Kitabı oku: «Memoiren einer Favorite», sayfa 56
Zehntes Capitel
Versuchen wir ans Ende zu gelangen.
Jedesmal, wenn ein französisches Schiff die Flagge strich, erhob die Mannschaft des »Victory« ein lautes Hurra und bei jedem dieser Hurras fragte Nelson, seine Wunde vergessend, begierig:
»Was gibt es?«
Man unterrichtete ihn dann von der Ursache des Rufes und der Verwundete gab darüber die größte Freude zu erkennen. Er litt brennenden Durst, verlangte oft zu trinken und bat, daß man ihm mit einem Fächer von Papier Kühlung zufächele.
Da er den Kapitän Hardy zärtlich liebte, so hörte er nicht auf, Befürchtungen für das Leben dieses Offiziers kund zu geben.
Der Kaplan und der Arzt beruhigten ihn über diesen Punkt, oder suchten ihn vielmehr zu beruhigen. Sie schickten dem Kapitän Hardy Botschaft über Botschaft, um ihm zu sagen, daß der Admiral ihn zu sehen wünsche, und der Verwundete, der ihn gleichwohl nicht kommen sah, rief in seiner Ungeduld:
»Sie wollen Hardy nicht kommen lassen. Gewiß ist er tot!«
Endlich, eine Stunde zehn Minuten, nachdem Nelson verwundet worden, kam der Kapitän Hardy in das Zwischendeck hinunter. Als der Admiral ihn erblickte, stieß er einen Freudenruf aus, drückte ihm liebreich die Hand und sagte:
»Nun, Hardy, wie geht der Kampf? Wie stehen die Aussichten für uns?« »Gut, sehr gut, Mylord,« antwortete der Kapitän, »wir haben schon zwölf Schiffe genommen.«
»Ich hoffe doch, daß keins von den unsrigen die Flagge gestrichen hat?«
»Nein, Mylord, keins.«
Nun in dieser Hinsicht beruhigt, kam Nelson wieder auf sich selbst zurück und sagte seufzend:
»Ich bin ein Kind des Todes, Hardy, und es geht rasch mit mir zu Ende. Bald wird alles aus sein. Treten Sie näher, mein Freund.«
Dann hob er im leisem Tone wieder an:
»Ich bitte Sie um eins, Hardy. Wenn ich tot bin, so schneiden Sie mir das Haar für meine teure Lady Hamilton ab und geben Sie ihr alles, was mir gehört haben wird —«
»Ich habe soeben mit dem Arzte gesprochen,« unterbrach Hardy. »Er hat die beste Hoffnung, Sie am Leben zu erhalten.«
»Nein, Hardy, nein,« entgegnete Nelson, »versucht nicht, mich zu täuschen. Mein Rückgrat ist entzwei.«
Die Pflicht rief Hardy wieder auf das Deck und er ging hinauf, nachdem er dem Verwundeten die Hand gedrückt.
Nelson verlangte wieder nach dem Arzte. Dieser war bei dem Leutnant William Rivers, dem eine Kugel das eine Bein weggerissen, beschäftigt.
Nichtsdestoweniger kam er herbeigeeilt, nachdem er seinen Gehilfen aufgetragen, den Verband vollends anzulegen.
»Ich wollte bloß hören, wie es mit meinem unglücklichen Kameraden stünde,« sagte Nelson. »Was mich betrifft, Doktor, so bedarf ich Ihrer nicht mehr. Gehen Sie, gehen Sie; ich habe Ihnen schon gesagt, daß ich in dem untern Teile meines Körpers schon alle Empfindung verloren habe und Sie wissen recht wohl, daß man unter solchen Umständen nicht lange mehr leben kann.«
Die hier unterstrichenen Worte ließen dem Arzte über Lord Nelsons Absicht keinen Zweifel. Er spielte damit auf einen armen Teufel an, der vor einigen Monaten an Bord des »Victory« eine Wunde unter ähnlichen Umständen wie die Nelsons davongetragen, und er hatte bei diesem Unglücklichen die Annäherung des Todes mit derselben Neugier verfolgt, als ob er erraten hätte, daß derselbe Tod auch seiner harre.
