Sadece LitRes`te okuyun

Kitap dosya olarak indirilemez ancak uygulamamız üzerinden veya online olarak web sitemizden okunabilir.

Kitabı oku: «Olympia von Clèves», sayfa 51

Yazı tipi:

XC.
Olympia hat auch ihre Vorgefühle

Olympia hatte sich, wie wir erwähnten, als sie den Abbé d'Hoirac erblickt, ganz schauernd vor Schrecken entfernt.

Erst nach hundert Schritten, als sie Atem schöpfte, gab sie sich Rechenschaft von der Gefahr, die sie tief, und der sie sich, trotz der Ahnungen von Banniére, so unvorsichtig entgegengeworfen.

Ach! es war also mehr Zartgefühl im Geliebten, als in der Frau!

Liebte Banniére mehr, er, der so gut geahnt hatte, welchen Gefahren seine Liebe preisgegeben sein sollte?

Olympia hatte mit einem Blicke Alles erschaut, was die Offenbarung ihrer Gegenwart an Ideen beim Abbé d'Hoirac erneuern würde.

Dieser hartnäckige Bewerber, den nichts ermüdete, hatte nur auf die Geliebte des Grafen von Mailly verzichtet, während er die von Banniére beständig belagerte.

Sollte er die Frau mehr achten, als er die Geliebte geachtet hatte, besonders wenn die Frau durch einen Zufall, den er sicherlich zu seinem Vorteil erklären würde, zurückgekommen war, um an seine Thür zu klopfen?

Olympia fing wieder an zu laufen; doch nach hundert weiteren Schritten war sie abermals genötigt, stille zu stehen: das Blut floss nach ihren Schläfen und von da erstickend nach ihrem Herzen zurück.

Dann klangen ihr die Ohren, und es schien ihr, als sagte ihr ganz leise jedes Klingen! d'Hoirac! d'Hoirac!

Der Zufall. . . das war doch der Zufall?

Aber wie konnte sie an den Zufall glauben!

War es Zufall, diese Dringlichkeit, mit der Olympia beim Herrn des Hauses eingeführt zu werden verlangt hatte? Das Geld, das sie gegeben, das, welches sie versprochen, war das Zufall?

Warum sollte man sich nicht aus alle diese Umstände etwas einbilden, wenn man d'Hoirac hieß?

»Oh!« murmelte Olympia, »ich höre ihn von hier aus. Er wird sagen: »»Sie hat meine Wohnung gewusst, sie ist herbeigelaufen, und sie ist entflohen, als sie mich erblickt hatte, wie Galathen, um verfolgt zu werden. Nun, da sie ihre Gegenwart kundgethan hat, verlangt sie nur Eines: daß ich sie suche und sie finde.««

Oh! und Banniére?

Banniére, wenn er das wüsste, wie würde er sich in diesen Morgenbesuch bei seinem alten Nebenbuhler, mehr, bei seinem Feinde, schicken? Würde er, Banniére, an einen Zufall glauben, an welchen Olympia, das Opfer dieses Zufalls, kaum glaubte?

Würde nicht Alles übereinstimmen, um eine schon zu sehr beargwöhnte Frau anzuklagen? Und besonders diese Hast, mit der sie aufgestanden, allein ausgegangen war, und sich an einen abgelegen Ort begeben hatte! Alles dies, um dort unvermutet, wen zu finden? Diese Geißel der Ruhe von Banniére, sein zweites Schreckbild nach Herrn von Mailly, den Abbé d'Hoirac!

Ach! in Gegenwart solcher Anscheine fühlt eine Frau nie, beinahe nie den Mut der Offenherzigkeit in sich, besonders wenn sich diese Frau in der Lage von Olympia befindet. Sie beugt das Haupt unter dem Gewicht einer Vergangenheit, die ihr dieselbe verbietet. Sie hofft Alles durch ein Stillschweigen zu tilgen, welches das geringste Echo der Geräusche von einst erschreckt und verletzt.

Olympia wird also gleich von Anfang an ein Geheimnis vor dem Manne haben müssen, den sie liebt, den sie anbetet, vor dem Manne, dem sie einen hohen Herrn, einen König geopfert hat, vor dem Manne, den sie zum einzigen Ziele ihrer Gedanken, zum Gebieter aller ihrer Handlungen zu nehmen sich entschlossen hat. »

Sie wird es tun, was es sie auch kosten mag: sie wird das Stillschweigen über das, was vorgefallen ist, beobachten, nicht ihretwegen, sondern seinetwegen.

