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Kitabı oku: «La San Felice Band 6», sayfa 3

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Drittes Capitel.
Ein Schüler Macchiavellis

Pronio ließ nicht auf sich warten.

Der König und der Cardinal bemerkten, daß die Lectüre des heiligen Buches ihm nichts von jenem ungezwungenen Wesen geraubt, welches sie an ihm bemerkt hatten.

Er trat ein, blieb auf der Schwelle stehen und verneigte sich ehrerbietig erst vor dem König, dann vor dem Cardinal.

»Ich erwarte Euer Majestät Befehle,« sagte er.

»Meine Befehle werden sehr leicht zu befolgen sein, mein lieber Abbé! Ich befehle, daß Sie Alles thun, was Sie mir zu thun versprochen haben.«

»Ich bin bereit, Sire.«

»Verständigen wir uns jetzt.«

Pronio sah den König an. Es war augenscheinlich, daß er diese Worte: »verständigen wir uns jetzt« nicht verstand.

»Ich frage, welches Ihre Bedingungen sind,« sagte der König.

»Meine Bedingungen?«

»Ja.«

»Ich stelle Euer Majestät keine Bedingungen.«

»Ich frage, wenn es Ihnen so lieber ist, welche Vergünstigungen Sie von mir erwarten?«

»Keine anderen, als Euer Majestät dienen zu dürfen, und wenn es sein muß, mein Leben für Sie zu lassen.«

»Das ist Alles?«

»Ja wohl.«

»Sie verlangen kein Erzbisthum, kein Bisthum, nicht einmal die kleinste Abtei?«

»Wenn ich Euer Majestät gut diene, wenn Alles beendet ist, wenn die Franzosen wieder zum Lande hinausgejagt sind, wenn ich Euer Majestät gut gedient habe, dann werden Sie mich belohnen. Habe ich Ihnen schlecht gedient, so lassen Sie mich erschießen.«

»Was sagen Sie zu dieser Sprache, Cardinal?«

»Ich sage, daß dieselbe mich nicht in Erstaunen setzt, Sire.«

»Ich danke Ihnen, Eminenz,« sagte Pronio, indem er sich verneigte.

»Dann,« sagte der König, »handelt es sich ganz einfach darum, Ihnen ein Patent zu geben.«

»Mir eins, Sire, Fra Diavolo eins und Mammone eins.«

»Sind Sie der Bevollmächtigte dieser Beiden?« fragte der König.

»Ich habe sie nicht gesehen, Sire.«

»Und ohne sie gesehen zu haben, stehen Sie für sie?«

»Wie für mich selbst.«

»Schreiben Sie das Patent für den Abbé, Eminentissime.«

Ruffo setzte sich an den Tisch, schrieb einige Zeilen und las dann Folgendes:

»Wir Ferdinand von Bourbon, König beider Sicilien und von Jerusalem, thun hiermit kund und zu wissen:

»Da wir zu der Beredsamkeit, dem Patriotismus und dem kriegerischen Talent des Abbé Pronio volles Vertrauen haben, so ernennen wir ihn hiermit zu unterm Capitän in den Abruzzen, in der Terra di Lavoro und im Nothfalle in allen andern Theilen unseres Königreichs.

»Wir billigen im Voraus Alles, was er zur Vertheidigung des Gebietes unseres Königreichs und zur Verhinderung des Eindringens der Franzosen thun wird, ermächtigen ihn, Patente gleich diesem zu Gunsten der beiden Personen auszufertigen, die er für würdig erachten wird, ihn in dieser edlen Aufgabe zu unterstützen, und versprechen, diese von ihm gewählten beiden Personen als Anführer von Volksmassen anzuerkennen.

»Urkundlich alles dieses haben wir ihm gegenwärtiges Patent ausgestellt.

»So geschehen auf unserem Schlosse Caserta, am 10. September 1798.«

»Ist es so recht?« fragte der König den Abbé, nachdem er das von dem Cardinal aufgesetzte Document von diesem vorlesen gehört.

»Ja, Sire,« entgegnete der Abbé, »nur bemerke ich, daß Euer Majestät nicht die Verantwortlichkeit der Unterzeichnung der Patente für die beiden Capitäne hat auf sich nehmen wollen, welche ich die Ehre hatte, Ihnen zu empfehlen.«

»Nein, aber ich habe Ihnen das Recht zuerkannt, diese Patente auszufertigen. Ich will, daß diese Leute Ihnen dafür verpflichtet seien.«

»Ich danke Euer Majestät, und wenn Sie dieses Patent mit Ihrer Unterschrift und Ihrem Siegel versehen wollen, so habe ich dann weiter nichts zu thun, als Ihnen meinen unterthänigsten Dank auszusprechen und mich zu entfernen, um Ihre Befehle in Ausführung zu bringen.«

Der König ergriff die Feder und unterzeichnete. Dann nahm er das Siegel aus seinem Sekretär und drückte es neben seine Unterschrift.

