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Kitabı oku: «Olympia von Clèves», sayfa 8

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XIII.
Wo sich Banniére in eine große Verlegenheit setzt

Banniére folgte der ihm vom Hausmeister bezeichneten Richtung. Er fand die Statue des heiligen Benedict und gegenüber ein Haus, von dem er dachte, es müsse das von Champmeslé sein.

Doch dieses Haus war traurig und finster wie das Herz voller Gewissensbisse und Bangigkeiten, das darin wohnte. Alle Läden waren geschlossen, einen einzigen ausgenommen, – ein offenes, aber erloschenes Auge, das die Nacht im Innern wie außen sehen ließ.

Das Haus daneben, das der Hausmeister als das von Olympia bewohnte bezeichnet hatte, schien dagegen jenes sanfte nächtliche Leben, welches schon nicht mehr das Wachen und noch nicht der Schlaf ist, zu leben. Wohl waren die Jalousien im ersten Stocke, dem einzigen, der für den Augenblick bewohnt zu sein schien, geschlossen, aber durch die Zwischenräume der Jalousien sah man ein rosiges Licht dringen, das, gemildert durch seidene Vorhänge, entweder das Schlafzimmer oder das Boudoir einer hübschen Frau bezeichnete.

Banniére-Herodes betrachtete dieses reizende rosige Licht, seufzte und klopfte an die Thür von Champmeslé.

Aber nach dem von ihm gegebenen Prospectus, – ein diesmal getreuer Prospectus, – war das Haus einsam, denn auf die drei unter der Hand von Banniére schallenden Schläge antwortete kein Geräusch.

Banniére klopfte sechsmal. Dieselbe Stille.

Banniére klopfte neunmal.

Bis jetzt war Banniére die Zahl drei, welche, wie man weiß, den Göttern gefällt, verdoppelnd und verdreifachend zu Werke gegangen; als er aber sah, daß man aus seine neun Schläge nicht antwortete, fing er an ungeduldig zu werden und unternahm ein Getrommel, das bald die Hunde der drei bis vier benachbarten Häuser aufgeweckt hatte, welche Hunde ein Konzert anstimmten, wobei alle tiefe und alle hohe Noten der Hundetonleiter vertreten waren.

Ohne Zweifel hatten das Geräusch des Klopfens und das Concert, das dadurch erfolgt war, mehr oder minder unangenehm die Mieterin des Nachbarhauses berührt, denn eine von den mit einem so schönen Rosa gefütterten Jalousien öffnete sich, eine Kammerjungfer, eine wahre Marton der Komödie, mit ihrer blauen Haube aus dem Ohr, streckte ihren Kopf, durch den Zwischenraum der Jalousie und fragte mit einem süßsauren Stimmchen:

»Wer macht denn einen solchen Lärmen zu einer solchen Stunde?«

»Ach! Mademoiselle Claire, ich bin es,« antwortete Banniére.

Banniére hatte eine von den Zofen von Olympia erkannt, und da sie Olympia in seiner Gegenwart genannt und er nicht ein Wort von dem, was Olympia gesagt, vergessen hatte, so erinnerte er sich des Namens dieser Kammerjungfer.

»Wer, Sie?« fragte das Mädchen, das mit seinen Katzenaugen die Finsternis zu durchdringen suchte.

»Ich, Banniére, der Debütant.«

»Ah Madame,« rief die tolle Soubrette, indem sie sich umwandte, um zu ihrer unsichtbar gebliebenen Gebieterin zu sprechen:

»Ah! Madame, es ist Herr Banniére!«

«Wie, Herr Banniére?« fragte Olympia.

»Ja, und sogar, sogar . . . ah! Madame, entschuldigen Sie mich, wenn ich mich des Lachens nicht erwehren kann, aber der arme Junge ist noch in seinem Kostüm des König Herodes.«

»Unmöglich!« rief Olympia, denn sie konnte nicht begreifen, welche Notwendigkeit Banniére zwang, so verkleidet in den Straßen herumzulaufen.

»Doch! doch!« erwiderte Claire. »Nicht wahr, Herr Banniére, Sie sind noch als Herodes gekleidet?«

»Ach! ja, Mademoiselle,« antwortete der Unglückliche.

»Oh! Madame will mir nicht glauben.»

Banniére kam eine Hoffnung.

»Sie hat sich nur dem Fenster zu nähern, und sie wird sich durch ihre eigenen Augen überzeugen,« sagte er.

