Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 41
IX.
Die Richter
»Nun, mein braver Freund,« sprach Coconnas zu La Mole, als sich die zwei Gefährten nach dem Verhöre, in welchem zum ersten Male von der Wachsfigur die Rede gewesen war, beisammen fanden, »es scheint mir, Alles geht zum Entzücken und wir werden wohl bald von den Richtern aufgegeben werden, ein Diagnosticon, was gerade dem entgegengesetzt ist, wenn man von den Aerzten aufgegeben wird; denn wenn der Arzt den Kranken aufgibt, so geschieht es, weil er ihn nicht mehr retten kann, während im Gegentheil, wenn der Richter den Angeklagten aufgibt, dies der Fall ist, weil er die Hoffnung verliert, ihm den Kopf abschneiden zu lassen.«
»Ja,« sprach La Mole, »es ist mir sogar, als erschaute ich in der Höflichkeit, in der Leichtigkeit der Kerkermeister, in der Elasticität der Thüren unsere edlen Freundinnen. Aber ich erkenne Herrn von Beaulieu nicht.«
»Ich erkenne ihn wohl,« sprach Coconnas, »nur wird es viel kosten. Aber basta! die Eine ist eine Prinzessin, die Andere ist Königin; sie sind Beide reich und werden nie Gelegenheit finden, ihr Geld so gut anzuwenden. Nun wollen wir unsere Lection gut wiederholen: man führt uns in die Kapelle; man läßt uns unter der Bewachung unseres Kerkermeisters; wir finden am bezeichneten Orte jeder einen Dolch; ich stoße unserem Führer ein Loch in den Bauch.«
»Nein, nicht in den Bauch, Du würdest ihm seine fünfhundert Thaler stehlen; in den Arm.«
»Ah, ja, in den Arm; das müßte ihn zu Grunde richten, den guten armen Mann. Man würde bald sehen, daß eine Gefälligkeit von seiner wie von meiner Seite im Spiele gewesen ist. Nein, nein, in die rechte Seite, indem ich den Dolch geschickt an den Rippen hingleiten lasse; das ist ein wahrscheinlicher und unschuldiger Stoß.«
»Wohl, es mag seyn. Hernach?«
»Hernach verrammelst Du die große Pforte mit Bänken, während unsere zwei Prinzessinnen hinter dem Altar hervoreilen, wo sie verborgen sind, und Henriette die kleine Thüre öffnet.«
»Und dann,« sprach La Mole mit einer bebenden Stimme, welche wie Musik durch die Lippen zieht, »und dann erreichen wir den Wald. Ein Kuß, jedem von uns gegeben, macht uns freudig und stark. Siehst Du uns, Annibal, über unsere raschen Pferde herabgeneigt und das Herz sanft bewegt! Oh, es ist etwas Schönes um die Furcht, um die Furcht in freier Luft, wenn man sein gutes Schwert an der Seite hat und seinem Renner Hurrah zuruft, wenn man ihm beide Sporen in den Leib drückt und er bei jedem Hurrah springt und fliegt.«
»Ja,« sprach Coconnas, »aber die Furcht zwischen vier Mauern, was sagst Du dazu, La Mole? Ich kann ein Wörtchen davon sprechen, denn ich habe so etwas empfunden, als das bleiche Gesicht von Beaulieu zum ersten Male in meinem Zimmer erschien, hinter ihm im Schatten Partisanen glänzten und ein unheilschwangeres Getöse von an einander gestoßenem Eisen sich hörbar machte. Ich schwöre Dir, ich dachte sogleich an den Herzog von Alençon, und erwartete sein häßliches Gesicht zwischen zwei gemeinen Hellebardier-Köpfen zu sehen. Ich täuschte mich, und das war mein einziger Trost, aber ich verlor nicht Alles, denn als die Nacht eintrat, träumte ich davon.«
»Also,« sagte La Mole, der seinen eigenen lachenden Gedanken verfolgte, ohne seinen Freund bei den Ausflügen zu begleiten, die der seinige auf dem Gebiete der Phantasie machte, »also haben sie Alles vorhergesehen, sogar den Ort, wohin wir uns zurückziehen sollen. Wir gehen nach Lothringen, mein Freund. Ich wäre in der That lieber nach Navarra gegangen; in Navarra war ich bei ihr; aber Navarra ist zu entfernt, Nancy ist besser. Uebrigens sind wir dort nur fünfzig Stunden von Paris. Weißt Du, daß ich ein Leid mit mir fortnehme, wenn ich von hier mich entferne?«
»Ah, meiner Treue, nein! Ich, was mich betrifft, gestehe, daß ich all’ mein Leid hier lasse.«
»Wohl, ich bedaure, daß ich unsern würdigen Kerkermeister nicht mitnehmen kann, statt….«
»Aber er würde nicht wollen,« sagte Coconnas, er verlöre zu viel; fünfhundert Thaler von uns, eine Belohnung von der Regierung, vielleicht ein Vorrücken im Dienste; was dieser Bursche glücklich leben wird, wenn ich ihn getödtet habe… Aber was hast Du denn?«
»Nichts? ein Gedanke geht mir durch den Kopf.«
»Er scheint nicht sehr lustig zu seyn, denn Du wirst furchtbar blaß.«
»Ich frage mich, warum man uns nach der Kapelle führt.«
»Damit wir unsere Ostern halten,« versetzte Coconnas, »es ist, wie mir scheint, gerade die Zeit dazu.«
»Aber man führt nur die zum Tode Verurtheilten oder die Gefolterten dahin.«
»Oh, oh!« rief Coconnas, ebenfalls leicht erbleichend, »das verdient Aufmerksamkeit. Wir wollen über diesen Punkt den braven Mann befragen, den ich umbringen soll. He, Schließer, Freund!«
»Der Herr ruft mich,« sagte der Kerkermeister, der auf den ersten Stufen der Treppe lauerte.
