Kitabı oku: «Königin Margot», sayfa 40
»Bei ihm selbst. Schaut, wenn es Euch gefällt, noch einmal die stählerne Nadel an, die das Herz durchdringt, und seht, welcher Buchstabe auf die Etiquette geschrieben ist, die sie trägt.«
»Ich sehe ein M.«
»Das heißt Mors, der Tod: es ist dieß die magische Formel, Sire. Der Erfinder schreibt so seinen Wunsch auf die Wunde, die er gräbt. Wollte er sein Opfer mit Wahnsinn schlagen, so hätte er, wie dieß der Herzog von Bretagne bei Karl VI. that, die Nadel in den Kopf gestochen und ein F (Furor, Wahnsinn) statt eines M Gesetzt.«
»Eurer Meinung nach,« sprach Karl IX., »ist also derjenige, welcher nach meinen Leben trachtet, Herr de La Mole?«
»Ja, wie der Dolch nach dem Herzen trachtet; aber hinter dem Dolche ist der Arm, der ihn stößt.«
»Das ist also die ganze Ursache des Uebels, an welchem ich leide? Und wie soll man sich dabei benehmen?« fragte Karl, »Ihr wißt es, Ihr, meine gute Mutter: aber ich, gerade das Gegentheil von Euch, die Ihr Euch Euer ganzes Leben damit abgegeben habt, ich bin sehr unwissend in der Kabbala und in der Magie.«
»Der Tod des Erfinders bricht den Zauber, das ist das Ganze. An dem Tage, an welchem der Zauber zerstört wird, hört auch das Uebel auf,« sprach Catharina.
»Wirklich?« rief Karl mit erstaunter Miene.
»Wie? Ihr wißt das nicht?«
»Verdammt! ich bin kein Zauberer.«
»Wohl, Eure Majestät ist doch nun überzeugt?«
»Gewiß.«
»Und die Ueberzeugung wird die Ungewißheit vertreiben?«
»Völlig.«
»Ihr sagt das nicht aus Artigkeit?«
»Nein, meine Mutter, es kommt aus dem Grunde meines Herzens.«
Das Gesicht von Catharina erheiterte sich.
»Gott sey gelobt!« rief sie, als ob sie an Gott geglaubt hätte.
»Ja, Gott sey gelobt!« wiederholte Karl ironisch. »Ich weiß nun, von wem mein Zustand herrührt, und wen ich folglich zu bestrafen habe.«
»Und wir werden strafen …«
»Herrn de La Mole; habt Ihr nicht gesagt, er wäre der Schuldige?«
»Ich habe gesagt, er wäre das Werkzeug.«
»Wohl,« sprach Karl, »zuerst Herrn de La Mole; das ist das Wichtigste. Alle die Krisen, von denen ich befallen bin, können gefährlichen Verdacht um uns her erwecken. Es ist dringend, daß es Licht werde, und bei dem Glanze, den dieses Licht von sich gibt, wird sich die Wahrheit enthüllen.«
»Also Herr de La Mole? …«
»Sagt mir vortrefflich als Schuldiger zu; ich nehme ihn an. Beginnen wir bei ihm, und wenn er einen Genossen hat, so wird er sprechen.«
»Ja,« murmelte Catharina, »wenn er nicht spricht, so wird man ihn, sprechen machen. Wir haben untrügliche Mittel hierzu.«
Dann fügte sie aufstehend laut bei:
»Ihr erlaubt doch, Sire, daß das Verhör beginnt?«
»Ich wünsche es, Madame; je eher, desto besser.«
Catharina drückte ihrem Sohne die Hand, ohne das Nervenzucken zu begreifen, das diese Hand bewegte, während sie die ihrige drückte, und verließ das Zimmer, ebenfalls ohne das sardonische Lachen des Königs und die furchtbare, dumpfe Verwünschung zu hören, die auf dieses Lachen folgte.