Banniére würde nie glauben, das zu glauben in der Tat beinahe unmöglich war.

Er würde sich vielleicht den Anschein geben, als glaubte er; dann wäre er aber nur um so unglücklicher, denn im Grunde seines Herzens würde er nicht glauben.

So allem Elend ihres früheren Lebens zurückgegeben, so entschlossen, zu lügen, ging Olympia wieder nach dem Gasthaus, ebenso besorgt, Banniére wach zu finden. als sie, wenn Alles geglückt wäre, ihn schon aus zu finden gewünscht hätte, um ihm sogleich eine gute Kunde mitzuteilen.

An der Ecke der Rue des Vergettes, wo sie wohnten, erblickte sie ihn.

Banniére stand am Fenster: er wartete.

Banniére sah sorglich aus: sein Glück war von zu frischem Datum, als daß er desselben wohl hätte versichert sein sollen. Ein neuer Grundeigentümer gewöhnt sich nicht sogleich daran, seine Ernten und seine Früchte mit Ruhe zu genießen. Der erste Flintenschuss, den der neue Erwerber in dem Kaninchengehege gethan, das er gekauft, macht, daß er den Kopf umwendet, um zu sehen, ob der Aufseher, der es bewacht, nicht berechtigt sei, ihn als auf dem Gute eines Andern jagend in Untersuchung zu ziehen.

Banniére wartete also seit einer Viertelstunde.

Banniére war stufenweise durch alle Schichten gegangen, welche sich vom Zweifel bis zur Bangigkeit, von der Dämmerung bis zur Nacht ausdehnen.

Und dieser ganze Weg, den die Einbildungskraft von Banniére durchlaufen hatte, war von Unglück weissagenden Scheinen durchfurcht.

Hatte Olympia schon überlegt? das war bald. War sie allein in Lyon spazieren gegangen? War sie nach außen durch einen Brief gezogen worden, den man ihm, Banniére, verborgen?

Diese Fragen machte sich Banniére, und die immer mehr stürmischen Schlüge seines Herzens antworteten allein daraus.

Er erblickte Olympia und bebte.

Als er sie erblickte, war schon beinahe Alles vergessen. Er hatte sie nicht wiederzusehen befürchtet, und er sah sie wieder.

Er lief an die Zimmerthür, öffnete sie und empfing Olympia in seinen Armen.

Sie war noch bleich und ganz außer Fassung.

Nachdem er sie in seine Arme geschlossen, wie Herpagon seine wiedergefundene Cassette, fing Banniére diese Blässe und diese Befangenheit zu bemerken.

Olympia war indessen eine große Schauspielerin; ist aber das Herz einer großen Schauspielerin eingenommen, so ist die große Schauspielerin nur noch eine arme liebende Frau,

»Woher kommst Du?« fragte Banniére, »woher kommst Du, die Du mich, während Ich schlief, verlassen hast, so daß ich Dich vergebens gesucht habe, als ich die Augen öffnete.«

»Neugieriger!«

»Ich will es wissen,« versetzte Banniére zärtlich.

«Und wenn ich es Dir nicht sagen will?« erwiderte Olympia, indem sie eine Szene der Koketterie zu beginnen versuchte.

Doch man war nicht aus dem Theater, Banniére spielte keine Rolle; Banniére lebte in seinem eigenem Leben, drückte seine eigene Leidenschaft aus.

»Ah! Du willst es mir nicht sagen!I« rief Banniére »wohl! ich werde es erraten.«

»Errate, und wenn Du richtig errätst, werde, ich ja sagen.«

»Du hast ein Haus gesucht?«

»Erraten.«

»Das Häuschen.«

»Welches Häuschen?«

Olympia errötete unwillkürlich.

»Das Haus am Ufer der Saone, Du weißt? das. welches Du mir gestern von der Anhöhe zeigtest?»

Olympia antwortete nicht.