Banniére hatte, um diese Worte zu sprechen, die rührendsten Noten seiner Stimme benützt. Diese Noten klangen bis in den Grund des Herzens von Olympia, und, halb lachend, halb gerührt, trat sie ebenfalls ans Fenster, wo ihr aus Respect Claire den Platz abtrat, während sie aus Neugierde hinter ihrer Gebieterin blieb, sich aus den Fußspitzen erhob und über die Schulter von Olympia schaute.

»In der Tat, Herr Banniére, Sie sind es?«

»Ja, mein Fräulein.«

»Aber was machen Sie denn da?«

«Sie sehen es wohl, mein Fräulein: ich klopfe an die Thür von Herrn von Champmeslé.«

»Herr von Champmeslé ist nicht zu Hause.«

»Ach! ich befürchte es, mein Fräulein.«

»Was haben Sie denn zu dieser Stunde bei Herrn von Champmeslé zu tun?«

«Mein Fräulein, ich habe meine Kleider von ihm zurückzufordern.«

»Welche Kleider,?«

»Meine Novizenkleider, die er in seiner Loge gefunden und angezogen hat, und mit denen er, wie es scheint, weggegangen ist.«

»Oh! armer Junge!« murmelte Olympia.

Banniére hörte die Worte nicht, aber er sah die Bewegung und begriff die Gebärde.

»Mein Fräulein,« sagte er. »es ist wahr, Herr von Champmeslé ist nicht nach Hause gekommen, doch er muss nach Hause kommen.«

»Gewiss muss er nach Hause kommen, zu einer oder einer andern Stunde.«

»Das ist auch meine Überzeugung, mein Fräulein; aber ich kann ihn nicht vor seiner Thür und so gekleidet erwarten.«

»Warum nicht?« fragte Olympia.'

»Weil der Tag kommen wird, mein Fräulein: es ist wenigstens drei Uhr, und wenn man mich in diesem Kostüm sieht, so bin ich verloren.«

»Verloren!«

»Und zwar verloren, weil ich Ihnen einen Dienst geleistet habe.«

»Warum sind Sie verloren?»

»Weil ich Noviz bei den Jesuiten bin.«

»Ah! es ist wahr; armer Junge!«

»Mein Fräulein, wenn Sie erlaubten, daß ich bei Ihnen einträte?«

»Wie beliebt?«

»Ich würde warten, wo Sie mich wollten warten lassen: in Ihrem Speisezimmer, in Ihrem Salon, in Ihrem Vorzimmer.«

Olympia wandte sich um, als wollte sie Claire befragen.

»Ei!« rief die Zofe, »ich sage, man müsste ein sehr schlechtes Herz haben, um einen so schönen Jungen vor der Thür zu lassen.«

»Ah! wahrhaftig?«

»Ich glaubte, Madame frage mich. Ich bitte Madame um Verzeihung, wenn ich meine Ansicht ausgesprochen habe, ohne dazu befugt zu sein.«

»Nein; im Gegenteil, Sie haben wohl gethan, denn ich fragte Sie wirklich um Ihre Ansicht, und Ihre Ansicht ist auch die meinige.«

»Mein Fräulein,« rief Banniére, »was entscheiden Sie über mich?«

»Lassen Sie den Jungen heraufkommen,« sagte Olympia zu ihrer Kammerjungfer, »und er soll im Zimmer nebenan bleiben.«

»Madame weiß, daß das Zimmer nebenan mein Zimmer ist.«

»Nun! wenn er in Ihrem Zimmer ist, werden wir sehen. was sich tun lässt.«

Claire rannte nach der Stubenthür, um diesen Befehl zu vollziehen. Olympia warf aber einen letzten Blick aus den unglücklichen Banniére, der seine Arme gegen sie ausstreckte, wie ein Schiffbrüchiger gegen den Leuchtturm am Ufer, und schloß wieder ihr Fenster.

Banniére hatte einen Augenblick der Verzweiflung; während er seine Bitte ausgesprochen, hatte er sie selbst ein wenig vermessen gesunden, so daß er, als er dieses reizende, rosa gefütterte Fenster schließen sah, sich völlig abgewiesen glaubte.

In diesem Augenblick einer sehr natürlichen Verzweiflung begann er wieder an die Thür von Champmeslé zu klopfen.

Während er mit aller Heftigkeit anklopfte, hörte er, daß die benachbarte Thür ganz sachte geöffnet wurde.

