Kitabı oku: «Memoiren einer Favorite», sayfa 21
Neuntes Capitel
Abends um sieben Uhr kam Sir William an.
Als er von der Jagd zurückgekehrt, hatte er mich abgereist gefunden, und obschon der König ihn mit eigenem Munde zur Tafel geladen, Caserta verlassen, nachdem er dem König sagen lassen, daß ein unerwarteter Umstand ihn nötigte, nach Neapel zurückzukehren.
Sir William ahnte, was geschehen sei. Ich brauchte ihm bloß die Einzelheiten zu erzählen. Ich muss ihm die Gerechtigkeit widerfahren lassen, zu sagen, daß er sich durch diesen Schimpf noch tiefer verletzt fühlte als ich. Er erbot sich mit mir noch diesen selben Abend Neapel zu verlassen, ohne auch nur Abschied zu nehmen.
Dies aber hätte zurückweichen, dies hätte das Feld räumen, dies hätte die Niederlage eingestehen heißen.
Das war es aber nicht, was ich wollte. Ich wollte siegen.
Ich wollte vorgestellt sein, ich wollte am Hofe empfangen werden, wie dies als Gattin des Gesandten von England mein Recht war. Ich wollte auch hier die Erfolge haben, die ich überall gehabt, wo ich sie gewollt hatte, ich wollte mich endlich an dieser insolenten Königin rächen, indem ich ihre Höflinge selbst zwang zu sagen, daß ich nicht bloß schöner, sondern auch intelligenter und geistreicher wäre als sie.
Ich bestand daher darauf, daß Sir William von dem König selbst eine Erklärung in Bezug auf das verächtliche Benehmen der Königin verlangte. Wenn ich heute bedenke, zu welcher hochmütigen Verblendung mein unerwartetes Glück mich verleitet, so erstaune ich über meine Kühnheit selbst.
Sir William zögerte keinen Augenblick, meinem Willen nachzugeben. Er hegte für mich eine so wahnsinnige Anbetung, daß er über das Benehmen der Königin gegen mich ebenso erstaunt zu sein schien, als ich es war.
Er reiste wieder nach Caserta, begab sich sofort zum König, brachte die Frage offen zur Sprache und gab ihm zu verstehen, daß sein künftiges Verweilen von der Art und Weise abhängen würde, auf welche man sich gegen mich benähme.
Der König liebte Sir William sehr, nicht um Sir Williams, sondern um seiner selbst willen. Dieser durch und durch egoistische Fürst war einmal so. Lord Hamilton war ein guter Fußgänger, ein guter Jäger, ein guter Reiter, ein geistreicher und heiterer Gesellschafter. Seit vielen Jahren war der König an seine Nähe gewöhnt, und diese würde ihm gefehlt haben.
Übrigens begann der politische Horizont sich im Westen auch zu trüben. Der König von Neapel begriff, so wenig er auch in den Geschäften bewandert war, sehr wohl, daß Sir William, der Milchbruder des Königs von England, der Jugendgespiele Georgs des Dritten, ihm im Falle eines wahrscheinlichen Bruches mit Frankreich bei dem Kabinett von St. James eine mächtige Stütze sein konnte.
Er nahm daher die ihm gemachte Eröffnung mit vollkommener Freundlichkeit auf und mit jenem gutmütigen Ton, der bei ihm zuweilen natürlich, zuweilen erheuchelt, aber in dem gegenwärtigen Falle so gut gespielt war, daß man das Spiel unmöglich bemerken konnte, sagte er:
»Mein lieber Lord, wissen Sie, welches Gerücht hier umläuft?«
»Nein, ich hoffe aber, daß Ew. Majestät mir die Gnade erzeigen will, es mir mitzuteilen.«
»Nun,« fuhr der König fort, »das Gerücht behauptet, Sie wären nicht gesetzlich vermählt.«
Sir William hatte dies vorausgesehen. Er zog aus seiner Tasche das Zertifikat des protestantischen Geistlichen und überreichte es dann dem König.