Der Cardinal näherte sich dem König und sagte ihm leise einige Worte.

»Sie glauben?« fragte der König.

»Es ist dies meine bescheidene Ansicht, Sire.«

Der König wendete sich nach Pronio herum.

»Der Cardinal,« sagte er, »behauptet, daß Sie, Herr Abbé, besser als sonst Jemand –«

»Sire,« unterbrach Pronio, sich verneigend, »ich bitte Euer Majestät um Verzeihung, aber seit fünf Minuten habe ich die Ehre, Capitän der freiwilligen Truppen des Königs zu sein.«

»Entschuldigen Sie, mein lieber Capitän,« sagte der König, lachend. »Ich vergaß es, oder vielmehr ich erinnerte mich dessen, indem ich eine Ecke Ihres Breviers aus Ihrer Tasche hervorragen sah.«

Pronio zog das Buch, welches die Aufmerksamkeit des Königs erregt hatte, aus der Tasche und bot es ihm dar.

Der König schlug die erste Seite auf und las:

»Den Fürst von Macchiavelli.«

»Was ist das?« fragte er, denn er kannte weder das Werk noch den Verfasser desselben.

»Sire,« antwortete Pronio, »es ist das Brevier den Könige.«

»Kennen Sie dieses Buch?« fragte der König den Cardinal.

»Ich weiß es auswendig.«

»Hm!«, sagte der König. »Ich habe niemals etwas Anderes auswendig gewußt als einige Gebete und glaube selbst diese, seitdem San Nicandro sie mich gelehrt, wieder ein wenig vergessen zu haben. Also, ich sagte Ihnen, Capitän, da Sie nun einmal so genannt sein wollen, daß der Cardinal behauptete – es war dies das, was er mir leise in's Ohr sagte – daß Sie besser als irgend Jemand verstehen würden, eine Proclamation an die Bewohner der beiden Provinzen zu entwerfen, in welchen Sie zunächst Ihr Commando auszuüben, haben werden.«

»Seine Eminenz ist ein guter Rathgeber, Sire.«

»Sie sind also einer Meinung?«

»Vollkommen.«

»Dann setzen Sie sich und entwerfen Sie die Proclamation.«

»Soll ich im Namen Eurer Majestät oder in dem meinigen sprechen?«, fragte Pronio.

»Im Namen des Königs, Herr Capitän, im Namen des Königs,« beeilte Ruffo sich zu antworten.

»Jawohl, im Namen des Königs, weil der Cardinal es will,« sagte Ferdinand.

Pronio verneigte sich gegen den König, um ihm für die Erlaubniß zu danken, daß er nicht blos im Namen seines Souveräns schreiben, sondern sich auch in seiner Gegenwart setzen durfte.

Dann schrieb er, ohne sich lange zu besinnen, ohne etwas auszustreichen, und in einem Fluse Folgendes:

»Während ich mich in der Hauptstadt der christlichen Welt befinde und beschäftigt bin, die heilige Kirche wieder herzustellen, drohen die Franzosen, welchen gegenüber ich Alles gethan habe, um den Frieden zu erhalten, in den Abruzzen einzudringen. Trotz der Gefahr, welcher ich mich dabei aussetze, wage ich mich durch ihre Reihen hindurch, um meine bedrohte Hauptstadt zu erreichen. Sobald ich einmal in Neapel bin, werde ich ihnen mit einer zahlreichen Armee entgegenmarschieren, um sie auszurotten. Mittlerweile erwarte ich, daß die Völker zu den Waffen greifen, daß sie der Religion zu Hilfe eilen, daß sie ihren König oder vielmehr ihren Vater vertheidigen, welcher bereit ist, sein Leben zu opfern, um seine Unterthanen, ihre Altäre ihre Güter, die Ehre ihrer Frauen und ihre Freiheit zu wahren. Ein Jeder, der sich nicht unter die Fahne des heiligen Krieges schaart, wird als Verräther am Vaterland betrachtet, und Jeder, der diese Fahnen, nachdem er einmal zu ihnen geschworen, wieder verläßt, als Rebell und als Feind der Kirche und des Staates betrachtet werden.

