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Kitabı oku: «Liebesdramen», sayfa 13

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»Gut, das ist mir sehr erwünscht. Ja, ich will lieber sterben, als mich von ihr entfernen!« erwiederte Fontanieu in leidenschaftlicher Aufwallung.

Emma und Susanne gaben sich alle Mühe, ihn zu beruhigen. Der Chevalier nahm ihn beim Arm und führte ihn auf die Seite.

»Mein Gott,« sagte der alte Kauz, »es ist nicht genug, galant zu sein und Liebesabenteuer zu haben, man muß auch ein Ehrenmann dabei bleiben. Ich habe oft gar viel gewagt, und ich gestehe, daß es Ihrem ergebenen Diener nicht immer zum größten Ruhme gereichte und der öffentlichen Moral nicht immer förderlich war. Ich habe viele Frauen verführt; aber ventrebleu! nie habe ich eine ins Unglück gestürzt, nie eine auf dem Luxus in bittere Noth geschleudert – und das wollen Sie thun.«

»Ich – Emma ins Unglück stürzen!«

»Allerdings, ins Unglück stürzen! Sehen Sie denn nicht ein, daß dieses Abenteuer, das ich mir noch nicht zu erklären weiß, den Wünschen des Marquis ganz entspricht? Er will das Vermögen in seine Hände bekommen, und dazu wollen Sie ihm verhelfen.«

»Zuvor werde ich ihn niederstoßen.«

»Das hätten Sie thun sollen, als er vor Ihrer Degenspitze stand. Jetzt ist’s zu spät. Glauben Sie, daß wir gezögert hätten, wenn uns Jemand im Wege war? Leben um Leben, ventrebleu! – Aber, wie gesagt, mein junger Freund, es ist nicht mehr Zeit; er hat ein anderes Feld gewählt, und da muß er bekämpft und besiegt werden – und Sie können es.«

»Wie?«

»Sie müssen die Marquise abreisen lassen. In Paris findet sie zehn, zwanzig, hundert Advocaten, die bereit sind, sie weiß zu waschen und dem Marquis die Tintenflasche ins Gesicht zu schütten. Gegen ihn sind zwanzig erschwerende Beweise beizubringen. Was kann man aber gegen die Marquise sagen, wenn sie von Ihnen getrennt ist, wenn Sie hier bleiben? Nichts als ein boshaftes Geschwätz, welches durch das Vorleben der Marquise widerlegt wird. Das Zeugniß seiner vormaligen Maitresse kann er nicht geltend machen, er würde sich selbst dadurch schaden. Kurz, die Marquise muß den Prozeß gewinnen.«

»Aber ich – was soll unterdessen aus mir werden? Wenn sie mich vergißt —«

»Was fällt Ihnen ein? Die Bedenklichkeiten, welche sie hat, werden es nicht zugeben. Sie muß doch Zeit haben, sie zu bekämpfen. Sie werden in diesen Scrupeln eine Bresche finden, wenn Ihnen der Gewinn des Prozesses freien Zutritt gestattet. Bedenklichkeiten können den Sieg nur verzögern, nie vereiteln. – Die Sache wird dadurch erst recht pikant,« setzte der Chevalier mit einem Seufzer hinzu. »Thun Sie, was ich Ihnen sage, und zeigen Sie sich als Mann. Morbleu!«

Dann wandte er sich wieder zu der Marquise und sagte:

»Unser Freund ist vernünftig geworden. Wir haben uns nur zu entfernen.

Louis von Fontanieu antwortete nicht; er schlug die Augen nieder. Er war mehr besiegt als überzeugt Emma schien eben so niedergeschlagen wie er; sie gab sich gar nicht die Mühe, dem Chevalier von Montglas ihren Schmerz zu verbergen.

Man ging endlich fort. Der Chevalier führte Emma auf der einen Seite, Fontanieu auf der andern. Die beiden jungen Leute konnten nicht so ungehindert mit einander sprechen, wie sie ohne die Anwesenheit des Chevaliers gethan haben würden. Dieser erklärte der Marquise, was sie zu thun habe, um aus der Verlegenheit, in welche sie sich durch ihre Unbesonnenheit gestürzt, mit Ehren herauszukommen. Emma konnte dein Geliebten nur durch einen Druck des Armes zu verstehen geben, was sie so gern laut gesagt hätte: Ich liebe Dich!