Der Arzt sagte hierauf zu Nelson:
»Mylord, gestatten Sie mir, Sie zu betasten.«
Und er begann Nelsons untere Extremitäten zu berühren, welche schon des Gefühls beraubt und gleichsam tot waren.
»O,« hob Nelson wieder an, »ich weiß recht wohl, was ich sage. Scott und Burke haben mich auch schon so berührt und ich habe dieselben ebensowenig gefühlt, als ich Sie fühle. Ich sterbe, Beatty, ich sterbe.«
»Mylord,« entgegnete der Arzt, »allerdings, ich kann nichts mehr für Sie tun.«
Und indem er diese letzte entscheidende Erklärung gab, drehte er sich herum, um seine Tränen zu verbergen.
»Ich wußte es wohl,« sagte Nelson. »Ich fühle, wie mir etwas in der Brust aufsteigt.«
Und er legte die Hand auf den Punkt, den er meinte.
»Gott sei Dank,« murmelte er; »ich habe meine Pflicht getan.«
Da der Arzt dem Admiral keine Linderung bringen konnte so ging er, um seine Fürsorge anderen Verwundeten zuzuwenden; fast in demselben Augenblicke kam aber der Kapitän Hardy zurück, der, bevor er das Deck zum zweiten Mal verlassen, den Leutnant Hills abgesendet hatte, um den Admiral Collingwood von der betrübenden Neuigkeit in Kenntnis zu setzen.
Hardy wünschte Nelson Glück, daß er, obschon bereits in den Armen des Todes, einen vollständigen und entscheidenden Sieg davongetragen, und meldete ihm, daß, soviel er beurteilen könne, fünfzehn französische Schiffe sich in diesem Augenblicke in der Gemalt der englischen Flotte befanden.
»Ich hätte gewettet, es wären zwanzig!« sagte Nelson.
Plötzlich erinnerte er sich der Richtung des Windes, und der von ihm beobachteten Symptome des herannahenden Sturmes.
»Lassen Sie den Anker werfen, Hardy, lassen Sie den Anker werfen,« sagte er.
»Ich glaube,« antwortete der Flaggenkapitän, »Admiral Collingwood wird das Kommando der Flotte übernehmen.«
»Nein, wenigstens nicht so lange ich lebe,« sagte der Verwundete, indem er sich auf den Ellbogen emporrichtete.«Hardy, ich sage Ihnen, Sie sollen den Anker werfen! Ich will es!«
»Ich werde sogleich Befehl dazu erteilen, Mylord.«
»Wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist, so tun Sie es, und zwar binnen fünf Minuten.«
Dann setzte er leise und als ob er sich dieser Schwäche schämte, hinzu:
»Hardy, nicht wahr, Sie werden meine Leiche nicht in das Meer werfen?«
»O, gewiß nicht, Mylord! In dieser Beziehung können Sie unbesorgt sein,« antwortete Hardy schluchzend.
»Sorgen Sie für die arme Lady Hamilton,« sagte Nelson mit immer matter werdendem Tone; »für meine arme Lady Hamilton. Küssen Sie mich, Hardy!«
Der Kapitän küßte ihn weinend auf die Wange.
»Ich sterbe zufrieden,« sagte Nelson. »England ist gerettet.«
Der Kapitän Hardy blieb noch einen Augenblick in stummer Betrachtung neben dem sterbenden Helden stehen, kniete dann nieder und küßte ihn auf die Stirn.
»Wer küßt mich?« fragte Nelson, dessen Auge schon von der Nacht des Todes umflort zu werden begann.
Der Kapitän antwortete:
»Ich bin es – Hardy.«
»Gott segne Sie, mein Freund,« sagte der Sterbende.
Hardy ging wieder auf das Deck hinauf.