»Rom, am 7. December 1798.«

Pronio überreichte seine Proclamation dem König, damit er sie lese. Der König gab sie jedoch weiter an den Cardinal und sagte:

»Ich verstehe nicht gut, Eminentissime.«

Ruffo begann nun seinerseits zu lesen.

Pronio, welcher sich um den Ausdruck der Züge des Königs nicht sonderlich gekümmert, beobachtete dagegen die Wirkung, welche das Lesen der Proclamation auf das Gesicht des Cardinals äußerte, mit der größten Aufmerksamkeit.

Zwei- oder dreimal während des Lesens richtete Ruffo seine Augen auf Pronio und jedesmal sah er die Blicke des neuen Capitäns auf die einigen geheftet.

»Ich hatte mich in Ihnen nicht getäuscht, Herr Capitän,« sagte der Cardinal, als er fertig war, zu Pronio. »Sie sind ein gescheiter Mann.«

Dann wendete er sich zu dem König und fuhr fort: »Sire, ich glaube, Niemand in Ihrem ganzen Königreich hätte eine so geschickte Proclamation zu verfassen vermocht, und Eure Majestät können sie dreist unterzeichnen.«

»Das ist also Ihre Meinung, Eminentissime, und Sie haben nichts daran auszusetzen?«

»Ich bitte Eure Majestät auch nicht eine Sylbe daran zu ändern.«

Der König ergriff die Feder.

»Sie sehen es,« sagte er; »ich unterzeichne vertrauensvoll.«

»Ihr Taufname, Herr Capitän?«, fragte Ruffo, während der König unterzeichnete.

»Joseph, Monseigneur.«

»Und nun, Sire, sagte Ruffo, »da Sie einmal die Feder in der Hand haben, so können Sie Ihrer Unterschrift noch die Worte hinzusetzen:

»Der Capitän Joseph Pronio ist beauftragt, für mich und in meinem Namen diese Proclamation zu verbreiten und darauf zu sehen, daß den darin von mir ausgesprochenen Absichten treulich nachgegangen werde.«

»Das kann ich hinzufügen?« fragte der König.

»Ja, das können Sie, Sire.«

Der König schrieb ohne Widerrede die von Ruffo dictierten Worte.

»Es ist geschehen,« sagte er.

»Nun, Sire,« sagte Ruffo, »während der Capitän Pronio uns ein Duplicat von dieser Proclamation fertigen wird – Sie verstehen, Capitän, der König ist mit Ihrer Proclamation so zufrieden, daß er eine Abschrift davon zu haben wünscht – werden Eure Majestät eine Anweisung von zehntausend Ducati an die Ordre des Capitäns unterzeichnen.«

»Monseigneur!« rief Pronio.

»Laffen Sie mich nur machen, Herr Capitän.«

»Zehntausend Ducati! Ei! ei!« rief der König.

»Sire, ich bitte Eure Majestät –«

»Gut, gut,« sagte der König; »auf Corradino?«

»Nein, auf das Haus André Baker & Comp. Es ist dies viel sicherer und geht ganz besonders weit rascher.«

Der König setzte sich, schrieb die Anweisung und unterzeichnete sie.

»Hier ist das Duplicat der Proclamation,« sagte Pronio, indem er dem Cardinal die Abschrift überreichte.

»Jetzt haben wir es blos miteinander zu thun, Herr Capitän,« sagte Ruffo. »Sie sehen das Vertrauen, welches der König auf Sie setzt. Hier ist eine Anweisung auf zehntausend Ducati. Laffen Sie in einer Buchdruckerei von dieser Proclamation so viel tausend Exemplare drucken, als man in vierundzwanzig Stunden liefern kann. Die ersten zehntausend Exemplare werden heute noch in Neapel angeschlagen, wenn es möglich ist, ehe der König dort ankommt. Jetzt ist es Mittag. In anderthalb Stunden können Sie in Neapel und um vier Uhr können die Proclamationen gedruckt sein. Nehmen Sie zehntausend, zwanzigtausend, dreißigtausend davon mit, verbreiten Sie dieselben in Massen und sorgen Sie dafür, daß bis morgen Abend wenigstens zehntausend Exemplare sich in den Händen des Volkes befinden.«

»Und was soll ich mit dem übrigen Gelde machen, Monseigneur?«

»Dafür kaufen Sie Flinten, Pulver und Kugeln.«

Pronio wollte, außer sich vor Freude, sofort davoneilen.

»Wie!« sagte Ruffo »Sie sehen nicht, Capitän?«

»Was denn, Monseigneur?«

»Der König reicht Ihnen eine Hand zum Kusse.«

»O, Sire!« rief Pronio, die Hand des Königs küssend, »an dem Tage, wo ich mich für Eure Majestät tödten lasse, werde ich meine Schuld noch nicht abgetragen haben.«

Und Pronio entfernte sich, in der That bereit, sich für des König tödten zu lassen.