»Ja, kommt doch.«
»Hier bin ich.«
»Es ist abgemacht, daß wir aus der Kapelle uns flüchten sollen, nicht wahr?«
»Stille,« flüsterte der Schließer, ängstlich um sich herschauend,
»Sey ruhig, Niemand hört uns.«
»Man wird uns also in die Kapelle führen.«
»Allerdings, es ist so der Gebrauch.«
»Es ist der Gebrauch?«
»Ja nach jedem Todesurtheil ist es gebräuchlich, dem Verurtheilten zu erlauben, daß er die Nacht in der Kapelle zubringt.«
Coconnas und La Mole schauten sich schauernd an.
»Ihr glaubt also, daß wir zum Tode verurtheilt werden?«
»Allerdings, aber Ihr glaubt es auch wohl.«
»Wie, wir auch?« fragte La Mole.
»Gewiß, wenn Ihr es nicht glauben würdet, so hättet Ihr nicht Alles zu Eurer Flucht vorbereitet.«
»Weißt Du, daß das, was er da sagt, sehr vernünftig ist,« sprach Coconnas zu La Mole.
»Ja, ich weiß jetzt auch, daß wir, so wie es mir scheint, ein großes Spiel spielen.«
»Und ich auch!« sagte der Kerkermeister. »Glaubt Ihr, daß ich nichts wage? … Wenn sich der Herr in einem Augenblicke der Aufregung in der Richtung täuschen würde…«
»Mordi! ich wollte, ich wäre an Deiner Stelle,« sprach Coconnas langsam, »und ich hätte es mit keinen andern Händen, als mit diesen, und mit keinem andern Eisen, als mit demjenigen zu thun, welches Dich berühren wird.«
»Zum Tode verurtheilt,« murmelte La Mole, »es ist unmöglich!«
»Unmöglich?« versetzte naiv der Kerkermeister, »und warum?«
»Stille,« sagte Coconnas, »ich glaube, man öffnet die Thüre unten.«
»In der That,« sprach lebhaft der Kerkermeister, »geht hinein, geht hinein!«
»Und wann glaubt Ihr, daß das Urtheil gefällt werden wird?« fragte La Mole.
»Spätestens morgen. Aber seyd unbesorgt, die Personen, welche davon in Kenntniß gesetzt werden sollen, erhalten Nachricht.«
»Dann wollen wir uns umarmen und von diesen Mauern Abschied nehmen.«
Die zwei Freunde warfen sich einander in die Arme, und jeder kehrte in sein Zimmer zurück, La Mole seufzend, Coconnas trällernd.
Es fiel nichts Neues bis sieben Uhr Abends vor. Die Nacht senkte sich düster und regnerisch auf den Thurm von Vincennes herab, … eine wahre Entweichungsnacht. Man brachte das Abendbrod für Coconnas, welcher mit seinem gewöhnlichen Appetit speiste, während er an das Vergnügen dachte, das er hätte, wenn er durch diesen die Mauern peitschenden Regen eingenäßt würde. Und bereits schickte er sich an, bei dem dumpfen, eintönigen Gemurmel des Windes zu entschlummern, als es ihm vorkam, wie wenn der Wind, den er zuweilen mit einem schwermüthigen Gefühle hörte, das er, ehe er im Kerker war, nie erfahren hatte, seltsamer als gewöhnlich unter allen diesen Pforten pfiffe und der Ofen wüthender als gewöhnlich lärmte. Dieses Phänomen fand jedes mal statt, wenn man einen von den Kerkern des obern Stockwerkes öffnete. und besonders den gegenüber. An diesem Geräusch erkannte Annibal immer, der Kerkermeister werde kommen, insofern dasselbe andeutete, daß er aus dem Zimmer von La Mole trat.