Der König fragte sich, ob keine Gefahr dabei wäre, wenn man diese Frau gehen ließe, welche in einigen Stunden vielleicht so viel Arbeit machen würde, daß es am Ende nicht mehr möglich wäre, Einhalt zu thun.
In diesem Augenblicke, da er nach dem hinter Catharina herabfallenden Thürvorhang schaute, hörte er ein leichtes Knistern hinter sich, und sich umwendend gewahrte er Margarethe, welche den Vorhang aufhob, der vor dem zu der Amme führenden Gange angebracht war. Margarethe, deren Blässe, deren starre Augen und unterdrückter Athem die heftigste Aufregung andeutete.
»Oh, Sire, Sire!« rief Margarete, nach dem Bette ihres Bruders stürzend, »Ihr wißt wohl, daß sie lügt!«
»Wer, sie?« fragte Karl.
»Hört, Karl, es ist allerdings furchtbar, seine Mutter anzuklagen; aber ich vermuthete, sie würde bei Euch bleiben, um sie noch mehr zu verfolgen. Doch bei meinem Leben, bei Eurem Leben, bei unseren Seelen sage ich Euch, daß sie lügt!«
»Sie verfolgen! … Wen verfolgt sie?«
Beide sprachen aus Instinkt leise; man hätte glauben sollen, sie befürchten sich selbst zu hören.
»Zuerst Euren Henriot, der Euch liebt, der Euch mehr ergeben ist, als irgend Jemand in der Welt.«
»Du glaubst es, Margot?« sprach Karl.
»Oh, Sire, ich bin dessen gewiß.«
»Ich auch.«
»Wenn Ihr dessen gewiß seyd, mein Bruder,« versetzte Margarethe erstaunt, »warum habt Ihr ihn verhaften und nach Vincennes bringen lassen?«
»Weil er mich selbst darum gebeten hat.«
»Er hat Euch darum gebeten, Sire?«
»Ja, Henriot hat sonderbare Ansichten. Vielleicht täuscht er sich, vielleicht hat er Recht: aber es ist eine von seinen Ansichten, er sey sicherer in meiner Ungnade, als in meiner Gunst, ferne von mir, als in meiner Nähe, in Vincennes, als im Louvre.«
»Ah! Ich begreife,« sprach Margarethe, »und er ist also in Sicherheit?«
»So sehr, als es ein Mensch sein kann, für den mir Beaulieu mit seinem Kopfe bürgt.«
»Oh, ich danke Bruder; so viel für Heinrich. Aber …«
»Was aber?« fragte Karl.
»Aber es gibt noch eine andere Person, für die ich mich vielleicht mit Unrecht interessire, doch, ich interessire mich einmal…«
»Und wer ist diese Person?«
»Sire, erspart mir … ich würde es kaum wagen, sie meinem Bruder zu nennen, und wage es vollends nicht, ihren Namen vor dem König auszusprechen.«
»Herr de La Mole, nicht wahr?«
»Ach! Ihr wolltet ihn einst tödten, Sire, und er ist nur durch ein Wunder Eurer königlichen Rache entgangen.«
»Und zwar, Margarethe, als er eines einzigen Verbrechens schuldig war. Nun aber, da er zwei begangen hat…«
»Sire, er ist des zweiten nicht schuldig.«
»Hast Du denn nicht gehört, was unsere gute Mutter gesprochen hat, arme Margot?«
»Oh, ich sagte Euch ja bereits, Karl,« versetzte Margarethe, die Stimme dämpfend, »ich sagte Euch, daß sie gelogen hat.«
»Ihr wißt vielleicht nicht, daß eine Wachsfigur vorhanden ist, welche bei Herrn de La Mole mit Beschlag belegt wurde.«
»Doch, mein Bruder, ich weiß es.«
»Daß diese Figur am Herzen mit einer Nadel durchbohrt ist, und daß die Nadel, welche sie so verwundet, ein Fähnchen mit einem M trägt?«
»Ich weiß es ebenfalls.«
»Daß diese Figur einen Königsmantel auf den Schultern und eine Königskrone auf dem Haupte hat?«
»Ich weiß Alles dies.«
»Was habt Ihr dann zu sagen?«
»Daß diese kleine Figur, welche einen Königsmantel auf den Schultern und eine Königskrone aus dem Haupte trägt, eine Frau und nicht einen Mann darstellt.«
»Bah!« rief Karl, »und die Nadel, die das Herz durchdringt?«
»Ist ein Zauber, um sich von dieser Frau geliebt zu machen, und keine Bosheit, um einen Mann sterben zu lassen.«
»Aber der Buchstabe M?«
»Bedeutet nicht Mors, wie die Königin Mutter gesagt hat.«
»Was bedeutet er denn sonst?«
»Er bedeutet… er bedeutet den Namen der Frau, welche Herr de La Mole liebt.«
»Und diese Frau heißt?«
»Diese Frau heißt:Margarethe,« sprach die Königin von Navarra, fiel vor dem Bette des Königs auf die Kniee, nahm seine Hand in die ihrigen und drückte ihr in Thränen gebadetes Gesicht auf diese Hand.
