Kitabı oku: «Liebesdramen», sayfa 19
Viertes Capitel.
Margarethens Morgenstunden
Margarethe Gelis sah in den Morgenstunden immer eine gewählte Gesellschaft bei sich. Nicht Jedermann hatte Zutritt bei ihr. Angesehene Persönlichkeiten mußten diplomatische Künste anwenden, um Gnade zu finden vor dem Bedienten, der vor den prächtigen Salons der Exgrisette den Thürsteher machte.
Nichts ist schwerer für unser Geschlecht, als sich den Titel eines in der eleganten Welt gefeierten Mannes zu erwerben.
Um dieses Ziel zu erreichen, muß man entweder wirkliche Verdienste besitzen, einen berühmten Namen haben, oder sonst durch Stand und Geburt ausgezeichnet sein, – oder man muß es in den Albernheiten, welche man von einem Modemenschen fordert, zu einer gewissen Virtuosität gebracht haben. Diese Albernheiten bilden aber ein so verwickeltes System, daß die meisten derer, welche sich dem Studium desselben widmen, beim Alphabet stehen bleiben, wie die Gelehrten, welche chinesisch lernen.
Anders ist es mit dem schönen Geschlecht. In dieser Beziehung haben die Frauen große Vorrechte. Sie sind alle für die Mode geboren; wenn sie nicht in die Mode kommen, so liegt die Schuld an den Verhältnissen, welche ihren Beruf nicht begünstigt haben.
Um in der Modewelt eine Rolle zu spielen, brauchen die Damen nur möglichst wenig Herz, viel guten Willen, dabei die Freude des Naturmenschen an allem, was glänzt, und ein kindisches Wohlgefallen an Geräusch und Prunk.
Hübsche Augen können nicht schaden, aber es gibt viele Beispiele, daß sie nicht nothwendig sind. Für geistreich gelten so ziemlich alle Schönen; wenn sie es nicht sind, so wissen sie wenigstens geschickt nachzuahmen, und ein Echo ist auch ein Ton.
Als Margarethe in Paris angekommen war, hatte sie ein sehr reicher, bekannter Finanzier eines schönen Morgens in ein prächtiges Hotel in der Rue du Helder eingemiethet. Man hatte die schöne Exgrisette über Nacht wie ein Pilz hervorwachsen sehen. Wer sie genauer in Augenschein genommen, hatte den Neugierigen erklärt, dieser weibliche Glückspilz habe im Stalle ein paar dunkelbraune Pferde, welche früher bei Stephan Drake großes Aussehen gemacht hatten, einen famösen Koch und betreßte Dienerschaft. Die Sache machte Aufsehen. Die Grisette von Châteaudun ward Marschallin im Lager der eleganten Welt, und die Neugierde über ihre Herkunft und ihr Vorleben wurde für ein Zeichen schlechten Geschmacks gehalten.
Die Frauen sind aus sehr weichem Thon gebildet, der in die schärfsten Ecken der Formen dringt. Margarethe war nicht mehr erstaunt über ihren neuen Glanz, als die arme Marquise von Escoman über die schwere Arbeit, zu der sie sich verurtheilt hatte, erschrocken gewesen war. Die Grisette war noch nicht acht Tage in ihrem Hotel gewesen, so schien es ihr, als ob ihre Füße nur auf die prachtvollsten orientalischen Teppiche getreten hätten; so dachte sie nicht mehr an ihre barfüßige Kindheit. Ein feiner Geschmack würde freilich an ihrer Toilette, trotz der Pracht, einige Ausstellungen gemacht haben, und ihre Nebenbuhlerinnen unterzogen sie auch wirklich einer scharfen Kritik; aber sie saß ganz behaglich auf der Geldkiste ihres Gönners, und jene neidischen Gerüchte störten nicht im mindesten ihre Ruhe.
Nur eine Wolke trübte das Glück Margarethens: ihr Haß gegen die Marquise von Escoman. Dieser Haß hatte ihre Liebe zu Fontanieu überlebt.
