Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Memoiren einer Favorite», sayfa 15

Yazı tipi:

»Von diesem Augenblicke an, liebe Emma,« sagte Romney, indem er meinen Brief in die Schatulle schloß, worin er seine kostbarsten Kleinodien verwahrte, »sind Sie meine Schwester und ich bin Ihr Bruder. Wenn mir ein Unglück zustieße, so würde ich dafür sorgen, daß dieser Brief Ihnen wieder zugestellt würde. Übrigens können Sie denselben, da er an Ihre Adresse lautet, zu jeder Zeit reklamieren.«

Ich begab mich in ein Zimmer, ergriff eine Feder und schrieb an Sir Charles Greenville:

»Nehmen Sie acht Tage Urlaub. Holen Sie mich heute abend mit einem Wagen ab und führen Sie mich, wohin Sie wollen.

Emma Lyonna.«

Eine Stunde später empfing ich folgendes Billett:

»Ich werde Ihrem Befehl gehorchen. Sie haben in Ihrer Antwort etwas weggelassen. Nach dem Namen Emma Lyonna hätten Sie nämlich die Worte: ›Lady Greenville‹ hinzusetzen sollen. Mit der Versicherung, daß Sie mich zum glücklichsten aller Menschen gemacht

Charles Greenville.«

Im Laufe des Abends rollten wir in einer vierspännigen Equipage die nach Edinburg führende Straße entlang, während Romney allen unsern Freunden mitteilte, daß sie mich in dritthalb Jahren unter dem Namen und unter dem Titel Lady Greenville wiedersehen würden.

Dreizehntes Capitel

Ich glaube hinreichend das Gefühl dargelegt zu haben, welches mich an Lord Greenville, ich will nicht sagen fesselte, wohl aber ihm geneigt machte.

Zunächst war es das Bewußtsein, daß er mich wirklich liebte, die Gewißheit, daß er ein ehrlicher Mann war, dann endlich und vielleicht noch mehr als alles dies der Ehrgeiz, der mich dem Glanz und dem Reichtum ebenso unwiderstehlich entgegentrieb, wie der Schmetterling zu der Flamme hingetrieben wird, die ihm gleichwohl den Untergang bringt.

Lord Greenville besaß als mütterliches Erbteil ein kleines Schloß in Schottland am Forth, zwischen Muggleborough und Preston Pans, sechzehn englische Meilen von Edinburg. Hier machten wir Halt.

Mr. Fox, dem er sich wahrscheinlich wohl gehütet hatte zu sagen, warum er eine solche Bitte an ihn stellte, hatte ihm einen Urlaub, nicht von acht Tagen, sondern von vier Wochen bewilligt.

Dieses Verhältnis, welches beinahe drei Jahre dauerte und welches über das Schicksal meines Lebens entschied, ist vielleicht das, worüber ich in Bezug auf Gemütsbewegungen am wenigsten zu erzählen habe.

Nach dem Versprechen, welches Lord Greenville mir gegeben und durch welches er sich unwiderruflich gebunden erachtete, betrachtete und behandelte er mich als sein Weib.

Ich meinerseits sah in ihm meinen künftigen Gatten und begegnete ihm, als ob er es schon wäre.

Da ich mir über die Lage, in der er mich genommen, und ganz besonders über die, welche derselben vorangegangen war, durchaus keine Täuschung machte, so wußte ich das Opfer, welches er mir gebracht, vollkommen zu würdigen und war daher bedacht, ihn zu glücklich zu machen, daß er während der dritthalb Jahre, die bis zu unserer gesetzlichen Vermählung noch vergehen mußten, sein Versprechen keinen Augenblick zu bereuen hätte.

Wir blieben auf seinem Schlosse nur so lange, als wir brauchten, um von unserer Reise auszuruhen; dann begannen wir Schottland zu besuchen.

Wenn ich eine Prinzessin von königlichem Geblüt gewesen wäre, so hätte Lord Greenville mir nicht mit zarterer Aufmerksamkeit begegnen können, als er es tat.

Meine Reise mit ihm war ein geschichtlicher Kursus, in welchem ich die Sagen von Wallace und Robert Bruce, von Montrose und von Charles Edward hörte. Ich sah das Zimmer, in welchem Rizzio ermordet, und das Schloß, in welchem Maria Stuart gefangen gehalten ward.

Die vier Wochen vergingen sehr rasch und wir kehrten nach London zurück.