»Stille, meine Schwester,« sprach Karl und ließ einen unter der gefalteten Stirne hervorfunkelnden Blick um sich herlaufen, »denn wie Ihr uns gehört habt, eben so könnte man Euch hören.«
»Ob, was liegt mir daran!« rief Margarethe das Haupt erhebend. »Warum ist nicht die ganze Welt da, um mich zu hören! Vor der ganzen Welt würde ich erklären, daß es schändlich ist, die Liebe eines Edelmannes zu mißbrauchen, um seinen Ruf mit einem Mordverdacht zu beflecken.«
»Margot, wenn ich Dir sagte, daß ich so gut wie Du weiß, was ist und was nicht ist.«
»Mein Bruder!«
»Wenn ich Dir sagte, daß Herr de La Mole unschuldig ist.«
»Ihr wißt…«
»Wenn ich Dir sagte, daß ich den wahren Schuldigen kenne.«
»Den wahren Schuldigen!« rief Margarethe, »es ist also ein Verbrechen begangen worden?«
»Ja, freiwillig oder unfreiwillig, es ist ein Verbrechen begangen worden.«
»An Euch?«
»An mir.«
»Unmöglich!«
»Unmöglich?…. Schau mich an, Margot.«
Die junge Frau schaute ihren Bruder an und bebte, als sie ihn so bleich sah.
»Margot, ich habe keine drei Monate mehr zu leben,« sprach Karl.
»Ihr, mein Bruder! Du, mein Karl!« rief sie.
»Margot, ich bin vergiftet.«
Die Königin stieß einen Schrei aus.
»Schweige doch!« sagte Karl, »man muß glauben, ich sterbe durch Magie.«
»Und Ihr kennt den Schuldigen?«
»Ich kenne ihn.«
»Ihr habt gesagt, es wäre nicht La Mole.«
»Nein, er ist es nicht.«
»Es ist sicherlich auch nicht Heinrich.«
»Nein.«
»Großer Gott! wäre es?…«
»Wer?«
»Mein Bruder, … Alençon …« murmelte Margarethe.
»Vielleicht.«
»Oder gar, … oder gar …« Margarethe dämpfte abermals die Stimme, als wäre sie selbst über das erschrocken, was sie sagen wollte, »oder gar…. unsere Mutter?«
Karl schwieg.
Margarethe, schaute ihn an, las in seinem Blicke Alles, was sie darin suchte, und fiel immer noch auf den Knieen und halb zurückgebeugt auf einen Stuhl.