Der König erwartete Pronios Entfernung augenscheinlich mit Ungeduld. Er hatte an diesem großen Auftritt theilgenommen, ohne recht zu wissen, welche Rolle er dabei spielte.

»Wohlan,« sagte der König, als die Thür sich wieder geschlossen hatte, »wahrscheinlich ist abermals Nicandro daran Schuld, aber der Teufel soll mich holen, wenn ich Ihren Enthusiasmus für diese Proclamation begreife, welche kein wahres Wort sagt.«

»Gerade eben weil sie kein wahres Wort sagt und weil weder Eure Majestät noch ich gewagt hätten schreiben, eben deshalb bewundere ich diese Proclamation.«

»Aber dann,« sagte Ferdinand, »erklären wenigstens, damit ich sehe, ob sie meine zehntausend Ducati werth ist.«

»Wenn Eure Majestät sie ihrem Werth nach sollten, so wären Sie gar nicht reich genug, dies zu thun.«

»Eselskopf«, sagte Ferdinand, indem er sich Faust vor die Stirn schlug.

»Wollen Eure Majestät mir beim Durchlesen der Abschrift folgen?«

»Ich folge Ihnen,« sagte der König und gab dem Cardinal die Abschrift der Proclamation. [Wir ändern kein Wort an dem Text dieser Proclamation, vielleicht einem der unverschämtesten historischen Documente, die Welt aufzuweisen hat.]

Ruffo las:

»Während ich mich in der Hauptstadt der christlichen Welt befinde und beschäftigt bin, die heilige Kirche herzustellen, drohen die Franzosen, welchen gegen über ich Alles gethan habe, um den Frieden zu erhalten, Abruzzen einzudringen!«

»Sie wissen, daß ich noch nicht bewundere.«

»Daran thun Sie Unrecht, Sire. Bemerken Tragweite dieser Worte. Sie sind in dem Augenblick wo Sie diese Proclamation schreiben, in Rom. Sie sind aller Ruhe und ohne andere Absicht, als die heilige wieder herzustellen. Sie lassen dort nicht die Freiheitsbäume umhauen, Sie wollen nicht die Consuln hängen lassen, Sie lassen das Volk nicht die Juden verbrennen oder in die Tiber werfen. Sie sind dort ganz in aller Unschuld und blos im Interesse des heiligen Vaters.«

»Ah,« rief der König, welcher allmälig anfing zu begreifen.

»Sie sind, fuhr der Cardinal fort, »nicht dort, um Krieg gegen die Republik zu führen, denn Sie haben ja den Franzosen gegenüber. Alles gethan, um mit ihnen in Frieden zu leben. Wohlan, obschon Sie Alles gethan haben, um mit ihnen in Frieden, das heißt auf freundschaftlichem Fuße zu leben, drohen die Franzosen doch, in die Abruzzen einzudringen.«

»Ah!« rief der König und verstand nun.

»Folglich,« fuhr Ruffo fort, »geht in den Augen Aller, welche dieses Manifest lesen, und die ganze Welt wird es lesen, der Friedensbruch, der Verrath nicht von Ihnen, sondern von den Franzosen aus. Trotz der Drohungen, welche der Gesandte Garat gegen Sie ausgestoßen, vertrauen Sie ihnen wie Bundesgenossen, welche Sie sich um jeden Preis erhalten wollen. Erfüllt von Vertrauen auf die Redlichkeit dieser Bundesgenossen gehen Sie nach Rom, und während Sie in Rom sind, während Sie nichts Arges ahnen, während Sie ganz ruhig und unbesorgt sind, greifen die Franzosen Sie unversehens an und schlagen Mack. Sie werden selbst zugeben, Sire, daß es durchaus nicht zu verwundern ist, wenn ein unversehens angegriffener General geschlagen wird.«

»Ja,« sagte der König, der immer mehr und mehr begriff, »das ist in der That wahr.«