Nelson, der den neben ihm stehenden Kaplan erkannte, sagte hierauf zu ihm:
»Ach, ehrwürdiger Herr, ein hartnäckiger Sünder bin ich niemals gewesen.«
Dann nach einer Pause setzte er hinzu:
»Ich bitte Sie, vergessen Sie nicht, daß ich Lady Hamilton und meine Tochter Horatia Nelson meinem Vaterland und meinem König als Erbteil hinterlassen habe. Vergessen Sie niemals Horatia.«
Sein Durst ward immer größer. Er rief:
»Trinken! – Trinken! – Den Fächer! – Schafft mir Luft! – Reiben Sie mich!«
Diese letzte Aufforderung war an den Kaplan Mr. Scott gerichtet, der dem Sterbenden dadurch einige Erleichterung verschafft, daß er ihm die Brust mit der Hand rieb. Er sprach jedoch diese Worte mit gebrochener Stimme, welche gesteigerte Schmerzen verriet, so daß er alle seine Kräfte zusammenraffen mußte, um noch ein letztes Mal sagen zu können:
»Gott sei Dank, ich habe meine Pflicht getan.«
Nun erst hörte Nelson auf zu sprechen.
War es Schwäche? War es die letzte Ohnmacht? Wie dem auch sein mochte, so richteten der Kaplan und Mr. Burke mit Hilfe von Kissen ihn auf und erhielten ihn in einer weniger schmerzlichen Position. Sie respektierten diese Todesstille und hörten selbst auf zu sprechen, um nicht den Sterbenden in seinem letzten Augenblicke zu stören.
Der Arzt kam zurück. Nelsons Intendant war zu ihm gegangen, um ihm zu sagen, daß sein Herr im Begriff stehe, den Geist aufzugeben.
Mr. Beatty ergriff die Hand des Sterbenden; sie war kalt. Er fühlte ihm an den Puls, dieser schlug nicht mehr; dann berührte er ihn an der Stirn.
Nelson schlug sein einziges Auge auf und schloß es sofort wieder. Der Arzt verließ ihn, um sich zu andern Verwundeten zu begeben, welchen seine Fürsorge nützlich sein konnte.
Kaum aber hatte er sich entfernt, so rief der Intendant ihn zurück und sagte:
»Mylord ist tot!«
Mr. Beatty eilte sogleich wieder zu ihm. Nelson hatte in der Tat den letzten Seufzer ausgehaucht. Es war vier Uhr zwanzig Minuten. Er hatte sonach von dem Augenblick an, wo er die Wunde empfangen, noch drei Stunden und zweiunddreißig Minuten gelebt.
Indem ich Nelson verlor, hatte ich alles verloren.
Elftes Capitel
Ich brauche nicht erst die Trauer zu schildern, von welcher bei der Kunde von Nelsons Tod die ganze englische Flotte ergriffen ward. Man vergaß darüber beinahe den gewonnenen Sieg.
Hardys erste Sorge war, dem Arzt den von Nelson ausgesprochenen Wunsch mitzuteilen, daß man ihn nicht in das Meer werfen, sondern in sein Vaterland zurückführen möge.
Am Tage nach der Schlacht, als die Umstände gestatteten, sich mit der Fürsorge zu beschäftigen, welche man Nelsons sterblichen Überresten zu widmen hatte, sann man auf ein Mittel, durch welches man die Verwesung der Leiche verhindern könnte.
Natürlich mußte man sich zu diesem Zwecke der Hilfsmittel bedienen, welche an Bord des »Victory« zu haben waren.
Man hatte nicht genug Blei, um einen Sarg zu fertigen. Deshalb nahm man die größte Tonne, die man finden konnte, legte die Leiche hinein und füllte das Gefäß dann mit Rum.
Noch am Abend des Tages, wo diese traurige Verrichtung geschehen, erhob sich, wie Nelson vorausgesehen, ein furchtbarer Sturm aus Südwest.
Derselbe dauerte die ganze Nacht ununterbrochen, es ward Tag und der Sturm wütete bis zum Abend mit derselben Heftigkeit.
Während dieser vierundzwanzig Stunden blieb Nelsons Leiche im Zwischendecke unter der Obhut einer Schildwache.
Plötzlich aber sprang der Deckel der Tonne mit einem Getöse, welches dem eines Musketenschusses glich, auf.
Die Ursache war der Druck der Gase, die sich aus der Leiche entwickelt hatten.
Man schloß die Tonne wieder, brachte aber, um einer Wiederholung dieser Explosion vorzubeugen, eine Öffnung im Deckel an. Als man in Gibraltar ankam, ersetzte man den Rum durch Weingeist.