»Oh, mein Gott, mein Gott!« murmelte sie, »das ist unmöglich!«
»Unmöglich!« sprach Karl mit einem scharfen Lachen, »es ärgert mich, daß René nicht hier ist, er würde Dir meine Geschichte erzählen.«
»Er? René?«
»Ja, … er würde Dir zum Beispiel erzählen, daß ihn eine Frau, der er nichts zu verweigern wagt, um ein Jagdbuch gebeten hat, welches in seiner Bibliothek versteckt war; daß ein feines Gift auf jedes Blatt dieses Buches gegossen worden ist; daß das Gift für irgend Jemand, ich weiß nicht für wen bestimmt, durch eine Laune des Zufalls oder durch eine Strafe des Himmels auf eine andere Person gefallen ist, als auf diejenige, für welche es bestimmt war. Wenn Du indessen, in Abwesenheit von René, das Buch sehen willst, es ist dort in meinem Cabinet, und Du wirst von der Schrift des Florentiners finden, daß dieses Buch, welches in seinen Blättern den Tod von noch zwanzig Personen enthält, von seiner Hand seiner Landsmännin gegeben wurde.«
»Stille, Karl, ebenfalls stille,« sprach Margarethe.
»Du siehst nun wohl ein, daß man glauben muß, ich sterbe an Magie.«
»Aber das ist ungerecht, das ist schändlich! Gnade! Gnade! Ihr wißt wohl, daß er unschuldig ist.«
»Ich weiß es, aber man muß ihn für schuldig halten. Erdulde den Tod Deines Geliebten; es ist dies wenig, um die Ehre des Hauses Frankreich zu retten. Ich erdulde den Tod, damit das Geheimniß mit mir sterbe!«
Margarethe beugte das Haupt, denn sie begriff, daß zur Rettung von La Mole bei dem König nichts mehr zu machen war, und entfernte sich weinend und ohne auf etwas Anderes zu hoffen, als auf ihre eigenen Mittel.
Während dieser Zeit verlor Catharina, wie es Karl vorher gesehen hatte, keine Minute, und sie schrieb an den Staatsprocurator Laguesle einen Brief, von dem die Geschichte auch das geringste Wort aufbewahrt hat, einen Brief, der ein blutiges Licht auf diese ganze Begebenheit wirft.
»Herr Procurator!
Diesen Abend sagt man mir als gewiß, daß La Mole ein Sacrilegium begangen hat. In seiner Wohnung in Paris hat man viele abscheuliche Dinge, wie Bücher und Papiere, gefunden. Ich bitte Euch, den ersten Präsidenten zu rufen, und so schnell als möglich einen Prozeß einzuleiten, die Angelegenheit der Wachsfigur betreffend, der sie einen Stich in das Herz gegeben haben, und zwar gegen den König. 27
Catharina.
VIII.
Der unsichtbaren Schilde
Am Tage, nachdem Catharina den Brief geschrieben hatte, der so eben dem Leser vor Augen lag, trat der Gouverneur mit sehr imposanter Begleitung bei Coconnas ein; sie bestand aus zwei Hellebardieren und vier Schwarzröcken.
Coconnas wurde aufgefordert, in einen Saal hinabzugehen, wo ihn der Procurator Laguesle und zwei Richter erwarteten, um ihn nach dem Befehle von Catharina zu verhören.
Während der acht Tage, die er im Gefängniß zugebracht, hatte Coconnas viel nachgedacht, abgesehen davon, daß jeden Tag La Mole und er, einen Augenblick durch die Sorge des Kerkermeisters vereinigt, der ihnen, ohne ihnen etwas davon zu sagen, diese Ueberraschung bereitet hatte, welche sie ohne Zweifel nicht allein seiner Menschenfreundlichkeit verdankten, abgesehen davon, sagen wir, daß La Mole und er mit einander das Benehmen überlegt hatten, welches sie verfolgen sollten, und das in einem völligen Leugnen bestand. Er war also überzeugt, daß mit einiger Gewandtheit seine Sache die beste Wendung nehmen würde. Die Anklagen waren nicht stärker gegen ihn und seinen Freund, als gegen die Andern. Heinrich und Margarethe hatten keinen Fluchtversuch gemacht; sie konnten also in einer Angelegenheit nicht gefährdet seyn, wo die Hauptschuldigen frei waren. Coconnas wußte nicht, daß Heinrich dasselbe Schloß bewohnte wie er, und er erfuhr durch die Gefälligkeit seines Kerkermeisters, daß über seinem Haupte Protectionen schwebten, die er seineunsichtbaren Schilde nannte.