»Du weißt wohl,« fuhr Banniére mit einer gewissen Ungeduld fort, »das, von welchem Du so viel mit mir gesprochen hast; das hübsche Häuschen, nach dem Dich gelüstete, und das Du, ich bin fest davon überzeugt, gemietet hast, um es mir bei meinem Erwachen als Hochzeitgeschenk zu geben.«

»Nun wohl! ja,« antwortete Olympia, in ihren Verschanzungen bedrängt. »Und es ist gemietet.«

»Ah! Du hast Dich belehren lassen, Du, Olympia, Fräulein von Clèves? Du hast eine Unmöglichkeit anerkannt? Oh! ich glaube es nicht.«

»Du musst mir aber glauben: das Haus wird bewohnt«

»Von wem?««

»Weiß man es? Von Einem, der an seinem Vorrechte festhält.«

»Und es ist ein Mensch grausam genug gewesen, um meiner Olympia etwas abzuschlagen, was sie wünschte?«

»Es scheint, es gibt solche Menschen, denn man hat es mir abgeschlagen. Allerdings war es kein Mann.«

»Ah! Frauen?«

»Eine Magd.«

»Und Du hast nicht mit der Herrschaft gesprochen?«

»Nein,« antwortete ein wenig trocken Olympia, welche brannte vor Begierde, das Gespräch da stehen bleiben zu sehen, wo sie zu lügen genötigt wäre, denn bis zu diesem Augenblick hatte sie nicht gelogen.

Banniére schaute sie an.

Dieser Blick, wäre er weniger verliebt gewesen, würde die arme Frau aus der Stelle getödtet haben.

»Du hast also nichts gemietet?« fuhr er fort.

»Nichts. Wir werden Beide gehen, mein Freund, und dann ohne Zweifel glücklicher sein.«

»Oder auch. . .«

»Oder was?«

»Ich weiß, was ich sagen will,« erwiderte Banniére lachend.

»Was willst Du sagen?«,

»Nichts.« .

»Du sinnst auf etwas, mein Freund s«

»Nun wohl! ja, ebenfalls Neugierige. Ich sinne daraus, allein dorthin zu gehen.«

«Ganz allein!« rief Olympia.

»»Ja, ich hege die Idee, daß ich das, was Du nicht für mich Hast tun können, für Dich zu tun das Glück haben werde.«

»Was sagst Du?«

»Ich sage, daß Du, da Du dieses Häuschen so sehr gewünscht, es auch haben müssest, und Du wirst es haben, oder ich heiße nicht Banniére!«

Olympia bebte. Sie stellte sich Banniére vor, wie diese Thür klopfte, d'Hoirac traf und Alles erriet.

Sie war auf dem Punkte, zu gestehen. Doch sie hatte nicht den Mut hierzu. Sie gelobte sich, den ganzen Tag nicht von der Seite von Banniére zu weichen und diesen Tag anzuwenden, um ihn zu bestimmen, Lyon zu verlassen, was bei dem Widerwillen den er ausgesprochen, nichts Schwieriges sein musste.

Nichtsdestoweniger hatte sie den Befürchtungen, von Banniére so viel Dringlichkeit entgegengesetzt, daß es schwer für sie war, von ihrer gestrigen Entscheidung, welche ihr Gatte angenommen, wieder abzugehen.

»Übrigens,« sagte Banniére, als ob er sich ans seinen Gedanken durch die Erörterung antwortete, »übrigens ist dieses Häuschen wahrscheinlich nicht das einzige.«

»Ich bin wohl umher gelaufen und habe nichts gefunden,« erwiderte Olympia.

»Es gibt in der Tat wenig Wohnungen, die sich mit unserem Vermögen in Einklang setzen lassen,« sprach Banniére; »eine Wohnung war leichter zu finden, als wir ganz reich oder ganz arm waren.«

»Nein, Lyon ist offenbar keine Stadt von Hilfsquellen, wie man sich einbildet.«

»Ich sagte es Dir gestern, liebe Freundin.«

»Hat man es einmal von nahe angeschaut . .«

»So sieht man, daß der Mann Recht hatte.«

»Ich gestehe es.«

»Übrigens gewährt es diesem fraglichen Manne so viel Vergnügen, zu tun, was seine Frau will, daß er seit gestern findet, Lyon sei das Paradies Frankreichs.«

»Nun!« sagte Olympia,«es ist vielleicht eine Laune; doch seit gestern bin ich ganz anderer Ansicht über Lyon geworden.« . .