»Eure Majestät fügen hinzu: Trotz der Gefahr, welcher ich mich dabei aussetze, wage ich mich durch ihre Reihen hindurch, um meine bedrohte Hauptstadt zu erreichen. Sobald ich jedoch einmal in Neapel bin, werde ich ihnen mit einer zahlreichen Armee entgegenmarschieren, um sie auszurotten.« – Sehen Sie, Sire, trotz der Gefahr, welcher Sie sich dabei aussetzen, wagen Eure Majestät sich durch die Reihen der Feinde hindurch, um die bedrohte Hauptstadt zu erreichen. Verstehen Sie, Sire? Sie fliehen nicht vor den Franzosen, Sie wagen sich durch ihre Reihen hindurch, Sie fürchten nicht die Gefahr, sondern bieten ihr vielmehr die Spitze. Und warum setzen Sie Ihre geheiligte Person in so verwegener Weise aufs Spiel? Um Ihre Hauptstadt zu erreichen, zu beschützen, zu vertheidigen, um mit einem Worte mit einer zahlreichen Armee dem Feinde entgegen zu marschieren, um die Franzosen auszurotten.«

»Genug!« rief der König, in lautes Gelächter ausbrechend. »Genug, mein lieber Cardinal. Ich habe verstanden. Sie haben Recht, Eminentissime, Dank dieser Proclamation werde ich in den Ruf eines Helden kommen. Wer zum Teufel hätte das geahnt, als ich in einer Herberge zu Albano mit Ascoli die Kleider wechselte. In der That, Sie haben Recht, mein lieber Cardinal, und Ihr Pronio ist ein Mann von Genie. Da sieht man, wie gut es ist, den Macchiavelli studiert zu haben! Sieh da, er hat sein Buch vergessen.«

»O,« sagte Ruffo, »Sie können es behalten, Sire, um es Ihrerseits zu studieren, er hat nichts mehr daraus zu lernen.«

Viertes Capitel.
Worin Michele der Narr zum Capitän ernannt wird und später zum Oberst ernannt zu werden hofft

An demselben Tage, gegen vier oder fünf Uhr Nachmittags, begann eines jener dumpfen drohenden Geräusche, gleich denen, welche den Stürmen und Erdbeben vorangehen, in den alten Stadttheilen von Neapel sich erhebend, allmälig die ganze Stadt zu durchbrausen.

Männer, welche schaarenweise aus der Buchdruckerei des Signor Florio Giordani am Platze Mercatello, den linken Arm mit großen bedruckten Blättern beladen und den rechten mit einem Pinsel und einem Topf voll Kleister bewaffnet, herauskamen, zerstreuten sich nach den verschiedenen Theilen der Stadt und ließen jeder eine Reihe von Anschlägen hinter sich, um welche sich die Neugierigen sammelten und mit Hilfe deren man seine Spur verfolgen konnte, mochte er nun durch die Strada del Infrascato nach dem Romero hinauf oder über den sogenannten Altmarkt nach dem Castell-Capuano hin abgehen, oder endlich über den Largo delle Pigne den Albergo dei Poveri erreichen, oder die Toledostraße ihrer ganzen Länge nach durchwandelnd über den Riesenabhang in Santa Lucia oder über die Brücke und die Riviera di Chiaja in Mergellina herauskommen.

Diese Reihe von Maueranschlägen, welche, indem sie nach allen Punkten der Stadt ausgingen, ein so großes Geräusch verursachten, war die Proclamation des Königs Ferdinand oder vielmehr des Capitäns Pronio, womit dieser, dem Rathe des Cardinals Ruffo gemäß, die Mauern der Hauptstadt beider Sicilien emaillieren ließ, und dieses immer höher steigende, lauter werdende Geräusch, welches sich in allen Stadttheilen erhob, war die Wirkung, welche das Lesen dieser Proclamation auf die Einwohner hervorbrachte.

In der That erfuhren dadurch die Neapolitaner mit einem Schlage die Rückkehr des Königs, welchen sie in Rom, und das Anrücken der Franzosen, welche sie auf dem Rückzuge begriffen glaubten.

In Folge dieses ein wenig verworrenen Berichts über die stattgehabten Ereignisse, wobei aber ebendiese Verwirrung ein Geniestreich war, erschien der König als die einzige Hoffnung des Landes, als der rettende Engel des Königreichs.

Er hatte sich durch die Reihen der Franzosen hindurchgewagt, denn schon hatte sich das Gerücht verbreitet, daß er während der Nacht in Caserta angelangt sei.

Er hatte seine Freiheit aufs Spiel gesetzt, er hatte sein Leben gefährdet, um zu kommen und mit seinen treuen Neapolitanern zu sterben.

König Johann bei Poitiers und Philipp von Valois bei Crecy hatten nicht mehr gethan. Es war unmöglich, eine solche Hingebung zu verrathen und solche Opfer nicht zu belohnen.

Deshalb sah man auch vor jedem dieser Maueranschläge eine dichtgedrängte Gruppe, welche die Proclamation discutirte, commentierte und kritisierte.