Unsere Leser werden errathen haben, daß sie ihn gesprochen hatte. Aus der Unruhe, die er nicht ganz zu verbergen vermochte, konnte sie schließen, daß sie jetzt wenigstens auf die Sinne ihres früheren Geliebten jenen Einfluß ausübte, den sie vormals mit der Hälfte ihres Lebens erkauft haben würde. Zu ihrem eigenen Erstaunen blieb sie ganz gelassen bei dieser Entdeckung. Ihr Puls ging nicht schneller, sie erröthete nicht, wie vormals.
Für erloschene sinnliche Leidenschaften gibt es reinen Trost; sie lassen nur unangenehme Erinnerungen zurück. In der pittoresken Sprache, welche Margarethe in ihren neuen Umgangskreisen schnell erlernte, beklagte sie manchmal ihre »Dummheit«, wie sie es nannte. Die Erinnerung an die Rolle, welche sie dabei gespielt hatte, demüthigte ihre Eigenliebe, jenes einzige menschliche Gefühl, welches sich in der sittlichen Zerfahrenheit nicht vermindert, sondern vergrößert Sie hatte sich oft vorgenommen, sich zu rächen; vielleicht würde sie die Gelegenheit nicht mehr ausgesucht haben; aber diese Gelegenheit bot sich von selbst dar, und sie wollte sie nicht unbenutzt lassen.
Margarethe haßte Emma nicht nur wegen des Schmerzes, den ihr die alte Wunde noch von Zeit zu Zeit machte, auch der hohe, edle Sinn der Marquise im Unglück, ihre Seelengröße, ihr Muth, ihre Ergebung, alle jene Tugenden, welche sie vergebens lächerlich zu machen suchte, und denen sie im Stillen ihre Bewunderung nicht versagen konnte, reizten ihren Zorn und brachten ihr Blut in Wallung. Sie empörte sich gegen diesen hohen Aufschwung des Schönen und Guten über das Schlechte und Gemeine. Die muthige Marquise in ihrem kleinen Laden demüthigte die Courtisane in ihrem Palast, und diese konnte es ihr nicht verzeihen. Dieser Haß einer Dirne gegen Emma bewies auf das Glänzendste, daß die Tugend der armen Marquise ihre Schmach überlebt hatte.
Wie die Liebe, wie alle Leidenschaften, hat der Haß einen großen Einfluß auf das geistige Leben des Menschen. So fand auch Margarethe in ihrem Rachedurst eine Schlauheit und Ausdauer, die bei der trägen Person nicht zu erwarten war.
Als Louis von Fontanieu in ihr Hotel kam, empfing sie ihn mit rührender Herzlichkeit. Sie erheuchelte eine Rührung, die sie keineswegs empfand; sie fand vielsagende Seufzer, um von der Vergangenheit zu reden. Er konnte glauben, sie erwarte nur ein Wort von ihm, um die vorigen leidenschaftlichen Gefühle wieder zu wecken. Doch er täuschte sich; die Frauen lieben nur die, welche ihnen nicht entgegenkommen.
Margarethe wußte den Fehler, den er gemacht, schlau zu benutzen. Sie rühmte seine Großmuth, seine Hingebung, so daß Emma in seinen Augen herabgesetzt wurde. So begann sie die Bande zu lösen, welche ihn an die Marquise fesselten, und sie kam so oft und mit solcher Schlauheit auf dieses Thema zurück, daß er mit der armen Emma bald nur noch durch einen dünnen Faden in Verbindung stand.
