Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «La San Felice Band 13», sayfa 2

Yazı tipi:

Denselben Tag schrieb er an Ettore Caraffa, um ihn aufzufordern, die Forts von Civitella und Pescara unter denselben Bedingungen an Pronio zu übergeben, unter welchen das Castello Nuovo und das Castello d’Uovo übergeben worden waren.

Da er fürchtete, der Graf von Ruvo werde seinem Worte nicht trauen oder in seinem Briefe eine Hinterlist wittern, so ließ er fragen, ob es nicht in einem oder dem andern der Castelle einen Freund von Ettore Caraffa gäbe, zu welchem dieser volles Vertrauen hätte, um diesen Brief an ihn zu befördern und ihm einen genauen Begriff von dem Stande der Dinge zu geben.

Nicolino Caracciolo erbot sich Ueberbringer des Briefes zu sein, empfing denselben aus den Händen des Cardinals und brach auf.

Noch denselben Tag ward ein von dem Generalvicar unterzeichnetes Edict gedruckt, veröffentlicht und angeschlagen.

Dieses Edict erklärte, der Krieg sei beendete es gebe in dem Königreiche weder Parteien nach Factionen, weder Freunde nach Feinde, weder Republikaner nach Sanfedisten mehr, sondern blos nach ein Volk von Brüdern und Bürger unter einem und demselben Könige, der Alle mit gleicher Liebe umfassen wolle.

Die Gewißheit des Todes war bei den Patrioten so groß gewesen, daß selbst die, welche, weil sie den Versprechungen Ruffo’s doch nicht vollständig trauten, beschlossen hatten, in die Verbannung zu gehen, diese im Vergleiche zu dem Loose, welchem sie sich aufgespart glaubten, als ein Glück betrachteten.

Drittes Capitel.
Die Auserwählten der Rache

Mitten unter dem Chor von Freude und Traurigkeit, welches von dieser Masse Verbannter, jenachdem sie mehr am Leben oder am Vaterlande hingen, aufstieg, hielten zwei junge Wesen schweigend und wehmüthig in einem der Zimmer des Castello Nuovo sich umschlungen.

Diese beiden jugendlichen Wesen waren Salvato und Luisa.

Luisa hatte noch keinen Entschluß gefaßt, und erst am nächstfolgenden Tage, am 24. Juni, sollte sie wählen zwischen ihrem Gatten und ihrem Geliebten, ihrem Verweilen in Neapel oder der Abreise nach Frankreich.

Luisa weinte, hatte aber den ganzen Abend nicht die Kraft gehabt, ein Wort zu sprechen.

Salvato hatte lange ebenfalls stumm vor ihren den Knien gelegen. Dann endlich hatte er sie in seine Arme geschlossen und an sein Herz gedrückt.

Die Mitternachtsstunde schlug.

Luisa richtete ihre in Thränen gebadeten und fieberhaft glänzenden Augen empor und zählte nach einander die zwölf Schläge des Hammers auf die Glocke. Dann ließ sie ihren Arm um den Hals des jungen Mannes fallen und sagte:

»O nein, ich werde es niemals können!«

»Was wirst Du niemals können , meine geliebte Luisa?«

»Dich verlassen, mein Salvato! Niemals, niemals!«

»Ha!« rief der junge Mann, freudig aufathmend.

»Gott wird mit mir thun, was er will, und wir werden mit einander entweder leben oder sterben.«

Und sie brach in lautes Schluchzen aus.

»Höre,« hob Salvato wieder an, »wir sind ja nicht gezwungen, in Frankreich zu bleiben. Wo Du hingeben willst, da gehe ich auch hin.«

»Aber deine Stellung als Officier? Deine Zukunft?«

»Opfer um Opfer,« geliebte Luisa. Ich sage Dir nochmals, wenn Du vor den Erinnerungen, die Du hier zurücklässest, bis an’s Ende der Welt fliehen willst, so werde ich mit Dir dahin gehen. Da ich Dich so kenne, wie ich Dich kenne, mein Engel, so weiß ich auch, daß es meiner steten Gegenwart und meiner ewigen Liebe bedürfen wird, um Dich deine Leiden vergessen zu machen.«

»Aber ich werde nicht so von hier fortgehen wie eine Undankbare, wie eine Fliehende, wie eine Ehebrecherin. Ich werde ihm schreiben, ich werde ihm Alles sagen; Sein schönes großes, sein erhabenes Herz wird mir dereinst verzeihen, es wird mir Absolution für meinen ertheilen, und erst von diesem Tage an werde ich mir selbst verzeihen.«

Salvato ließ die Geliebte los , näherte sich einem Tische, legte ihr Papier, Feder und Tinte zurecht, kam dann zu Luisa zurück, küßte sie auf die Stirn und sagte:

»Ich lasse Dich allein, fromme Sünderin. Beichte Gott und ihm. Die, über welche der Heiland seinen Mantel breitete, war seiner Verzeihung nicht würdiger als Du.«

»Du verlässest mich!« rief die junge Frau beinahe erschrocken, allein bleiben zu sollen.

