte er eine Seitenbewegung, und statt in die Brust zu dringen, glitt der Spieß an der Schulter hin und stumpfte sich an dem Felsen ab, an den das Thier gelehnt war.

»Tausend Teufel!« rief der König, »ich habe ihn gefehlt. Einen Spieß, einen Spieß!«

Und zurückweichend warf er seine zu dem Dienst untüchtige Schweinsfeder zehn Schritte von sich. Ein Piqueur eilte vor, um ihm eine andere zu geben.

Aber in demselben Augenblick, als hätte er das Schicksal vorhergesehen, das ihn erwartete, und als wollte er sich demselben entziehen, riß der Eber mit einer heftigen Anstrengung seine verwundeten Ohren aus den Zähnen der Hatzhunde und stürzte, die Augen blutig, den Athem heiß, als käme er aus einer Schmidesse, mit den Zähnen knirschend, entsetzlich anzuschauen, mit gesenktem Kopfe gegen das Pferd des Königs.

Karl war ein zu guter Jäger, um nicht diesen Angriff vorhergesehen zu haben; er riß sein Pferd in die Höhe, daß es sich bäumte, aber er hatte die Bewegung seiner Hand schlecht ermessen: zu sehr von dem Gebisse gepreßt, oder vielleicht auch dem Schrecken weichend, überstürzte es.

Alle Zuschauer stießen einen furchtbaren Schrei aus. Der König lag mit einem Schenkel unter dem Pferde.

»Die Hand, Sire, laßt die Hand los!« sagte Heinrich.«

Der König ließ den Zügel seines Pferdes los, faßte den Sattel mit der linken Hand und suchte mit der rechten sein Jagdmesser zu ziehen. Aber durch das Gewicht seines Körpers gedrückt, wollte das Messer nicht aus der Klinge.

»Der Eber! der Eber!« rief Karl, »herbei Alençon.«

Sich selbst überlassen, spannte das Pferd, als begriffe es die Gefahr seines Herrn, seine Muskeln an, und es war ihm bereits gelungen, sich auf drei Beine zu erheben, als Heinrich bei dem Rufe seines Schwagers den Herzog von Alençon furchtbar erbleichen und die Flinte an die Schulter legen sah. Doch statt den Eber zu treffen, der nur noch zwei Schritte von dem König entfernt war, zerschmetterte die Kugel dem Pferde das Knie und dieses fiel wieder mit dem Kopfe auf die Erde.

In diesem Augenblicke zerriß der Eber mit seinem Gewerfe den Stiefel von Karl.

»Oh!« murmelte Alençon mit seinen bleichen Lippen, »ich glaube, der Herzog von Anjou ist König von Frankreich und ich bin König von Polen.«

Der Eber wüthete wirklich bereits an dem Schenkel von Karl, als dieser fühlte, wie Einer ihm den Arm hob; dann sah er eine spitzige und schneidende Klinge glänzen, welche, eindringend bis an das Heft, in der Weiche der Schulter des Thieres verschwand, während eine Hand mit eisernem Handschuh den bereits rauchenden Rüssel unter seinen Kleidern vorschob.

Karl, dem es bei der Bewegung, die das Pferd gemacht, sein Bein zu befreien gelungen war, erhob sich mühsam und wurde, da er sich von Blut triefen sah, bleich wie eine Leiche.

»Sire,« sagte Heinrich, der immer noch knieend den in das Herz getroffenen Eber hielt, »Sire, es ist nichts, ich habe den Zahn abgewendet und Eure Majestät ist nicht verwundet.«

Dann stand er, das Messer loslassend, auf, der Eber stürzte zusammen und gab mehr Blut aus seinem Rachen als aus seiner Wunde von sich.

Umgeben von einer keuchenden Welt, überfallen von dem Geschrei des Schreckens, das auch den ruhigsten Mann betäubt hätte, war Karl nahe daran, neben dem sterbenden Thiere niederzusinken: aber er faßte sich wieder, wandte sich gegen den König von Navarra um und drückte ihm die Hand mit einem Blicke, worin ein erster Ausbruch von Gefühl glänzte, der sein Herz seit vierundzwanzig Jahren schlagen machte.

»Ich danke, Henriot,« sagte er zu ihm.

»Mein armer Bruder!« rief Alençon, sich Karl nähernd.

»Ah, du bist es, Alençon,« sagte der König, »nun Du berühmter Schütze, was ist aus Deiner Kugel geworden?«

»Sie wird auf dem Eber abgeprallt seyn,« erwiederte der Herzog.

»Ei, mein Gott!« rief Heinrich mit einem vortrefflich gespielten Erstaunen, »seht Ihr, Franz, Eure Kugel hat dem Pferde Seiner Majestät das Bein zerschmettert. Das ist seltsam!«

»Wie,« rief der König, »ist das wahr?«

»Es ist möglich,« sagte der Herzog bestürzt, »die Hand zitterte mir so sehr.«

»Für einen geschickten Schützen habt Ihr da einen sonderbaren Schuß gethan,« sprach Karl die Stirne runzelnd. »Noch einmal meinen Dank, Henriot. Meine Herren,« fuhr der König fort, »kehren wir zurück, ich habe nun genug.«

Margot näherte sich, um Heinrich Glück zu wünschen.

»Ah! meiner Treue, ja, Margot,« sagte Karl, »mache ihm Dein Compliment, und zwar ein aufrichtiges, denn ohne ihn hieße der König von Frankreich Heinrich III.«

»Oh, Madame,« sprach der Bearner, »der Herr Herzog von Anjou, der bereits mein Feind ist, wird mir noch mehr grollen. Aber was wollt Ihr, man thut, was man kann. Fragt nur Herrn von Alençon.«

Und sich bückend, zog er aus dem Eber sein Jagdmesser, das er zwei bis dreimal in den Boden tauchte, um das Blut abzuwischen.

17.veraltet für Keilerwaffen, Jägersprache
18.Ein Spottname für die Hugenotten.

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04 aralık 2019
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