Am Nachmittag des 3. November lichtete die »Victory« den Anker, verließ die Bai von Gibraltar, passierte die Meerenge und fand vor Cadix das Geschwader unter dem Kommando des Admirals Collingwood wieder.
Noch denselben Abend setzte das Trauerschiff seinen Weg nach England weiter fort und kam nach einer Fahrt von beinahe fünf Wochen in Spithead an.
Die Nachricht von der gewonnenen Schlacht und von Nelsons Tod war jedoch in London schon seit dem 7. November bekannt. Ich erfuhr sie ganz einfach durch einen Brief von Nelsons Bruder, welcher, ohne Zweifel bloß mit dem Gedanken beschäftigt, daß er infolge dieses Todesfalls nun Lord und Pair ward, nicht Zeit fand, mich mündlich zu benachrichtigen.
Ich befand mich in meinem Haus in London, als ich diese Kunde erhielt. Der Doktor Nelson sagte mir nicht, aus welcher Quelle er sie hatte und ich zweifelte daher noch.
Ich nahm Horatia in meine Arme, ich ließ den Wagen anspannen und fuhr sofort nach der Admiralität.
Ich brauchte aber nicht einmal erst hineinzugehen, um die Überzeugung zu gewinnen, daß die Nachricht in völliger Wahrheit beruhte. Alle Welt kannte bereits den Sieg sowohl als auch den Preis, um welchen er erkauft worden war.
Am 4. Dezember, am Vorabende des zum Dankgottesdienste bestimmten Tages, kam die »Victory« in St. Helens an und entfaltete zum Zeichen der Trauer Nelsons Fahne auf halber Masthöhe. Sämtliche in Spithead liegenden Schiffe senkten sofort ihre Flaggen in derselben Weise.
Denselben Tag sendete der wackere Kapitän Hardy in treuer Vollstreckung der ihm von Nelson erteilten Instruktionen einen Kurier, der mir den an mich adressierten Briefs sowie den an Horatia gerichteten zustellte.
In einem besonderen Briefe schrieb mir der Kapitän, er habe mir vielerlei besondere Mitteilungen zu machen und eine Menge Kostbarkeiten zu übergeben, könne aber sein Schiff nicht verlassen.
Deshalb forderte er mich auf, Postpferde zu nehmen und nach St. Helens zu kommen; wo er mit mir konferieren könne.
Ich reiste sofort ab und langte am 5. morgens an.
Der vortreffliche Freund kam nun ans Land und brachte den ganzen Tag bei mir zu.
Als ich ihm hierauf den Wunsch zu erkennen gab, Mr. Scott, den Kaplan, und Mr. Beatty, den Arzt, zu sehen, ließ er dieselben holen und ich berauschte mich m meinem Schmerze, indem ich von ihnen Nelsons letzte Augenblicke in allen ihren Einzelheiten schildern hörte.
Am nächstfolgenden Tage gab mir Kapitän Hardy einen guten Rat. Dieser bestand darin, daß ich sämtliche Gegenstände, welche Nelson gehört und die er mir vermacht, an einen sichern Ort bringen sollte, damit nicht etwa seine Familie sich derselben bemächtige und ein skandalöser Prozeß dadurch veranlaßt würde.
Ich befolgte diesen Rat und mietete gleich in Spithead ein kleines Zimmer, wohin ich alle Gegenstände bringen ließ, welche Eigentum meines Helden gewesen waren.
Drei Tage vergingen mit diesem frommen Werke und gewährten mir den größten Trost, denn jeden Augenblick traten mir bei dem Anblicke irgendeines neuen Liebesbeweises, welchen Nelson mir gegeben, die Tränen, die mich erstickt hätten, in die Augen und gewährten mir die einzige Herzenserleichterung, die es für mich geben konnte.
Sonnabend, am 15. Dezember, ward Nelsons Leiche in den Sarg gelegt, welchen ihm früher der Kapitän Baron Hallowell geschenkt, und der, wie man sich erinnern wird, aus dem Maste des französischen Schiffes, der »Orient« gehauen und dann unter einen von Flaggen gebildeten Baldachin gestellt worden war.