»Dein Wort muß in seiner ganzen Reinheit aus deiner keuschen Seele, deinem hingebenden Herzen fließen. Meine Gegenwart würde den durchsichtigen Krystall nur trüben. In einer halben Stunde werde ich wieder da sein und dann werden, wir einander nicht wieder verlassen.«

Luisa bot dem Geliebten die Stirn. Er küßte sie und verließ dann das Zimmer.

Luisa erhob sich nun, näherte sich ihrerseits dem Tische und nahm an demselben Platz.

Alle ihre Bewegungen besaßen die Langsamkeit, welche sich des Körpers in feierlichen Augenblicken bemächtigt. Ihr stieres Auge schien durch Entfernung und Dunkel hindurch die Stelle erspähen zu wollen, wo der Streich sie treffen, und die Tiefe, bis zu welcher das Schwert des Schmerzes eindringen würde.

Ein wehmüthiges Lächeln umspielte ihre Lippen und sie murmelte kopfschüttelnd:

»O meine armer Freund, wie wirst-Du leiden!«

Dann setzte sie leiser und mit beinahe unverständlicher Stimme hinzu:

»Aber nicht eher, als bis ich selbst gelitten habe.«

Sie ergriff die Feder, ließ ihre Stirn auf die linke Hand sinken und schrieb:

Mein viel geliebter Vater ! Mein barmherziger Freund !

»Warum verließest Du mich, als ich Dir folgen wollte? Warum kamst Du nicht zurück, als ich von dem Gestade Dir, der Du im Sturme verschwandest, nachrief: Weißt Du nicht, daß ich liebe!

»Damals war es noch Zeit! Ich wäre mit Dir gegangen und gerettet gewesen. Du verließest mich und ich war verloren.

»Es waltet ein Verhängniß über uns.

»Ich will mich nicht entschuldigen. Ich will Dir nicht die Worte wiederholen, welche Du, die Hand nach dem Crucifix ausstreckend, am Sterbebette des Fürsten von Caramanico sprachst, als er und ich selbst darauf bestand, daß ich dein Weib würde. Nein, ich habe keine Entschuldigung, aber ich kenne dein Herz. Das Erbarmen wird stets größer sein als der Fehltritt.

»Durch dasselbe Verhängniß, welches mich verfolgt, politisch compromittirt, verlasse ich Neapel und gehe, das Loos der Unglücklichen, welche sich selbst verbannen und unter welchen ich die Unglücklichste bin, theilend, nach Frankreich.

»Die letzten Augenblicke meiner Verbannung gehören Dir, ebenso wie die letzten Stunden meines Lebens Dir gehören werden. Indem ich das Vaterland verlasse, bist Du es, an den ich denke; wenn ich das Dasein verlasse, wirst Du es sein, an den ich denken werde.

»Erkläre dieses unerklärliche Geheimniß. Mein Herz hat gefehlt, meine Seele aber ist rein geblieben. Den besten Theil meines Ich hast Du genommen und behalten. Höre mich, mein Freund; höre mich, mein Vater!

»Ich fliehe noch mehr vor Scham, Dich wiederzusehen, als aus Liebe zu dem Manne, dem ich folge. Für ihn würde ich mein Leben in dieser Welt hingeben, für Dicht aber meine Seligkeit im Jenseits opfern.

»Ueberall, wo ich sein werde, werde ich Dir Kenntniß von meinem Aufenthaltsort geben. Wenn Du meiner bedarfst, so rufe mich und ich werde kommen, um Dir zu Füßen zu sinken.

»Jetzt gestatte mir, Dich für ein unschuldiges Geschöpf zu bitten, welches nicht blos noch nicht weiß, daß es sein Leben einem Fehltritt verdankt, sondern welches noch nicht einmal weiß, daß es lebt. Es ist möglich, daß es sich allein auf Erden sieht. Sein Vater ist Soldat und kann im Kampfe fallen; seine Mutter ist eine Verzweifelte und kann sterben.

»Verspreche mir, daß, so lange Du lebst, mein Kind keine Waise sein wird.

»Ich nehme von dem bei den Backers deponierten Geld keinen einzigen Ducato mit.