Bald wurde Louis von Fontanieu einer der fleißigsten Besucher des Hotels der Rue du Helder. Nicht als ob ihn Margarethe in seine früheren Rechte wieder eingesetzt hätte; sie ließ sich das Los ihrer Nebenbuhlerin zur Warnung dienen. Sie bat ihn, wie sie sagte, um die Wiederholung seiner Besuche, damit ihre Freundschaft den Schmerz des einzigen Mannes, den sie geliebt, mildern möge. Im Grunde aber suchte sie ihn durch diese beständigen Annäherungen ganz in ihre Gewalt zu bekommen und zum willenlosen Werkzeuge ihres Hasses zu machen.
Margarethe goß Oel auf die schon zu starke Glut. Sie wußte wohl, wie verführerisch sie war in diesen glänzenden Umgebungen, in diesem Luxus von Spitzen, Sammt und Seide. Fontanieu war bald der Sklave seiner neuen Leidenschaft. Was vermochte jetzt die Erinnerung an die sanfte, sittsame Emma? Ohne einen Rest von Selbstgefühl wäre er zu Margarethens Füßen gefallen, um das Mitleid, das er ihr einst selbst versagt, von ihr zu erstehen.
Ihrer Taktik getreu, bot die Courtisane Alles auf, um diesen gefährlichen Gefühlsäußerungen vorzubeugen. Unter dem Vorwande, daß ihm diese Bekanntschaft nützlich sein könne, stellte sie ihren vormaligen Geliebten dem Baron Verdières, ihrem dermaligen Gönner, vor, und sie wußte es so einzurichten, daß dieser immer Zeuge ihrer Unterredungen mit Fontanieu war.
Zugleich war sie darauf bedacht, den jungen Mann in den Augen der Marquise von Escoman zu verdächtigen. Sie glaubte der Zukunft sicher zu sein; aber sie wollte gern eine Abschlagszahlung nehmen. Ein Nadelstich in Emma’s Herz war ein Vorgeschmack ihrer rachsüchtigen Freude. Sie zwang Fontanieu, sich öffentlich mit ihr zu zeigen, sie auf ihren Spazierfahrten zu begleiten. Ihr Kutscher hatte Befehl, immer in der Nähe der Rue de Seze zu fahren.
Bis dahin war Fontanieu noch nicht an den Empfangstagen in Margarethens Salon erschienen. Aber sie nöthigte ihn, sich in den Morgengesellschaften einzufinden, welche sie gab, um den Abendgesellschaften einer gefeierten Schauspielerin Schach zu bieten.
Louis von Fontanieu versprach sich einzufinden; aber bald hätte er nicht Wort gehalten.
Wir wissen, daß ihn Emma gebeten hatte, seine Mutter zu besuchen. Seine kindliche Liebe hatte über seine Verirrungen den Sieg davongetragen. Dieses Gefühl war in dem Maße stärker geworden, als ihm Emma gleichgültiger wurde. Er war daher beinahe entschlossen, das Vergnügen der Pflicht zu opfern und den Tag in Saint-Germain, wo Frau von Fontanieu wohnte, zuzubringen.
Während er sich ankleidete, bemerkte er bei der Marquise eine ungewöhnliche Aufregung. Er fürchtete, Susanne habe geplaudert; aber er ging fort, um einer Erklärung auszuweichen.
In der Rivolistraße, wo damals die Wagen nach Saint-Germain abfuhren, bemerkte er, daß er seine Geldbörse vergessen hatte. Er mußte umkehren.
Aber er fand den Laden verschlossen. Auf seine Nachfrage erfuhr er, daß Emma und Susanne bald nach ihm das Haus verlassen hätten. Er mußte die Fahrt nach Saint-Germain auf einen andern Tag verschieben.
Er ging fort, um der Einladung Margarethens zu folgen.
Madame Bernier stand in der Thür. Sie warf ihm einen höhnischen, frohlockenden Blick zu. Er war zu sehr mit seinen Gedanken beschäftigt, um diese Gefühlsäußerungen der Uhrmacherin zu beachten. Aber ein kräftiger Schlag auf seine Schulter entriß ihn seinen Träumereien. Er sah sich um und erkannte den Kunsttischler Verdure, der ihm die Hand reichte.