»Hier, Sire,« sagte er, »ist meine Antwort.«
Der König las das Zertifikat und drehte es mit einer gewissen Verlegenheit mehrmals herum. »Ich sage Ihnen,« fuhr er dann fort, »nichts Neues, wenn ich bemerke, daß man in Neapel sehr boshaft ist. Wollten Sie auch dieses Zertifikat an allen Ecken anschlagen lassen und ich durch ein Edikt den Einwohnern befehlen, ihm Glauben beizumessen, so wäre man doch noch imstande, daran zu zweifeln, während, wenn Ihre Vermählung am Hofe anerkannt wäre, wenn Sie Lady Hamilton dem König Georg dem Dritten vorgestellt hätten – was Ihnen bei dem Fuße, auf welchem Sie mit ihm stehen, sehr leicht sein müßte – man unmöglich länger leugnen könnte. Wie kommt es, daß Sie nicht daran gedacht haben?«
Sir William betrachtete den König mit seinem durchdringendsten Blick, aber es war ihm unmöglich, die Maske zu durchschauen. Ferdinand verstand sich auf ein gewisses gutmütiges Mienenspiel, welches ihn, den schlauen und verschmitzten, als den naivsten aller Menschen erscheinen ließ.
»Es ist gut, Sire,« antwortete Sir William. »Sie geben mir einen Urlaub, nicht wahr?«
»Ja, aber nur ungern, denn ich möchte nicht, daß ein so vortrefflicher Gesellschafter wie Sie mich auch nur auf einen einzigen Tag verließe. Wenn Sie es aber, besonders um einer so wichtigen Angelegenheit willen und um Ihrer Vermählung Anerkennung zu verschaffen, wünschen, so sehen Sie wohl ein, daß ich mich nicht weigern kann.«
»Dann brauche ich also bloß nach London zu schreiben, damit meine Ankunft nicht allzu sehr überrasche.«
»Warten Sie! Auch diesen Aufenthalt kann ich Ihnen ersparen.«
»Eure Majestät würden mir dadurch einen großen Dienst leisten.«
»Wohlan, die Briefe, die ich von meinem Schwager, dem Kaiser von Österreich, und von meinem Schwager, dem König von Frankreich, erhalte, können als so wichtig betrachtet werden, daß sie ohne Verzug Mr. Pitt mitgeteilt werden müssen. Ich sage Mr. Pitt, weil bei Ihnen es so ziemlich ist wie hier. Der König ist nichts, der Premierminister dagegen alles, sonst würde ich sagen, dem König Georg dem Dritten. Wohlan, ich werde Ihnen die Urschriften dieser Briefe anvertrauen und Ihnen einen eigenhändigen Brief an meinen Bruder, den König von Großbritannien, mitgeben. Indem Sie auf diese Weise die Mission, womit ich Sie bei ihm beauftrage, vollziehen, werden Sie zugleich Ihre eigenen Angelegenheiten besorgen.«
Besser konnte Sir William es sich nicht wünschen. Er empfing sofort die Briefe, welche er dem König von England und dessen Minister mitteilen sollte, und noch denselben Abend reisten wir auf einem leichten Schiffe der königlichen Marine, welches zu unserer Verfügung gestellt worden, nach Livorno ab.
Auf der Durchreise durch Florenz sollte Sir William einen Brief an den Großherzog Leopold abgeben. Von Florenz aus sollten wir unsere Reise mit Postpferden weiter fortsetzen, während die königliche Felucke in Livorno unsere Rückkehr erwartete.
Es war als ob die Witterung mit unseren ungeduldigen Wünschen übereinstimmte. Wir hatten fortwährend günstigen Wind, und machten die Überfahrt in drei Tagen.
Sir William vollzog seinen Auftrag bei dem Großherzog Leopold, den er über die Wendung, welche die Dinge in Frankreich nahmen, sehr unruhig fand. Alles ging hier einer nahen Revolution entgegen, und die ersten Ereignisse des Jahres 1789, bei welchem wir angelangt waren, verrieten, daß diese Revolution eine sehr ernste sein, und in der ganzen übrigen Welt ihren Widerhall finden würde.
Er konnte daher Sir Williams Reise nach London und den anscheinenden Zweck, welchen dieselbe hatte, nur billigen. Er war auch nicht ohne Besorgnis wegen seines Bruders Joseph des Zweiten, Kaisers von Deutschland, dessen Gesundheit immer unsicherer und schwächer ward.
»Wir werden sehen,« sagte er, »wie unser Schwager Ferdinand der Vierte sich aus dieser ganzen Sache ziehen wird; er, welcher behauptet, er sei so glücklich, in seinen ganzen Staaten auch nicht einen einzigen Philosophen zu ernähren.«
Auf alle Fälle war er der Meinung, daß der Kaiser von Osterreich, der König von Neapel, der Papst und sämtliche Fürsten Italiens ein Schutz- und Trutzbündnis schließen und eine Art Sanitätscordon ziehen müßten, damit die revolutionären Ideen nicht die Alpen überschritten.