»Brauche ich Dir wohl erst zu sagen, daß ich an dem Tode dieser Männer vollkommen unschuldig bin? und daß ich lieber alle Martern erdulden als ein Wort gesagt hätte, durch welches sie compromittirt worden wären?

»Von jenem Gelde wirst Du dem Kinde, welches ich Dir für den Fall meines Todes vermacht, einen Antheil aussetzen, dessen Betrag ich in dein alleiniges Ermessen stelle.

»Nachdem ich Dir dies Alles gesagt, wirst Du vielleicht glauben, mein angebeteter Vater, daß ich Dir Alles gesagt; aber dem ist nicht so. Meine Seele ist voll, mein Herz wallt über.

»Seitdem ich angefangen Dir diesen Brief zu schreiben, sehe ich Dich wieder; ich überschaue in meinem-Herzen die achtzehnjährige Güte, welche Du mir bewiesen, ich strecke Dir die Arme entgegen wie dem Gott, den man anbetet, den man beleidigt hat und vor welchem man sich niederwerfen möchte. O, warum bist Du nicht hier, anstatt zweihundert Meilen von mir entfernt zu sein? Ich fühle, daß ich zu Dir eilen würde und daß, wenn ich mich an dein Herz lehnen könnte, nichts im Stande sein würde, mich davon hinwegzureißen.

»Indessen, was Gott thut, das ist wohlgethan. In den Augen der Weit bin ich jetzt nicht blos ein undankbares Weib, sondern auch eine rebellische Unterthanin, und habe nicht blos von deinem verlorenen Glück, sondern auch von deiner compromittirten Loyalität Rechenschaft zu geben. Meine Abreise schützt Dich, meine Flucht rechtfertigt Dich, und Du brauchst blos zu sagen: »Von einer Ehebrecherin ist es nicht zu verwundern, daß sie auch eine Rebellin geworden ist.«

»Leb wohl, mein Freund; leb’ wohl, mein Vater! Wenn Du Dir von meinen Leiden einen Begriff machen willst, so denke an das, was Du selbst gelitten. Du hast nur den Schmerz; ich aber habe auch die Reue.

»Leb’ wohl, wenn Du mich vergissest und wenn ich Dir unnütz bin.«

»Wenn Du aber jemals meiner bedarfst: Auf Wiedersehen!

»Dein strafbares Kind, welches aber niemals aufhören wird an dein Erbarmen zu glauben.

Luisa.«

Eben als Luisa diese letzten Worte schrieb, trat Salvato wieder ein.

Sie hörte ihn, drehte sich um und reichte ihm den Brief.

Als er aber das Papier ganz von Thränen benetzt sah und begriff, was sie, während er dasselbe läse, zu leiden haben würde, schob er es zurück.

Sie begriff dieses Zartgefühl ihres Geliebten.

»Ich danke Dir, mein Freund,« sagte sie.

Dann brach sie den Brief zusammen, siegelte ihn und schrieb die Adresse darauf.

»Aber,« sagte sie, »wir soll ich diesen Brief an den Chevalier San Felice befördern? Du siehst ein, nicht wahr, daß nur er und kein Anderer ihn empfangen darf.«

»Die Sache ist sehr einfach,« antwortete Salvato. »Der Commandant Massa hat freies Geleit. Ich werde ihn um Ueberlassung desselben bitten und den Brief selbst zu dem Cardinal mit der Bitte tragen, ihn nach Palermo zu befördern, und ihm sagen, wie viel darauf ankommt, daß er richtig in die Hände des Adressanden gelange.«

Luisa bedurfte Salvato’s Nähe im höchsten Grade. So lang er da war, verscheuchte seine Stimme die Phantome, welche sie umlagerten, sobald er sich wieder entfernt hatte.

Indessen, wie sie gesagt hatte, es war nothwendig, daß dieser Brief an den Chevalier gelangte.

Salvato stieg zu Pferde, Massa gab ihm außer seinem Geleitschein einen Mann mit , damit; dieser ihm seine weiße Fahne vorantrüge, so daß er ohne Unfall im Lager des Cardinals anlangte.

Dieser hatte sich noch nicht schlafen gelegt. Kaum ward Salvato angemeldet, so befahl der Cardinal, ihn sofort vorzulassen.

Der Cardinal kannte ihn dem Namen nach. Er wußte was für Wunder der Tapferkeit er während der Belagerung verrichtet. Selbst tapfer, wußte er die Tapferkeit zu würdigen.