Diesmal aber streckte Coconnas vergeblich den Hals aus, spitzte er vergeblich das Ohr.
Die Zeit verlief, Niemand kam.
»Das ist seltsam,« sprach Coconnas, »man hat bei La Mole geöffnet, und öffnet nicht bei mir. Sollte La Mole gerufen worden sehn? … ist er krank? was soll das bedeuten?«
Alles ist Verdacht und Unruhe für einen Gefangenen, wie auch Alles Hoffnung und Freude für ihn ist.
Es verging eine halbe Stunde, dann eine Stunde, und endlich waren anderthalb Stunden vorüber.
Coconnas fing an aus Aerger einzuschlafen, als das Geräusch des Schlosses ihn auffahren machte.
»Oh! oh!« sagte er, »ist es schon die Stunde zum Abgang und führt man uns in die Kapelle, ohne daß wir verurtheilt sind? Mordi! das wäre ein Vergnügen, in einer solchen Nacht zu fliehen, denn es ist schwarz, wie in einem Kamin: wenn nur die Pferde nicht blind sind.«
Er wollte eine lustige Frage an den Schließer richten, als er sah, daß dieser seinen Finger auf die Lippen legte und dabei seine großen Augen sehr beredt im Kopfe herum wälzte.
Man hörte in der That hinter dem Kerkermeister ein Geräusch und erblickte Schatten.
Plötzlich unterschied er mitten in der Finsterniß zwei Pickelhauben, auf welche von der rauchigen Kerze Lichtstreifen geworfen wurden.
»Oho!« fragte er mit leiser Stimme, »was bedeutet diese traurige Erscheinung? Wohin gehen wir denn?«
Der Kerkermeister antwortete nur mit einem Tone der große Aehnlichkeit mit einem Seufzer hatte.
»Mordi!« murmelte Coconnas, »was für ein niederträchtiges Daseyn! stets Extreme, nie fester Grund. Man zappelt entweder in hundert Fuß tiefem Wasser, oder man schwebt über den Wolken; nie eine Mitte! Sprecht, wohin gehen wir?«
»Folgt den Hellebardieren, mein Herr,« sagte eine schnarrende Stimme, woran Coconnas erkannte, daß die Soldaten, die er im Halbdunkel erblickte, von einem Gerichtsdiener begleitet wurden.
»Und Herr de La Mole?« fragte der Piemontese, »wo ist er? was wird aus ihm?«
»Folgt den Hellebardieren,« wiederholte dieselbe schnarrende Stimme, mit demselben Tone.
Man mußte gehorchen, Coconnas verließ sein Zimmer und gewahrte den schwarzen Mann, dessen Stimme ihn so unangenehm berührt hatte. Es war ein kleiner buckeliger Schreiber, der ohne Zweifel die Robe gewählt hatte, damit man nicht bemerkte, daß er zugleich krummbeinig war.
Er stieg langsam die Wendeltreppe hinab. Im ersten Stocke hielten die Wachen an,
»Das ist viel hinabgestiegen,« murmelte Coconnas, »aber noch nicht genug.«
Die Thüre öffnete sich, Coconnas hatte den Blick eines Luchses und den Geruch eines Leithundes. Er roch die Richter und sah im Schatten die Silhouette eines Mannes mit entblößten Armen, der ihm den Schweiß auf die Stirne trieb. Nichtsdestoweniger nahm er die lächelndste Miene an, neigte den Kopf auf die linke Seite, wie dieß nach dem Codex des vornehmen Wesens in jener Zeit üblich war, und trat, die Faust auf der Hüfte, in den Saal.
Man hob einen Vorhang auf und Coconnas erblickte wirklich Richter und Schreiber,
Einige Schritte von diesen Richtern und Schreibern saß La Mole auf einer Bank.
Coconnas wurde vor das Tribunal geführt. Vor den Richtern angelangt, blieb er stehen, grüßte La Mole mit einem Zeichen des Kopfes und mit einem Lächeln und wartete sodann.
»Wie heißt Ihr, mein Herr?« fragte ihn der Präsident.
»Marcus Annibal von Coconnas,« antwortete der Edelmann mit vollkommener Grazie, »Graf von Montpantier, Chenaux und andern Orten; aber ich denke, man kennt unsere Eigenschaften.«
»Wo seyd Ihr geboren?«
»In Saint-Colomban, in der Nähe von Susa.«
»Wie alt seyd Ihr?«
»Sieben und zwanzig, Jahre und drei Monate.«
»Gut,« sagte der Präsident.