Wir verließen Florenz mit der Post und kamen über den St. Gotthard in der Schweiz und den Niederlanden an, wo wir uns nach England einschifften.
Wir kamen in London gerade zehn Monate nach dem Tage an, wo wir es verlassen, und stiegen in unserem Hotel in Fleetstreet ab.
Noch an demselben Tage ward Sir William von dem Könige empfangen. Ich erwartete seine Rückkunft mit einer gewissen Aufregung und Unruhe. Mit meiner Wiederankunft in London war ich, sozusagen, wieder in mein vergangenes Leben eingetreten, und sah mich wieder dem Elend und der Schmach meiner ersten Jahre gegenüber. Dem König konnte irgendein Bedenken beigehen, und wenn man Sir William meine Vorstellung verweigerte, so fiel ich trotzdem, daß ich Lady Hamilton war, tiefer als je der Fall gewesen.
Freudestrahlend kam Sir William wieder nach Hause. Meine öffentliche Vorstellung sollte nächstfolgenden Montag stattfinden. Der König hatte keinerlei Schwierigkeit gemacht, sondern sich gegen seinen Freund Hamilton liebenswürdiger und freundlicher gezeigt als je.
Noch denselben Tag sprach Sir William den Wunsch aus, ein von Romney, der noch immer für den ersten Maler galt, gefertigtes Porträt von mir mit nach Neapel zu nehmen.
Es war unmöglich, daß Sir William mein früheres Verhältnis zu Romney nicht kannte. Er war aber so wenig mein Gatte, daß es mir ganz erklärlich war, wenn er in bezug auf den großen Künstler keine Eifersucht an den Tag legte.
Wir verabredeten, denselben den nächstfolgenden Morgen in seinem Atelier in Cavendish Square zu überraschen. Ich war der Courtoisie Romneys zu sicher, als daß ich nötig gehabt hätte, ihn durch einen Brief aufzufordern, in mir nur Lady Hamilton zu sehen, ja im sichern Besitz der Gewalt, welche ich über Sir William ausübte, machte ich mir ein Fest aus der Überraschung, welche mein unerwartetes Erscheinen dem berühmten Maler bereiten würde.
Da Sir William mein Porträt im Kostüm einer Odaliske zu besitzen wünschte, so legte ich meine prachtvolle türkische Kleidung an und wir stiegen in den geschlossenen Wagen, der uns nach Cavendish Square brachte, wohin wir von Sir Williams Hotel nur eine kurze Strecke zurückzulegen hatten.
Ich kannte das Haus und es hatte, wie ich nicht anders sagen kann, einige meiner guten Erinnerungen bewahrt. Ohne Romney jemals in der eigentlichen Bedeutung des Wortes geliebt zu haben, war ich ihm doch sehr zugetan gewesen, und sein Andenken taucht in meinem Geiste nie auf, ohne von dem Lächeln meiner Lippen begleitet zu sein.
Er hatte immer noch denselben Kammerdiener. Dieser erkannte mich. Ich gab ihm einen Wink und deutete mit dem Auge auf meinen Gatten, der mir folgte.
Er bewies mir, daß er mich verstanden, indem er mich fragte, ob er Sir William oder Lady Hamilton anmelden sollte. Ich antwortete verneinend, indem ich erklärte, wir stünden im Begriff, seinem Herrn einen Freundschaftsbesuch, aber keine Staatsvisite zu machen und daß wir uns deshalb selbst anmelden würden.
Der Diener trat auf die Seite und ließ uns passieren.
Wir traten in Romneys Hotel. Sämtliche vier Weltteile waren in Kontribution gesetzt worden, um diesen prachtvollen Tempel der Kunst zu schmücken, Trophäen vereinigten die schönsten Waffen wilder und zivilisierter Völker, die Pfeile des Indianers von Florida und die Kandschars Asiens, die Tigerfelle Bengaliens, die Löwenhäupter des Atlas, die Felle des sibirischen Bären und des persischen Panthers lagen über die Möbel gebreitet und bedeckten den Fußboden oder die Wände, deren obere Felder mit den wunderbaren Skizzen des Meisters, den wir zu besuchen kamen, geschmückt waren.
Kurz, es gab in diesem umfangreichen Raum keine Stelle, wo das Auge ruhen konnte, ohne auf einen Gegenstand zu fallen, der in materieller oder künstlerischer Beziehung von hohem Werte war.