Salvato setzte ihm die Ursache seines Besuches auseinander und fügte hinzu, er habe nicht blos deshalb in eigener Person kommen wollen, damit der Brief sicher bestellt werde. sondern auch um den außerordentlichen Mann zu sehen, welcher soeben das Werk der Restauration zu Stande gebracht. Trotz des Unheils, welches nach Salvatos Ansicht durch diese Restauration angerichtet ward, konnte er doch nicht umhin, anzuerkennen, daß der Cardinal in seinem Siege gemäßigt und mild gewesen und daß die Bedingungen, die er zugestanden, die eines edelmüthigen Siegers seien.

Während der Cardinal mit der Miene befriedigten Stolzes Salvato’s Complimente hinnahm warf er die Augen auf den Brief, welchen Salvato ihm empfahl, und las darauf die Adresse des Chevalier San Felice.

Er stutzte.

»Ist dieser Brief,« fragte er, »vielleicht von der Gattin des Chevalier?«

»Ja, von ihr selbst, Eminenz.«

Der Cardinal ging einige mal unruhig im Zimmer auf und ab, dann blieb er plötzlich vor Salvato stehen und fragte, indem er ihn scharf ansah:

»Interessieren Sie sich für diese Dame?«

Salvato konnte einen Ausdruck des Erstaunens nicht zurückhalten.

»O,« sagte der Cardinal, »es ist nicht eine Frage der Neugier, die ich an Sie thue, und Sie werden dies sogleich sehen. Ueberdies bin ich Priester und ein Geheimniß, welches man mir anvertraut, wird von diesem Augenblick an geheiligtes Vermächtniß.«

»Ja, Eminenz ich interessiere mich für diese Dame und zwar im höchsten Grade.«

»Nun dann, Signor Salvato, lassen Sie mich als einen Beweis der Bewunderung, die ich für Ihren Muth hege, Ihnen leise, ganz leise sagen, daß die Person, für welche Sie sich interessieren, grausam compromittirt ist. Wäre sie in der Stadt und befände sie sich nicht in der Capitulation der Castelle inbegriffen, so müßte man sie sofort entweder in das Castello d’Uovo oder in das Castello Nuovo bringen, und es möglich machen, ihren Eintritt um fünf bis sechs Tage zurückzudatiren.«

»Aber hätte sie selbst im entgegengesetzten Falle immer noch zu fürchten, Eminenz?«

»Nein, meine Unterschrift würde sie hoffentlich decken. Nur tragen Sie in dem einen wie in dem andern Falle Sorge, daß sie gleich mit unter den Ersten eingeschifft werde. Eine sehr mächtige Person verfolgt sie und will ihren Tod.«

Salvato ward todtenbleich.

»Die Signora San Felice,« sagte er mit erstickter Stimme, hat das Castell Nuovo seit Beginn der Belagerung nicht verlassen. Sie hat deshalb Anspruch auf die Capitulation, welche der General Massa mit Ihnen Eminenz, unterzeichnet hat. Ich danke Ihnen jedoch, Herr Cardinal, deswegen nicht weniger für die Warnung, die Sie mir ertheilt, und die ich wohl beachten werde.«

Salvato verneigte sieh und wollte sich entfernen; der Cardinal legte ihm aber die Hand auf den Arm.

»Noch ein Wort,« sagte er.

»Ich höre, Eminenz,« antwortete der junge Mann.

Was auch der Cardinal sagen mochte, so war es augenscheinlich, daß er zögerte zu sprechen und daß ein Kampf in ihm vorging.

Endlich behielt die erste Bewegung die Oberhand.

»Sie haben,« sagte der Cardinal, »in Ihren Reihen einen Mann, der nicht mein Freund ist, den ich aber seines Muthes und seines Genies wegen schätze. Diesen Mann möchte ich retten!«

»Ist dieser Mann verurtheilt?« fragte Salvato.

»Ebenso wie die Chevaliere San Felice,« entgegnete der Cardinal.

Salvato fühlte wie der kalte Schweiß ihm an der Wurzel seines Haares perlte.

»Und durch dieselbe Person?« fragte Salvato.

»Ja, durch dieselbe Person,« wiederholte der Cardinal.