»Es scheint, das macht ihm Vergnügen,« murmelte Coconnas.
»Nun sprecht,« fuhr der Präsident nach einem Augenblick des Stillschweigens fort, der dem Schreiber Zeit ließ, die Antworten des Angeklagten auszuzeichnen, »was war Euer Zweck, als Ihr das Haus des Herrn von Alençon verließet?«
»Mich mit meinem Freunde, Herrn de la Mole, den Ihr hier seht, zu verbinden, und der, als ich es verließ, dasselbe bereits seit einigen Tagen verlassen hatte.«
»Was thatet Ihr auf der Jagd, bei der Ihr verhaftet worden seyd?«
»Ich jagte,« antwortete Coconnas.
»Der König war auch bei dieser Jagd und fühlte die ersten Anfälle von dem Uebel, an welchem er bis diesen Augenblick leidet.«
»Was das betrifft, so war ich nicht in der Nähe des Königs, und kann nichts darüber sagen. Ich wußte sogar nicht einmal, daß er von einem Uebel befallen worden ist.«
Die Richter schauten sich mit einem ungläubigen Lächeln an.
»Ah! Ihr wußtet es nicht?« sagte der Präsident.
»Ja, mein Herr, und es thut mir leid. Obgleich der König der Franzosen nicht mein König ist, so habe ich doch viel Sympathie für ihn.«
»Wirklich?«
»Bei meinem Ehrenwort! Es ist nicht wie bei seinem Bruder, dem Herzog von Alençon. Dieser, das muß ich gestehen.« …
»Es handelt sich hier nicht um den Herzog von Alençon, sondern um Seine Majestät.«
»Wohl, ich habe Euch gesagt, ich wäre des Königs unterthänigster Diener,« antwortete Coconnas, sich mit einer bewundernswürdigen Indolenz auf seinen Hüften wiegend.
»Wenn Ihr wirklich sein Diener seyd, wie Ihr behauptet, wollt Ihr uns sagen, was Ihr von einer gewissen magischen Statue wißt?«
»Ah! gut, wir kommen auf die Geschichte von der Statue zurück, wie es scheint.«
»Ja, mein Herr, mißfällt Euch das?«
»Nein, keineswegs. das ist mir lieber, Vorwärts.«
»Warum befand sich diese Statue bei Herrn de La Mole?«
»Bei Herrn de La Mole, diese Statue? Bei René, wollt Ihr sagen.«
»Ihr erkennt also, daß sie vorhanden ist?«
»Verdammt! wenn man sie mir zeigt.«
»Hier ist sie. Ist es die, welche Ihr kennt?«
»Allerdings.«
»Schreiber,« sprach der Präsident, »notirt, der Angeklagte gebe zu, daß er die Statue bei Herrn de La Mole gesehen habe.«
»Nein, nein,« rief Coconnas, »verwirren wir uns nicht: bei René gesehen habe.«
»Bei René, es sey. An welchem Tage?«
»An dem einzigen Tage, an welchem wir, Herr de La Mole und ich, dort gewesen sind.«
»Ihr gesteht also, daß Ihr mit Herrn de La Mole bei René gewesen seyd?«
»Habe ich je dergleichen verhehlt?«
»Schreiber, notirt, der Angeklagte gestehe zu, er sey bei René gewesen, um Beschwörungen zu machen.«
»Holla! he! nur sachte, nur sachte, Herr Präsident. Mäßigt Eueren Enthusiasmus, Herr Präsident, ich habe nicht ein Wort hiervon gesagt.«
»Ihr leugnet, daß Ihr bei René gewesen seyd, um Beschwörungen zu machen?«
»Ich leugne es. Die Beschwörung hat sich zufällig und ohne Vorbedacht gemacht.«
»Aber sie hat doch stattgefunden?«
»Ich kann nicht in Abrede ziehen, daß etwas vorgefallen ist, was einem Zauber gleicht.«
»Schreiber, notirt, der Angeklagte gestehe zu, es sey bei René ein Zauber gegen das Leben des Königs bereitet worden.«
»Wie! gegen das Leben des Königs! Das ist eine schändliche Lüge! Es ist nie ein Zauber gegen das Leben des Königs bereitet worden.«
»Ihr seht es, meine Herren,« sprach La Mole.
»Stille!« rief der Präsident; dann sich gegen den Schreiber umwendend, fuhr er sort: »Gegen das Leben des Königs, habt Ihr das?«
»Nein, nein,« sagte Coconnas,«die Statue ist überdies auch gar keine Statue eines Mannes, sondern die einer Frau.«
»Nun, meine Herren, was sagte ich Euch?« versetzte La Mole.