Bis jetzt hatten sich die Verhöre auf die Pläne des Königs von Navarra, auf die Fluchtversuche und auf den Antheil bezogen, den die zwei Freunde daran nehmen sollten. Coconnas hatte beständig auf eine mehr als unbestimmte und mehr als gewandte Weise geantwortet. Er schickte sich an, auf dieselbe Weise zu antworten und er bereitete zum Voraus alle seine Erwiederungen vor, als er wahrnahm, daß das Verhör plötzlich den Gegenstand änderte.
Es handelte sich um einen oder mehrere Besuche, welche bei René gemacht, um eine oder mehrere Wachsfiguren, welche auf Antrieb von La Mole verfertigt worden seyn sollten.
Wie sehr Coconnas auch vorbereitet war, so glaubte er doch zu bemerken, daß die Anklage viel von ihrer Intensität verlor, da es sich, statt von einem Verrath an einem König, von der Verfertigung der Statue einer Königin handelte, überdies von einer höchstens acht bis zehn Zoll hohen Statue,
Er antwortete daher sehr heiter, daß weder er noch sein Freund mehr mit Puppen spielten, und bemerkte mit Vergnügen, daß wiederholt seine Antworten ein Gelächter zur Folge hatten.
Man hatte noch nicht, wie der Vers, gesagt: Ich habe gelacht und bin nun entwaffnet; aber dies war bereits viel in Prosa, und Coconnas glaubte seine Richter entwaffnet zu haben, weil sie gelächelt hatten.
Als sein Verhör beendigt war, stieg er so singend, so geräuschvoll in sein Zimmer hinauf, daß La Mole für den er diesen Lärmen machte, die glücklichsten Schlüsse daraus ziehen mußte.
Man ließ diesen ebenfalls herabkommen, La Mole sah wie Coconnas mit Erstaunen, daß die Anklage von ihrem ersten Wege abging und einen neuen Pfad einschlug. Man befragte ihn über seine Besuche bei René. Er antwortete, er wäre nur einmal bei dem Florentiner gewesen. Man fragte ihn, ob er dieses Mal nicht eine Wachsfigur bestellt halte? Er antwortete, René habe ihm diese Figur ganz fertig gezeigt. Man fragte ihn, ob die Figur nicht einen Mann darstellte. Er antwortete, sie stellte eine Frau dar. Man fragte ihn, ob der Zauber nicht zum Zwecke hätte, den Tod dieses Mannes zu bewirken? Er antwortete, der Zweck des Zaubers wäre, sich von dieser Frau geliebt zu machen.
Diese Fragen wurden gemacht und auf hunderterlei Arten gedreht und umgedreht. Aber auf alle diese Fragen, auf welche Weise man sie auch stellte, gab La Mole beständig dieselben Antworten.
Die Richter schauten sich mit einer gewissen Unentschlossenheit an, denn sie wußten nicht, was sie vor einer solchen Einfachheit thun oder sagen sollten, als ein dem Staatsprocurator überbrachtes Billet die Schwierigkeit mitten durchschnitt.
Es war in folgenden Worten abgefaßt:
»Wenn der Angeklagte leugnet, schreitet zur peinlichen Frage.
C.«
Der Procurator steckte das Billet in seine Tasche, lächelte La Mole zu und entließ ihn freundlich.
La Mole kehrte in seinen Kerker, wenn auch nicht ebenso beruhigt; doch beinahe eben so heiter als Coconnas zurück.
»Ich glaube, es geht Alles gut,« sagte er.