»Wahrhaftig!«

»Ja, ich weiß nicht warum, aber ich befürchte eine Katastrophe. »Ihre Ahnungen haben mich angesteckt, ihre düsteren Reflexionen kehren in meinen Geist zurück und erschrecken mich.«

»Gut! lassen wir das. Du bist der Sonnenstrahl gewesen, der die Wolken zerstreut: Du hast gelächelt, und der Himmel ist blau.«

»Mein lieber Banniére, Sie mögen sagen, was Sie wollen, Sie mögen mich launenhaft, unbeständig nennen, wie es Ihnen beliebt, aber ich will nicht in Lyon bleiben.«

»Wahrhaftig!«

»Ich langweile mich.«

»Höre, ich will die Ursache nicht suchen, welche Dich Deine Ansicht zu ändern veranlasst hat . . .«

»Es gibt keine andere, als die Vorgefühle, von denen Du gestern gesprochen; sie stecken mich an.«

»Das will besagen?«

»Daß wir Lyon verlassen, nicht wahr?«

»Wie Du willst, liebe Freundin.«

»Und wann ich will?«

»Aus der Stelle,« erwiderte Banniére.

Und er stand lachend auf.

»Sieh, mein Freund,« fuhr Olympia fort, »ich habe nachgedacht. Ich habe mir gesagt, der Aufenthalt in der Stadt koste doppelt so viel, als der Aufenthalt auf dem Lande; um von einer Dienerin unterstützt zu sein, werden wir ausgeben, was wir anderswo Zweien geben würden; wir haben hier von Luft nichts, als die Dünste des Wassers, von Blättern nur die der Linden, welche zwischen Pflastersteinen wachsen, vom Himmel nur das, was man durch den Ausschnitt der Kamine erblickt. Ich sage mir, daß hier, wenn wir aus der Straße Leuten begegnen, unter diesen Leuten sich Feinde oder Ärgerliche finden werden; daß, wenn wir Nachbarn haben, diese Nachbarn sich in Spione verwandeln werden. Ich sage Alles dies und erkläre, daß ich, als mir mein Mann dasselbe sagte, sogleich mich hätte erinnern müssen, ich sei sein, Frau, und folglich ein Wesen geschaffen, um seinen Befehlen gehorchen, wenn seine Befehle nicht bloße Phantasien seien.«

»Nun denn!« erwiderte Banniére »laß uns abreisen, meine angebetete Olympia. Das Glück, der Frühling, der Himmel, die Blätter, das Leben sind nur da, wo Du bist. Reisen wir ab, meine Freundin reisen wir ab.«

»Wohl an! ja, reisen wir ab, Gewinnen wir diesen Tag, der bezahlt ist. Kommen wir mit einem andern Fuhrmann überein; und heute Nacht, nun! heute Nacht machen wir uns aus dem Staube, wie Schuldige, wie Diebe.«

»Einverstanden.«

Sie frühstückten heiter, glücklich, Lyon noch an, demselben Tage zu verlassen.

Olympia schien indessen am meisten von Beiden Eile zu haben.

Sie hatte nun Vorgefühle.

XCL.
Die Vorgefühle von Banniére und Olympia verwirklichen sich

Der ganze übrige Tag wurde von Olympia dazu angewendet, daß sie, als eine geschickte Frau, Banniére zu verhindern suchte, an die peinliche Seite ihres Geheimnisses zu denken.

Als es aber Abend geworden war und ein Mittagsbrot dem Frühstücke ähnlich Beiden das Bedürfnis eines Spaziergangs fühlbar gemacht hatte, nahm Olympia, da sie nichts Nachteiliges darin sah, daß sie mit Banniére ausging, seinen Arm, und sie schlenderten durch die am wenigsten besuchten Quartiere.

Es war ein wunderbar schönes Wetter, der Himmel war rein, und erfrischt, die Lust brachte aus der Erde eben so viel Wohlgerüche, als die Erde dem Himmel zusandte.

Die zwei Spaziergänger, die sich einander die süße Last der wolkenlosen Glückseligkeit machten, gelangten zu dem alten Thore, das wir schon als in der Nähe der Kaserne kennen, wo Banniére ein paar Stunden in der Uniform Seiner Majestät zugebracht hatte, nachdem er mittelst dieser Uniform durch, Olympia den Händen der Jesuiten entrissen worden war.

Als sie den schweren, vollen Bogen dieses Thores und die lange Allee bewunderten, durch welche Banniére im Galopp weggeritten war, kam ein großer Transportwagen aus der Straße herbei und ließ aus seinem prallen Bauch die Geräusche von tiefem Schlafe und seltsamen Gesprächen entschlüpfen, welche bei den öffentlichen Fuhrwerken ein sicheres Accompagnement zum Gewieher der Pferde und zu den Flüchen der Postillion, bilden.