Romney war eben im Begriff, die letzte Hand an eine Erigone zu legen, welche sich mit einem Tiger auf einem Blumenteppich wälzte.
Die Erigone hatte eine entfernte Ähnlichkeit mit einer gewissen Emma Lyonna, eine Ähnlichkeit, welche bewies, daß diese Emma Lyonna noch nicht vollständig aus der Erinnerung des Malers entschwunden war.
Bei dem Geräusch der Tür drehte er sich nicht herum. Ohne Zweifel glaubte er, es sei bloß sein Diener, der etwas zu ordnen oder aufzuräumen habe.
Ich berührte ihn mit der Hand an der Schulter. Nun drehte er sich um, erkannte mich, stieß einen Schrei aus, stand, als er meinen Gemahl erblickte, auf, verneigte sich vor mir und sagte:
»Noch schöner als früher. Ich hätte es nicht für möglich gehalten.«
Dann wendete er sich zu Sir William und fuhr fort:
»Empfangen Sie meine Komplimente, Mylord, und sagen Sie mir schnell, ob ich das Glück haben kann, Ihnen einen Dienst zu leisten.«
Und mit wunderbarer Courtoisie, gerade als ob er mich zum erstenmal sähe, führte er uns in seinem Atelier herum.
Sir William sagte ihm, was er wünschte, ein Porträt von mir in dem Kostüm, welches ich eben trug. Romney machte hocherfreut sofort eine große Leinwand zurecht und skizzierte seine ganze Komposition.
Wir verabredeten, daß ich alle Tage wiederkäme, um zu sitzen, und Romney versprach nach Ablauf von acht Tagen mit dem Porträt fertig zu sein.
Am nächstfolgenden Tage führte Sir William mich ebenfalls nach Cavendish Square. Da er aber mehrere Geschäfte zu besorgen hatte, so ließ er mich bloß absteigen, setzte sich dann wieder in den Wagen und versprach mich in zwei Stunden abzuholen.
Während dieser zwei Stunden war Romney so diskret, kein Wort zu sagen und keine Anspielung zu machen, welche an unser früheres vertrautes Verhältnis hätte erinnern können.
Er sprach mit mir von Rom und Neapel, hörte ganz besonders mich darüber sprechen und versprach uns dort einen Besuch zu machen.
Ich gestehe, daß ich mich durch eine solche Delikatesse fast verletzt fühlte. Ich begriff dieselbe, aber sie schnürte mir das Herz zusammen.
Das Weib will, wenn sie auch vergißt, doch nicht vergessen werden.
Sir William kam etwas später wieder, als er gesagt, so daß das Porträt dadurch gewann. Er hatte Mr. Pitt gesprochen, ihm die Briefe von der Königin Marie Antoinette und von dem Kaiser Joseph dem Zweiten gezeigt und mit ihm eine lange Unterredung über die Angelegenheiten des Kontinents gehabt.
In Frankreich standen die Dinge äußerst schlecht. Kälte und Hungersnot schienen sich verschworen zu haben, um aus den Franzosen eben so viel wütende Teufel zu machen.
Man sprach von Einberufung der Generalstaaten auf den 4. April. Mr. Pitt betrachtete diesen Zeitpunkt schon jetzt als den Anfang der Revolution.
Sir William hatte Vollmacht erhalten, um in Neapel die Angelegenheiten Englands zu führen, wie ihm gut dünkte, natürlich immer mit gebührender Rücksicht auf die Ehre und die Interessen Großbritanniens.
In Romneys Gegenwart sagte er von diesem allem nichts, sondern erzählte es bloß mir auf dem Rückwege nach unserem Hotel.
Zehntes Capitel
Am nächstfolgenden Montag, dem 20. März 1789, dem Tage meiner Vorstellung bei Hofe, war keine Sitzung bei Romney. Der ganze Tag war den Zurüstungen zu dieser großen Zeremonie und ganz besonders dem Dienste meiner Toilette gewidmet.
Auf meine Vorstellung sollte großer Hofball folgen.
Als der König mich erscheinen sah, kam er mir mit liebenswürdiger Galanterie entgegen, bot mir die Hand und führte mich auf meinen Platz, indem er mit mir zu sprechen nur aufhörte, um sich mit Sir William zu unterhalten.
Kaum hatte der König mich verlassen, so näherte sich mir der Prinz von Wales.
