Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «La San Felice Band 6»

Yazı tipi:

Sechster Theil

Erstes Capitel.
Nicolino's Verhör

Die wenigen Augenblicke, welche vergingen, bis, nachdem der Commandant Don Roberto sich entfernt, der Gefangene eintrat, wurden von dem Fiscalprocurator dazu angewendet, daß er ein Richtergewand über seine gewöhnlichen Kleider warf, eine ungeheure Perrücke, welche nach seiner Meinung seinem Gesichte Majestät verleihen sollte, auf seinen magern, langen Kopf und auf diese Perrücke wiederum eine viereckige Mütze setzte.

Der Protokollant begann damit, daß er die beiden mit einem N bezeichneten Pistolen und den Brief der Marquise von San Clemente als Ueberführungsbeweise auf den Tisch legte. Dann schritt er zu derselben Toilette, welche sein Vorgesetzter gemacht, natürlich mit Beobachtung des Rangunterschieds, das heißt, sein Gewand war enger, seine Perrücke weniger umfangreich und sein Barett weniger hoch.

Hierauf nahm er an dem kleinen Tische Platz. Der Marquis Vanni setzte sich an den großen, und da er ein ordnungsliebender Mann war, so schob er das vor ihm liegende Papier so zusammen, daß kein Bogen über den andern hervorragte, überzeugte sich, daß Tinte in dem Fasse war, untersuchte den Schnabel seiner Feder, spitzte ihn mit einem Federmesser, egalisierte die beiden Spitzen durch Abkippen auf dem Nagel, zog aus seiner Tasche eine mit dem Porträt des Königs geschmückte goldene Tabatière, stellte sie so, daß sie ihm bequem zur Hand war, weniger um daraus zu schnupfen, als damit mit jener gleichgültigen Miene des Richters zu spielen, welcher mit dem Leben eines Menschen eben so sorglos spielt, wie mit seiner Dose, und erwartete Nicolino Caracciolo in der Haltung, von welcher er glaubte, daß sie die geeignetste sei, um Wirkung auf den Gefangenen zu äußern.

Unglücklicherweise war Nicolino Caracciolo durchaus nicht der Mann, der sich durch die Attitüden des Marquis Vanni hätte imponieren lassen. Die Thür, welche sich hinter dem Commandanten geschlossen, öffnete sich zehn Minuten später vor dem Gefangenen und Nicolino Caracciolo trat mit einer Eleganz gekleidet, welche den wenig comfortablen Aufenthalt in einem Gefängniß durchaus nicht verrieth, mit lächelnder Miene herein und trällerte dabei das »Pria che spunti l'aurora« aus der Oper »Il Matrimonio segreto.«

Begleitet war er von vier Soldaten und hinter ihm drein folgte der Gouverneur. Zwei Soldaten blieben an der Thür stehen, die zwei andern schlossen sich rechts und links an den Gefangenen an, welcher gerade auf den für ihn bereitgestellten Sitz zuging, sich, ehe er sich setzte, mit der größten Aufmerksamkeit rings umschaute, auf französisch die drei Sylben: »Tiens! tiens! tiens!« welche, wie man weiß, bestimmt sind, komisches Erstaunen auszudrücken, murmelte und dann, sich mit der größten Höflichkeit an den Fiscalprocurator wendend, fragte:

»Haben Sie, Herr Marquis, vielleicht zufällig die »Geheimnisse Adolpho‘s« gelesen?«

»Was ist das, die »Geheimnisse Adolpho‘s?« fragte Vanni, indem er seinerseits antwortete, wie Nicolino gewohnt war es zu thun, nämlich durch eine anderweite Frage.

»Es ist ein neuer Roman von einer Engländerin Namens Anna Radcliffe.«

»Ich lese keine Romane, verstehen Sie, mein Herr,« antwortete der Richter in würdevollem Tone.