»Ich habe mit Ihnen zu reden,« sagte Verdure und zog ihn in eine Nebenstube seines Magazins.
»Was wollen Sie von mir, lieber Nachbar?« erwiederte Fontanieu.
»Was ich von Ihnen will, lieber Herr Louis, ist etwas schwer zu sagen,« antwortete der Nachbar, sich am Ohr kratzend. »Doch müssen Sie darum nicht an meiner Freundschaft und Theilnahme zweifeln.«
»Ich zweifle keineswegs daran, lieber Herr Verdure und bin Ihnen sehr dankbar dafür. Aber dies ist gewiß nicht die Mittheilung, die Sie mir machen wollten,«
»Die Geschäfte gehen wohl nicht?« fuhr der Kunsttischler fort, indem er seine Stentorstimme mäßigte, so daß er von den in der Werkstatt arbeitenden Gesellen nicht verstanden werden konnte.
»Nein,« antwortete Fontanieu. »Wir wünschen unsern Laden zu verkaufen; aber es geht nicht so leichte.«
»Der tausend! Sie hätten mit Verlust losschlagen sollen, Herr Louis. Die Spitzbuben wollen Ihnen Haut und Haare abhobeln, und ich will mich in den Schraubstock einkeilen lassen, wenn man Ihnen nur die Späne läßt.«
»Was meinen Sie?« fragte Louis von Fontanieu und sah den Tischler sehr erstaunt an.
»Machen Sie doch nicht den Geheimnißkrämer, Herr Louis. Ich will Ihnen sogleich reinen Wein einschenken. Glauben Sie denn, daß man zwanzig Jahre ein Geschäft gehabt habe, ohne von diesem Ungeziefer angefressen zu sein? Ein Geschäftsmann ist wie ein Tisch oder ein Stuhl: er mag vom besten Holz sein, in der Hitze wirft er sich doch. Sehen Sie,« setzte er hinzu und nahm ein Bündel schmutziger, vergilbter Papiere aus einer Schublade, »bei mir findet sich mehr Stempelpapier als bei Ihnen. Es macht einem ehrlichen Manne keine Schande. Also lassen Sie hören.«
»Auf mein Wort, Herr Verdure, ich weiß nicht, was Sie meinem.«
»Es ist bekannt, daß der Gerichtsdiener diese Woche dreimal bei Ihnen war. Heute ist die Pfändung Glauben Sie denn, daß so etwas in der Nachbarschaft nicht bekannt werde?«
»Nein, das ist unmöglich!« erwiederte Louis von Fontanieu ganz bestürzt.
»Ich sehe schon, wie die Sachen stehen,« sagte der Kunsttischler der durch Fontanieu’s Ton endlich überzeugt wurde. »Das brave Weibchen hat’s Ihnen vielleicht verheimlichen wollen. Eine brave Person! Es nützt freilich nicht viel, wenn man in Gefahr ist. Aber die gute Absicht läßt sich nicht verkennen. Ich bin Ihrer lieben Frau vom Herzen gut, Herr Louis: sie ist so häuslich und fleißig und sauber, und dabei hat sie einen Anstand, wie eine Herzogin. Man sagt, Sie wären nicht verheiratet. Ich sage, das geht nur die bösen Zungen an, und stelle sie meiner Frau als Muster auf, die doch auch nicht so übel ist. Ein Weibchen wie das Ihrige, Herr Louis, sollte man nicht in Mahagoni-, Palissander- oder Citronenholz, sondern in Gold fassen.«
Der brave Mann hätte eine ganze Stunde so sprechen können. Louis von Fontanieu hörte nicht mehr zu; er war vernichtet durch die Kunde von diesem Unglücke. Er konnte keinen Gedanken fassen. Er dachte wohl etwas an Emma, aber desto mehr an sich. Er sah mit Schrecken, wie das Unglück, welches sie um seinetwillen trug, eine immer größere Ausdehnung annahm; denn er konnte sich nicht verhehlen, daß seine Pflichten gegen Emma zugleich ernster, unabweislicher wurden. Er stand schnell auf, um sich zu entfernen, aber Verdure hielt ihn zurück.