Eine Stunde nachher hörte er Tritte und sah ein Billet, das unter der Thüre durchgeschoben wurde, ohne daß er die Hand wahrnehmen konnte, die ihm diese Bewegung gab. Er nahm es und dachte, die Depeche käme aller Wahrscheinlichkeit nach vom Kerkermeister.
Als er das Billet sah, erfaßte eine Hoffnung, beinahe so schmerzlich wie eine Täuschung, sein Herz. Er hoffte, dieses Billet wäre von Margarethe, von der er, seitdem er im Gefängniß saß, keine Nachricht erhalten hatte. Er ergriff es zitternd, die Handschrift hätte ihn beinahe sterben gemacht,
»Muth,« sagte das Billet, »ich wache.«
»Oh!« rief La Mole, dieses Papier, das eine so theure Hand berührt hatte, mit Küssen bedeckend, »wenn sie wacht, bin ich gerettet!«
Damit La Mole dieses Billet begreife, und damit er mit Coconnas Glauben zu dem habe, was der Piemontese seine unsichtbaren Schilde nannte, müssen wir den Leser in das kleine Haus, in das kleine Zimmer zurückführen, wo so viele kaum verdunstete Wohlgerüche, so viele süße Erinnerungen, seitdem zu Leiden und Befürchtungen geworden, das Herz einer halb auf Sammetkissen zurückgeworfenen Frau brachen.
»Königin seyn, stark seyn, jung seyn, schön seyn und leiden, was ich leide!« rief diese Frau, »oh, das ist unmöglich!«
Dann stand sie auf in ihrer Bewegtheit, ging hin und her, blieb plötzlich stille stehen, stützte ihre brennende Stirne an einen eisigen Marmor, erhob sich wieder, bleich und das Gesicht mit Thränen bedeckt, rang die Hände unter schmerzlichen Ausrufungen und fiel abermals wie gebrochen in ihren Lehnstuhl zurück.
Plötzlich hob sich der Thürvorhang, der die Wohnung der Rue Cloche-Percée von der Wohnung der Rue Tizon trennte. Ein seidenes Knistern streifte an der Wand bin, und die Herzogin von Nevers erschien.
»Oh!« rief Margarethe, »Du bist es! Mit welcher Ungeduld erwartete ich Dich, Laß hören! welche Kunde hast Du?«
»Schlimme, schlimme, meine arme Freundin. Catharina betreibt selbst das Verhör und befindet sich noch in diesem Augenblick in Vincennes.«
»Und René?«
»Er ist verhaftet.«
»Ehe Du ihn hast sprechen können?«
»Ja.«
»Und unsere lieben Gefangenen?«
»Ich habe Nachricht von ihnen.«
»Durch den Kerkermeister?«
»Allerdings.«
»Nun?«
»Sie sprechen sich jeden Tag. Vorgestern hat man sie durchsucht. La Mole zerbrach lieber Dein Porträt, als daß er es ausgeliefert hätte.«
»Der liebe La Mole.«
»Annibal hat den Inquisitoren in das Gesicht gelacht.«
»Guter Annibal! Aber hernach?«
»Man befragte sie diesen Morgen über die Flucht des Königs, über seine Pläne in Beziehung auf einen Aufruhr in Navarra, und sie haben nichts gesagt.«
»Oh! ich wußte wohl, daß sie schweigen würden. Aber dieses Schweigen tödtet sie wohl ebenso gut, als wenn sie sprächen.«
»Ja, aber wir retten sie.«
»Du hast also an unser Unternehmen gedacht?«
»Ich habe mich seit gestern mit nichts Anderem beschäftigt.«
»Sprich.«
»Der Vertrag ist mit Beaulieu abgeschlossen Ah! meine liebe Königin, was für ein schwer zugänglicher, gieriger Mann das ist! Es kostet das Leben eines Menschen und dreimal hunderttausend Goldthaler.«