Einige Vorübergehende scharten sich zusammen, um das immer belustigende Schauspiel von Reisenden, welche abgehen oder ankommen, zu sehen.

Der Wagen hielt an.

Sogleich wurde der Schlag geöffnet, ein Reisender stieg aus, ließ seinen Koffer vom Wagentuch herabnehmen, bezahlte den Conducteur und umarmte seine Frau, die ihn vor Freude weinend mit ihren Kindern erwartete.

»Und Sie, Herr Abbé.« sagte der Conducteur mit einem noch unsichtbaren Reisenden sprechend, »steigen Sie nicht heraus?«

»Warum hier?« erwiderte eine Stimme aus dem Innern.

»Ei!« versetzte der Conducteur, »weil dies der kürzeste Weg ist, um zu dem Hause der ehrwürdige, Väter Jesuiten zu gehen.«

»Oh! wenn es so ist,« rief aus dem Innern dieselbe Stimme, welche schon gesprochen hatte: »ich steige aus, ich steige aus.«

Und ein Mann in der Tracht eines Abbé stieg, seine Soutane bis zum Gürtel aufhebend, ziemlich leicht aus dem Fourgon aus.

Der Conducteur verbeugte sich vor ihm und reichte ihm sein etwas mageres Felleisen.

»Sie sind bezahlt, nicht wahr, mein Freund?« sagte der Abbé.

»Ja, mein Herr, und ich habt nichts zu fordern.«

»Außer diesen dreißig Sous, die ich Ihnen als Trinkgeld anbiete. Wäre ich reicher, so würde ich mehr geben.«

»Oh! Herr Abbé,« sagte der Conducteur, während er seinen Platz wieder einnahm, »wenn Jederman so viel gäbe! . . . Hü! Rosse!«

Und der Wagen fuhr weiter gegen Lyon.

Der Geistliche blieb ein wenig betäubt stehen und suchte rechts und links seinen Weg, den er nicht zu kennen schien.

»Wie seltsam ist das!« sagte Olympia, »seitdem der gute Champmeslé uns wiedervereinigt, getraut, ausgesteuert hat, kann ich keinen Geistlichen sehen, ohne an diesen vortrefflichen Freund zu denken!«

»Aber wie!« rief Banniére, der Richtung der Augen von Olympia folgend, »in der Tat!«

»Was?«

»Er ist es.«

»Wer denn?«

»Champmeslé.«

Und Banniére erhob die Stimme und rief:

»He! Champmeslé!«

»Was?« fragte der Geistliche, indem er sich umwandte.

»Sie sehen, daß er es ist!«

»Herr von Champmeslé!« sagte Olympia.

»Meine Freunde, meine guten Freunde!« rief der wackere Mann, die Arme gegen sie ausstreckend.

»Ist es wirklich möglich, daß Sie es sind?« sprach Banniére, während er ihn zum zweiten Male umarmte.

»Ja, ja, ich bin es,« erwiderte Champmeslé ganz freudig.

»Durch welchen glücklichen Umstand sind Sie denn in Lyon?« fragte Banniére.

»Lausen Sie zufällig uns nach?« fragte Olympia.

»Ei! nein, meine Freunde, man ruft mich zurück.«

»Wer ruft Sie zurück?«

»Die Herren Väter.«

»Warum rufen sie Sie zurück.«

»Oh! ich glaube, ich bin ein wenig in Ungnade.«

»Hören Sie,« sagte Olympia, »entfernen wir uns von dieser Gruppe von Soldaten, die uns wie gierige Tiere anschauen, und Sie werden uns ihr neues Unglück erzählen, wenn es ein Unglück ist.«

»Ja, gehen wir beiseite,« erwiderte Champmeslé »Diese Soldaten schauen uns in der Thai mit großer Aufmerksamkeit an.«

»Ei!« versetzte Banniére, »Sie finden es vielleicht wunderbar, daß eine hübsche Frau einen Abbé umarmt, denn ich muss Ihnen sagen, Herr von Champmeslé, Olympia hat Sie umarmt.«

»Und zwar von ganzem Herzen,« sprach Olympia; »doch kommen wir aus Ihre Ungnade zurück: wie verhält sich das?«