Diejenigen Personen unter diesen Gruppen, welche lesen konnten – und die Zahl derselben war nicht groß – erfreuten sich des Uebergewichts, welches ihre Bildung ihnen gab. Sie führten das Wort, und da sie thaten, als ob sie den Inhalt des Gelesenen verstünden, so äußerten sie augenscheinlich einen entschiedenen Einfluß auf diejenigen, welche nicht lesen konnten, sondern ihnen mit starrem Blick, gespitztem Ohr und offenem Munde zuhörten.

Auf dem Altmarkt, wo die Volksbildung noch weniger verbreitet war als überall anderwärts, hatte sich eine ungeheure Gruppe an der Thür des Beccajo gesammelt und in der Mitte derselben, nahe genug an dem Maueranschlag, um diesen lesen zu können, konnte man unsern Freund Michele den Narren bemerken, welcher, sich der Vorrechte erfreuend, die seine ausgezeichnete Schulbildung ihm verlieh, der erstaunten Menge die in der Proclamation enthaltenen Neuigkeiten mittheilte.

»Aus allem diesem, sagte der Beccajo mit seinem rohen gesunden Menschenverstand und indem er sein scharfes Auge, das einzige, welches die furchtbare Wunde, die er von Salvatos Hand in Mergellina erhalten, ihm gelassen, »aus allem diesem ist mir blos so viel klar, daß diese Schufte von Republikanern, welche die Hölle verschlingen möge, dem General Mack tüchtig das Fell gegerbt haben.«

»Davon sehe ich in der ganzen Proclamation kein Wort,« antwortete Michele. »Indessen muß ich sagen, daß es mir selbst wahrscheinlich ist. Wir unterrichteten Leute nennen dies zwischen den Zeilen lesen.«

»Zwischen den Zeilen oder auf den Zeilen,« sagte der Beccajo, »wahr ist und bleibt, daß die Franzosen – und möge der letzte an der Pest sterben – auf Neapel marschieren und vielleicht noch vor Ablauf von vierzehn Tagen hier sein werden.«

»Ja,« sagte Michele, »denn aus der Proclamation ersehe ich, daß sie in die Abruzzen eindringen, was augenscheinlich der Weg nach Neapel ist. Es kommt aber blos auf uns an, daß sie nicht bis nach Neapel gelangen.«

»Und wie soll man sie daran hindern?« fragte der Beccajo.

»Nichts leichter als dies,« sagte Michele.

»Du nimmst zum Beispiel dein großes Messer, Pagliuccella nimmt seine große Flinte, ich nehme meinen großen Säbel, kurz ein Jeder von uns nimmt irgend etwas, und dann marschieren wir gegen sie.«

»Und dann marschieren wir gegen sie,« wiederholte brummend der Beccajo, welcher Micheles Vorschlag ein wenig gewagt fand. »Das ist sehr bald gesagt.«

»Und noch leichter gethan, Freund Beecajo. Es ist dazu blos Eins nöthig. Freilich findet sich dieses Eine nicht unter dem Fell der Schöpfe, welche Du abschlachtest. Es ist nämlich Muth nöthig. Ich weiß aus guter Quelle, daß die Franzosen nicht mehr als zehntausend Mann zählen. Nun aber sind wir in Neapel sechzigtausend Lazzaroni, alle gesund und kräftig, mit guten Armen, guten Beinen und guten Augen.«

»Guten Augen, guten Augen, wiederholte der Bercajo, welcher in Michele‘s Worten eine Anspielung auf seinen Unfall fand. »Das kommt darauf an.«

»Wohlan, fuhr Michele fort, ohne sich an die Unterbrechung des Beccajo zu kehren, »wir bewaffnen uns jeder mit irgend etwas, wäre es auch nur mit einem Stein und einer Schleuder, wie der Schäferknabe David, und schlagen jeder einen Sechstelfranzosen todt. Dann wird es keine Franzosen mehr geben, denn wir zählen sechzigtausend und wie Franzosen nur zehntausend. Es wird dies ganz besonders Dir, Beccajo, nicht schwer fallen, denn Du sagst ja, Du habest schon allein gegen sechs gekämpft.«

»Ja,« sagte der Beccajo, »jeder, der mir in die Hände fällt –«

»Ja, entgegnete Michele, »nach meiner Meinung dürfen wir aber nicht warten, bis die Franzosen Dir in die Hände fallen, weil dann wir es sein würden, die in die ihrigen fielen. Wir müssen ihnen entgegengehen; wir müssen sie überall bekämpfen, wo wir auf sie stoßen. Es gilt Mann gegen Mann. Ich fürchte Dich nicht, ich fürchte Pagliuccella nicht, ich fürchte Basso Tomeos drei Söhne nicht, welche immer sagen, daß sie mich umbringen wollen, aber es niemals thun. Sechs Männer, welche sich vor einem fürchten, sind Feiglinge.«

»Michele hat Recht, Michele hat Recht!« riefen mehrere Stimmen.