In unserer Abwesenheit, hatte Lord Greenvilles Intendant ein Haus gemietet, welches die Aussicht auf den Green Park hatte und in welchem wir, der Lord und ich, jedes eine Etage bezogen.

Mit seinem Gehalt und seinem persönlichen Vermögen hatte er ziemlich zweitausend Pfund Sterling jährlich.

Es war dies im Verhältnis zu dem Luxus, den er entfaltete, ziemlich wenig; der Minister hatte ihm aber für den Fall, daß er an der Spitze der öffentlichen Angelegenheiten bliebe, versprochen, ein Mittel zur Erhöhung seines Gehaltes ausfindig zu machen.

Lord Greenville hatte an seinen Onkel Sir William Hamilton geschrieben, daß er aus Anhänglichkeit an Fox in London bleiben würde, so lange dieser Minister wäre.

Zugleich hatte er ihm das Versprechen, welches Fox ihm gegeben, mitgeteilt und ihn gebeten, ihm es möglich zu machen, die Erfüllung desselben abzuwarten.

Sir William Hamilton hatte ihm sofort eine Anweisung von tausend Pfund auf seinen Bankier geschickt.

Lord Greenville fragte mich auf die zarteste und schonendste Weise, ob ich nicht Lehrer annehmen und durch diese meine Ausbildung vollenden lassen wollte. Ich sah ein, daß der Kreis von Kenntnissen, welcher Emma Lyonna, der nur dem Vergnügen huldigenden Abenteurerin, genügte, für Mylady Greenville nicht genügen würde, und ich bat Sir Charles, mir selbst einen Studienplan vorzuzeichnen.

Von diesem Augenblicke an hatte ich Lehrer für die französische und italienische Sprache, für den Gesang, für die Zeichenkunst und den Tanz.

Man weiß, mit welcher Leichtigkeit ich lernte und mit welchem wunderbaren Gedächtnis ich begabt war. Obschon ich alle die genannten Dinge gleichzeitig trieb, so machte ich doch in jedem derselben reißende Fortschritte. Ich hatte von Natur eine gute reine Stimme. Es war als wäre die Musik für mich eine vergessene Kunst, deren ich mich bloß wieder zu erinnern glaubte. Das Italienische lernte ich gewissermaßen singend.

Was das Französische betraf, so widmete ich mich dem Studium dieser Sprache mit solchem Eifer, daß ich während der ganzen Zeit, welche mir die andern Übungen übrig ließen, stets ein in der Sprache Racines und Voltaires geschriebenes Buch in der Hand hatte.

Mein Leben war sonach ein vollständig verändertes. Jene tausend Vergnügungen, von welchen das Leben einer hübschen Frau begleitet zu sein pflegt, hatten den Studien einer ernsten Frau und wie ich nicht unerwähnt lassen darf, einer Familienmutter Platz gemacht. Nach Verlauf von zehn Monaten lieh nämlich eine kleine Tochter unserem Bunde einen noch vollständigeren ehelichen Anstrich.

Zwei Monate vorher jedoch hatte uns in Bezug auf unsere Finanzen ein schwerer Schlag getroffen. Das, was Sir William Hamilton vorausgesehen, war eingetroffen.

Nachdem Charles Fox im Jahre 1782 das Ministerium Pitt gestürzt und mit der Leitung der auswärtigen Angelegenheiten betraut worden, hatte er den Frieden mit Amerika und Frankreich zustande gebracht. In diesem Triumph hatte er den Weg zur unumschränkten Macht zu finden geglaubt und, entrüstet über das gesetzwidrige Gebaren der ostindischen Kompanie, dasselbe laut gerügt und eine gerichtliche Untersuchung verlangt. Da er aber mit diesem Antrage im Oberhause durchfiel, so sah er sich genötigt, als Minister seine Entlassung zu geben und wieder zur Opposition überzugehen. Infolge dieses Rücktritts verlor Lord Greenville seinen Posten. Es blieben ihm daher in allem von seinem Privatvermögen zweihundertfünfzig bis dreihundert Pfund Sterling jährlich.

Wie gewöhnlich nahm er seine Zuflucht abermals zu seinem Onkel, indem er ihm versicherte, daß Charles Fox jedenfalls sehr bald wieder ins Ministerium treten würde, dann würde seine, Lord Greenvilles Stellung eine weit bessere werden als je vorher, da er dann doch den Preis seiner Hingebung und Freundschaft erhalten mußte.