»Herr de La Mole,« sprach der Präsident, »antwortet, wenn wir Euch fragen, aber unterbrecht nicht das Verhör von Andern… Also Ihr sagt, es sey eine Frau?«
»Allerdings, sage ich es.«
»Warum hat sie dann eine Krone und einen Königsmantel?«
»Bei Gott!« sprach Coconnas, das ist ganz einfach; es war…«
La Mole stand auf und legte einen Finger auf seinen Mund.
»Das ist richtig,« sagte Coconnas. »Was wollte ich doch erzählen… als ob das die Herren anginge!«
»Ihr beharrt auf Eurer Behauptung, diese Statue sey eine Frauenstatue?«
»Ja, gewiß, ich beharre darauf.«
»Und Ihr weigert Euch, zu sagen, wer diese Frau ist?«
»Eine Frau meines Landes, die ich liebte und von der ich geliebt zu werden wünschte,« sprach La Mole.
»Man fragt nicht Euch, Herr de La Mole!« rief der Präsident, »schweigt doch, oder man wird Euch knebeln.«
»Knebeln?« sprach Coconnas, »was sagt Ihr da. Mann mit dem schwarzen Rocke? Man wird meinen Freund, einen Edelmann, knebeln? Geht doch!«
»Laßt René eintreten,« rief der Staatsprocurator Laguesle.
»Ja, laßt René eintreten,« versetzte Coconnas, »thut das. Wir wollen doch sehen, wer Recht hat, Ihr Drei, oder wir Zwei?«
René trat ein, bleich, gealtert, beinahe unkenntlich für die zwei Freunde, viel mehr gebeugt unter der Last des Verbrechens, das er begehen wollte, als durch die Verbrechen, welche er begangen hatte.
»Meister René,« sprach der Richter, »erkennt Ihr die hier gegenwärtigen Angeklagten?«
»Ja, mein Herr,« antwortete René mit einer Stimme, welche seine Aufregung verrieth.
»Wo habt Ihr sie gesehen?«
»An verschiedenen Orten, und besonders bei mir.«
»Wie oft sind sie bei Euch gewesen?«
»Ein einziges Mal.«
Während René sprach, erheiterten sich die Züge von Coconnas immer mehr. Das Gesicht von La Mole dagegen blieb ernst, als ob er eine Ahnung gehabt hätte.
»Und bei welcher Gelegenheit sind sie bei Euch gewesen.«
René schien einen Augenblick zu zögern.
»Um eine Wachsfigur bei mir zu bestellen,« sagte er.
»Verzeiht, verzeiht, Meister René,« sprach Coconnas, »Ihr begeht einen Irrthum.«
»Stille,«, rief der Präsident; dann sich gegen René umwendend: »Ist diese Figurine die eines Mannes oder die einer Frau?«
»Eines Mannes,« antwortete René.
Coconnas sprang auf, als ob er einen elektrischen Schlag bekommen hätte.
»Eines Mannes!« sagte er.
»Eines Mannes,« wiederholte René, aber mit so schwacher Stimme, daß ihn der Präsident kaum hörte.
»Und warum hat die männliche Statue einen Königsmantel auf den Schultern und eine Krone auf dem Haupte?«
»Weil diese Statue einen König darstellt,« antwortete René.
»Heilloser Lügner!« rief Coconnas außer sich.
»Schweig. Coconnas, schweig,« unterbrach ihn La Mole, »laß diesen Menschen reden. Jedem steht es zu, seine Seele zu verderben.«
»Aber, Mordi! nicht den Leib der Andern.«
»Und was bedeutete die stählerne Nadel, welche die Statue mit dem Buchstaben M, auf ein Fähnchen geschrieben, im Herz hatte?«
»Die Nadel stellte das Schwert oder den Dolch dar, der Buchstabe M bedeutet Mors.«
Coconnas machte eine Bewegung, um René zu erdrosseln. Vier Wachen hielten ihn zurück.
»Es ist gut,« sagte der Procurator Leguesle, »das Gericht ist hinlänglich unterrichtet. Führt die Gefangenen in die Wartekammer zurück.«
»Es ist unmöglich, sich solcher Dinge beschuldigen zu hören, ohne Einsprache zu thun!« rief Coconnas.
»Thut Einsprache, mein Herr, man hindert Euch nicht daran. Wachen, Ihr habt gehört.«
Die Wachen bemächtigten sich der zwei Angeklagten und führten sie hinaus, La Mole durch eine Thüre, Coconnas durch die andere.