»Nun gut,« sagte Michele, »wenn ich Recht habe, so beweist es mir. Ich verlange nichts Besseres, als mich tödten zu lassen. Diejenigen, welche sich mit mir tödten lassen wollen, mögen es mir sagen.«

»Ich! ich! ich! Wir! wir!« riefen fünfzig Stimmen.

»Willst Du unser Anführer sein, Michele?«

»Jawohl,« sagte Michele, »ich verlange nichts Besseres.«

»Es lebe Michele! Es lebe Michele! Es lebe unser Hauptmann!« riefen eine große Anzahl von Stimmen.

»Schön! Da bin ich schon Capitän,« sagte Michele. »Wie es scheint, beginnt Nannos Prophezeiung in Erfüllung zu gehen. Pagliuccella, willst Du mein Lieutenant sein?«

»O, sehr gern, sagte der, an welchen Michele's Frage gerichtet war; »Du bist ein guter Junge, obschon Du auf das, was Du weißt, ein wenig stolz bist. Indessen da man doch immer einen Anführer haben muß, so ist es besser, wenn dieser Anführer lesen, schreiben und rechnen kann, als wenn er von diesem allem nichts versteht.«

»Wohlan,« fuhr Michele fort, »diejenigen, welche mich zu ihrem Anführer wollen, mögen mich mit den Waffen, die sie sich verschaffen können, in der Strada Carbonara erwarten. Ich für meine Person will meinen Säbel holen.«

Es folgte nun eine große Bewegung unter der Menge. Etwa hundert Mann, welche bereit waren, Michele den Narren als ihren Anführer anzuerkennen, verließen die Gruppe und begannen die vorgeschriebene Waffe zu suchen, ohne welche Niemand in die Mannschaft des Capitäns Michele aufgenommen ward.

An dem andern Ende der Stadt, zwischen der Toledostraße und dem Vomero, auf der Höhe der Infrascata, am Fuße der Salita dei Capuccini geschah mittlerweile auch etwas.

Fra Pacifico hatte, als er mit seinem Freund Giacobino von seiner Bettelrunde zurückkehrte, eine Menge Leute gesehen, welche, den linken Arm voll Anschlagzettel, diese überall an den Mauern, wo sie einen passenden Platz fanden, so anklebten, daß das Lesen möglich war.

Der Bruder Bettelmönch näherte sich mit andern Neugierigen einem dieser Anschlagzettel, entzifferte denselben nicht ohne Mühe, denn er war lange noch kein so großer Gelehrter wie Michele.

Indessen er entzifferte den Inhalt und bei den unerwarteten Nachrichten, die er dadurch erfuhr, erwachte, wie man sich denken kann, ein kriegerisches Feuer mehr als je, als er sah, daß die ihm so verhaßten Jakobiner im Begriff standen, die Grenze des Königreiches zu überschreiten.

Wüthend schlug er mit seinem Knüppel auf den Boden, verlangte das Wort, stieg auf einen Eckstein und setzte, während er seinen Esel am Stricke hielt, unter tiefem Schweigen des ungeheuren Zuhörerkreises, welchen eine Popularität um ihn versammelt, auseinander, was die Franzosen eigentlich seien.

Nun aber waren nach Fra Pacificos Erklärung die Franzosen samt und sonders Gotteslästerer, Tempelschänder, Räuber, Frauenschänder, Kindesmörder und Gottesläugner, die an kein Wunder glaubten. Er versicherte, daß sie weiter nichts seien als Bastarde des Teufels, und führte als Beweis hierfür an, daß alle Franzosen, die er gesehen, auf irgend einem Punkte ihres Körpers die Spur von einer Klaue trügen, ein sicheres Kennzeichen, daß sie alle bestimmt seien, in die des Satans zu fallen.

Deshalb sei es nothwendig, sie durch alle möglichen Mittel zu verhindern, nach Neapel zu gelangen, oder Neapel würde bis auf das letzte Haus niedergebrannt, von der Oberfläche der Erde verschwinden, als ob es von der Asche Pompejis oder von der Lava Herculanums bedeckt wäre.