»Wir haben noch nicht Alles gesagt,« setzte er hinzu. »Es gibt zwar Gerichtsdiener in dieser Welt, aber es gibt auch Freunde. Ich bin nicht reich, Herr Louis, aber unsereins hat immer einige Banknoten auf die Seite gelegt, und wenn man braven Leuten aus der Verlegenheit helfen kann, so thut man’s gern. Fünfhundert Franks stehen Ihnen zu Diensten. Nehmen Sie, wenn Ihnen damit gedient ist. Ich habe mich vielleicht schlecht ausgedrückt, weil meine Arme mehr gearbeitet haben, als meine Zunge. Aber wenn Ihnen damit gedient ist, so bleibt’s dabei: Sie können auf den Tischler Verdure trassiren.
Louis von Fontanieu drückte dem braven Handwerker herzlich die Hände und eilte nach Hause. Emma war noch nicht da. Die ernsten Besorgnisse, welche ihm ihre Abwesenheit machte, seitdem er erfahren, welche schmerzliche Prüfungen sie in den letzten Tagen bestanden haben müsse, begannen seine selbstsüchtigen Bestrebungen zu beherrschen.
Als er wieder in die Hausthür trat, um auf die Straße zu sehen, wurde er von einem schwarzgekleideten Manne angeredet, der ihm den Pfändungsauftrag übergab und ihm erklärte, daß er sofort damit beginnen werde. Wenn ihm die Thüren nicht geöffnet würden, so müsse er die Assistenz des Commissärs in Anspruch nehmen.
Louis von Fontanieu warf einen Blick auf das Papier, welches ihm der Gerichtsdiener überreichte, und sogleich fiel ihm ein mit großen Buchstaben geschriebener Name aus.
Es war der Name von Margarethens Gönner.
Er las die Schrift aufmerksamer. Es war nicht mehr zu bezweifeln, die Pfändung war auf Ansuchen des Banquiers Verdières gegen die Frau d’Escoman, genannt »Frau Louis«, angeordnet worden.
Louis von Fontanieu war hocherfreut und eilte in Margarethens Hotel.
Eine lange Wagenreihe hielt vor der Thür. Fontanieu konnte sich nur mit Mühe einen Weg durch die Menge der Gäste bahnen, und noch größere Mühe hatte er, zu der Dame vom Hause zu kommen.
Endlich fand er sie. Margarethe gab eben ihre letzten Befehle für das Concert. Sie war von einigen Stutzern umgeben, welche Adjutantendienste bei ihr versahen. Er ging auf sie zu, aber sie schien ihn nicht zu bemerken.
»Margarethe,« sagte er, sich zu ihrem Ohre neigend.
Sie sah sich um.
Frau« – sie betonte dieses Wort – »würde Sie zum Garnwinden bei sich behalten.«
Die Umstehenden, welche Fontanieu gar nicht kannten, brachen gleichwohl in ein lautes Gelächter aus. Der Witz mußte bewundert werden; aus einem schönen Munde können ja nur schöne Worte kommen.
»Margarethe,« erwiederte Louis von Fontanieu leise, aber hastig, »ich habe mit Ihnen zu reden.«
»Sie haben ja schon angefangen.«
Er warf einen bittenden Blick auf die Umstehenden.
»Sie wünschen ein Tête-à-Tête, Fontanieu?« sagte Margarethe. »Was fällt Ihnen ein? Der Baron würde den Schlagfluß bekommen, und dann wär’s aus mit den zweihunderttausend Livres, die er mir jährlich auszahlen läßt.«
»Margarethe, es handelt sich um Leben und Tod.«
»Solche Angelegenheiten haben ihre Stunden, lieber Freund – für den Augenblick muß ich mich meinen Gästen widmen. Ich kann die Gesellschaft nicht wegen solcher Kleinigkeiten verlassen.«
Sie sprach sehr laut. Die Gecken verneigten sich und einer von ihnen küßte ihr die Hand.