Sir William Hamilton schickte abermals eine Anweisung auf eintausend Pfund Sterling.

Mit dieser Summe, Lord Greenvilles Privatvermögen und meinen acht- bis zehntausend Francs Rente hätten wir bescheiden leben und bessere Tage abwarten können.

Ich suchte auch Lord Greenville aus allen Kräften dazu zu bereden; mochte er nun aber wirklich an Charles Foxs Wiedereintritt in das Ministerium glauben, oder sein Hang zur Verschwendung über die Ratschläge der Vernunft den Sieg davontragen, kurz wir fuhren fort, in der bisherigen Weise zu leben.

Die Folge hiervon war, daß wir sehr bald mit unseren Hilfsmitteln fertig waren. Mir blieb unter diesen Umständen nur eins zu tun übrig, nämlich mein kleines Vermögen zur Verfügung des Mannes zu stellen, dessen Namen ich nun bald tragen sollte.

Dies tat ich auch. Nach achtzehn Monaten war auch diese Summe ausgegeben.

Lord Greenville schrieb zum dritten Mal an seinen Onkel, erhielt aber diesmal keine andere Antwort als eine Weigerung, obschon zugleich mit der Einladung, sich, wenn es ihm konvenierte, unter den ihm bereits angetragenen Bedingungen in Neapel einzufinden.

Diese Reise wäre aber unsere ewige Trennung gewesen und Lord Greenville verweilte keinen Augenblick dabei.

Unsere Familie hatte sich um zwei Kinder vermehrt und unsere Mittel, folglich noch unzureichender gemacht.

Allerdings ward Lord Greenville in drei Monaten volljährig und ich war überzeugt, daß er mit dem Tage dieser Volljährigkeit sein Versprechen lösen würde. Wenn aber dieses Versprechen auch erfüllt war, so war ich dann immer noch weiter nichts als Lady Greenville. Unsere Stellung ward wohl dadurch ein wenig verändert, der Stand unserer Finanzen aber blieb immer noch derselbe.

Die beschränkten Umstände, in welchen wir lebten, gingen allmählich geradezu in Mangel über.

Ich verstehe jene Situation, wo Stolz, Gewohnheit und Instinkt alle Tage einen Kampf mit dem Bedürfnis zu bestehen haben, entweder nicht recht oder gar nicht zu schildern. Ich bin schon einmal rasch über meinen Sturz hinweggegangen. Mein Mut wird das zweitemal nicht größer sein als das erste.

Ich konnte Lord Greenville nicht anders als dankbar sein, denn er erduldete alle diese Leiden aus Liebe zu mir. Dabei aber blieben seine Traurigkeit, seine Entmutigung von mir nicht unbemerkt.

Ich besiegte sein Widerstreben, ein viertes Mal an seinen Onkel zu schreiben. Er schrieb.

Lord Hamiltons Antwort war ein Donnerschlag für uns.

Er schrieb, er habe sich nach der Situation seines Neffen erkundigt und erfahren, daß die Ursache seiner Bedrängnis in nichts weiter läge als in einer Liebe zu einer dieser Liebe unwürdigen Kurtisane.

Zugleich kündete er seine nahe bevorstehende Ankunft in London an, indem er sagte, er wolle den Stand der Sache selbst beurteilen und würde, je nach dem, was er mit eigenen Augen gesehen, dann handeln.

Ein angefügtes Postskript sagte, wenn Lord Greenville die ihm schon gestellten Bedingungen annehmen wolle, so brauche er nur augenblicklich nach Neapel abzureisen und in London jenes unwürdige Geschöpf zurücklassen, für dessen Subsistenz in diesem Falle aus Mitleid in geeigneter Weise gesorgt werden würde.

Ich muß es Lord Greenville zum Lobe nachsagen, daß dieser Brief ihn zur größten Erbitterung reizte und er denselben unbeantwortet ließ.

Durch diese edelmütige Gesinnung ward jedoch an unserer Situation nichts geändert. Nachdem wir uns in die Entbehrung des Überflüssigen gefügt, waren mir nun bei der Entbehrung des Notwendigen angelangt. Wir hatten sogar unsere letzten Schmucksachen verkauft, wir waren über ein Jahr Mietzins schuldig, die gerichtliche Klage gegen uns war bereits anhängig gemacht und es bedurfte nur einer letzten, vom Gesetze vorgeschriebenen Formalität, um uns mit unsern Kindern auf die Straße geworfen zu sehen.