Mr. Tyson, ehemaliger Sekretär des Admirals, Mr. Nayber, Mr. York Herald und Mr. Wilby waren von der Admiralität beauftragt, die Leiche in Empfang zu nehmen, welche in einer Yacht von dem »Victory« hinweggeführt und nach dem Hospitale von Greenwich gebracht werden sollte. Die Begräbnisfeierlichkeiten waren auf den 6. Februar festgesetzt.
Man hatte bestimmt, daß der Sarg in der St. Paulskirche beigesetzt würde, welche, zur künftigen Gruft von Helden und Staatsmännern bestimmt, durch Nelson zum Pantheon Englands eingeweiht ward.
Man erlaube mir, nicht länger bei Schilderungen meines Unglücks zu verweilen.
Anfangs glaubte ich, dasselbe werde ewigen Schmerz zur Folge haben. Ich ließ mir Trauerkleider fertigen und nahm mir vor, nie andere zu tragen.
Eines der Zimmer in Merton widmete ich den geheiligten Reliquien, in deren Besitz ich durch Kapitän Hardys frommen Gehorsam gelangt war.
Ein Jahr lang blieb ich auf diese Weise fern von der Welt und lebte mit meiner Horatia allein. Ich hatte die menschliche Schwäche eben sowenig in Anschlag gebracht, als die weibliche Beweglichkeit.
Der noch übrige Teil meines Lebens ist weiter nichts als eine Reihenfolge von Fehltritten, Ausschweifungen und Verirrungen, die mich dahin gebracht, wo ich jetzt bin. Von dem Augenblicke an, wo ich nicht mehr Sir Williams Gattin, von dem Augenblicke an, wo ich nicht mehr Nelsons Geliebte, ja sogar von dem Augenblicke an, wo ich nicht mehr die Freundin der Königin Karoline war, ward ich ganz einfach wieder Emma Lyonna, das heißt eine reichgewordene Kurtisane, welche sich vielleicht wenigstens die Achtung, die man dem Reichtume zu zollen pflegt, hätte bewahren können, wenn sie ihr Vermögen zusammenzuhalten verstanden hätte.
Einen Begriff von dem Maße meiner Erniedrigung erhielt ich gleich anfangs durch die Weigerung Englands und des Königs, Nelsons Testament anzuerkennen.
Er hatte mich dem König und dem Lande vermacht. Hätten nun das Land und der König in irgendeiner Weise das Testament des Mannes, der ihnen sein Leben geopfert, berücksichtigt, so würden sie mich in meinen eigenen Augen höher gestellt haben.
Hätten sie aber auch nur, indem sie mich zurückstießen, wenigstens meine arme Horatia aufgenommen und anerkannt, so wäre dies für mich, indem ich meine Tochter geehrt sah, eine Nötigung gewesen, ebenfalls ehrenwert zu bleiben, denn das Unglück, mich zur Mutter zu haben, mußte nach meiner Ansicht wenigstens durch die Ehre aufgewogen werden, Nelson, das heißt den ersten Seemann nicht bloß seines Jahrhunderts, sondern vielleicht auch aller Zeiten, zum Vater gehabt zu haben.
Aber dies war nicht der Fall. Man überhäufte mich und mein Kind mit Verachtung, und dadurch, daß ich mich verachtet fühlte, ward ich auch wieder verächtlich.
Während ich mich aber in den letzten Jahren meines Lebens wieder in jenen Strudel von Torheiten, Verirrungen und Ausschweifungen stürzte, womit ich meine Existenz begonnen, hielt ich wenigstens meine Horatia von mir entfernt, damit keiner meiner Fehler auf sie zurückwirken möchte.
Ich legte die viertausend Pfund Sterling, welche ihr Vater ihr vermacht, auf ihren Namen sicher an, und diese Rente von fünftausend Francs diente zur Bestreitung der Kosten ihres Lebensunterhaltes und ihrer Erziehung.
Die ausführliche Schilderung der Ereignisse, welche mich vom Luxus zum Mangel, vom Reichtum zur Armut führten, würde allzulang sein und kein Interesse darbieten.