Von Zeit zu Zeit antwortete sie wohl dem Chevalier, aber nur um ihm ihren Freund mit einer Dringlichkeit zu empfehlen, welche bewies, wie wehe ihr diese Trennung that.

Eine Viertelstunde von der Stadt, auf einer Anhöhe, wurde Halt gemacht. Susanne trat nun auf Louis von Fontanieu zu; sie fürchtete, er werde beim Abschiede nicht an sie denken und wollte im Voraus seinen Scheidegruß empfangen. Sie legte ihm noch einmal dringend ans Herz, ihre Emma, die ihm so viel geopfert, nicht zu vergessen. Angesichts des Kummers, den sie ihrer jungen Herrin durch ihre geheimen Umtriebe bereitet hatte, fühlte Susanne bereits einige Gewissensbisse, welche sich durch Besorgnisse kundgaben; sie fühlte das Bedürfniß, beruhigende Versicherungen zu hören. Der Schmerz Fontanieu’s beruhigte sie auch wirklich.

Endlich hörte man wie fernen Donner das Rollen des Postwagens auf dem Pflaster der Landstraße. Dieses Geräusch machte auf Fontanieu etwa denselben Eindruck, den das Erscheinen des Karrens auf einen zum Tode Verurtheilten macht.

Er wünschte, der Postwagen möge, ehe er zu ihnen käme, von der Erde verschlungen werden.

Sie bemerkten endlich die brennende Lampe, welche ans der in der Dunkelheit nicht sichtbaren schwarzen Wagendecke wie ein Irrlicht schwankte.

Der Chevalier von Montglas hatte absichtlich die Anhöhe gewählt, wo die Pferde langsam gehen müssen. Er rief dem Schaffner. Es waren zwei Plätze frei.

Die letzte Hoffnung Fontanieu’s schwand.

Die beiden Liebenden sanken einander noch einmal in die Arme. Die Marquise war so tief ergriffen, daß sie halb ohnmächtig in den Wagen gehoben wurde, Susanne war schon vor ihr eingestiegen.

Louis von Fontanieu setzte sich, trotz dem Zureden seines Begleiters, auf einen Steinhaufen und schaute dem Postwagen nach und lauschte, bis das Rollen der Räder und das Klingeln der Schellen in der Ferne verhallte.

Es war ihm, als ob die fünf Pferde des Eilwagens seine Seele fortzogen.

Sechstes Capitel.
Wo Louis von Fontanieu vergißt, daß die Zukunft dem gehört, der warten kann

Der Chevalier von Montglas suchte Louis von Fontanieu anfangs durch Vorwürfe, dann durch Späße und endlich durch die erfreulichsten Aussichten zu einiger Thatkraft anszustacheln.

Aber ungeachtet aller Bemühungen seines alten Freundes blieb Fontanieu in trüber, verzweifelnder Stimmung. Er schien gar nicht zu hören, was ihm der Chevalier sagte; er öffnete den Mund nur, um dem Letzteren zu erklären, daß er nicht mit zu dem Lohnkutscher gehen werde.

Montglas behauptete nemlich, es sei Fontanieu’s Pflicht, den Marquis von Escoman, der schon drei Stunden auf seinem Posten gestanden, abzulösen. Er versprach sich so viel Unterhaltung von diesem Spaß, daß er nur ungern darauf verzichtete.

Fontanieu war in seiner Stimmung für den Trost, welchen ihm der Chevalier bot, nicht sehr empfänglich. Montglas konnte einen solchen Schmerz, den er nie gefühlt, gar nicht begreifen. So hatte er nie geliebt. Amor hatte sich immer nur mit vollen rothen Wangen, mit Blumen und Bändern geschmückt, bei ihm eingefunden. Er schien sich die Liebesgötter, welche die Maler des achtzehnten Jahrhunderts über allen Thüren und Caminen dargestellt, zum Muster genommen zu haben – jene lustigen, flatterhaften, schäkernden Liebesgötter, die keine anderen Thränen kennen, als die Thautropfen an den Blumen, deren zarte Finger sich nie an einem Rosenstengel blutig geritzt haben und die mit dem größten Gleichmuth ihre Pfeile aus dem Köcher nehmen.

Der Chevalier von Montglas konnte den Schmerz seines jungen Freundes nicht begreifen.