»Daran thun Sie Unrecht, sehr Unrecht. Es gibt deren sehr amüsante, und ich möchte wohl einen in meinem Gefängniß zu lesen haben, wenn es hell genug dazu wäre.«

»Mein Herr, ich wünsche, daß Sie vor Allem Ihre Aufmerksamkeit darauf lenken – «

»Worauf denn, Herr Marquis?«

»Daß wir hier sind, um uns mit etwas ganz Anderem zu beschäftigen als mit Romanen. Setzen Sie sich.«

»Ich danke Ihnen, Herr Marquis; ich wollte Ihnen blos sagen, daß in den »Geheimnissen Adolpho‘s« die Beschreibung eines Zimmers vorkommt, welches diesem hier vollkommen ähnlich ist. In diesem Gemach hielt der Räuberhauptmann mit seiner Bande Sitzung.«

Vanni rief seine ganze Würde zu Hilfe.

»Angeklagter, ich hoffe, daß diesesmal –«

Nicolino unterbrach ihn.

»Erstens heiße ich nicht Angeklagter, das wissen Sie.«

»Vor dem Gesetze gibt es keine socialen Rangunterschiede, Sie sind angeklagt.«

»Als Verbum laß' ich den Ausdruck gelten, als Substantivum aber nicht. Wessen bin ich denn angeklagt?«

»Sie sind eines Complotts gegen den Staat angeklagt.«

»Aber, mein Himmel, da verfallen Sie schon wieder in Ihre Manie!«

»Und Sie in Ihren Mangel an Ehrerbietung gegen die Gerechtigkeit.«

»Wie? Ich beweise Mangel an Ehrerbietung gegen die Gerechtigkeit? Ach, mein Herr Marquis, ganz gewiß halten Sie mich für einen Andern, denn Niemand respektiert und verehrt die Gerechtigkeit mehr als ich. Die Gerechtigkeit ist ja das Wort Gottes auf Erden. O nein, ich bin nicht so gottlos, daß ich unehrerbietig gegen die Gerechtigkeit sein sollte. Gegen die Richter ist es freilich etwas Anderes, und in Bezug auf diese möchte ich meine Unschuld nicht so keck behaupten.«

Vanni stampfte vor Ungeduld mit dem Fuße.

»Haben Sie sich endlich entschlossen, die Fragen, die ich heute an Sie richten werde, zu beantworten?«

»Es kommt darauf an, was für Fragen Sie an mich stellen werden.«

»Angeklagter!« rief Vanni in heftigem Tone.

»Schon wieder!« rief Nicolino, die Achseln zuckend. »Was kann es Ihnen verschlagen, ob Sie mich Prinz oder Herzog nennen? Ich gebe keiner dieser beiden Benennungen einen Vorzug vor der andern. Ich nenne Sie Marquis, und ganz gewiß, ob ich kaum den dritten Theil der Lebensjahre zähle, welche Sie hinter sich haben, bin ich Prinz oder Herzog seit längerer Zeit, als Sie Marquis sind.«

»Genug über dieses Capitel! Wie alt sind Sie?«

O Nicolino zog eine prachtvolle Uhr aus der Tasche.

»Einundzwanzig Jahre, drei Monate, acht Tage, fünf Stunden, sieben Minuten und zweiunddreißig Secunden. Diesmal, hoffe ich, werden Sie mich nicht eines Mangels an Genauigkeit beschuldigen.«

»Wie heißen Sie?«

»Immer noch Nicolino Caracciolo.«

»Wo wohnen Sie?«

»Im Castell San Elmo, Kerker Nummer drei, in der zweiten Etage, unter dem Zwischenstock.«

»Ich frage Sie nicht, wo Sie jetzt wohnen, sondern wo Sie wohnten, als man Sie festnahm.«

»Als man mich festnahm, wohnte ich gar nicht; ich war auf der Straße.«

»Gut, gut, es kommt auf Ihre Antwort weiter nichts an. Man weiß, wo Sie gewohnt haben.«

»Dann sage ich wie Agamemnon zu Achilles: Warum, Freund, fragst Du mich, da Du es doch schon weißt?«

»Waren Sie bei der Versammlung der Verschwörer, die in der Nacht vom 22.

zum 23. Dezember in den Ruinen des Palastes der Königin Johanna stattfand?«

»Einen Palast der Königin Johanna in Neapel kenne ich nicht.«

»Wie, Sie kennen nicht die Ruinen des Palastes der Königin Johanna auf dem Pausilippo, dem Hause, welches Sie bewohnen, beinahe gerade gegenüber?«