Unwillkürlich ward mein Gemüt nun von einem einzigen Gedanken erfüllt. Ich sah mich in meinem schlichten Kostüm als Gesellschaftsfräulein auf Miß Arabellas Terrasse an dem Abend, wo sie den Prinzen von Wales empfangen. Ich sah sie wieder beide am Fenster, dann in das helle Licht zurücktretend, strahlend vor Jugend und Begierde.
Ich weiß nicht, was der Prinz mir sagte. Ich weiß nicht, was ich ihm antwortete. Alle Fasern der Erinnerung enthoben meinen Geist der Gegenwart und ließen ihn rückwärts eine Reise in die Vergangenheit machen.
Ich mußte dem Prinzen sehr albern erscheinen.
Dieser Abend war für mich gleichzeitig ein Abend des Stolzes und des Schmerzes; des Stolzes, denn ich hatte mein Ziel erreicht; ich war offiziell als Sir Williams Gattin am Hofe von England empfangen, kein anderer Hof konnte sich nun weigern, mich zu empfangen, und in meiner Eigenschaft als Gesandtin einer Großmacht kam ich, was den Rang betraf, unmittelbar nach den Prinzessinnen von Geblüt – des Schmerzes, weil jedes Lächeln, jeder scheele Blick, jedes ins Ohr geflüsterte Wort mir eine im Grase kriechende Verleumdung zu sein schien, welche bereit war, den Kopf emporzuheben, sobald ich mich entfernt haben würde.
Sir William war ein förmliches Wunder von Ruhe und stiller Freude. Wäre ich, um sein Weib zu werden, aus dem strengsten, vergittertsten Kloster gekommen, so hätte er nicht stolzer auf mich zu sein scheinen können.
Dennoch ward mir der Abend sehr lang, und obschon ich den Hofball schon vor ein Uhr morgens verließ, so war ich doch ungemein erschöpft und abgespannt.
Am nächstfolgenden Tage hütete ich mich wohl, die Sitzung bei Romney zu versäumen.
Ich fühlte das Bedürfnis, das Antlitz eines Freundes zu sehen; ich wußte, daß ich am vergangenen Abend nur Masken gesehen.
Er war, wie der Diener mir sagte, wegen eines dringenden Geschäftes ausgegangen. Er ließ mich deshalb um Entschuldigung bitten und zugleich ersuchen, ihn zu erwarten. Sir William, welcher diesen Morgen wieder allerlei Geschäfte zu besorgen hatte, nahm den Wagen und ließ mich bei Romney.
Ich erwartete diesen mit der größten Ungeduld. Ich sollte ihm Neuigkeiten bringen und es war mir, als wenn ich dergleichen von ihm erfahren würde.
Als ich daher seinen Schritt vernahm, als ich seine Stimme in dem Nebenzimmer des Ateliers hörte, als ich die Tür sich öffnen sah, eilte ich auf ihn zu und fragte:
»Nun?«
Wahrscheinlich regte sich auch in ihm etwas Ähnliches wie in mir, denn so unbestimmt meine Frage auch war, so beantwortete er doch meinen Gedanken direkt.
»Wohlan,« sagte er zu mir, »Sie haben gestern einen wahnsinnigen Erfolg gehabt. Ich bin heute morgen in der ganzen Stadt herumgelaufen, um Neuigkeiten von Ihnen zu hören, und ich habe nur wütende Frauen gesehen. Wie es scheint, sind Sie wunderschön gewesen. Man spricht von drei Herzoginnen, die vor Eifersucht krank geworden seien; andere haben, als sie gesehen, wie der König Sie auf Ihren Platz geleitet und wie dann der Prinz von Wales mit Ihnen geplaudert, sich vor Wut in die Finger gebissen und sind auf dem besten Wege, völlig überzuschnappen. Ich habe soeben das Porträt der Lady Craven skizziert, einer Engländerin von altem Schrot und Korn, welche sich kürzlich von Lord Craven nach vierzehnjähriger Ehe hat scheiden lassen. Sie ist mit auf dem Hofball gewesen und hat herzlich über die Gesichter gelacht, welche man Ihnen gezogen. Ich sagte ihr, daß ich Sie bei mir anzutreffen hoffte, und sie entgegnete mir ganz einfach: Machen Sie ihr meine Komplimente und sagen Sie ihr, sie sei das schönste Geschöpf, welches ich jemals gesehen.«
Ich ergriff Romneys Hand und drückte sie ihm mit aller Kraft. Es drängte mich, ihm um den Hals zu fallen. Er hatte mir bis in die feinsten Äderchen das göttliche Gefühl der befriedigten Rache eingeflößt.