»Man klagt mich an, ich habe. . .«

«Sie haben?«

»Banniére von Charenton entweichen lassen und ihn wieder zum Theater gebracht.«

»Wer klagt Sie denn an?«

»Ei! die Aufseher des Ordens.«

»Und meinetwegen, lieber Freund, quält man Sie verfolgt man Sie?«

»Es scheint, daß ich im Unrecht bin.«

»Nein, denn ich bin entwischt.«

»Das ist wahr, nur sind Sie vielleicht ein wenig zu geistreich für einen Narren entwischt.«

»Weil ich kein Narr war.«

»Ganz richtig: doch man muss glauben, es dünkte Einigen dienlich, daß Sie es waren.«

»Ah! ja, ich begreife!«

»Gewiss ist,« fuhr Champmeslé fort, »gewiß ist, daß ich etwas wie eine Ermahnung und den Befehl erhielt, mich schleunigst zu meinem Kollegium zurückzubegeben.«

»Nach Lyon?«

»Nein, nach Avignon; der Befehl ist vom Pater Mordon unterzeichnet.«

»Und Sie halten hier an?«

»Ich muss doch meinen Zettel visieren lassen.«

»Wie! Ihren Zettel?« versetzte Olympia lachend. Sind Sie ein Soldat, der nach Etappen marschiert?«

»Der Orden ist militärisch organisiert, wir werden nur bezahlt, wenn wir unsern Zettel visieren lassen, sonst,« fügte Champmeslé unbesonnen bei, »sonst kein Geld, um zu reisen, und das wäre hart.«

»Sie haben kein Geld!« rief Banniére; »Sie haben uns also Alles gegeben, was Sie besaßen?«

»Nein! nein!« erwiderte Champmeslé, ganz beschämt, daß ihm diese unbedachtsame Äußerung entfahren. »Ich sage nicht, ich habe kein Geld mehr. Ah! ja wohl! (Und er ließ einige Stücke Münze klingen.) Auch handelt es sich nicht um dieses.«

»Doch wohl, es handelt sich um dieses!« sagte Banniére, »und da wir Sie in unseren Händen haben, so werden Sie mit uns zu Nacht speisen und bei uns wohnen.«

»Und,« sprach Olympia, »wir werden zu Ihnen sagen, wie der Werwolf zum guten Mann:

»»Wärme Dich, kleiner Mann, sieh, es ist von Deinem Holze.««

»Ei! unmöglich,« entgegnete Champmeslé.

»Warum?«

»Weil, wenn man im Kollegium in Lyon erführe, ich habe mich, statt meinen Zettel visieren zu lassen, unterhalten mit . . .«

»Mit Komödianten,« sagte lachend Olympia.

»Nein. Überdies sind Sie es nicht mehr, Sie kennen unsere Übereinkunft. Mit Freunden.«

»Ich bitte Sie. . .«

»Vielleicht würde man mich bei meiner Ankunft in Avignon in die Ihnen wohlbekannte Meditationsstube setzen, oder man würde mich zu einer noch viel schlimmeren Pönitenz verurteilen. Erlauben Sie mir also, daß ich Sie nun umarme, meine Freunde; dann werde ich in das Jesuiten-Kollegium gehen, ich werde die Nacht, nach der Regel im Schlafsaal zubringen und mich bei. Tagesanbruch gegen Avignon wendeten.«

»Armer Freund,« sagte Banniére, »Sie sehen also nicht, daß man Sie mit sehr schweren Ketten bindet!«

»Ich sehe mein Heil am Ende von Allem dem,« erwiderte Champmeslé; »leben Sie also wohl, meine Freunde. Doch welch eine Menge von Soldaten!«

»In der Tat. welch eine Menge von Soldaten!« wiederholte Olympia, als sie, wie Ameisen aus einem Ameisenhaufen, eine große Anzahl von Uniformen aus der Kaserne hervorkommen, hin und her gehen und neugierig schauen sah.«

»Ich verlasse Sie,« sprach Champmeslé. »Wo wohnen Sie, damit ich Ihnen morgen, ehe des Schiff

abgeht, ein letzten Lebewohl sagen kann?«

»Im Schwarzen Hahnen, in der Rue des Vergettes,« antwortete Olympia.

»Gut, ich werde kommen.«

»Wie werden oder nicht mehr dort sein« sagte Banniére leise zu seiner Frau.

»Nun, so bleiben wie eine Nacht länger, damit wir den Abschied diesen wackeren Mannes nicht verfehlen,« antwortete Olympia.