»Warum weinen Sie denn?« sagte er; »ich an Ihrer Stelle würde Luftsprünge machen, so hoch wie der Kirchthurm!« – Der Chevalier begleitete diese Worte mit einem Kreuzsprunge, der aber auf dem feuchten Steinpflaster nicht zu seiner Zufriedenheit gelang und daher einige Male wiederholt wurde. – »Wie! die schönste, über jede Lästerung erhabene junge Dame der Stadt schenkt Ihnen ihre Zuneigung – was sage ich! vernarrt sich in Sie, und Sie machen ein wahres Leichenbittergesicht! Was würden Sie erst sagen, wenn sie ihren Lakeien befohlen hatte, Sie zur Thür hinauszuwerfen? – Alles zu seiner Zeit, Freundchen. Behalten Sie Ihre Seufzer, um sie zu den Füßen Ihrer Angebeteten auszuhauchen. So lange Sie fern von ihr sind, müssen Sie vergnügt sein, Sie haben viele Gründe dazu. Sie wollten nicht, daß wir dem Marquis einen kleinen Besuch machen; er muß sich schrecklich langweilen zwischen den Heubündeln und seinen Begleitern, die mir ganz so aussehen, als ob sie Heu fressen. Es wäre indeß eine sehr hübsche Unterhaltung und für Sie eine Zerstreuung gewesen. – Ich darf Sie Ihrer kopfhängerischen Laune nicht überlassen; ich habe es unserer liebenswürdigen Marquise versprochen, und Sie müssen mir’s bezeugen, wenn Sie sie wiedersehen, daß der alte närrische Montglas Wort gehalten. Ich will Ihnen einen andern Vorschlag machen: wir wollen bei der vortrefflichen Frau Bertrand anläuten. Der Mann wird wohl ein bischen murren; aber wenn er Lärm macht, stecken wir ihn in seinen Kochtopf. Seine schönere Hälfte wird sich freuen mich zu sehen. Die Nacht bei einem lustigen Kumpan, einer hübschen Frau und einem halben Dutzend Flaschen Champagner beschließen – morbleu! das könnte mich über das Ende der Welt trösten.«

Der Chevalier sah seinen Begleiter fragend an, und als er sah, daß dieser Vorschlag keinen Eindruck aus Fontanieu machte, setzte er hinzu:

»Sie verschmähen wohl die hübsche Wirthin? Man kann ja nicht ausschließlich mit Engeln zu thun haben. Soll ich einem Herzensdiebe, wie Sie sind, etwa die verborgenen Reize der Schönen schildern, die mir nicht ganz abhold ist? Sie müssen nicht glauben, lieber junger Freund, daß ich mich so einfältig benehmen würde wie Escoman. Nein,« setzte der alte Chevalier halb geckenhaft, halb gutmüthig hinzu, »wenn es Sie trösten kann, so verspreche ich Ihnen, daß ich ein Auge zudrücken werde. Mordieu! was kann man mehr thun für einen Freund?«

Louis von Fontanieu konnte den Chevalier nur mit einiger Mühe überreden, ans dieses letztere Mittel zu verzichten, dessen Heilkraft dem alten Roué weit wirksamer zu sein schien, als die erstere Zerstreuung, die er ihm vorgeschlagen hatte. Noch größere Schwierigkeiten fand er, als er dem Chevalier begreiflich machen wollte, daß er nur in der Einsamkeit und Ruhe wieder einige Fassung bekommen könne.

Endlich ließ Montglas seinen Begleiter nach Hause gehen; er gab ihm noch einige weise Lehren mit aus den Weg.

Das Gespräch mit dem Chevalier war eine wahre Qual für Fontanieu gewesen. In seinem gereizten Gemüthszustande dachte er nicht an den großen Dienst, den ihm der alte Edelmann erwiesen; die skeptischen Trostgründe des letzteren hatten die Schmerzen seiner Wunde nur noch vermehrt. Er freute sich daher, als er ihn fortgehen sah; einige Augenblicke vorher hätte er zehn Jahre von seinem Leben geopfert, um ungestört an Emma denken zu können.

Er trat in seine Wohnung. Die Thränen, welche er in Gesellschaft des Chevaliers zurückgehalten hatte, stürzten nun unaufhaltsam hervor, als ob ihn die Marquise erst eben verlassen hätte.