Derselbe Kopf mit einer blauen Haube erschien, und aus zwei rosigen, lächelnden Lippen sah er, so zu sagen, das Wort: »Kommen Sie!« hervorgehen.

Banniére ließ sich dieses Wort nicht wiederholen; er stürzte in den Gang, dessen Thür Mademoiselle Claire hinter ihm schloß; dann, da er sich in einer vollkommenen Finsternis befand, suchte eine kleine Hand die seinige, und als sie diese gefunden, zog sie ihn vorwärts, während dieselbe sanfte Stimme, welche im Ohre von Banniére wie die eines himmlischen Vermittlers klang, leise zu ihm sagt«:

»Folgen Sie mir.«

Nichts war leichter, als diesem seidenen, wohlriechenden Führer zu folgen, der voranging. Am Ende des Ganges fand Banniére eine Treppe, dann eine Wendung, doch bei jeder Veränderung des Terrain wurde Banniére durch einen Händedruck benachrichtigt.

Es konnte also unmöglich Banniére ein Unfall geschehen.

Oben auf der Treppe angelangt, wurde er in das Zimmer von Mademoiselle Claire eingeführt.

Eine einzige Thür, welche man aber doppelt geschlossen sah, trennte ihn nun vom Zimmer von Olympia.

Claire näherte sich dieser Thür und sagte:

»Madame, wir sind da.«

»Gut, Mademoiselle,« antwortete von der andern Seite der Thür Olympia, welche horchte. »Und Sie, Herr Banniére, Sie sind auch da?«

»Ja, mein Fräulein,« erwiderte Banniére; »und sehr dankbar für die Gunst, die Sie mir bewilligen.»

»Es bedarf keines Dankes. Sie sagen also, es fehlen Ihnen die Kleider, um in Ihr Kloster zurückzukehren, und es sei schwierig für Sie, als König Herodes dahin zu gehen?«

»Ich glaube, daß dies unmöglich ist, mein Fräulein.»

»Nun! ich will Ihnen andere geben.«

»Kleider?«

»Ja.«

»Teufel!« sagte leise Banniére, der mehr und mehr' das Verlangen, nach dem Noviciat zurückzukehren, verlor, »das ist nicht mein Wunsch.«

Dann sprach er laut!

»Ich danke Ihnen aufrichtig, mein Fräulein.«

»Ah!« unterbrach ihn leise Mademoiselle Claire, »werden Sie die Kleider annehmen?«

Sehr erfreut, sich unterstützt zusehen, machte Banniére ein Zeichen mit der Hand, welches besagen wollte:

»Seien Sie ruhig.«

»Aber,« fuhr er fort, »ich bin aus eine sonderbare Art aus dem Kloster weggegangen.«

»Wie denn?« fragte Olympia.

»Ich bin zum Fenster hinausgegangen.«

»Zum Fenster hinaus?«

»Ich muss Ihnen sagen, mein Fräulein, daß Ich Gefangener in der Meditationsstube war.«

»Wegen Verletzung der Regeln des Ordens?« versetzte Olympia lachend.

»Weil ich das Trauerspiel Herodes auswendig gelernt habe, mein Fräulein.«

»Ah! Wahrhaftig!«

»Ich entdeckte daß die Stube ein maskiertes Fenster hatte, ich machte dieses frei, und durch das Fenster sah ich. . . Oh! mein Fräulein, was ich durch das Fenster gesehen habe, ist mein Verderben gewesen.«

»Ei! was haben Sie denn gesehen, guter Gott!«

»Ich habe die Procession von Herodes und Marianna gesehen, ich habe gesehen. . . ich habe gesehen, daß Sie Ihren Schleier aufhoben, um Herrn von Mailly zu grüßen, und . . .«

»Und was?« fragte Olympia.

»Und ich habe Sie so schön gefunden, daß ich schwor, Sie am Abend spielen zu sehen.«

Mademoiselle Claire machte eine Grimasse.

»Ah! Wahrhaftig!« versetzte Olympia.