Wir waren bei jener äußersten Situation angelangt, wo ein neues Unglück sogar zu wünschen ist, so unmöglich war es, daß eine Katastrophe, wie schrecklich dieselbe auch sein möchte, unsere Lage verschlimmerte.

Plötzlich erfuhren wir, daß Sir William Hamilton sich seit acht Tagen in London befand, und sein Haus in Fleetstreet bewohnte.

Man hatte uns nicht von dieser Ankunft in Kenntnis gesetzt. Ohne Zweifel hatte Sir William diese Zeit benutzt, um Erkundigungen über uns einzuziehen. Auf alle Fälle schwebte ein großes Unglück über unseren Häuptern. Als Lord Greenville diese Nachricht erhielt, faßte er einen plötzlichen Entschluß.

»Meine liebe Emma,« sagte er zu mir, »ausgenommen durch eine Trennung können wir kaum unglücklicher werden, als wir bereits sind. Wohlan, unser Schicksal ruht in deinen Händen.«

Ich betrachtete ihn mit Erstaunen.

»Höre mich an,« fuhr er fort. »Ich kenne meinen Onkel. Er ist Archäolog und liebt jede plastische Schönheit. Er verbringt sein Leben mitten unter den schönsten Marmorgebilden Griechenlands. Nun aber kenne ich keine Statue, wäre sie selbst von Praxiteles oder Lysippus, welche dir an Schönheit gleichkäme. Gehe daher zu meinem Onkel, wirf dich ihm zu Füßen, sprich für uns und unsere Sache ist gewonnen.«

Wie betäubt durch eine solche Zumutung sah ich Charles mit erstauntem Blicke an.

»Wie!« sagte ich dann zu ihm, »ich bin es, um welcher willen er dir zürnt, und du willst, daß ich es sei, die sich seinem Zorne aussetzt?«

»Er zürnt mir um deinetwillen, liebe Emma, weil er meine Liebe nicht begreift, und er begreift meine Liebe nicht, weil er dich nicht kennt. Wenn er aber dich einmal gesehen, wenn er deine unwiderstehliche Stimme einmal gehört haben wird, wenn deine flehenden Tränen vor ihm geflossen sind, dann wird er alles verstehen und verzeihen.«

Ich schüttelte den Kopf. Ich empfand ein heftiges Widerstreben, diesen Schritt zu unternehmen.

»Dann,« sagte Charles, »bleibt uns nichts weiter übrig, als uns in unser Schicksal zu fügen, denn ich, das weiß ich gewiß, werde nichts von meinem Onkel erlangen, der meinen Besuch erwartet und sich im voraus gegen mich gepanzert hat, während du —«.

»Höre, Charles,« antwortete ich, »ich will nicht, daß du glaubest, ich könne dir deine Anhänglichkeit an mich so schlecht vergelten, daß ich mich weigerte, irgendeinen Schritt für dich zu tun, möge der so demütigend sein, als er nur immer wolle. Laß mir bis morgen Zeit, um mich auf dieses Erscheinen bei deinem Onkel vorzubereiten – morgen gehe ich.«

»Du wirst tun, was dein Wille dir gebietet, Emma,« sagte Charles, »glaube aber, daß die Zeit kostbar und daß es unklug ist, auch nur eine Minute zu verlieren. Bis morgen kann Lord Hamilton uns von seiner Anwesenheit benachrichtigen, und es kommt für uns viel darauf an, daß wir ihm zuvorkommen. Ziehe dein schlichtestes Kleid an, denn du bist niemals schöner als in deiner Einfachheit; gehe nach Fleetstreet alle Welt kennt Sir William Hamiltons Haus; tritt keck ein, sprich mit deinem Herzen in deinem Namen; in dem meinigen, in dem unserer Kinder, und Gott wird das Übrige tun.«

Sir Charles sprach mit einer solchen Überzeugung, daß dieselbe auch mich für sich zu gewinnen begann. Indem ich Aufschub bis zum nächstfolgenden Tag verlangt, hatte ich bloß getan, was der Verurteilte tut, der um eine Frist bittet. Ich hatte versucht, den entscheidenden Augenblick hinauszuschieben, da der Entschluß aber einmal gefaßt war, so war es besser, ihn sofort in Ausführung zu bringen.