»Bleiben wir,« versetzte Banniére, »Du weist wohl, was Du willst, will ich.«

Denn sich gegen Champmeslé umwendend:

»Es ist also abgemacht, morgen früh, nicht wahr?«

Champmeslé nickte mit dem Kopf und entfernte sich.

Olympia und Banniére gingen ein wenig seitwärts, um sich von dem Schwarm von Militären frei zu der sie umgab.

»Aber wie viel Dragoner!« sagte Banniére.

»Sieh, Champmeslé ist stehen geblieben, er spricht mit Jemand.«

Banniére suchte in der Dunkelheit. welche vom Himmel herabzusteigen anfing, zu unterscheiden.

»Mit wem spricht er denn?« fragte Banniére.

«Ich kann es nicht unterscheiden, antwortete Olympia, welche indessen vortrefflich unterschied.

»Man sollte glauben, er spreche mit einem Abbé wie er.«

»Es ist wahr, ein Abbé,« sagte Olympia ganz zitternd.

»Sie wenden sich aus unsere Seite.«

»Meinst Du?« versetzte Olympia, indem sie zwischen Banniére und die Geistlichen trat, denn sie glaubte im zweiten Abbé etwas vom Äußeren des Abbé d'Hoirac erkannt zu haben.

»Ah! Champmeslé verlässt ihn,« bemerkte Banniére.

»Gott sei gelobt!« dachte Olympia.

Und sie nahm den Arm ihres Mannes und zog ihn gegen die Stadt fort.

Sie hatte sich nicht geirrt: Champmeslé war vom Abbé d'Hoirac angeredet worden.

Der Abbé d'Hoirac, den eine Frau begleitete, deren Gesicht die Kapuze eines Mäntelchens bedeckte, welche aber unter ihrer Kapuze sehr hell zu sehen schien, hatte Champmeslé gefragt, wer die Personen seien, die er gegrüßt. Champmeslé hatte ohne irgend ein Misstrauen geantwortet:

»Das waren Herr und Madame Banniére, zwei von meinen Freunden.«

Wonach er sich auf den Fersen umgedreht.

»Sie sehen, daß ich mich nicht getäuscht,« hatte die Frau mit der Kapuze zu d'Hoirac gesagt. »Ah! ich, wenn ich Jemand ein einziges Mal frisirt habe, nur ein einziges Mal. . .«

»Gut! gut!« erwiderte d'Hoirac, »hier ist ein Louis d'or.«

»Ich danke,« sprach die Frau.

Dann, während sich der Abbé auch aus den Fersen umwandte, doch nach der entgegengesetzten Seite, sagte sie zu sich selbst:

«Ah! Du hast mich fortgejagt, schöne Olympia! Ah! schöner Banniére, Du hast mich geschlagen! Nun wohl! wir werden sehen!«

Und indem sie sich entfernte, fuhr sie fort:

»Das ist, bei meiner Treue, ein schöner Doppel-Louis d'or; es wäre sehr dumm von mir gewesen, Banniére, der arm wie eine Ratte, diesem rosigen kleinen Abbé, welcher reich wie eine Goldgrube, vorzuziehen; doch wir Weiber, wenn das Herz eingenommen ist. . .«

Und sie verschwand ebenfalls den Kopf schüttelnd.

Mittlerweile hatten sich Banniére und seine Frau«, wie gesagt, entfernt.

Doch kaum hatten sie fünfzig Schritte gemacht, als sie zwei Männer, welche Dragoner-Uniform trugen, sich ihnen nähern sahen.

Andere hatten sich ihnen, erwähnter Maßen, schon genähert, doch nicht so nahe wie diese.

Banniére glaubte, sie wollten Olympia beleidigen, indem sie ihr scharf ins Gesicht schauen würden.

Er stellte sich daher stolz, die Faust aus die Hüfte gestützt, drückte seinen Hut in die Augen und wartete.

Olympia versuchte es, ihn fortzuziehen, sie bat ihn inständig, denn sie dachte, es werde ein Streit beginnen.

»Holla! meine Herren,« rief Banniére, der zuerst das Wort nahm, »ich möchte in der Tat gern wissen, was Sie so zu schauen haben.«

»Wir schauen Sie an, um Sie zu sehen, das in ganz einfach.« erwiderte einer von den Dragonern.

»Unverschämter!« versetzte Banniére.

Und er hob die Hand auf.

»Ganz schön, mein Herr!« sagte der andere Dragoner hohnlächelnd.