»Ich bitte um Verzeihung, Herr Marquis, wenn ein Mann aus dem Volke, ein Fiakerkutscher, ein Fremdenführer, ja sogar ein Minister des öffentlichen Unterrichts – Gott weiß, woher man in unserer Zeit die Minister nimmt! – einen solchen Irrthum begeht, so ist es leicht begreiflich; wenn aber Sie, ein Archäolog, in der Architectur um dritthalb Jahrhunderte und in der Geschichte um fünfhundert Jahre sich irren, so verzeihe ich Ihnen dies nicht. Sie wollen sagen: Die Ruinen des Palastes Anna‘s Caraffa, der Gattin des Herzogs von Medina, des Günstlings Philipp des Vierten, welche nicht den Erstickungstod starb wie Johanna die Erste, noch an Gift, wie Johanna die Zweite – bemerken Sie wohl, daß ich diese Thatsache nicht behaupte, denn dieselbe ist zweifelhaft geblieben – sondern an der Läusesucht wie Sylla und Philipp der Zweite – das ist nicht erlaubt, Herr Marquis, und wenn ein solcher Irrthum bekannt würde, so wäre es um Ihren Ruf als wissenschaftlich gebildeter Mann geschehen.«

»Nun gut, denn, in den Ruinen des Palastes der Anna Caraffa, wenn Ihnen das lieber ist.«

»Ja, es ist mir lieber. Die Wahrheit ist mir stets lieb. Ich gehöre zur Schule des Philosophen von Genf und mein Wahlspruch ist: Vitam impendere vero. Doch, ich will lieber nicht Latein sprechen; Sie möchten mich nicht verstehen.«

»Waren Sie während der Nacht vom 22. zum 23. December in den Ruinen des Palastes der Anna Caraffa? Antworten Sie: Ja oder Nein!« rief Vanni wüthend.

»Was zum Teufel hätte ich dort zu suchen gehabt? Erinnern Sie sich denn nicht mehr des Unwetters, welches in der Nacht vom 22. zum 23. December tobte?«

»Dann will ich Ihnen sagen, was Sie dort thun wollten. Sie wollten sich verschwören.«

»Ach lieber gar! Wenn es regnet, verschwöre ich mich niemals. Schon bei schönem Wetter ist dies etwas Langweiliges.«

»Haben Sie an jenem Abend Jemanden Ihren Ueberrock geliehen?«

»Wie könnte ich so einfältig sein, in einer solchen Nacht, wo es in Strömen goß, meinen Ueberrock zu verborgen? Selbst wenn ich deren zwei gehabt, hätte ich sie lieber einen über den andern gezogen.«

»Kennen Sie diese Pistolen?«

»Wenn ich sie kennte, so würde ich sagen, man habe sie mir gestohlen, und da Ihre Polizei sehr schlecht eingerichtet ist, so würden Sie den Dieb nicht ausfindig machen, was für Ihre Polizei sehr demüthigend wäre. Nun aber will ich Niemanden demüthigen und deshalb sage ich: Ich kenne diese Pistolen nicht.«

»Dieselben sind aber doch mit dem Buchstaben N bezeichnet.«

»Nun, bin ich denn in ganz Neapel der einzige Mensch, dessen Name mit einem N anfängt?«

»Kennen Sie diesen Brief?«

Und Vanni zeigte dem Gefangenen den Brief der Marquise von San Clemente.

»Ich bitte um Verzeihung, Herr Marquis, dann müßte ich diesen Brief erst genauer sehen.«

»Treten Sie näher.«

Nicolino sah die beiden Soldaten, welche rechts und links neben ihm standen, nach einander an.

»Ė permesso?« fragte er.

Die beiden Soldaten traten auf die Seite, Nicolino näherte sich dem Tisch, ergriff den Brief und betrachtete ihn.

»Aber pfui! wie können Sie einen Mann von Ehre fragen, ob er einen Brief von Damenhand kennt? O, Herr Marquis!«

Mit diesen Worten hielt er den Brief ganz ruhig an einen der Armleuchter und verbrannte ihn.

Wüthend sprang Vanni auf.

»Was machen Sie da!« rief er.