Mit der Festigkeit eines verzweifelten Entschlusses begab ich mich in mein Zimmer. Ich legte mein am wenigsten kostbares Kleid an, ich band mein Haar, welches ich immer ohne Puder trug, mit einem einfachen Bande zusammen, dann setzte ich einen großen Strohhut auf, warf eine kleine Mantille über die Schultern und erschien plötzlich wieder in dem Zimmer, in welchem Charles zurückgeblieben war.

Bei dem Geräusch, welches ich bei meinem Wiedereintritt machte, richtete er den Kopf empor und stieß einen lauten Ruf aus.

»O,« sagte er, »nie bist du schöner gewesen, teure Emma; wir sind gerettet!«

Vierzehntes Capitel

Anstatt einen Wagen zu nehmen, wollte ich vollständig demütig sein und machte mich zu Fuß auf den Weg nach Fleetstreet.

Charles hatte recht. Ich brauchte nach Sir William Hamiltons Hause nur zu fragen und man zeigte es mir sofort.

An der Tür des Hauses angelangt, fühlte ich, wie die Füße mir zu wanken begannen. Ich stützte mich an die Mauer und versuchte ein wenig Mut zu fassen.

Sir William war zu Hause.

Ein Lakai fragte mich nach meinem Namen, um mich anzumelden. Ich fürchtete, daß mir, wenn ich diesen Namen nannte, der Zutritt verweigert werden könnte.

»Sagt Sir William nur,« antwortete ich, »daß ihn eine junge Frau zu sprechen wünscht.«

Obschon ich jetzt über vierundzwanzig Jahre alt war, so sah ich doch noch so jung aus, daß der Lakai, der mich nicht als eine junge Frau anerkennen wollte, mich als ein junges Mädchen anmeldete.

Ich hörte Sir Williams Stimme, welcher sagte:

»Sie soll hereinkommen.«

Ich drückte die Hand aufs Herz, um das ungestüme Klopfen desselben zu beschwichtigen. Ich war nahe daran zu ersticken.

Der Lakai kam zurück, öffnete mir die Tür und forderte mich auf eintzutreten.

Sir William saß an einem Tisch und las die Korrektur des Werkes, welches er unter dem Titel: »Beobachtungen über den Vesuv« im Begriff stand herauszugeben.

Ich blieb auf der Schwelle der Tür stehen und wartete, bis er den Kopf emporrichten würde.

Er gewahrte mich, verhielt sich einen Augenblick unbeweglich und sah mich an. Dann erhob er sich, kam einen Schritt auf mich zu und fragte:

»Was wollen Sie, schönes Kind?«

Die Stimme versagte mir. Ich konnte bloß einen Schritt auf ihm zugehen und dann halb ohnmächtig auf den Teppich niedersinken.

Als er meine Blässe und das Zittern bemerkte, welches sich meiner bemächtigt, zog er die Klingel, um Hilfe herbeizurufen. Der Lakai trat wieder ein.

»Es ist ihr unwohl geworden, du siehst das selbst,« rief Sir William. »Komm', hilf mir!«

Der Lakai half Sir William mich auf ein Sofa tragen. Bei dieser Bewegung lösten die Bänder meines Hutes sich auf und mein Haar fiel herab.

Wenn ich dies absichtlich und aus Koketterie herbeigeführt hätte, so hätte es nicht besser gelingen können, denn ich besaß das schönste Haar von der Welt.

»Riechsalz! Riechsalz!« befahl Sir William.

Der Lakai brachte ihm ein Flacon; er setzte sich neben mich, lehnte meinen Kopf an seine Schulter und ließ mich das Salz atmen.

Ich schlug die Augen wieder auf, welche ich während der letzten Minute mehr aus Furcht denn aus Mutlosigkeit geschlossen gehalten.

»Ach, Mylord,« murmelte ich, »wie gütig sind Sie!«

Und mit diesen Worten ließ ich mich zu seinen Füßen niedergleiten.

Er betrachtete mich mit wachsendem Erstaunen.

»Sie müssen etwas Unmögliches von mir verlangen wollen, Miß, da Sie zweifeln, es zu erhalten,« sagte er. Ich ließ mein Gesicht auf die Hände niedersinken und brach in Schluchzen aus.