Nach und nach berauschte er sich gleichsam an seinem Schmerz, der fast in Wahnsinn ausartete. Er raufte sich die Haare aus und zerriß seine Kleider und rief den Namen seiner Theuren, die für ihn todt zu sein schien.

Er sah sich nach einem Gegenstande um, der ihn an sie erinnere. Endlich dachte er an die kleine Geldbörse, die sie ihm gegeben hatte und die er immer noch auf der Brust trug.

Er zog sie hervor und bedeckte sie mit Küssen. Dabei nannte er wiederholt den Namen der Abwesenden. Es machte ihm eine gewisse Freude, sich selbst zu hören; die Buchstaben, aus denen der Name bestand, schienen mit anderen Buchstaben keine Aehnlichkeit zu haben.

Endlich hatte er nur einen Gedanken: das Wiedersehen. Er steckte alles Geld, das er hatte, in die Taschen und nahm aus einem Schranke ein paar Jagdstiefel, um sie anzuziehen.

Aber bald warf er sie zornig auf den Fußboden. Ein ganzes Drama entwickelte sich plötzlich vor seiner Phantasie. Er sah wie Emma von dem Marquis vor die Gerichtsschranken geschleppt ward, wie sie so bleich war und die Hände rang. Und dieses Elend hatte er verschuldet!

Es begann nun ein Kampf zwischen seinem Schmerz und seinem Gewissen.

Der Schmerz stachelte sich immer mehr und mehr auf; er wühlte absichtlich in seinen Wunden, um sie noch schrecklicher zu machen, wie der Bettler, der das Mitleid der Vor- übergehenden erregen will. Der Schmerz geberdete sich gar unbändig und wünschte sich den Tod, als das einzige Heil- mittel und als letzten Trost das Wiedersehen.

Das Gewissen protestirte; wie Montglas gethan hatte, warf es ihm Feigheit vor. Aber dieser Vorwurf ward in dem Lärm, den der Gegner machte, nicht gehört. Das Gewissen mußte endlich schweigen.

Fontanieu athmete tief auf, nach Art Derer, die sich entschließen, eine schlechte Handlung zu begehen; er hatte alle seine guten Regungen geknebelt, um ihr zustimmendes Stillschweigen zu benutzen.

Es fehlte natürlich nicht an Scheingründen und Vorwänden, durch welche man eine Handlung zu beschönigen pflegt.

Wer hatte gesagt, daß der Marquis von Escoman die Fehltritte seiner Frau zu seinem Vortheile zu betrüben suchte? Der Chevalier von Montglas. Aber der Chevalier war immer ein Gegner dieser Liebe gewesen Warum? Wahrscheinlich in Folge einer geheimen Eifersucht, die er nicht zu verbergen vermochte. Von dem Marquis war so etwas nicht zu vermuthen. Er war zu leichtfertig für solche Tücke. Er hatte von den Nachforschungen über seinen eigenen Wandel zu viel zu fürchten, als daß er es auf eine Gerichtsverhandlung ankommen lassen würde. Ueberdies war das Geschehene nicht mehr zu ändern. Und die Scheidung war nur ein scheinbares Linderungsmittel. Wenn er heute nicht abreiste, würde es ihm morgen noch möglich sein? Das Abenteuer hatte so großes Aufsehen gemacht, daß ihn der Unterpräfect schwerlich bei sich behalten würde: wozu hätten dann alle Leiden genützt? Und würde nicht der Gram die Gesundheit der Marquise völlig untergraben?

Diese Gedanken bewirkten eine Ueberreizung, gegen welche alle Vernunftgründe nichts vermochten. Er glaubte Emma zu sehen, wie sie die Arme nach ihm ausstreckte; er glaubte ihre flehende Stimme zu hören, die ihm zurief: Komm, ich erwarte Dich, zögere nicht länger. Du bist ja, wie ich, ein Opfer menschlicher Bosheit!

Er glaubte ihren heißen Athem an seinem Gesicht zu fühlen. Er kleidete sich hastig an, verließ seine Wohnung und lief zur Stadt hinaus, auf die Landstraße, als ob es ihm möglich gewesen wäre, den Postwagen, in welchem die Marquise abgereist war, noch einzuholen.

Die Morgenröthe färbte eben den östlichen Horizont, als Louis von Fontanieu an den Ort kam, wo er Abends vorher von Emma Abschied genommen hatte.