»Nun, sehen Sie es denn nicht? Ich verbrenne diesen Brief. – Briefe, die von Frauen geschrieben worden, muß man stets verbrennen, sonst könnten die armen Wesen ja leicht compromittiert werden.«

»Soldaten!« schrie Vanni.

»Bemüht Euch nicht,« sagte Nicolino, indem er Vanni die Asche des verbrannten Papieres ins Gesicht blies, »es ist geschehen.«

Und dann setzte er sich ruhig wieder auf seinen Schemel.

»Es ist gut,« sagte Vanni. »Wer zuletzt lacht, lacht am besten.«

»Ich habe weder zuerst noch zuletzt gelacht, Herr Marquis,« entgegnete Nicolino in stolzem Tone. »Ich rede und handle als ehrlicher Mann, das ist Alles.«

Vanni stieß eine Art Gebrüll aus, aber er war mit seinen Fragen noch nicht zu Ende, denn er schien sich gewaltsam zu fassen, obschon er seine Tabatière in der rechten Hand wüthend schüttelte.

»Sie sind der Neffe von Francesco Caracciolo, nicht wahr?« hob Vanni wieder an.

»Ich habe diese Ehre, Herr Marquis,« antwortete Nicolino, indem er sich verneigte.

»Sehen sie ihn oft?«

»So oft als ich kann.«

»Sie wissen wohl, daß er von schlechten Grundsätzen angesteckt ist?«

»Ich weiß blos, daß er der ehrlichste Mann in Neapel und der treueste Unterthan des Königs ist, selbst Sie nicht ausgenommen, Herr Marquis.«

»Haben Sie gehört, daß er mit den Republikanern zu thun gehabt habe?«

»Ja, in Toulon, wo er sich so rühmlich gegen sie geschlagen, daß er den verschiedenen Treffen, die er ihnen geliefert, seinen Admiralsrang verdankt.«

»Wohlan,« sagte Vanni, als ob er einen plötzlichen Entschluß faßte, »ich sehe schon, daß Sie nicht sprechen wollen.«

»Wie? Sie finden, daß ich nicht genug spreche? Ich spreche ja beinahe ganz allein.«

»Ich meine, daß wir auf gütlichem Wege kein Geständniß von Ihnen erlangen werden.«

»Auf dem Wege der Gewalt aber auch nicht, das sage ich Ihnen im Voraus.«

»Nicolino Caracciolo, Sie wissen nicht, bis wie weit sich meine richterliche Gewalt erstrecken kann.«

»Bis wie weit sich die Tyrannei eines Königs erstrecken kann, weiß ich allerdings nicht.«

»Nicolino Caracciolo, ich erkläre Ihnen hiermit, daß ich mich genöthigt sehen werde, die Tortur gegen Sie in Anwendung zu bringen.«

»Thun Sie das, Herr Marquis, thun Sie das. Es wird dann jedenfalls die Zeit vertreiben helfen. Man langweilt sich im Gefängniß ohnehin so sehr.«

Und indem Nicolino Caracciolo dies sagte, dehnte er die Arme und gähnte.

»Meister Donato,« rief der Fiscalprocurator aufgebracht, »zeigt dem Angeklagten die Folterkammer.«

Meister Donato zog an einer Schnur und die Vorhänge öffneten sich.

Nicolino sah nun den Henker, seine beiden Gehilfen und die furchtbaren Marterwerkzeuge, von welchen er umgeben war.

»Ah,« rief Nicolino, der sich fest vornahm, vor nichts zurückzubeben. »Das ist eine Sammlung, die sehr interessant zu sein scheint. Kann man sie vielleicht etwas näher betrachten?«

»Sie werden sogleich Gelegenheit haben, sie nur allzu nahe zu betrachten, unglücklicher verstockter Sünder, und sich dann darüber beklagen.«

»Sie irren sich, Herr Marquis,« antwortete Nicolino, indem er ein schönes edles Haupt schüttelte. »Ich beklage mich niemals, ich begnüge mich damit, daß ich verachte.«

»Donato! Donato!« rief der Fiscalprocurator, »ergreift den Angeklagten!«

Das Gitter drehte sich in seinen Angeln, so daß das Verhörzimmer mit der Folterkammer in Verbindung gesetzt ward, und Donato kam auf den Gefangenen zu.