»O Mylord, Mylord,« sagte ich, ohne den Kopf emporzurichten, »wenn Sie wüßten, wer ich bin!«

»Und wer sind Sie denn?«

»Die Person, welche Sie auf der ganzen Welt am meisten hassen, Mylord.«

»Ich hasse niemand, Miß,« sagte Sir William.

»Nun denn, welche Sie am meisten verachten.« Er legte seine flache Hand auf meine Stirn und lichtete dieselbe in die Höhe.

»Emma Lyonna,« stammelte ich.

»Unmöglich!« sagte er, indem er ein wenig zurückwich, »unmöglich!«

»Warum unmöglich, Mylord?«

»Mit einem solchen Gesicht ist man keine Verlorene.«

»Ein edles Herz wie das Ihres Neffen, Mylord, würde sich auch keiner Verlorenen gewidmet haben.«

»Ist aber denn das, was man mir gesagt hat, wahr, oder ist es nur ein Gewebe von Lügen?«

»Und was hat man Ihnen gesagt, Mylord? Ich bin bereit, Ihre Fragen offen und freimütig zu beantworten. Offenheit ist in meiner Lage die erste Tugend.«

»Man hat mir gesagt, Ihre Mutter sei eine Bauernmagd und Sie selbst hätten die Schafe gehütet.«

»Das ist wahr, Mylord.«

»Dann wären Sie Kinderwärterin in einer kleinen Provinzialstadt gewesen.«

»Auch das ist wahr.«

»Dann wären Sie nach London gekommen und hätten ein Asyl bei einem wackeren Arzte, Mr. Hawarden, gefunden, der Sie als Verkäuferin in einem Bijouterieladen untergebracht. Ihre schlimmen Neigungen hätten Sie jedoch bald bewogen, diese bescheidene Stellung wieder zu verlassen.«

»Alles dies ist wahr.«

»Hier aber beginnt ohne Zweifel die Lüge. Sie werden die Geliebte des Commodore Sir John Payne, dann die des jungen Sir Harry Featherson.«

Ich machte eine einfache Kopfbewegung, welche ein Zugeständnis andeutete.

»Dann steigen Sie tiefer, immer tiefer herab. Sie werden die Mitschuldige des Charlatan Graham, die Maitresse des Malers Romney, endlich die meines Neffen, dem Sie sich, wie man mir versichert, nur unter der Bedingung ergeben, daß er Sie heirate und von welchem Sie sich ein Eheversprechen unterzeichnen lassen, mit dessen Hilfe Sie ihn zwingen, Ihr Sklave zu sein.«

»Ich bitte um zehn Minuten Zeit, Mylord, um mich zu rechtfertigen,« antwortete ich. Mit diesen Worten erhob ich mich und eilte aus dem Zimmer hinaus.

»Wo gehen Sie hin,« rief Sir William, »wo gehen Sie hin?«

»Ich komme sogleich wieder, Mylord.«

Ich eilte mehr fliegend als gehend die Treppen hinunter, sprang in eine eben vorüberfahrende Droschke und rief:

»Nach Cavendish Square.«

Fünf Minuten später war ich in Romneys Wohnung. Das Glück wollte, daß er zu Hause war.

»Lord Greenvilles Heiratsversprechen!« rief ich ihm zu.

»Geben Sie es mir, mein lieber Romney.«

»Was ist Ihnen denn, meine arme Emma? Sie sind ja ganz verstört.«

»Es ist nichts – jenes Versprechen – ich bitte Sie inständig darum. Schnell! schnell!«

Romney eilte an einen Schrank, öffnete die schon erwähnte Schatulle und gab mir Lord Greenvilles Heiratsversprechen.

»Hier,« sagte er. »Wollen Sie mich aber in Bezug auf das, was Sie damit machen wollen, nicht lieber erst zu Rate ziehen?«

»In solchen Dingen, lieber Romney, zieht man bloß sein eigenes Gewissen zu Rate. Ich danke Ihnen.«

Mit diesen Worten eilte ich aus dem Zimmer hinaus, ließ mich wieder nach Sir Williams Wohnung in Fleetstreet zurückfahren, ging mit derselben Schnelligkeit wieder die Treppe hinauf und zu Sir William hinein, welcher gedankenvoll und mit großen Schritten im Zimmer auf und ab ging.

Ich ließ ihm nicht Zeit, mich zu befragen, sondern hielt ihm das Heiratsversprechen seines Neffen vor die Augen.

»Was ist das?« fragte er.