Fra Pacificos Rede, ganz besonders der Schluß derselben, machte auf seine Zuhörer den gewaltigsten Eindruck. Ein lautes, enthusiastisches Geschrei erhob sich und zwei oder drei Stimmen fragten, ob in dem Falle, daß das neapolitanische Volk sich gegen die Franzosen erhöbe, Frau Pacifico in eigener Person mit gegenden Feind marschieren würde.

Fra Pacifico antwortete hierauf, daß nicht blos er, sondern auch ein Esel Giacobino im Dienste der Sache des Königs und des Altars stünden und daß er sich anheischig mache, auf diesem bescheidenen Streitroß Alle, welche mit ihm kämpfen wollten, zum Siege zu führen.

»Wir sind bereit! Wir sind bereit!« erscholl es nun von allen Seiten.

Fra Pacifico verlangte blos fünf Minuten Zeit, ging rasch die Salita dei Capuccini hinauf, um die Ladung eines Esels an die Küche des Klosters abzuliefern, und erschien in der That fünf Minuten später wieder, aber diesmal auf seinem Esel reitend, um im Galopp wieder seinen Platz in der Mitte des von ihm auserwählten Kreises einzunehmen.

Es war jetzt ziemlich sechs Uhr Abends und Neapel befand sich, ohne daß Ferdinand das Mindeste davon ahnte, in dem von uns geschilderten Zustand von Aufregung und Erbitterung, als er mit gesenktem Haupte und sich fragend, welcher Empfang in seiner Hauptstadt ihn erwarte, zu der Porta Capuana hereinfuhr, wobei er, um sich nicht der Unbeliebtheit theilhaftig zu machen, welche auf der Königin und ihrer Günstlingin lastete, Sorge trug, sich in dem Augenblick, wo man die Stadt betrat, von ihnen zu trennen und ihnen als fernerweit zu verfolgenden Weg das Thor del Camino, die Marinella, die Via del Piliero und den Largo del Castello vorschrieb, während er selbst die Strada Carbonara, die Strada Foria, den Largo delle Pigne und die Toledostraße verfolgen wollte.

Die beiden königlichen Wagen trennten sich demzufolge an der Porta Capuana. Die Königin erreichte mit Lady Hamilton, Sir William und Nelson den königlichen Palast auf dem eben angegebenen Wege, und der König fuhr mit dem Herzog von Ascoli, einem getreuen Achates, direct durch die in so vielen Beziehungen berühmte und berüchtigte Porta Capuana.

Man wird sich erinnern, daß gerade der Porta Capuana gegenüber, auf dem Platze, welcher sich vom Fuße der Stufen der Kirche San Giovanni nach Carbonara erstreckt, auf demselben Platze, wo sechzig Jahre später Agefilas Milano hingerichtet ward, es war, wo Michele zufällig und weil dieser Platz der Mittelpunkt der populären Stadttheile ist, seine Leute aufgefordert hatte, sich einzufinden.

Dieser Trupp hatte sich unterwegs beinahe verdoppelt, weil jeder die Freunde, denen er begegnete, mit sich fortzog, so daß in dem Augenblick, wo der König erschien, um diesen Platz zu passiren, mehr als zweihundert und fünfzig Menschen darauf versammelt waren.

Der König wußte recht wohl, daß er in der Mitte seiner Lazzaroni niemals etwas zu fürchten hätte. Er erstaunte daher, ohne zu erschrecken, als er mitten unter dieser zahlreichen Menge und beim Scheine der von hundert zu hundert Schritten brennenden seltenen Laternen und der zahlreicheren, vor Madonnenbildern brennenden Wachskerzen Säbel und Musketenläufe blitzen sah.

Er neigte sich demzufolge aus dem Wagen, berührte den, welcher ihm der Anführer des Trupps zu sein schien, an der Schulter und fragte ihn im neapolitanischen Patois:

»Lieber Freund, kannst Du mir vielleicht sagen, was hier vorgeht?«

Der Mann drehte sich herum und sah sich unmittelbar dem König gegenüber.

Dieser Mann war Michele.

»Ha!«, rief er, außer sich vor Freude, den König zu sehen und vor Stolz, von ihm berührt worden zu sein, »ha, Seine Majestät! Seine Majestät der König Ferdinand! Es lebe der König! Es lebe unser Vater! Es lebe der Retter Neapels!«

Und der ganze Trupp schrie wie aus einer einzigen Kehle:

»Es lebe der König! Es lebe unser Vater! Es lebe der Retter Neapels!«

Wenn der König erwartet hatte, bei seiner Rückkehr in seiner Hauptstadt durch irgend einen Ruf begrüßt zu werden, so war es sicher nicht dieser.