»Und Sie sagen, Eminenz, diese Person sei sehr mächtig?«

»Habe ich gesagt sehr mächtig? dann habe ich mich geirrt – ich hätte sagen sollen: allmächtig.«

»Ich kann wohl erraten, Eminenz, daß Sie mir den Mann nennen, welchen Sie mit Ihrer Achtung beehren und den Sie mit Ihrem Schutze decken?«

»Es ist der Admiral Francesco Caracciolo.«

»Und was soll ich ihm sagen?«

»Sie werden ihm sagen, was Sie wollen; Ihnen aber sage ich, daß sein Leben nicht in Sicherheit ist, oder vielmehr nicht eher in Sicherheit sein wird, als bis er mit beiden Füßen außerhalb des Königreiches steht.«

»Ich danke Ihnen, Eminenz, in seinem Namen,« sagte Salvato. »Es soll geschehen, wie Sie wünschen.«

»Dergleichen Geheimnisse vertraut man nur einem Mann an wie Sie, Signor Salvato, und man macht ihm nicht erst Verschwiegenheit zur Pflicht, denn man ist überzeugt, daß er den Werth derselben schon von selbst kennt.«

Salvato verneigte sich.

»Haben Sie,« fragte er, »mir noch andere Aufträge zu ertheilen, Eminenz?«

»Einen einzigen.«

»Welchen?«

»Ein eigentlicher Auftrag ist es nicht, sondern ich möchte Ihnen blos empfehlen, General, sich künftig mehr zu schonen. Die tapfersten meiner Leute, welche Sie im Kampfe gesehen, beschuldigen Sie der Tollkühnheit. Ihr Brief wird dem Chevalier San Felice zugestellt werden, Signor Salvato. Dies schwöre ich Ihnen hiermit zu.«

Salvato begriff, daß der Cardinal ihn mit diesen Worten verabschiedete.

Er verneigte sich und machte sich abermals unter dem Vortritt des Trägers der weißen Fahne ganz träumerisch auf den Rückweg nach dem Castello Nuovo.

Ehe er aber in dasselbe zurückkehrte, machte er auf dem Hafendamme Halt, stieg in ein Boot und ließ sich in den Kriegshafen rudern, wohin Caracciolo sich mit seiner Flottille geflüchtet hatte.

Die Matrosen hatten sich zerstreut. Nur einige von den Leuten, welche das Deck ihres Schiffes nur im äußersten Nothfalle verlassen, waren an Bord geblieben.

Er erreichte das Kanonenboot, welches Caracciolo in dem Gefechte am 13. Juni getragen.

Es waren nur drei Mann am Bord.

Der eine davon war der Hochbootsmann, ein alter Seemann, der alle Feldzüge des Admirals mitgemacht.

Salvato ließ ihn kommen und befragte ihn.

Noch denselben Morgen hatte der Admiral, als er sah, daß der Cardinal nicht direct mit ihm unterhandelt und daß er nicht in die Capitulation der Castelle inbegriffen war, sich als Bauer verkleidet ans Land setzen lassen und gesagt, man solle sich um seinetwillen keine Sorge machen, denn er habe, bis er das Königreich verlassen können ein sicheres Asyl bei einem seiner Diener, von dessen Treue und Hingebung er überzeugt sei.

Salvato kehrte in das Castello Nuovo zurück, ging in Luisas Zimmer zurück und fand sie vor dem Tische sitzend, den Kopf auf die Hand gestützt, ganz in derselben Haltung, wie er sie verlassen.

Viertes Capitel.
Die englische Flotte

Es war, wie man sich erinnern wird, am 24. Juni Morgens, wo die neapolitanischen Verbanntem das heißt diejenigen, welche glaubten, es sei ferner für sie sicherer, das Vaterland zu verlassen, als in Neapel zu bleiben, sich auf den dazu bereitgemachten Fahrzeugen einschiffen und unter Segel nach Toulon gehen sollten.

Während der ganzen Nacht vom 23. zum 24. Juni hatte man eine kleine Flotte von Tartanen, Felucken und Balancellen zusammengebracht und dieselbe mit Mundvorräthen versehen.

Der Wind kam aber von Westen und versetzte die Fahrzeuge in die Unmöglichkeit, die hohe See zu gewinnen.

Schon mit Tagesanbruch waren die Thürme des Castello Nuovo mit Flüchtlingen bedeckt, welche warteten, daß ein günstiger Wind das Signal zur Einschiffung gäbe. Verwandte und Freunde standen auf den Quais und wechselten Signale mit ihren Taschentüchern.

Mitten unter allen diesen sich bewegenden Armen und geschwenkten Taschentüchern unterschied man eine unbewegliche Gruppe, welche niemanden Zeichen gab, obschon eine derselben angehörige Person augenscheinlich Jemanden unter der am Meeresstrand stehenden Menge zu erkennen suchte.

Die drei Personen, welche diese Gruppe bildeten, waren Salvato, Luisa und Michele.

Salvato und Luisa standen sich Eines auf das Andere stützend. Sie waren allein auf der Welt und Eines dem Andern Alles. Man sah, daß sie mit dieser die Quais bedeckenden Menge nichts zu schaffen hatten.