Dann machte der Procurator dem Menschen ein Zeichen, den Coconnas in der Dunkelheit gesehen hatte, und sagte zu ihm:
»Entfernt Euch nicht, Meister, Ihr habt diese Nacht zu thun.«
»Bei welchem soll ich anfangen?« fragte der Mensch, ehrfurchtsvoll sein Mütze in der Hand nehmend.
»Bei diesem,« erwiederte der Präsident, auf La Mole deutend, den man nur noch wie einen Schatten zwischen den Wachen erblickte. Dann näherte er sich René, welcher zitternd stehen geblieben war, in der Erwartung man würde ihn in das Châtelet zurückführen wo er seinen Kerker hatte, und sprach:
»Gut, mein Herr, seyd unbesorgt, der König und die Königin sollen erfahren, daß sie Euch die Kenntniß der Wahrheit zu danken haben.«
Aber statt René Kraft zu verleihen, schien ihn dieses vollends niederzuschmettern, und er antwortete nur mit einem tiefen Seufzer.
X.
Der spanische Bock
Erst als man ihn in seinen neuen Kerker zurückgeführt und die Thüre hinter ihm geschlossen hatte, fing Coconnas, sich selbst überlassen und nicht mehr aufrecht gehalten durch den Kampf mit den Richtern und durch seinen Zorn gegen René, die Reihe seiner traurigen Betrachtungen an.
»Es scheint mir,« sagte er zu sich selbst, »die Sache nimmt eine äußerst schlimme Wendung, und es wäre Zeit, ein wenig in die Kapelle zu gehen. Ich mißtraue den Todesurtheilen, denn unstreitig beschäftigt man sich damit, uns in dieser Stunde zum Tode zu verurtheilen. Ich mißtraue besonders solchen Sentenzen, welche bei den verschlossenen Thüren einer Festung vor so häßlichen Gesichtern gefällt werden, wie alle diejenigen waren, welche mich umgaben. Man will uns im Ernste den Kopf abschlagen… hm, hm! ich komme auf das zurück, was ich so eben sagte; es wäre Zeit, in die Kapelle zu gehen.«
Auf diese mit halber Stimme ausgesprochenen Worte folgte ein Stillschweigen und dieses Stillschweigen wurde durch einen dumpfen, erstickten Schrei unterbrochen, der nichts Menschliches hatte. Der Schrei schien die dicke Mauer zu durchdringen und auf dem Eisen der Gitterstangen zu vibriren.
Coconnas bebte unwillkührlich, und dieser Mann war doch so brav, daß bei ihm der Muth dem Instinkte der wilden Thiere glich. Coconnas blieb unbeweglich an der Stelle, wo er die Klage gehört hatte. Er zweifelte, daß eine solche Klage von einem menschlichen Wesen ausgesprochen werden könnte, und hielt sie für das Seufzen des Windes in den Bäumen oder für eines von den tausend Getösen der Nacht, welche aus den zwei unbekannten Welten, zwischen denen unsere Welt sich dreht, herabzukommen oder zu diesen hinauszusteigen scheinen; da gelangte eine zweite Klage noch schmerzlicher, noch tiefer zu Coconnas, und dießmal erkannte er nicht nur ganz bestimmt den Ausdruck des Schmerzes in der menschlichen Stimme, sondern er glaubte auch in dieser Stimme die von La Mole zu erkennen.
Bei diesem Tone vergaß der Piemontese, daß er durch zwei Thüren, durch drei Gitter und durch eine zwölf Fuß dicke Mauer zurückgehalten wurde. Er warf sich mit seinem ganzen Gewichte gegen die Mauer, als wollte er sie niederwerfen und dem Opfer zu Hilfe eilen, und rief:
»Man ermordet also Jemand hier!«
Aber er traf auf seinem Wege die Wand, an die er nicht gedacht hatte, und fiel, gequetscht von dem Stoße, auf eine steinerne Bank zurück.
Das war Alles.
»Oh! sie haben ihn umgebracht,« murmelte er, »das ist abscheulich, aber hier kann man ihn nicht vertheidigen… nichts, keine Waffen!«
Er streckte die Hände um sich her aus.
»Ah! dieser eiserne Ring.« rief er, »ich reiße ihn aus und wehe dem, der sich mir naht.«
Coconnas stand aus, ergriff den eisernen Ring und erschütterte ihn mit einem ersten Risse so gewaltig, daß er offenbar bei dem zweiten los geworden wäre.
Aber plötzlich öffnete sich die Thüre, und das Licht von zwei Fackeln überströmte den Kerker.