Dann wandte er sich gegen seinen Kameraden um und sprach:

»Er ist es Wahrhaftig!«

»Ich sagte Dir ja, ich habe ihn erkannt, ehe Ihn der Abbé denunzierte.«

Olympia schauerte, ohne zu wissen warum.

»Ah!« rief Banniére, »es wäre wohl Zeit, sich zu erklären, meine Herren Soldaten.«

«Sie sind Herr Banniére, nicht wahr?« fragte der Dragoner.

»Ja, gewiß,« antwortete Banniére, die Achseln zuckend.

Und er machte eine Bewegung, um den Dragoner auf die Seite zu schieben und vorbei zu gehen.

»Verzeihen Sie,« sagte dieser, »wir haben hier ganz in der Nähe einen Major, der gern ein paar Worte mit Ihnen sprechen möchte, Herr Banniére.«

Während dieser Zeit war der Major mit mehreren Offizieren herbeigekommen; hinter diesen Offizieren ein Schwarm von Dragonern; hinter diesen Dragonern Neugierige.

Olympia und Banniére waren in einem Augenblick in einen Kreis eingeschlossen, der sich immer mehr verengte.

»Nun!« fragte der Major, »wo ist der Mann?«

»Hier ist er,« antwortete einer von den Dragonern, auf Banniére deutend.

»Ist es gewiß?«

»Er gesteht es, Herr Major, und überdies haben Sie das Signalement; befragen Sie dieses.«

»Aber was gibt es denn?»rief Olympia, »der Herr ist mein Mann.«

»Wohl! mein Frauchen,« antwortete galant der Offizier, »Ihr Mann ist ein Deserteur. Das ist das ganze.«

»Ah!« rief Banniére im Herzen getroffen.

Der Unglückliche hatte Alles vergessen.

Olympia fühlte sich vor Schrecken in Eis verwandelt.

»Ja, ja, ja,« fuhr der Major fort, »dieser hübsche Junge hat uns eine vollständige Uniform, einen Säbel und ein Pferd mit Equipirung gestohlen.«

»Mein Gott! mein Gott! murmelte Banniére.

»Er hat,« fuhr der Major mit demselben Tone fort, »er hat Säbel, Pferd und Uniform verkauft, was das unangenehmste Vergehen konstituiert, über welches ein Militär, der die Ehre hat, in den Heeren des Königs zu dienen, Rechenschaft geben kann.«

»Bei meiner Treue! ohne den Abbé verfehlten wir ihn,« sagte einer von den Offizieren im Gefolge des Majors. »Der Teufel soll mich holen, wenn ich ihn in diesem schwarzen Rocke erkannt hätte! Und ich bin es doch gewesen, der ihn auf das Pferd gesetzt hat.«

»Dieser Teufelsabbé!« rief der Major. »Ah! es scheint, er gehört nicht zu Ihren Freunden?«

»Welcher Abbé?« stammelte Banniére betäubt, vernichtet.

»D'Hoirac.«

»Oh!« murmelte Olympia, »verloren! Verloren!»

»Auf Madame.« sagte der Major, »es ist schon spät, nehmen Sie Abschied, und zwar rasch.«

»Abschied! Von wem?« fragte Olympia.

»Ei! von Ihrem Manne, den wir verhaften.«

»Sie verhaften Banniére?« rief Olympia, indem sie ihre Arme um den Hals des jungen Mannes schlang

»Ah! bei Gott! wir haben schon lange genug den Befehl,« sagte der Major. »Der Spaßvogel stellte sich In Charenton närrisch. Bei meiner Treue! Sie sind allerdings sehr närrisch, mein Freund, daß Sie so gekommen sind und sich an unseren Lichtern verbrannt haben!«

»Armer Junge!« sagte einer von den Dragonern, gerührt durch das lebendige Bild dieser unbeugsamen Verzweiflung; »das Frauchen liebt ihn wohl sehr!«

Und er seufzte. Ein mitleidiges Herz unter einer rauen Rinde!

Banniére fühlte, daß auf jeder Seite sich zwei Hände an seine Schultern legten. Olympia löste den Knoten, mit dem sie ihn umschlang, und fiel In Ohnmacht.

Der Gefangene wurde aus der Stelle in die Kaserne geführt, während sich wohltätige Seelen um diese leblose arme Frau beeiferten, in der der barmherzige Gott den Verstand lähmte, um den Schmerz zu unterbrechen.