Michele dagegen suchte zwei Personen: seine Mutter und Assunta.

Nach Verlauf von einigen Minuten erkannte er seine alte Mutter.

Was Assunta dagegen betraf, so blieb diese, sei es nun, daß ihr Vater und ihre Brüder sie abhielten, bei diesem letzten Stelldichein zu erscheinen, sei es, daß ihr Kummer so schmerzlich war, daß sie fürchtete, Michele’s Anblick werde ihr denselben unerträglich machen, unsichtbar, obschon Michele’s durchdringender Blick sich von den ersten Häusern der Strada del Piliero bis zur Immacolatella erstreckte.

Plötzlich ward die Aufmerksamkeit der Drei ebenso wie die der andern Zuschauer von diesem Gegenstand, so fesselnd derselbe auch war, abgezogen und nach der hohen See gelenkt.

In der That sah man hinter Capri am fernsten Horizont zahlreiche Segel auftauchen. Da diese den Wind im Rücken hatten , so wurden sie schnell größer und kamen näher.

Der erste Gedanke aller dieser armen Flüchtlinge war, daß es die französisch-spanische Flotte sei, welche ihnen zu Hilfe käme, und man begann schon die Eile zu beklagen, womit man die Verträge unterzeichnet hatte.

Dennoch aber wagte keine einzige Stimme auf Zurücknahme der ertheilten Zustimmung anzutragen, oder wenn auch dieser Gedanke in einigen Gemüthern aufstieg, so erstickten diese ihn, ohne ihn vorher ihren Nachbarn mitzutheilen.

Einer von denen aber, welche mit dem Fernrohr in der Hand von dem platten Dache ihres Hauses mit der größten Spannung und Besorgniß diese Schiffe herannahen sahen, war unstreitig der Cardinal.

In der That hatte er denselben Morgen auf dem Landwege zwei Briefe, einen von dem König, den andern von der Königin, erhalten.

Wir theilen dieselben bruchstückweise mit, und der Leser wird daraus ersehen, in welche Verlegenheit der Cardinal dadurch versetzt werden mußte.

»Eminentissime!

»Palermo, 20. Juni 1799.

»Antworten Sie mir noch in Bezug auf einen andern Punkt, der mir schwer auf dem Herzen liegt, den ich aber, offen gesprochen, für unmöglich halte. Man glaubt hier nämlich; daß Sie mit den Castellen unterhandelt haben und daß es diesem Vertrage, zufolge allen Rebellen, selbst Caracciolo, selbst Manthonnet, erlaubt sein wird, Neapel unbelästigt zu verlassen und sich nach Frankreich zu begeben. Sie können sich leicht denken, daß ich dieses Gerücht nicht glaube. Von dem Augenblick an, wo Gott uns befreite, wäre es unsinnig von uns, diese giftigen Nattern am Leben zu lassen, besonders Caracciolo, welcher alle Winkel und Schluchten unserer Küsten kennt. Ha, wenn ich mit den zwölftausend Mann Russen in Neapel einziehen könnte, welche man mir versprochen und welche jener Thugut, unser geschworener Feind, abgehalten hat, nach Italien abzumarschieren! Dann würde ich machen, was ich wollte. Der Ruhm aber Alles zu Ende zu führen, ist Ihnen und unseren wackeren Landleuten vorbehalten, und zwar ohne andern Beistand als den Gottes und seiner unendlichen Barmherzigkeit.

»Ferdinand B.«

Wir lassen nun den Brief der Königin folgen und ändern, ebensowenig als bei dem so eben mitgetheilten Bruchstück, an dem Inhalt keine Sylbe. Man wird darin stets denselben Geist der Heuchelei und Hartnäckigkeit erkennen.

»Ich schreibe Ihnen nicht alle Tagen Eminenz, obschon ich dies gern möchte, denn ich respektiere Ihre schwierigen und mannigfachen Mühewaltungen und empfinde, wie ich ausdrücklich erkläre, die lebhafteste Dankbarkeit für die Versprechungen von Nachsicht und die Ermahnungen zur Unterwerfung, obschon die halsstarrigen- Patrioten sich immer noch nicht haben ergeben wollen.

»Es betrübt mich dies sehr um der Uebel willen, welche diese Halsstarrigkeit zur Folge haben wird und die Ihnen immer mehr den Beweis liefern, daß bei solchen Leuten keine Reue zu hoffen ist.