»Kommt, mein Herr,« sagte dieselbe schnarrende Stimme, die ihm bereits so unangenehm gewesen war, und als sie sich drei Stockwerke weiter unten hören ließ, den ihr mangelnden Reiz nicht erhalten zu haben schien, »kommt, mein Herr, der Gerichtshof erwartet Euch.«
»Gut,« sagte Coconnas und ließ seinen Ring los, »ich werde meinen Spruch hören, nicht wahr?«
»Ja, mein. Herr.«
»Oh, ich athme, gehen wir.«
Und er folgte dem Gerichtsdiener, der mit seinem abgemessenen Schritte, seinen schwarzen Stab in der Hand haltend, ihm voranschritt.
Trotz der Zufriedenheit, die er bei einer ersten Bewegung ausgedrückt hatte, warf Coconnas doch auf seinem Marsche einen unruhigen Blick rechts, links, voran, zurück.
»Oh!« murmelte er, »ich erblicke meinen würdigen Kerkermeister nicht. Ich gestehe, seine Anwesenheit fehlt mir.«
Man trat in den Saal, den die Richter so eben verlassen hatten und wo nur allein ein Mann stand, in welchem Coconnas den Staatsprocurator erkannte, der wiederholt im Laufe des Verhöres und stets mit großer Erbitterung das Wort geführt hatte.
Es war in der That derjenige, welchem Catharina bald schriftlich, bald mündlich den Prozeß besonders empfohlen hatte.
Ein ausgehobener Vorhang ließ den Hintergrund des Saales erschauen. Dieser Saal aber, dessen Tiefen sich in der Dunkelheit verloren, bot in seinen erleuchteten Theilen einen so furchtbaren Anblick, daß Coconnas fühlte, wie seine Beine unter ihm brachen, und: »Oh, mein Gott!« ausrief.
Nicht ohne Ursache hatte Coconnas diesen Schrei des Schreckens ausgestoßen.
Das Schauspiel war in der That gräßlich. Während des Verhörs durch den Vorhang verborgen, der nun ausgehoben war, erschien der Saal wie der Vorhof der Hölle.
In der ersten Abtheilung sah man eine Folterbank, versehen mit Stricken, mit Kloben und anderen Marterwerkzeugen; etwas entfernter erblickte man ein flammendes Kohlenfeuer, das seinen röthlichen Schimmer auf alle Gegenstände warf, die dasselbe umgaben, und die Silhouette von denjenigen, welche sich zwischen Coconnas und dem Feuer befanden, noch mehr verdüsterte. An einer von den Säulen, welche das Gewölbe trugen, stand unbeweglich wie eine Statue ein Mann mit einem Stricke in der Hand. Man hätte glauben sollen, er wäre von demselben Steine, wie die Säule, an der er klebte. An den Wänden, über den steinernen Bänken zwischen eisernen Ringen, hingen Ketten und glänzten Klingen.
»Oh!« murmelte Coconnas. »das ist der Foltersaal, der völlig bereit gehalten nur noch auf den Patienten zu warten scheint! Was soll das bedeuten?«
»Auf die Kniee, Marcus Annibal Coconnas!« sprach eine Stimme, bei der der Edelmann seinen Kopf emporrichtete, »auf die Kniee, um das Urtheil zu hören, das gegen Euch gesprochen worden ist.«
Es war eine von, den Aufforderungen, gegen welche die ganze Person von Annibal sich instinktartig sträubte.
Als er aber gerade im Begriffe war, sich dagegen zu erheben, drückten zwei Männer auf eine so unerwartete und besonders so gewichtige Weise auf seine Schultern, daß er mit beiden Knieen auf den Boden fiel.
Die Stimme fuhr fort:
»Urtheil, gesprochen von dem im Thurme von Vincennes versammelten Gerichtshofe gegen Marcus Annibal von Coconnas, beschuldigt und überwiesen des Verbrechens des Hochverrathes, eines Vergiftungsversuches, der Zauberei und der Magie gegen die Person des Königs, des Verbrechens der Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates, sowie dessen, daß er durch seine schändlichen Rathschläge einen Prinzen von Geblüt zur Rebellion verleitete.«
Bei jeder dieser Anschuldigungen schüttelte Coconnas den Kopf und schlug den Takt, wie es ungelehrige Schüler thun.