Am nächstfolgenden Tage erstatteten alle Journale ihre Berichte über den Hofball. Einige schonten mich nicht, aber was kam weiter darauf an? Mein Prozeß der Königin von Neapel gegenüber war gewonnen.
Am siebenten Tage war mein Porträt fertig, da es aber infolge der orientalischen Zutaten, womit Romney mich umgeben, mehr ein Gemälde geworden, als ein Porträt geblieben war, so bat Sir William, entzückt von dem Talent, womit es ausgeführt wurden, den Maler, die Gefälligkeit noch weiter zu treiben und sich nochmals an die Arbeit zu setzen, um ein zweites Porträt zu fertigen, welches ebenso einfach wäre, als das erste kompliziert war.
Romney verlangte nichts Besseres. Er behauptete, es mache ihm so viel Vergnügen, mein Bild zu malen, daß er nie ein anderes Modell begehren möchte.
An demselben Tage, wo er das erste Porträt beendete, begann er das zweite. Dieses war von wahrhaft griechischer Einfachheit.
Ich war mit bloßem Kopf, von vorn gesehen, das Haupt ein wenig gegen die rechte Schulter geneigt. Mein langes aufgelöstes Haar wallte auf meine Brust herab, die durch eine Tunika von Musselin halb verschleiert war. Ein Mantel von rotem Kaschemir war über meine Schultern geworfen.
Mein einziger Schmuck war ein goldener Gürtel, nach arabischer Manier ziseliert, der zugleich eine Kamee umschloß, welche Sir William Hamilton vorstellte.
Dieses zweite Porträt, welches meiner Meinung nach noch schöner war als das erste, ward in fünf Tagen beendet, es ist dies dasselbe, welches Sir William dem Lord Nelson schenkte. Dieser ließ es in seiner Kajüte auf dem »Donnerer« aufhängen. Nach seinem Tode ward es mir zurückgegeben und es bildet in der elenden Hütte, wo ich diese Memoiren schreibe, noch heute das Seitenstück zu dem seinigen.
In den Tagen meiner Armut hat man mir bis zu zwölftausend Francs für diese beiden Porträts geboten, aber ich habe mich niemals entschließen können, mich davon zu trennen. Sie sollen die Aussteuer meiner Horatia sein.
Während unseres Verweilens in London gab Sir William einige Soiréen, zu welchen die ganze Gentry der Hauptstadt eingeladen ward.
Einige Frauen, welche es für angemessen erachtet hatten, die Spröden zu spielen, weil sie sich auf der andern Seite der Vierzig befanden, glaubten, diese Gesellschaften nicht mit ihrer Gegenwart beehren zu sollen, von den jungen und schönen Frauen der Aristokratie aber blieb auch nicht eine einzige weg.
Sir William verlangte, daß ich in diesen Soiréen einige Charakterszenen vorführte. In der einen sprach ich demgemäß Julias Monolog, in einer andern spielte und sang ich die Nina.
An diesem Abende entwickelte sich ein förmlicher Enthusiasmus, und ganz besonders Romney war wie von Sinnen.
Am nächstfolgenden Tage schrieb er an einen seiner Freunde: »In meinem letzten Briefe glaube ich Dir gemeldet zu haben, daß ich bei Sir William und dessen Gemahlin dinieren würde. Am Abende versammelten sich mehrere Personen unserer ersten Gesellschaft, um Lady Hamilton singen zu hören. Im ernsten wie im komischen Fache weckte sie durch ihre Anmut, wie durch ihr Talent die Bewunderung aller, ihre Nina aber übertraf alles, was man sehen kann, und ich glaube in bezug auf das Feuer, welches sie in diese Rolle zu legen weiß, kommt keine andere Darstellerin ihr gleich. Die ganze Gesellschaft lauschte ihr mit atemloser Spannung, so einfach, so groß, so erschütternd und ergreifend ist ihr Spiel.
Meine beiden Porträts wurden mit der größten Sorgfalt eingepackt und Sir William, der von dem, was er seinen »Schatz« nannte, sich nicht trennen wollte, richtete es so ein, daß wir denselben bei unserer Abreise gleich mitnehmen konnten.
Wir verließen London am 20. April. Sir William nahm aus Neugier den Rückweg über Paris. England, welches bald einen so grausamen Krieg gegen Frankreich führen sollte, war jetzt noch in Frieden mit diesem Lande und Sir William ward daher in dieser Beziehung durch nichts an der Ausführung seines Wunsches gehindert.