»Gleichzeitig mit diesem Briefe wird wahrscheinlich Nelson mit seinem Geschwader bei Ihnen ankommen. Er wird den Republikanern den Befehl überbringen, sich ohne Bedingung zu ergeben. Man sagt, Caracciolo werde entrinnen. Dies sollte mir sehr leid thun, denn ein solcher Schurke könnte furchtbar gefährlich werden. Deshalb wünschte ich sehr, daß diese Verräther außer Stand gesetzt würde, Unheil anzurichten.

»Ich fühle, wie sehr die Gräul, welche Sie, Eminenz, in Ihrem Briefe vom 17. dieses dem König erzählen, Ihr Herz betrüben müssen. Was wich jedoch betrifft, so scheint mir, daß wir gethan haben, was wir gekonnt, daß wir mit solchen Rebellen schon allzu nachsichtig umgegangen sind und daß wir, wenn wir mit ihnen unterhandeln, uns nur erniedrigen, ohne Nutzen davon zu haben.

»Ich sage Ihnen daher nochmals, mit San Elmo, welches sich in den Händen der Franzosen befinden, kann man unterhandeln; wenn dagegen die beiden anderen Castelle sich auf Nelsons Aufforderung nicht sofort und ohne alle und jede Bedingung ergeben so werden Sie mit Gewalt genommen und behandelt werden, wie sie es verdienen.

»Eine der ersten und nothwendigen Maßregeln ist, den Cardinal Erzbischof das Kloster Mante-Virgine oder in irgend ein anderes; dafern er nur außerhalb Diözese ist, gefangen zusetzen. Sie sehen selbst ein Eminenz, daß er nicht mehr Hirt einer Herde sein, welche er irre zu leiten gesucht, noch die Sacramente austheilen kann, mit welchen er so großen Mißbrauch getrieben.Mit einem Wort; es ist unmöglich, daß ein Mann der so unwürdig gesprochen und sein Amt gemißbraucht, ausübender Erzbischof von Neapel bleibe.

»Übrigens gibt es – und Sie werden dies nicht vergessen, Eminenz, – noch viele andere Bischhöfe, die sich in demselben Falle befinden, wie unser Erzbischof. So nenne ich z. B. La Torre, Natale, Vica Equense und Rossini trotz seines Te Deums. Dieser Letztere kann wegen seines in Tarent gedruckten Pastorale ebenso wie viele andere anerkannte Rebellen nicht in der Verwaltung seiner Kirche belassen werden.

»Dasselbe ist mit drei anderen Bischöfen der Fall, welches einen armen Priester denunziert, der kein anderes Verbrechen begangen, als das er gerufen: Es lebe der König! Es sind dies nichtswürdige Mönche und verworfene Priester, welche selbst den Abscheu der Franzosen erregt haben, und ich besteht auf ihrer Bestrafung, weil sie Einfluß auf die öffentliche Meinung äußern, denn welches Vertrauen können die Völker zu diesen angeblichen Seelenhirten haben, wenn sie dieselben gegen den König empören sehen? Und bedenken Sie, wie verderblich würde für diese selben Völker sein, diese Priester als Verräther, Rebellen und Abtrünnige noch ferner ihr heiliges Amt verwalten zu sehen.

»Ich spreche nicht von dem, was Neapel betrifft, denn Neapel ist noch nicht unser. Alle, welche dort herkommen erzählen uns entsetzliche Geschichten davon.

»Es betrübt mich dies tief, aber was können wir thun? Ich lebe fortwährend in Unruhe und Besorgniß und erwarte jeden Augenblick die Nachricht, daß Neapel genommen und die Ruhe daselbst wieder hergestellt ist. Dann werde ich Ihnen meine Ideen mittheilen und dieselben Ihren Kenntnissen und Ihrer Einsicht unterbreiten – einer Einsicht, welche ich mit jedem Tage mehr bewundere und wodurch Ew. Eminenz in den Stand gesetzt worden sind Ihre glorreiche Mission zu übernehmen und ein verlorenes Königreich ohne Geld und ohne Armee wiederzuerobern.

»Es bleibt Ihnen, Eminenz nun ein noch größerer Ruhm vorbehalten, nämlich der, dieses Königreich auf den Grundlagen einer wahren und soliden Ruhe neu zu organisieren.

»Mit jenen Gefühlen der Billigkeit und Dankbarkeit, welche ich meinem treuen Volke verdanke, gebe ich Ihnen Eminenz, anheim, zu bedenken, was während der letztvergangenen sechs Monate geschehen ist, und mit Ihrem Scharfsinn zu entscheiden, was Sie ferner zu thun haben.«

»Die beiden Hamilton begleiten Lord Nelson auf seiner Reise.