»Du nennst ihn einen schwer zugänglichen, gierigen Mann, und er verlangt nicht mehr als das Leben eines Menschen und dreimal hunderttausend Thaler? … Das ist ja nichts!«
«Nichts? dreimal hunderttausend Thaler! Alle Deine Juwelen und die meinigen werden nicht dazu hinreichen.«
»Oh, das ist gleichgültig. Der König von Navarra wird bezahlen; der Herzog von Alençon wird bezahlen; mein Bruder Karl wird bezahlen; und wenn nicht, …«
»Du sprichst, wie eine Verrückte. Ich habe die dreimal hunderttausend Thaler.«
»Du?«
»Ja, ich.«
»Und wie hast Du sie Dir verschafft? Ist es ein Geheimniß?«
«Für Jedermann, nur für Dich nicht.«
»Oh, mein Gott!« sprach Margarethe, mitten unter ihren Tränen lächelnd, »solltest Du sie gestohlen haben?«
»Urtheile selbst.«
»Sprich.«
»Erinnerst Du Dich des furchtbaren Nantouillet?«
»Des reichen Kauzes, des Wucherers?«
»Wenn Du willst.«
»Nun?«
«Als er eines Tags eine gewisse blonde Frau mit grünen Augen, geschmückt mit drei Rubinen, von denen der eine auf der Stirne, die andern zwei auf den Schläfen angebracht waren, ein Kopfputz, der ihr so gut stand, vorübergehen sah und nicht wußte, daß es eine Herzogin war, da rief dieser reiche Kauz, dieser Wucherer: »»Für drei Küsse würde ich an der Stelle dieser drei Rubine drei Diamanten, jeden von hunderttausend Thalern, einstehen lassen.««
»Nun, Henriette?«
»Meine Liebe, die Diamanten sind entstanden und verkauft.«
»Oh, Henriette, Henriette!« murmelte Margarethe.
»Höre!« rief die Herzogin mit einem zugleich naiven und erhabenen Ausdruck, der das Jahrhundert und die Frau zusammenfaßt, »höre, ich liebe Annibal.«
»Das ist wahr,« sprach Margarethe lächelnd und erröthend, »Du liebst ihn sehr, Du liebst ihn sogar zu sehr.«
Und dennoch drückte sie ihr die Hand.
»Durch unsere drei Diamanten sind also die dreimal hunderttausend Thaler und der Mensch bereit, fuhr Henriette fort.
»Der Mensch? welcher Mensch?«
»Der Mensch zum Tödten. Du vergißt, daß man einen Menschen tödten muß.«
»Ah! Du hast denjenigen gefunden, welchen Du brauchtest?«
»Vollkommen,«
»Zu demselben Preise?« fragte lächelnd Margarethe.
»Zu demselben Preise hätte ich zehn gefunden,« antwortete Henriette. »Nein, nein, ganz einfach um fünfhundert Thaler.«
»Um fünfhundert Thaler hast Du einen Menschen gefunden, welcher einwilligte, sich tödten zu lassen?«
»Was willst Du, man muß doch leben.«
»Meine liebe Freundin, ich verstehe Dich nicht. Sprich klar und deutlich. In unserer Lage nimmt das Lösen der Räthsel zu viel Zeit weg.«
»Höre also: der Kerkermeister, dem die Bewachung von La Mole und Coconnas anvertraut wurde, ist ein alter Soldat, welcher weiß, was eine Wunde bedeutet; er will wohl unsere Freunde retten helfen, aber er will seinen Platz nicht verlieren. Ein Dolchstoß geschickt geführt macht die Sache ab; wir geben ihm eine Belohnung und der Staat eine Entschädigung. Auf diese Art empfängt der brave Mann aus zwei Händen und hat die Fabel von dem Pelikan erneuert.«
»Aber ein Dolchstoß…« sprach Margarethe.