Er wandte sich nach der Stadt um; sie war noch ganz in Nebel gehüllt; nur die hohen Martern des Schlosses Montmorency, welches die Stadt beherrscht, wurden von dem erster Morgenstrahle erreicht.

Fontanieu zögerte noch, als er diese Häusemasse überblickte, deren Bewohner nun bald erwachen sollten, um Emma anzuschwärzen.

In diesem Augenblicke bemerkte er etwas Weißes auf dem Grase neben der Landstraße; es war Emma’s Schnupftuch. Es war noch mehr von ihren Thränen, als von dem Morgenthaue feucht.

Dieser Fund schien ihm eine seinem Vorhaben günstige Vorbedeutung zu haben. Dieser Zeuge ihres Schmerzes vertrieb alle seine Bedenklichkeiten, er ging weiter, ohne sich umzusehen.

So wanderte er bis Mittag, ohne die mindeste Nahrung zu nehmen. Er war an lange Wanderungen nicht gewöhnt. Die siebenstündige Anstrengung hatte seine Kräfte erschöpft, seine wunden Füße mochten ihn nicht mehr tragen. Nun erst bedachte er, daß es unmöglich sei, zu Fuß weiter zu kommen. Er bedauerte, daß er nicht zu dem gewöhnlichen Fortschaffungsmittel eines Postwagens oder sonstigen Fuhrwerks seine Zuflucht genommen.

Er setzte sich auf den Chausséegraben und wartete wohl eine Stunde auf einen Wagen. Aber bald verlor er die Geduld. Seine wunden Füße konnten ihn nicht hindern zu reiten. Er schleppte sich bis zur nächsten Poststation, bestieg einen Klepper und hieb so unbarmherzig auf denselben los, daß der ihn begleitende alte Postillon murrte.

Wenn er immer so schnell ritt, konnte er Abends in Paris sein.

Es war zwischen dem Chevalier von Montglas und der Marquise verabredet worden, daß sie in dem Kloster der Rue de Grenelle eine Zuflucht suchen sollte.

Die Gitterthore dieser Anstalten thun sich nur zu bestimmten Stunden für Fremde auf. Fontanieu wußte wohl, daß seine Eile vergebens war, aber es war schon ein Glück für ihn, in Emma’s Nähe zu sein, und er trieb sein Pferd von neuem an.

Um sieben Uhr war er zu Lonjumeau. Während er den Stallknecht, der sein Pferd sattelte, zur Eile antrieb, hörte er auf der Landstraße das Rasseln eines Wagens, der hinter ihm her gefahren war, und die Peitsche des Postillons.

Er trat instinctmäßig hinter einen Trog, der zum Tränken der Pferde diente, und bückte sich.

Der Wagen hielt an. Fontanieu schaute aus seinem Versteck hervor, und in dem Lichte der beiden Wagenlaternen erkannte er in dem Reisenden den Marquis von Escoman.

Der Marquis schien so sorglos, wie gewöhnlich; er tauchte ganz behaglich eine Cigarre und schäkerte mit dem Mädchen, das ihm ein Glas Wasser brachte. Die Abreise der Marquise schien eben keinen unangenehmen Eindruck auf ihn gemacht zu haben; aber es war nicht zu bezweifeln, daß er ihr nachreise.

Im ersten Augenblicke verwünschte Fontanieu seine Zerstreuung, welche ihn gehindert hatte, sieben Stunden früher mit Extrapost abzureisen. Er wäre dann bereits in Paris und hätte Emma früher eingeholt als der Marquis. Und was war jetzt zu erwarten? Er mochte gar nicht daran denken.

Aber bald begann sein durch die Ermüdung herabgestimmter Geist ruhiger zu überlegen; die Folgen dieses Zufalls erschienen ihm minder bedenklich.

Der Chevalier von Montglas hatte also die Wahrheit gesagt. Der Marquis war entschlossen, die Sache nicht so leicht zu nehmen, wie sich Fontanieu hatte einreden wollen. Er fing an einzusehen, daß dieses Zusammentreffen einen Entschluß ändern könne, dessen Folgen sein Gewissen schwer belastet haben würden, und daß ihm der Zufall im Grunde günstig sei.