»Haben Sie die Güte zu lesen, Mylord.«

Er las:

»Ich mache mich bei meiner Ehre verbindlich, Miß Emma Lyonna, sobald ich das Alter der Volljährigkeit erlangt haben werde, zu heiraten und will mich als Mann ohne Ehre betrachten lassen, wenn ich meinem Versprechen untreu werde.

Den 1. Mai 1780. Lord Greenville.«

»Nun und?« sagte Sir William nachdem er gelesen.

»Das Vorhandensein dieses Versprechens war mir bekannt.«

»Sie irren sich, Mylord,« antwortete ich, »es ist nicht mehr vorhanden.« Mit diesen Worten näherte ich mich dem Feuer und warf das Papier in die Flammen, welche es sofort verzehrten.

»Was machen Sie da?« fragte Sir William.

»Nun ist Ihr Neffe durch nichts mehr gebunden, Mylord,« antwortete ich.

»An Ihnen ist es nun, ihn so weit zu bringen, daß er mich verlasse.«

Und ohne auf seine Stimme, die mich rief, zu antworten, verließ ich das Zimmer und kehrte nach Hause zurück.

Charles wartete mit der größten Unruhe.

»Wohlan,« fragte er, als er mich mit vom Gehen und von Gemütsbewegung gerötetem Gesicht wiederkommen sah, »was ist geschehen?«

Ich erzählte ihm meine Unterredung mit seinem Onkel in allen ihren Einzelheiten.

»Also,« sagte er, »du hast mein Eheversprechen verbrannt?«

»Ja, Mylord, und Sie sind frei.«

»Das heißt, liebe Emma, meine schriftliche Schuld hat sich dir gegenüber in eine Ehrenschuld verwandelt, das ist der ganze Unterschied.«

»Hören Sie mich an, Mylord,« sagte ich. »Überlegen Sie sich alles wohl. Sie sind bei jenem wichtigen Moment angelangt, der über ein ganzes Leben entscheidet. Wenn Sie mich verlassen, so wird nicht bloß alle Welt Ihnen recht geben, sondern von demselben Augenblick an ist auch Ihre Zukunft gesichert, Ihr Glück gemacht. Bleiben Sie dagegen hartnäckig bei mir, so wendet sich die ganze Gesellschaft von Ihnen ab und Ihr Onkel sagt sich von Ihnen los und enterbt Sie. Sie können in materieller Beziehung nicht mit mir leben, ich aber wohl ohne Sie. Sobald Sie reich sind, geben Sie mir die zehntausend Pfund, welche wir zusammen vertan haben, zurück. Sie bitten Ihren Onkel, daß er die Zukunft unserer Kinder sichere und ich lebe und unsere Kinder leben. Bleiben Sie dagegen arm, so bleibe ich mit meinen Kindern auch arm und es wird unvermeidlich ein Tag kommen, wo Sie Ihre Aufopferung bereuen und wo unsere Kinder mir ihren Untergang zum Vorwurf machen werden.«

»Genug, Emma, genug!« rief Charles, indem er mich mit seinen Armen umschlang, wie um zu verhindern, daß man mich ihm entreiße. »Es mag geschehen, was Gott will, aber keine menschliche Macht soll uns trennen.«

In diesem Augenblick stieß er einen lauten Schrei aus. Die Tür des Zimmers war offen stehen geblieben. Sein Onkel, welcher die Treppe heraufgekommen war, ohne zu gestatten, daß man ihn anmeldete und ohne daß wir ihn gesehen, stand auf der Schwelle der Tür und hatte alles gehört, was wir soeben gesprochen.

»Mein Onkel!« rief Charles, indem er einen Schritt zurücktrat.

»Sie sehen, Mylord,« sagte ich zu Sir William, »daß ich tue, was ich kann und daß es nicht meine Schuld ist.«

»Laß mich mit dieser jungen Frau allein,« sagte Sir William zu Charles.

Letzterer verneigte sich ehrerbietig und verließ das Zimmer.

Sir William Hamilton näherte sich mir und bot mir die Hand.