Wir kamen am 26. April an, gerade zur rechten Zeit, um eine Emeute zu sehen. Es war die der Vorstadt St. Antoine.
Sir William hatte alle mögliche Eile aufgeboten, um der Eröffnung der Generalstaaten beizuwohnen, welche am 27. stattfinden sollte. Bei unserer Ankunft erfuhr er jedoch, daß sie auf den nächstfolgenden 4. Mai verschoben war. Anstatt der Eröffnung der Generalstaaten sahen wir den Brand und die Plünderung der Magazine Réveillons.
Wir sahen die Sache gleichsam aus der ersten Loge mit an. Ohne Zweifel wußte man schon am Tage vorher, daß etwas geschehen würde, denn als Sir William abends nach Hause kam, brachte er die Erlaubnis zu einem Besuche in die Bastille mit.
Den nächstfolgenden Tag machten mir von dieser Erlaubnis Gebrauch.
So wie wir uns der Bastille näherten, ward die Menge immer dichter und wir glaubten nicht, mit unserm Wagen bis zum Eingangstore durchdringen zu können. Endlich gelang es uns, aber nicht ohne daß wir mit Geschrei und Verwünschungen begrüßt worden wären. Das französische Volk schien mir seit der Zeit, wo ich es zum ersten Male gesehen, sich sehr verändert zu haben.
Der Gouverneur Delaunay, welcher bereits in Kenntnis gesetzt worden, daß der englische Gesandte und seine Gemahlin die Bastille besuchen würden, erwartete uns, um selbst die Honneurs des königlichen Schlosses zu machen. Er begann damit, daß er uns fragte, ob wir seine Gefangenen sehen wollten, wenigstens die, welche es ihm erlaubt wäre, uns zu zeigen.
Ich erkundigte mich, ob es zulässig wäre, einige davon in Freiheit zu setzen.
Delaunay antwortete mir, daß seine Courtoisie sich so weit nicht erstrecken dürfe.
»Dann,« sagte ich, »wenn wir nichts für diese Unglücklichen tun dürfen, so wünsche ich sie lieber nicht zu sehen.«
»Aber was wünschen Sie dann sonst zu sehen?«
»Paris von der Höhe der Türme.«
Dies ließ sich sehr leicht tun. Der Gouverneur ging mit seinem Hute in der Hand uns voran, und ließ, wie dringend ich ihn auch bat, sich doch nicht bewegen, ihn aufzusetzen.
Ich fragte mich, wie ein so artiger und manierlicher Mann seinen Gefangenen gegenüber so unerbittlich oder vielmehr so habsüchtig sein könnte.
Man erzählte nämlich von ihm ganz unglaubliche Beispiele von Geiz und Eigennutz. Alle Ämter der Bastille bis herab zu dem des Küchenjungen wurden von ihm verkauft und hingen von ihm ab. Mit sechzigtausend Francs Besoldung wußte er es, wie man sagte, möglich zu machen, hundertundzwanzigtausend einzunehmen. Er hatte seinen Gewinn an allemam Holz, am Wein, an den Lebensmitteln. Die Terrasse einer Bastion war in einen Garten zum Spaziergange für die Gefangenen verwandelt worden, Delaunay aber hatte denselben für hundert Francs jährlich an einen Gärtner vermietet.
Als wir oben auf den Türmen standen, schweifte unser Blick einerseits bis zum äußersten Ende des Boulevard du Temple, andererseits bis zum sogenannten königlichen Garten, gegen Westen bis Vincennes, gegen Osten bis zu den Invaliden.
Erst von hier aus sahen wir ordentlich, wie zahlreich die Menge war, welche wir passiert und auf welche wir jetzt herabschauten.
Diese ganze Menge drängte sich nach der Vorstadt Saint-Antoine zu. Sie schien wild aufgeregt zu sein und einige Männer drohten im Vorbeiziehen der Bastille mit der Faust.
Delaunay lachte darüber.
Ich fragte ihn, was dieses Getöse und Geschrei zu bedeuten habe.
Er antwortete mir, das Volk von Paris behaupte in seiner Verblendung und Böswilligkeit, es müsse verhungern. Der Papierfabrikant Réveillon, einer jener Aristokraten des Handels – der allerschlimmsten Aristokraten, die es gäbe – habe, wie man behauptete, gesagt, der Arbeiter verdiene noch zu viel und man müsse seinen Tagelohn bis auf fünfzehn Sous herabsetzen. Man fügte hinzu, er solle mit der schwarzen Schnur des St. Michaelisordens von dem Hofe dekoriert werden, der sich auf diese Weise in ihm eines royalistischen Wählers versicherte.