Margarethe mochte an dem Gesicht Fontanieu’s wohl sehen, daß sie zu weit gegangen war, und daß ihrem Freunde wie verblendet er auch war, die Augen aufgehen konnten. Dann wäre aber ihr Racheplan über den Haufen geworfen worden.
»Nun, werden Sie nicht böse,« setzte sie hinzu und nahm vertraulich seinen Arm. »Wir wollen Ihnen diese so dringende Audienz bewilligen. Mein Herr und Meister wird nichts Arges dabei denken; er weiß ja, daß Sie vormals mein Verehrer waren. – Ja, meine Herren, ich war ganz vernarrt in diesen hübschen Jungen, und wünsche jedem von Ihnen eine eben so feurige Geliebte, wie ich einst war. Aber der liebe Baron weiß auch, daß er meinen Grundsätzen vertrauen kann.«
Sie führte Louis von Fontanieu in ein kleines Boudoir, dessen Thür sie hinter sich schloß.
»Laß hören, sagte sie, sich setzend; »was willst Du von mir?«
Statt der Antwort reichte ihr Fontanieu das verhängnißvolle Papier. Margarethe las es und ihre Stirn verfinsterte sich.
»Was kann ich dazu thun?« sagte sie, ihre Handschuhe betrachtend, um zu sehen, ob sie von dem Papier nicht beschmutzt worden waren.
»Hast Du denn nicht gelesen, daß die gerichtlichen Schritte auf Ansuchen des Herrn von Verdières gethan sind?«
»Auf sein Ansuchen! Armer Tropf, Du hast bei deinem Banquier blutwenig gelernt, oder dein Principal muß ein rechter Gimpel sein. Ich bürge Dir dafür, daß der Baron nicht einmal den Namen dieser Dame kennt.«
»Das glaube ich wohl; aber es hängt von ihm ab, diese gerichtlichen Schritte einzustellen, und ein Wort von Dir kann ihn dazu bewegen.«
Margarethe warf schmollend den Mund auf.
»Wie wär’s, wenn ich mit ihm redete?« setzte er hinzu.
»Das darfst Du nicht,« erwiederte sie hastig; »Du würdest mich sehr erzürnen. Der Baron ist Dir sehr gewogen, und das hast Du mir zu danken. Ich habe schon oft bemerkt, daß Du von meiner Zuneigung einen geringen Begriff hast. Du irrst Dich, sie ist größer als je; sie ist nur verständiger geworden. Du mußt mich nicht mir der Zierpuppe vergleichen, die einen Putzladen als Spielzeug betrachtet und Dich in eine schöne Verlegenheit gebracht hat. Du hältst mich für leichtsinnig, gedankenlos, während ich auf deine Zukunft bedacht bin, die doch nicht durch meine Schuld in Frage gestellt worden ist. Ich will Dir eine solide, angenehme Stellung bereiten. Du wirst seiner Zeit das Nähere erfahren, mein Cherub. Du mußt nur bedenken, daß deine Zukunft ganz von der Freundschaft Verdière’s abhängt. Hüte Dich also wohl, diese Freundschaft durch eine Albernheit zu verscherzen.«
»Durch eine Albernheit! das kamt dein Ernst nicht sein, Margarethe. Bedenke doch, wie groß meine Verantwortlichkeit ist. Ich habe mich allerdings einer Uebereilung schuldig gemacht; aber meine Ehre fordert, daß ich die Folgen trage. Die Ehre verbietet mir, die Marquise von Escoman, die durch mich ins Unglück gestürzt ist, dem Elend und der Verzweiflung preiszugeben. Ich bitte nicht für sie, sondern für mich,« setzte er hinzu, als er das Stirnrunzeln der Courtisane bemerkte.