»Gestern sah ich Ihre Schwester, Eminenz, und Ihren Bruder Pepe Antonio, der sich vollkommen wohl befindet. Seien Sie überzeugt, Eminenz, daß meine Dankbarkeit sich auf alle Personen erstreckt, die Ihnen angehören, und daß ich überdies bleibe Ihre aufrichtige ewige Freundin

»20. Juni 1799.
»Caroline.«

Diese beiden Briefe, auf welche die Ankunft der Flotte folgte, brachten den Cardinal auf den Gedanken, sich in Bezug auf die Tracte der Aufgabe Nelsons zu widersetzen, während dagegen die Patrioten, als sie das neue, den Sieger von Abukir tragende Schiff die großbritannische Flagge aufhissen sahen, sich, weil sie zu dem englischen Admiral mehr Zutrauen hatten als zu Ruffo, freuten, anstatt nun mit einem Haufen Banditen mit einer großen Nation zu thun zu haben.

In dem Augenblick, wo Nelson die rothe Flagge aufgezogen und dieselbe durch einen Kanonenschuss bekräftigt hatte, sah man mitten in denn Rauche, der die Flanke des Schiffes einhüllte, die Jolle des Commandanten abstoßen.

Diese Jolle in welcher sich zwei Officiere, ein Bootsmann und zehn Ruderer befanden, steuerten in gerader Linie nach der Magdalenenbrücke und der Cardinal zweifelte nun keinen Augenblick mehr daran, daß er es sei, den die in der Jolle kommenden Officiere suchten.

In der That landeten sie in der Marinella.

Als der Cardinal sah, daß sie sich bei auf dem Quai herumschlendernden Lazzaroni erkundigten, und in der Voraussetzung, daß diese Erkundigungen den Zweck hatten, seine Wohnung zu erfahren, schickte er ihnen seinen Secretär Sacchinelli mit dem Auftrage entgegen, sie zu ihm zu führen.

Einen-Augenblick später meldete man, dem Cardinal die Capitäne Ball und Truebridge.

Die beiden Officiere traten in das Cabinet des Cardinals mit jener den Engländern eigenthümlichen Steifheit, einer Steifheit, die durch den hohen Rang, welchen Ruffo in der katholischen Prälatur einnahm, nicht vermindert ward, denn Ball und Truebridge waren Protestanten.

Es schlug vier Uhr. Truebridge , welcher der Ältere von beiden war, näherte sich dem Cardinal, welcher seinerseits den Beiden Officieren einen Schritt entgegengegangen war, und überreichte ihm ein großes Couvert mit dem rothten Wappensiegel Englands.

Da das Nachfolgende eine schwere Anklage gegen das Andenken Nelson’s enthält, so halten wir es für nicht unnöthig, nochmals zu sagen, daß alle hier angeführten Briefe bis auf die kleinsten Billets historisch sind, und daß wir, wenn es sein müßte, diese Briefe autographirt mittheilen könnten, denn die Originale stehen zu unserer Verfügung.

Der Cardinal richtete sein Benehmen nach dem der beiden Boten, machte eine leichte Verbeugung erbrach das rothe Siegel und las Folgendes:

»Am Bord des »Donnerers« [Dies war der Name von Nelson’s neuem, Schiff, welches am nächstfolgenden 29. Juni sich so eine so traurige Berühmtheit erwarb.] drei Uhr Nachmittags im Golf von Neapel.

»Eminenz!

»Mylord Nelson ersucht mich, sie zu benachrichtigen; daß er von dem Capitän Foote, Commandant der Fregatte »Seahorse« eine Abschrift von der Capitulation empfangen, welche Sie angemessen gefunden mit den Commandanten des Castello San Elmo, des Castello Nuovo und des Castello d’Uovo abzuschließen. Er mißbilligt diese Capitulationen vollständig und ist entschlossen, mit der imposanten Streitmacht, welche er die Ehre hat zu commandiren, nicht neutral zu bleiben. Demzufolge hat er die Capitäne Truebridge und Ball, welche die Schiffe »Culloden« und »Alexander« commandieren, an Sie abgesendet. Diese beiden Capitäne sind von Mylords Nelson’s Meinungen vollkommen unterrichtet und werden die Ehre haben, dieselben Ihnen, Eminenz, ausführlich darzulegen. Mylord hofft, daß Sie, Eminenz, derselben Ansicht sein werden wie er und daß er morgen mit Tagesanbruch mit Ihnen gemeinschaftlich operieren können wird. Das Ziel kann nur ein und dasselbe sein, nämlich den gemeinsamen Feind zu besiegen und die rebellischen Unterthanen der Gnade Seiner sicilischen Majestät anheimzugeben.