Der Richter fuhr sort:
»In Folge hiervon soll der genannte Marcus Annibal von Coconnas von dem Gefängniß nach dem Platze, genannt Saint-Jean-en-Grève zum Behuf der Enthauptung geführt werden. Seine Güter aber sollen confiscirt, die Säume seiner Waldungen in einer Höhe von sechs Fuß abgehauen, seine Schlösser geschleift, und es soll ein Pfahl mit einer kupfernen Platte aufgestellt werden, worauf das Verbrechen und die Strafe zu constatiren sind.«
»Was meinen Kopf betrifft,« sagte Coconnas, »so glaube ich wohl, daß man ihn abschlagen wird, denn er ist in Frankreich und sehr bloßgestellt. Was aber meine hochstämmigen Waldungen und meine Schlösser betrifft, so zweifle ich, ob alle Sägen und alle Hacken des sehr christlichen Königreichs das geringste Loch daran machen werden.«
»Stille!« rief der Richter, und er fuhr fort:
»Ueberdies soll der genannt, Coconnas …«
»Wie? unterbrach ihn Coconnas, »es soll mir noch etwas nach der Enthauptung geschehen? Oh! das scheint mir sehr streng.«
»Nein, mein Herr.« sagte der Richter, »vor derselben.«
Und er fuhr fort:
»Ueberdies soll der genannte Coconnas vor der Vollziehung des Urtheils der außerordentlichen peinlichen Frage der zehn Keile unterworfen werden.«
Coconnas sprang auf und schmetterte den Richter gleichsam mit einem funkelnden Blicke nieder.
»Und warum dies?« rief er, denn er fand keine andere Worte, als diese Naivität, um die Menge von Gedanken auszudrücken, welche in seinem Geiste auftauchten.
Diese Folter war in der That für Coconnas der völlige Umsturz aller seiner Hoffnungen. Er sollte in die Kapelle erst nach der Folter geführt werden, und an dieser starb man häufig; man starb um so leichter daran, je mehr man muthig und stark war: denn man betrachtete es dann als eine Feigheit, zu gestehen, und so lange man nicht gestand, wurde die Folter fortgesetzt, und nicht nur fortgesetzt, sondern verdoppelt.
Der Richter überhob sich jeder Erwiederung gegen Coconnas, da die Folge des Spruches für ihn antwortete.
Er fuhr nun fort:
»Um ihn zu nöthigen, sein Genossen, Complotte und Machinationen im Einzelnen zu gestehen.«
»Mordi!« rief Coconnas, »das nenne ich eine Schändlichkeit; das nenne ich mehr als eine Schändlichkeit, ich nenne es eine Feigheit.«
Gewöhnt an die Zornausbrüche der Opfer, welche das Leiden beschwichtigt, indem es dieselben in Thränen verwandelt, machte der unempfindliche Richter nur eine einzige Geberde.
Bei den Füßen und bei den Schultern ergriffen, wurde Coconnas umgeworfen, fortgetragen, auf das Folterbett gelegt und gebunden, ehe er nur diejenigen, welche ihm Gewalt anthaten, hatte sehen können,
»Schurken!« brüllte Coconnas und schüttelte dergestalt in einem Wuthparoxismus das Bett und die Gestelle, daß die Folterknechte selbst zurückwichen, »Schurken! martert mich, brecht mir die Glieder, reißt mich in Stücke. Ihr werdet nichts erfahren, das schwöre ich Euch. Ah! Ihr glaubt mit Stücken Holz und Eisen bringe man einen Edelmann meines Namens zum Sprechen? Geht, geht, ich trotze Euch.«
»Macht Euch bereit. Alles zu notiren,« sagte der Richter zu dem Schreiber.
»Ja, halte Dich bereit!« brüllte Coconnas, »und wenn Du Alles schreibst, was ich Euch heillosen Henkersknechten sage, so mußt Du genug zu thun haben. Schreibe, schreibe!«
»Wollt Ihr Offenbarungen machen?« fragte der Richter mit seinem ruhigen Tone.
»Nichts, kein Jota, geht zum Teufel!«
»Denkt nach während der Vorbereitungen, mein Herr. Vorwärts, Meister, legt dem Herrn die Stiefeln an.«
Bei diesen Worten trennte sich der Mann, der bis jetzt unbeweglich, die Stricke in der Hand, stehen geblieben war, von der Säule und näherte sich mit langsamen Schritten Coconnas, welcher sich umwandte, um ihm eine Grimasse zu schneiden.
Es war Meister Caboche, der Henker des Gerichtsbezirkes von Paris.
Ein schmerzliches Erstaunen malte sich auf den Zügen von Coconnas, der, statt zu schreien und sich zu krümmen, unbeweglich blieb und seine Augen nicht von dem Gesichte dieses vergessenen Freundes, welcher in einem solchen Momente erschien, losmachen konnte.
Caboche schob ihm, ohne daß eine Muskel seines Gesichts sich bewegte, ohne daß es schien, als hätte er Coconnas je anderswo als auf der Folterbank gesehen, zwei Bretter zwischen die Beine, legte zwei andere Bretter außen an die Beine und umband das Ganze mit dem Stricke, den er in der Hand hielt.