«Ihr seid wohl Fremdenführer?« fragte der junge Mann.

»Ich bin der Henker,« antwortete Meister Donato.

»Herr Marquis von Vanni,« sagte Nicolino, indem er ein wenig bleich ward, aber mit lachendem Munde und ohne einen anderen Beweis von Gemüthsbewegung zu geben, »stellen Sie mich diesem Herrn vor. Den Regeln der englischen Etikette gemäß würde er weder das Recht haben mit mir zu sprechen, noch mich anzurühren, wenn ich ihm nicht vorgestellt werde. Sie wissen, daß wir seit der Einführung der Frau Gesandtin von England bei Hofe unter englischen Gesetzen leben.«

»Auf die Folter! auf die Folter!« heulte Vanni.

»Herr Marquis,« sagte Nicolino, »ich glaube, Sie berauben sich durch Ihre Uebereilung eines großen Vergnügens.«

»Welches?« fragte Vanni keuchend.

»Des Vergnügens, mir selbst den Gebrauch einer jeden dieser sinnreichen Maschinen zu erklären. Wer weiß, ob diese Erklärung nicht hinreicht, das zu besiegen, was Sie meine Verstocktheit nennen.«

»Du hast Recht, obschon dies für Dich ein Mittel ist, die Stunde, welche Du fürchtest, hinauszuschieben.«

»Ist es Ihnen lieber, wenn sofort ans Werk gegangen wird?« sagte Nicolino, indem er Vanni fest anschaute. »Was mich betrifft, so ist es mir ganz gleich.«

Vanni schlug die Augen nieder.

»Nein,« antwortete er, »es soll von mir nicht gesagt werden, daß ich einem Angeklagten, wie strafbarer auch sei, den verlangten Aufschub verweigert habe.«

In der That sah Vanni ein, daß in der Aufzählung, welche er vornehmen sollte, für ihn ein bitterer Genuß und eine düstere Rache liegen würde, weil er dann der physischen Tortur eine vielleicht noch weit schlimmere moralische vorangehen lassen konnte.

»Ah,« rief Nicolino lachend, »ich wußte wohl, daß man durch vernünftige Vorstellungen. Alles von Ihnen verlangen kann. Vor allen Dingen, Herr Fiscalprocurator, wollen wir mit diesem Seil beginnen, welches an einem Flaschenzuge von der Decke herabhängt.«

»Ja, damit wird allerdings der Anfang gemacht.«

»Das nenne ich doch gut getroffen. – Also dieses Seil?«

»Man nennt es die Wippe, mein junger Freund.«

Nicolino verneigte sich.

»Man bindet dem Delinquenten die Hände auf den Rücken, hängt ihm mehr oder weniger schwere Gewichte an die Füße, zieht ihn mittelt dieses Seils bis an die Decke und läßt ihn dann ruckweise bis auf einen Fuß vom Boden wieder herabfallen.«

»Das muß ein untrügliches Mittel sein, die Leute groß zu ziehen. Und,« fuhr Nicolino fort, »diese Art Helm, der dort an der Wand hängt, wie heißt dieser?«

»Dies ist die Cuffia del silenzio, welcher Name sehr bezeichnend ist, denn je mehr Schmerzen man empfindet, desto weniger kann man schreien. Man steckt nämlich den Kopf des Delinquenten in diese eiserne Hülle, welche sich mit Hilfe dieser Schraube, wenn man dieselbe dreht, enger zusammenzieht. Bei der dritten Umdrehung schon treten die Augen aus ihren Höhlen und die Zunge aus dem Munde.«

»Aber mein Gott, was muß da erst bei der sechsten geschehen!« rief Nicolino in demselben spöttischen Ton wie früher. »Und dieser blecherne Sessel mit eisernen Nägeln und einer Art Kohlenbecken darunter, hat dieser auch seinen Nutzen?«

»Sie werden es sehen. Man setzt den Delinquenten nackt darauf, bindet ihn mit den Armen fest an den Sessel und zündet dann in dem Kohlenbecken Feuer an.«