»Sey unbesorgt, Annibal wird ihn führen.«
»In der That,« versetzte Margarethe lachend, »er hat La Mole drei Stöße sowohl mit dem Degen, als mit dem Dolche gegeben, und La Mole ist nicht gestorben; es ist also alle Hoffnung vorhanden,«
«Böse! Du würdest verdienen, daß ich hierbei stehen bliebe.«
»Oh! nein, nein, im Gegentheil, sage mir das Uebrige, ich bitte Dich darum; wie werden wir sie retten?«
»Auf folgende Weise: die Kapelle ist der einzige Ort des Schlosses, wohin die Frauen dringen können, welche keine Gefangenen sind. Man verbirgt uns hinter dem Altar. Unter dem Altartuche finden sie zwei Dolche. Die Thür der Sacristei wird vorher geöffnet. Coconnas versetzt seinem Kerkermeister den Stoß; dieser fällt und stellt sich, als wäre er todt; wir erscheinen, wir werfen jede einen Mantel über die Schultern unserer Freunde; wir fliehen mit ihnen durch die kleine Thüre der Sacristei, und da wir das Losungswort haben, so kommen wir ohne Hinderniß hinaus.«
»Und sind wir einmal außen?…«
»Zwei Pferde warten vor dem Thore, sie schwingen sich auf, verlassen die Isle de France und erreichen Lothringen, von wo sie von Zeit zu Zeit incognito zurückkehren.«
»Oh! Du gibst mir das Leben wieder,« sagte Margarethe. »Wir retten sie also?«
»Ich wollte beinahe dafür stehen.«
»Und dies bald?«
»Gewiß in drei bis vier Tagen; Beaulieu wird uns benachrichtigen.«
»Wenn man Dich in der Umgegend von Vincennes erkennt, das dürfte unserem Vorhaben schaden.«
»Wie soll man mich erkennen? Ich gehe als Nonne mit einer Haube, bei der man nicht einmal meine Nasenspitze sieht.«
»Wir können nicht vorsichtig genug seyn.«
»Ich weiß es wohl, Mordi! wie der arme Annibal sagen würde.«
»Und der König von Navarra, hast Du Dich nach ihm erkundigt?«
»Ich habe nicht verfehlt, dies zu thun.«
»Nun?«
»Er ist nie so lustig gewesen, wie es scheint. Er lacht, er singt, er speist mit Appetit, und verlangt nur Eines: strenge Bewachung.«
»Er hat Recht, und meine Mutter?«
»Sie betreibt, wie ich Dir sage, den Prozeß so scharf als sie kann.«
»Ja, aber sie hat keine Vermuthung in Beziehung auf uns?«
»Wie soll sie eine Vermuthung haben? Alle Diejenigen, welche in das Geheimniß eingeweiht sind, haben ein Interesse, es zu bewahren. Ah! ich wußte, daß sie den Richtern von Paris hätte sagen lassen, sie sollten sich bereit halten.«
»Handeln wir rasch, Henriette. Wenn unsere Freunde das Gefängniß wechselten, müßte man Alles wieder von vorne anfangen.«
»Sey unbesorgt, ich wünsche eben so sehr wie Du, sie außen zu sehen.«
«Ob! ja, ich weiß es, und danke Dir tausendmal für das, was Du gethan hast, um zu diesem Ziele zu gelangen.«
»Adieu, Margarethe, adieu, ich begebe mich wieder in’s Feld.«
»Und Du bist des Herrn von Beaulieu sicher?«
»Ich hoffe es.«
»Des Kerkermeisters?«
»Er hat es versprochen,«
»Der Pferde?«
»Es sind die besten aus dem Stalle des Herzogs von Nevers.«
»Ich bete Dich an, Henriette.«
Und Margarethe warf sich ihrer Freundin um den Hals, wonach sich die zwei Frauen trennten, unter dem Versprechen, sich am andern Tag und alle Tage an demselben Orte und zu derselben Stunde zu sehen.
Dies waren die zwei reizenden, ergebenen Geschöpfe, welche Coconnas so richtig die unsichtbaren Schilde nannte.