Die ganze Menge drängte sich nach Réveillons Magazinen. Das Geschrei, welches sie ausstieß, bedrohte den Papierfabrikanten mit dem Tode. Zum Glück hatte er sich versteckt, so daß man ihn in seinem Hause nicht fand.
Binnen wenigen Augenblicken ward nun aus einer Schütte Stroh eine Puppe fabriziert. Ein Trödler brachte einen alten Rock, welchen man dem Strohmann anzog. Dann hing man ihm eine schwarze Schnur um den Hals, befestigte ihn am Ende einer Stange und trug ihn so in den Straßen von Paris herum. Der Zug bewegte sich an der Bastille vorüber, um den Strohmann auf dem Platze vor dem Stadthause zu verbrennen.
Zugleich aber versprachen die Meuterer, indem sie sich entfernten, daß sie den nächstfolgenden Tag wiederkommen und das Haus in Brand stecken würden.
»Wenn Sie das sehen wollen,« bemerkte der Gouverneur in galanter Weise, »so kommen Sie morgen zur selben Stunde wieder. Die Sache wird interessant werden, glaube ich.«
»Aber,« entgegnete ich, »da diese Leute ihre Absicht ganz laut und offen aussprechen, so wird die Polizei morgen ihre Maßregeln ergreifen und sich diesem Vorhaben widersetzen.«
»O Mylady,« entgegnete Delaunay lachend, »man sieht wohl, daß Sie sich noch in England glauben, wo ein Konstabler, wenn er den Anführer der Emeute mit seinem Stabe berührt, eine Zusammenrottung von hunderttausend Mann zerstreut. Geben Sie sich keiner Täuschung hin, Mylady. Hier sind wir in Frankreich und in Frankreich bleibt das Volk, wenn es sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hat, nicht auf halbem Wege stehen. Erzeigen Sie mir die Ehre, morgen mit mir zu frühstücken. Ich werde einen Mann als Schildwache auf die Türme postieren, damit wir sofort benachrichtigt werden, wenn das Schauspiel beginnt, und ich verspreche Ihnen zum Dessert eine Szene, wie man dergleichen nicht alle Tage sieht.«
Ich sah Sir William an. Er las in meinen Augen den Wunsch, Zeugin der Ereignisse des morgenden Tages zu sein, und da er nie etwas anderes wollte, als was ich wollte, so sagte er:
»Herr Gouverneur, abgesehen von dem Frühstück, nehmen wir Ihr freundliches Anerbieten an.«
Der Gouverneur verneigte sich.
»Unglücklicherweise,« entgegnete er, »sind die Anerbietungen von der Art, daß sie sich nicht voneinander trennen lassen. Es bietet sich mir Gelegenheit, einen der ersten Gelehrten der Welt und die schönste Frau Englands an meiner Tafel zu empfangen, und diese Gelegenheit werde ich mir nicht entgehen lassen.«
Ich fühlte mich angenehm geschmeichelt und bewunderte zugleich diese französische Galanterie, welche wie eine natürliche Blume sogar aus den Steinritzen eines Gefängnisses hervorsproßte.
»Wohlan, Herr Gouverneur,« antwortete ich, »ich nehme Ihre freundliche Einladung im Namen meines Gatten und in dem meinigen an, aber nur unter einer Bedingung.«
»Eine von Ihnen, Mylady, gestellte Bedingung ist schon im voraus angenommen, bestünde sie auch darin, daß Sie die Schlüssel zur Bastille ausgehändigt verlangten. Nennen Sie die Bedingung.«
»Sie werden uns die gewöhnliche Kost der Gefangenen auftragen lassen, damit mich etwas daran erinnert, daß ich in einem Gefängnis frühstücke.«
»Auch in diesem Punkt kann ich Sie zufriedenstellen, Mylady, und verspreche Ihnen Gefangenenkost.«
»Auf Ihr Ehrenwort?«
»Auf Edelmannsparole.«
Ich reichte dem Gouverneur die Hand.
»Ich weiß« sagte ich, »daß, wenn ein Franzose dies sagt, er sich lieber umbringen lassen, als sein Ehrenwort brechen würde. Auf Wiedersehen morgen.«