»Das ist aber immer noch nicht so bequem wie der Rost des heiligen Laurentius. Sie können ihn nicht umdrehen. Und diese Keile, dieser Hammer und diese Bretter?«

»Das sind die sogenannten spanischen Stiefel. Man steckt die Beine dessen, an welchem man diese Tortur in Anwendung bringen will, zwischen vier Bretter, bindet diese mit einem Strick zusammen und treibt mittelt dieses Hammers diese Keile zwischen die mittelsten Bretter.«

»Warum treibt man sie nicht sogleich zwischen Röhre und Schienbein? Das wäre ja viel kürzer! – Und dieses von flaschenförmigen Gefäßen umgebene Gestell?«

»Dieses dient zur Anwendung der Wassertortur. Man legt den Delinquenten auf das Gestell, so daß er mit Kopf und Füßen niedriger liegt als mit dem Magen, und füllt ihm dann mittelst eines Trichters fünf bis sechs Kannen Wasser ein.«

»Ich bezweifle, daß die Gesundheiten, welche man in dieser Weise auf Sie trinkt, Herr Marquis, Ihnen viel Glück bringen.«

»Wünschen Sie noch weitere Erklärungen?«

»Nein, ich danke. Es flößt mir dies allzu große Verachtung gegen die Erfinder aller dieser Maschinen, ganz besonders aber gegen Die ein, welche sich derselben bedienen. Ich will weit lieber Angeklagter als Richter, lieber Delinquent als Henker sein.«

»Sie weigern sich also, Geständnisse zu machen?«

»Mehr als je.«

»Bedenken Sie, daß nun nicht mehr Zeit ist, zu scherzen.«

»Mit welcher Tortur beliebt es Ihnen, den Anfang zu machen?«

»Mit der Wippe,« antwortete Vanni, wüthend über diese Kaltblütigkeit. »Henker, zieht diesem Herrn den Rock aus.«

»Ich bitte um Verzeihung. Wenn Sie mir erlauben, so will ich dies selbst thun. Ich bin sehr kitzlig.«

Und mit der größten Ruhe entledigte Nicolino sich seines Rocks, seiner Weste und seines Hemds und enthüllte auf diese Weise einen jugendlichen weißen, vielleicht ein wenig magern, aber vollkommen ebenmäßig geformten Oberkörper.

»Noch einmal frage ich: Wollen Sie gestehen oder nicht?« rief Vanni, indem er verzweifelt seine Tabatière schüttelte.

»Aber,« antwortete Nicolino, gilt das, was ein Edelmann gesagt, nicht ein- für allmal? Freilich, setzte er verächtlich hinzu, »Sie können davon nichts wissen.«

»Bindet ihm die Hände auf den Rücken, rief Vanni; »hängt ihm ein Gewicht von hundert Pfund an jeden Fuß und zieht ihn an die Decke.«

Die Gehilfen des Henkers stürzten sich auf Nicolino, um den Befehl des Fiscalprocurators zu vollziehen.

»Einen Augenblick, einen Augenblick!« rief Meister Donato; »nur behutsam und vorsichtig. Die Sache muß lange dauern. Verrenkt, aber zerbrecht nicht. Die Aristokratie kann dies verlangen.«

Und nachdem er dies gesagt, band er selbst unter Beobachtung der größten Vorsicht und Behutsamkeit, wie er gesagt, dem Angeklagten die Hände auf den Rücken, während die beiden Gehilfen die Gewichte an den Füßen befestigten.

»Du willst also nicht gestehen? Du willst also nicht gestehen?« rief Vanni, indem er sich Nicolino näherte.

»O doch; kommen Sie ein wenig näher,« antwortete Nicolino.

Vanni näherte sich; Nicolino spie ihm ins Gesicht.

»Tod und Teufel!« schrie Vanni; »zieht ihn auf! zieht ihn auf!«

Der Henker und seine Gehilfen schickten sich an, diesem Befehle zu gehorchen, als plötzlich der Commandant Roberto Brandi rasch hereintrat, sich dem Fiscalprocurator näherte und sagte:

»Ein sehr eiliges Billet von dem Fürsten von Castelcicala.«

Vanni ergriff das Billet, indem er die Henker durch einen Wink bedeutete, zu warten, bis er gelesen hätte.