»Du solltest den Namen nicht aussprechen!« sagte Margarethe auffahrend und mit dem Fuße stampfend. »Ich bin nur vernünftig, und Du würdest mich böse machen. Ich erfülle deinen Wunsch nicht; ich will’s nicht, weil ich Dich aufrichtig liebe. Wenn Du sie noch liebtest, würdest Du nicht hier sein. Ich weiß freilich nicht, ob Du nach einem Jahre trauriger Selbsttäuschung noch die Kraft hast, deine geheimen Gedanken auszusprechen. Du erwartest in deiner Rathlosigkeit eine Katastrophe, welche dieses unsinnige Verhältniß abbreche. Die Katastrophe ist gekommen, und Du trittst scheu zurück; ich soll Dir behilflich sein, sie in die Zukunft hinauszuschieben. Das will ich nicht. Deine Zukunft, welche sie Dir bereitet hat, macht mir große Sorgen; ich will sie sichern. Vielleicht kann ich es. Ich will diese Gelegenheit nicht unbenutzt lassen; wenn sie sich noch einmal darböte, würde ich vielleicht nichts mehr thun können. Willst Du Geld für deine Unterhaltungen? willst Du eine deinem Namen angemessene Stellung? Du hast nur deine Wünsche auszusprechen, sie sollen erfüllt werden, ohne daß dein Zartgefühl dadurch verletzt wird. Aber zur Fortsetzung dieses unsinnigen Lebens werde ich Dir nie die Mittel bieten. Spare nur deine Mühe, ich werde mich unter keiner Bedingung dazu verstehen.«
Bei diesen Worten schlug Margarethe mit ihrem Fächer, so heftig auf den Tisch, daß der Fächer zerbrach. Sie stieß die Stücke mit dem Fuß zurück.
Louis von Fontanieu wollte seine Bitte wiederholen; aber Margarethe, welche die Wirkung ihrer Worte beobachtet hatte, ließ ihm nicht die Zeit, den Mund aufzuthun.
»Mein Gott!« sagte sie, vor einen Spiegel tretend und ihren Anzug musternd, »du vergesse ich ja meine Gesellschaft, wie zu der Zeit, als er mir Alles war. Aber ich will die Lästerzungen nicht noch mehr in Versuchung führen. – Zieh mir doch den Besatz meines Kleides ein bischen hinauf.«
Der Besatz bestand aus Blumen und Laub. Louis von Fontanieu, der sich dieses Auftrages entledigte, berührte dabei mit den Fingern den Nacken der Courtisane. Seine Blicke begegneten im Spiegel den schmachtenden Augen Margarethens. Er vergaß Emma und die Angst, in der sich die Unglückliche befinden mußte; er vergaß seine eigene verzweifelte Lage – und drückte einen glühenden Kuß auf die Schulter seiner vormaligen Geliebten.
Margarethe wandte sich schnell ab und riß die Thür des anstoßenden Salons auf, in welchem ihre Gäste versammelt waren.
»Wenn der Baron an der Thür gelauscht hätte!« sagte sie halb erzürnt, halb lächelnd zu Fontanieu. Dann faßte sie seine Hand und entließ ihn mit den Worten: »Morgen sehen wir uns wieder, lieber Freund.«
Fontanieu ging wankend und kaum seiner Sinne mächtig durch die Gäste. Erst im Vorzimmer bekam er einige Fassung wieder.
Margarethe war noch in ihrem Boudoir. Sobald Fontanieu fort war, schrieb sie auf einen Zettel: »Bleiben Sie taub gegen alle Bitten, nehmen Sie kein Versprechen an.«
Sie gab den Zettel einem Bedienten mit dem Befehle, ihn durch einen Commissionär dem Gerichtsdiener zu senden, der in diesem Augenblicke die Pfändung in der Rue de Seze vollziehen mußte.