Er besaß keineswegs die Seelenstärke, sich ohne Klagen in das Unvermeidliche zu fügen; aber er fügte sich doch, und als der Marquis nach einem kurzen Gespräche mit dem Postmeister weiter fuhr, kam Fontanieu aus seinem Verstecke hervor, erklärte dem Postillon, er sei zu ermüdet und werde erst am andern Morgen seine Reise fortsetzen.

Zugleich bestellte er ein Bett. Damals war der Postmeister in Lonjumeau zugleich Gastwirth.

Die Hausmagd, der sein verstörtes Gesicht auffiel, fragte ihn, ob er zu Bette gehen wolle, ohne zu essen.

Mit zwanzig Jahren verliert die Natur nicht leicht ihre Rechte. Louis von Fontanieu hatte seit mehr als vierundzwanzig Stunden nichts gegessen, und sein übervolles Herz hinderte ihn nicht, von Zeit zu Zeit die Leere seines Magens zu fühlen.

Er bestellte ein Abendessen.

Die Magd führte ihn durch eine räucherige Küche in ein Speisezimmer und deckte für ihn den Tisch.

Die ersten Bissen, welche er in den Mund steckte, schienen den Weg durch die Kehle nicht finden zu können; aber allmälig verging diese nervöse Zusammenziehung.Er aß nicht viel, aber mit dem Landweine, den man ihm vorsetzte, löschte er sich reichlich seinen brennenden Durst.

Seine überreizten Nerven konnten dem Weindunste nicht widerstehen. Noch ehe er seine Mahlzeit beendet hatte, ward er ganz betäubt; die anmuthige Gestalt der Geliebten schwebte seinem umnebelten Geiste wohl noch vor, aber er vermochte sie nicht mehr festzuhalten. Er stützte sich mit dem Ellbogen auf den Tisch und versank in jene unbezwingbare Schlaftrunkenheit, welche großen Strapazen folgt.

Die Hausmagd, welche sich für den melancholischen jungen Mann lebhaft interessirte, ließ ihn ruhig schlummern.

Louis von Fontanieu mochte wohl zwanzig Minuten; geschlafen haben, als eine ältliche Frau, mit einem Lichte in der Hand, durch die Stube ging, um sich in die Küche zu begeben.

Sie selbst schien so befangen, daß sie den verspäteten Gast anfangs nicht beachtete; aber als sie zurückkam, zeigte das Mädchen auf ihn.

Die Fremde war über seinen Anblick so erstaunt, daß sie laut aufschrie und sowohl das Licht als einen Theetopf fallen ließ.

»Herr von Fontanieu!« rief sie.

»Susanne!« antwortete Fontanieu, der, durch das Gepolter aufgeweckt, die Amme anstarrte.

Er glaubte zu träumen.

Und ohne sich um das Erstaunen des Hausmädchens zu kümmern, setzte Susanne hinzu: »Der Himmel hat Sie hierher geführt. Kommen Sie, kommen Sie!«

Sie faßte Fontanieu beim Arm und zog ihn zu einer in den ersten Stock führenden Treppe.

»Ach, ich glaubte diese Nacht, sie würde in meinen Armen verscheiden,« fuhr sie fort. »Ich wollte nicht zugeben, daß sie weiter reiste, sie wäre im Postwagen gestorben. Es war ein glücklicher Gedanke, den ich hatte. – Kommen Sie, und wenn man Ihnen etwas zu Leide thun will, so nehme ich Sie in Schutz; wenn’s nöthig ist, vertheidige ich Sie mit meinen Nägeln und Zähnen. Ja, ehe man Sie betrübt, muß man es mit der alten Susanne aufnehmen. Cordieu!« setzte sie mit einem Fluche, dem ersten in ihrem Leben, hinzu, »wir wollen doch sehen, ob man mein Kind wider meinen Willen unglücklich machen wird! Ach, wenn sie nur nicht stirbt!«

Bei den letzten Worten hatte Susanne eine Thür geöffnet, und Fontanieu stürzte in das Zimmer.

Die Marquise saß auf dem armseligen Wirthshausbette und hörte mit Besorgniß auf den von draußen kommenden Tumult.

Als sie Fontanieu erscheinen sah, streckte sie die Arme nach ihm aus, aber ihre Gemüthsbewegung war so heftig, daß sie kein Wort sprechen konnte: ihre Kräfte schwanden, und sie sank bewußtlos auf das Bett.

Türler ve etiketler

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Litres'teki yayın tarihi:
30 kasım 2019
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