Ich habe meine Abende in Palermo und die Leidenschaft erzählt, welche ich dort für das Spiel faßte. Diese Leidenschaft ward immer mächtiger in mir. An ein verschwenderisches Leben gewöhnt, verstand ich nicht, meine Ausgaben nach meinen Einkünften zu bemessen, und zwei Jahre nach Nelsons Tod sah ich mich in solcher Geldverlegenheit, daß ich mich genötigt fand, Merton Place zu verlassen, welches nun an die Meistbietenden verkauft ward.
Glücklicherweise hatte ich den alten Herzog von Queensbury, von welchem ich schon gesprochen, zum Freunde. Er nahm mich in eines seiner möblierten Häuser zu Richmond auf und gab mir anstatt meiner verkauften Wagen und Pferde eine andere Equipage.
Seine Geschenke setzten mich in den Stand, gut und sorgenfrei zu leben bis zur Stunde seines Todes, der gegen das Ende des Jahres 1810 erfolgte.
Seine Güte für mich erstreckte sich auch noch über das Grab hinaus, denn er vermachte mir in seinem Testamente eine Summe von tausend Pfund Sterling und außerdem einjährliche Rente von fünfhundert.
Leider aber hatte er sich für reicher gehalten, als er wirklich war, und seine Vermächtnisse hatten sein eigentliches Vermögen bedeutend überschritten. Die Folge hiervon war, daß das Tribunal das Testament für null und nichtig erklärte und ich auf diese Weise der Wohltaten, die mein alter Freund mir zu erzeigen beabsichtigt, verlustig ging.
Diese Enttäuschung war um so schmerzlicher für mich, als ich auf diese Erbschaft fest gerechnet und mich in Ausgaben gestürzt hatte, die ich davon zu bestreiten gedacht.
Einige Freunde, die mir noch blieben, taten hierauf Schritte bei den großen Kaufleuten und Schiffsreedern, um von ihrer Freigebigkeit das zu erlangen, was man von dem Ministerium nicht hatte erlangen können, das heißt die Belohnung der Dienste, welche ich dem Staat geleistet. Ihre Schritte und meine Gesuche hatten aber keinen Erfolg und ich geriet in solchen Mangel, daß ich alle meine Möbel ebenso verkaufen mußte, wie die teuren Andenken, die ich von Nelson hatte, und die mich zuweilen noch in den Schmerzen meines gegenwärtigen Lebens getröstet. Man nahm mir alles, sogar die kostbare Kapsel, in welche die Stadt Oxford das Ehrenbürgerdiplom eingeschlossen, welches sie dem Sieger von Abukir geschenkt.
Da das Geld, welches man durch diesen Verkauf gewann, aber bei weitem nicht ausreichte, um alle meine Gläubiger zu befriedigen, so ließen mehrere, die noch grausamer waren als die andern, mich festnehmen und in das Schuldgefängnis von Kingsbench bringen, wo ich mit der armen Horatia blieb, welche ich auf diese Weise, wenn auch nicht in meinen Ruin, denn sie hatte ihre viertausend Pfund, die ich nicht angreifen konnte, wenigstens aber mit in mein Unglück hineinzog.
Wir verlebten in diesem Gefängnisse über ein Jahr und erduldeten dabei fast jede nur mögliche Entbehrung und Demütigung, denn ein Mann, welchem ich leichtsinnigerweise Vertrauen geschenkt und dessen Händen ich meine Papiere übergeben, ließ damals in meinem Namen meinen ganzen Briefwechsel mit Nelson, sowie mehrere andere Briefe drucken, die sich in seinem Besitze befanden.
Was konnte ich in meinem Gefängnisse dagegen tun? Höchstens protestieren. Dies tat ich auch, meine Stimme ward aber nicht gehört, oder man schenkte ihr keinen Glauben.
Endlich faßte ein wackerer, vortrefflicher Mann, Mitglied des Gemeinderates, Mitleid mit mir, als er sah, wie grausam ich für meine Verirrungen bestraft ward. Er verständigte sich mit meinen Gläubigern, gab eine Summe Geldes her und regulierte die Sache so, daß ich von allen ferneren Ansprüchen frei war.