Dann öffnete er das Billet, hatte aber kaum die Augen darauf geworfen, als tödtliche Blässe sein Gesicht überzog.

Er las es zweimal durch und ward noch blässer.

Dann, nachdem er einen Augenblick geschwiegen, fuhr er sich mit dem Tuch über die von Schweiß triefende Stirn.

»Bindet den Delinquenten los, sagte er, »und bringt ihn in sein Gefängniß zurück.«

»Aber was wird aus der Tortur?« fragte Meister Donato.

– »Diese wird vorläufig aufgeschoben,« antwortete Vanni.

Und mit diesen Worten eilte er aus dem Gewölbe hinaus, ohne nur einem Secretär zu befehlen, ihm zu folgen.

»Und Ihr Schatten, Herr Fiscalprocurator,« rief Nicolino ihm nach. »Sie vergessen Ihren Schatten!«

Man band Nicolino los und er legte sein Hemd, eine Weste und einen Ueberrock mit derselben Ruhe wieder an, wie er sie ausgezogen.

»Der Teufel hole das Handwerk!« rief Meister Donato.

»Man ist seiner Sache nie sicher.«

Nicolino schien durch diesen Ausdruck getäuschter Erwartung gerührt zu werden.

»Wie viel verdient Ihr jährlich, mein Freund?« fragte er den Henker.

»Ich habe vierhundert Ducati festen Gehalt, Excellenz, und bekomme für jede Hinrichtung zehn und für jede Tortur vier Ducati. Es sind nun aber schon über drei Jahre her, daß in Folge der Starrköpfigkeit des Tribunals Niemand hingerichtet worden ist, und Sie sehen selbst, in dem Augenblicke, wo ich Sie foltern soll, erhalte ich Contreordre. Ich stünde mich sicherlich weit besser, wenn ich als Henker meine Entlassung gäbe und Sbirre würde, wie mein Freund Pasquale de Simone.«

»Hier, lieber Freund,« sagte Nicolino, indem er drei Goldstücke aus der Tasche nahm; »Ihr dauert mich. Hier sind zwölf Ducati. Es soll Niemand sagen können, daß man Euch umsonst bemüht habe.«

Meister Donato und seine beiden Gehilfen verneigten sich.

Nicolino wendete sich hierauf zu Roberto Brandi, welcher von dem, was vorgegangen war, nichts begriff und sagte:

»Nun, haben Sie nicht gehört, Herr Commandant? Der Herr Fiscalprocurator hat Ihnen befohlen, mich wieder ins Gefängniß zurückzubringen.«

Und nachdem er sich selbst wieder in die Mitte der Soldaten gestellt, welche ihn her escortiert, verließ er den Verhörsaal und kehrte in seinen Kerker zurück.

Der Leser erwartet vielleicht nun die Erklärung der Veränderung, welche in der Physiognomie des Marquis Vanni stattgefunden, als er das Billet des Fürsten von Castelcicala las, und des Befehls, die Tortur auf einen andern Tag zu verschieben, nachdem er gelesen.

Diese Erklärung ist sehr einfach. Wir brauchen zu diesem Zweck dem Leser blos den Inhalt des Billets selbst mitzutheilen.

Derselbe lautete:

»Der König ist vorige Nacht wieder angekommen. Die neapolitanische Armee ist geschlagen. In vierzehn Tagen werden die Franzosen hier sein.

»C.«

Nun hatte der Marquis Vanni bedacht, daß der Augenblick, wo die Franzosen im Begriff stünden, in Neapel einzuziehen, nicht geeignet sei, die Tortur an einem Gefangenen in Anwendung bringen zu lassen, der keines andern Verbrechens angeklagt war, als Anhänger der Franzosen zu sein.

Was Nicolino betraf, der trotz seines Muthes von einer schweren Prüfung bedroht gewesen, so kehrte er in den Kerker Nummer 3 in der zweiten Etage unter dem Zwischenstock, wie er sagte, zurück, ohne zu wissen, welchem glücklichen Zufalle er es zu verdanken hatte, so wohlfeilen Kaufs davongekommen zu sein.