»Ich bin zufrieden mit Ihnen,« sagte er, »und ich hoffe, daß Sie den Weg, den Sie betreten, beharrlich weiter verfolgen werden.«

»Ich bitte um Verzeihung, Mylord,« antwortete ich. »Sie sehen aber, daß ich nicht erst durch Ihre Ratschläge ermutigt zu werden brauche. Die meines Gewissens werden mir hoffentlich genügen.«

»Gut. Aber, wie Sie eben diesem jungen Toren bemerklich machten, Sie haben Kinder.«

»Dies ist etwas anderes und meine Pflicht als Mutter gebietet mir, diese unschuldigen Wesen Ihrer Güte zu empfehlen.«

»Nach dem, was ich gehört, schuldet mein Neffe Ihnen eine Summe von zehntausend Pfund Sterling.«

»Das ist wohl möglich, Mylord, aber es ist dies eine Angelegenheit zwischen Ihrem Neffen und mir.«

»Wenn mein Neffe sich dazu versteht, Sie zu verlassen, so werde ich diese Summe verdreifachen.«

»Ich treibe mit meinem Geld ebenso wenig Wucher wie mit meiner Liebe.«

»Aber was wollen Sie mit zwei- bis dreihundert Pfund jährlicher Rente machen?«

»Ich werde versuchen, mit meinen Talenten und Kunstfertigkeiten etwas zu verdienen.«

»Dann wollen Sie wohl Unterricht geben?«

»Warum nicht?«

»Was für Unterricht denn?«

»Im Französischen und Italienischen.«

»Sie sprechen französisch und italienisch?«

»Ja.«

Sir William redete mich in diesen beiden Sprachen nacheinander an und ich antwortete ihm so korrekt, daß er dadurch zufriedengestellt zu werden schien.

»Wie es scheint, sind Sie auch musikalisch,« fuhr er fort, »denn ich sehe hier ein Piano und eine Harfe.«

»Allerdings spiele ich diese beiden Instrumente.«

»Dürfte ich Sie wohl bitten, sich vor mir hören zu lassen?«

»Sie haben das Recht zu fordern, Mylord.«

»Nein, nein, ich fordere nicht, ich bitte nur.«

»Dann würden Sie wohl entschuldigen, wenn ich Ihnen etwas sänge, was mit dem Zustand meines Herzens in Einklang steht?«

»Singen Sie, was Ihnen beliebt. Was es auch sein möge, so werde ich es mit Vergnügen hören.«

Ich gestehe, daß in diesem Augenblick wieder ein wenig Koketterie in meinem Herzen erwachte. Da ich nicht das Gefühl erraten konnte, welches Sir William veranlaßte, alle diese Fragen an mich zu richten, so betrachtete ich dieselben nur von der gefühllosen und egoistischen Seite.

Ich fand es grausam, daß er mich in einer solchen Situation aufforderte zu singen, und da ich ihm gehorchen mußte, so wollte ich wenigstens von meinem Gehorsam so viel Nutzen als möglich ziehen.

Ich rief das ganze mimische Talent zu Hilfe, welches die Natur mir verliehen. Ich setzte mich, nahm die Harfe zur Hand und lehnte die Stirn daran, während mein aufgelöstes Haar auf meine Schultern herabwallte.

Mit zitternder Hand entlockte ich den Saiten des Instrumentes einige Akkorde und begann dann mit leise klagender Stimme ein Lied, welches ich in unseren Gesellschaftskreisen schon oft vorgetragen und womit ich stets den nachhaltigsten Erfolg erzielt.

Nachdem ich geendet, ließ ich den Kopf auf die Schulter sinken und erwartete mit verhaltenem Atem unsere Rettung oder unsere Verurteilung.

»Madame,« hob Sir William, auf den mein Gesang den gewaltigsten Eindruck gemacht, endlich an, »ich begreife nun, daß mein Neffe Sie anbetet. Sagen Sie ihm, daß ich ihn bitten lasse, mich morgen zu besuchen.«

Und nachdem Sir William sich ehrerbietig vor mir verneigt, entfernte er sich.

Kaum war er zur Tür hinaus, als Charles, der vom Schlafzimmer aus alles mit angesehen und angehört, in den Salon hereingestürzt kam, mich in seine Arme schloß und mit freudestrahlenden Augen und hoffnungsvollem Herzen rief:

»Ich wußte es wohl, daß du uns retten würdest!«

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
0+
Litres'teki yayın tarihi:
30 kasım 2019
Hacim:
970 s. 1 illüstrasyon
Telif hakkı:
Public Domain
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 3,8, 4 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin
Ortalama puan 0, 0 oylamaya göre
Metin PDF
Ortalama puan 5, 1 oylamaya göre