Ich beschloß nun, sofort England zu verlassen und auf den Kontinent zu gehen. Mein Gönner war mir zur Ausführung meines Planes behilflich und versah mich mit den nötigen Mitteln.
Wir schifften uns nach Calais ein und fanden zwischen dieser Stadt und Boulogne, in der Nähe des kleinen Hafens Ambleteuse, ein vereinzelt stehendes Haus, in dessen Dunkel ich beschlossen habe, den Rest meines Lebens zuzubringen.
Dieser Rest wird übrigens kein langer sein. Die Schmerzen, die Qualen und die Unruhe, die ich zehn Jahre lang zu ertragen gehabt, haben mich vor der Zeit alt gemacht und meine Kräfte aufgezehrt.
Der Arzt, welcher mich aus Mitleid besucht, nahm neulich beim Fortgehen Horatia mit aus dem Zimmer und ich sah, wie das arme Kind mit rotgeweinten Augen wieder hereinkam.
Nun warf ich, weil ich fühlte, daß der Tod herannahe, einen Blick auf mein vergangenes Leben, und meine Handlungen erschienen mir in ihrem wahren Lichte. Ich zitterte, ich schauderte, ich hatte Nächte, in welchen unaufhörlich Gespenster vor mir herumtanzten, und am Tage ward ich von nagender Reue gefoltert. Ich fühlte, daß ich, wenn ich so stürbe, in Verzweiflung enden würde. Plötzlich aber fiel ein Lichtstrahl in meine Nacht, und der Herr erleuchtete mich. Ich sagte bei mir selbst: »Es gibt eine sanfte und barmherzige Religion, zu welcher ich mich stets unwiderstehlich hingezogen gefühlt, eine Religion, deren Stifter der Ehebrecherin und dem Mörder am Kreuze verziehen hat. Ich will einen Priester dieser Religion rufen lassen und meine schuldbeladene Seele seinen Händen überantworten.«
Ich habe nach dem Priester geschickt und erwarte ihn.
Herr des Himmels und der Erde! Sei der bereuenden Sünderin gnädig und barmherzig!
Hiermit sind Emma Lyonnas Bekenntnisse zu Ende.
Unsere Leser wissen bereits, was weiter geschah. Sie haben zu Anfange dieser Erzählung den Priester kommen sehen. Sie haben das geheiligte Wasser der Taufe die bleiche Stirn der Sünderin netzen, sie haben diese Stirn mit dem Siegel der Reue und der Vergebung auf die Kissen zurücksinken sehen. Fünf Minuten später ruhte Lady Hamilton in der Barmherzigkeit Gottes. Fügen wir jetzt noch einige Worte über das hinzu, was nach ihrem Tode geschah.
Die Gattin des Gesandten Englands, die Geliebte Nelsons, die Freundin der Königin von Neapel sollte am 16. Januar 1815 in einem auf Gemeindekosten angeschafften Sarge in das gemeinschaftliche Grab der Ortsarmen geworfen werden, als ein in Calais wohnhafter englischer Kaufmann, von der Ansicht ausgehend, daß es für seine Landsleute eine Schmach sei, die arme Unglückliche nach ihrem Tode ebenso zu verlassen, wie man sie während der letzten Jahre ihres Lebens verlassen, für sie einen Platz in dem ehrenvolleren Teile des Kirchhofes kaufte und in Begleitung von etwa fünfzig andern Engländern ihr die letzten Ehren erwies.
Ihr Grab ward durch einen Leichenstein bezeichnet, dessen Inschrift in den Worten des Erlösers bestand:
»Wer unter Euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.«
Die junge Horatia, welche damals eben ihr vierzehntes Jahr zurückgelegt und ihre Mutter während der Krankheit derselben mit der rührendsten und unverbrüchlichsten Liebe und Sorgfalt gepflegt, kehrte nach dem Tode ihrer Mutter nach England zurück und blieb zwei Jahre in der Familie Mr. Matchams und dann Mr. Boltons, eines Schwagers von Lord Nelson. Im Jahre 1822 vermählte sie sich mit dem wohlehrwürdigen Philipp Ward, Pfarrer von Teuterden, und ward glückliche Mutter von acht Kindern.