»Ich zerriss also die Tapete der Meditationsstube, ich stieg zum Fenster hinaus, ich lief wie ein Wahnsinniger nach dem Theater, ohne zu bedenken, daß ich kein Geld hatte, um meinen Platz zu bezahlen; plötzlich erblickte ich zwei Jesuiten, welche ins Schauspiel kamen, ich flüchtete mich in den Gang, im Gang begegnete ich Herrn von Champmeslé, der eben entfloh, hinter ihm kamen seine Kameraden, die ihm nachliefen; da ich der Einzige war, der bestimmte Auskunft geben konnte, so schleppte man mich ins Foyer; dort sagte ich, erzählte ich Alles; Sie traten ein, ich sah Sie in Verzweiflung darüber, daß die Vorstellung nicht stattfinden konnte, ich fand Sie noch schöner, als bei der Procession. Ihre Verzweiflung zerriss mir die Seele, ich vergaß Alles im Angesicht Ihrer strahlenden Gegenwart; ich sagte, es ist wahr, ich«erde mich ins Verderben stürzen, doch es wird keine Träne aus diesen schönen Augen fallen, und ich habe mich ins Verderben gestürzt, mein Fräulein. So ist es!«

»Oh! die Schlange!« murmelte Mademoiselle Claire.

»Wahrhaftig,« erwiderte Olympia mit bewegter Stimme, »Wahrhaftig, so ist die Sache gegangen?«

»Oh! bei meiner Ehre, mein Fräulein.«

Man hörte etwas wie einen Seufzer jenseits der Thür.

»Nun,« versetzte Mademoiselle Claire, sich in das Gespräch mischend, »mir scheint, die Dinge stehen nicht so verzweifelt, als Herr Banniére sagt.«

»Oh! sehr verzweifelt, Mademoiselle Claire,« entgegnete Banniére, »Ich schwöre Ihnen, sehr verzweifelt.

»Erklären Sie sich,« fragte Olympia.

»Herr Banniére ist durch ein Fenster weggegangen.«

»Ja,« sagte Banniére.

»Es war Nacht, als Herr Banniére wegging.«

»Beinahe Nacht.«

»Man wird seine Flucht noch nicht bemerkt haben.«

»Das ist wahrscheinlich.«

»Wohl denn! er kehre durch dasselbe Fenster, durch welches er weggegangen ist, in das Kloster zurück.«

»Im Ganzen, ja,« vorsetzte Olympia, »er kehre durch dasselbe Fenster ins Kloster zurück.«

Und man hörte etwas wie einen zweiten Seufzer.

»Darin liegt gerade die Unmöglichkeit,« sagte Banniére.

»Die Unmöglichkeit?« fragte lebhaft Olympia; »sprechen Sie, wie so?«

»Dieses Fenster ist sehr hoch.«

»Man wird eine Leiter finden,« rief Mademoiselle Claire.

»Eine Leiter, wo dies?« fragte Olympia.

»Oh! und dann müsste diese Leiter sehr lang sein,« rief Banniére.

»Wir haben eine sehr lange im Garten,« erwiderte Mademoiselle Claire.

»Sie müsste wenigstens dreißig Fuß lang sein,« sagte Banniére.

»Oh! das ist sie wohl.«

»Ja,« versetzte Banniére, »doch man müsste wenigstens zwei Männer haben, um eine Leiter von dreißig Fuß zu tragen, aufzurichten und zu halten.«

Mademoiselle Claire fand keine Antwort aus dieses Argument.

Eine ähnliche Stille, aber von anderer Natur, trat in dem rosenfarbigen Zimmer ein.

Dann, nach einem Augenblick, sagte Olympia:

»In der Tat, mir scheint es sehr schwierig, daß Sie durch das Fenster zurückkehren, da das Fenster so hoch ist.«

»Oh! noch höher, als ich gesagt habe,« rief Banniére.

»Was ist dann zu machen?« versetzte Olympia.

»Mein Fräulein,« sprach Banniére, »ich hoffe, Sie haben nicht den Mut, mich, nachdem Sie mir einen Augenblick Asyl gegönnt, aus Ihrem Hause hinauszustoßen und mich außen der Ungunst der Witterung und dem Zorn der Jesuiten preiszugeben.«

»Herr Banniére kann doch nicht hier bleiben, da dies mein Zimmer ist,« sagte mit empfindlichem Tone Mademoiselle Claire.

»Sie haben Beide Recht,« sprach Olympia, die Thür ihres Zimmers öffnend, »Sie haben Recht, Mademoiselle Claire, führen Sie den Herrn in mein Ankleidezimmer.«

Und während sie diese Worte sprach, bezeichnete sie mit der Hand auf der Andern Seite des Zimmers eine Thür parallel mit der, welche zu Mademoiselle Claire ging.

»Es ist dort ein Canapee,« fügte sie bei, »und eine Nacht vergeht bald, wenn es halb vier Uhr Morgens im Monat Mai ist.«

Mademoiselle Claire hatte keine Einwendungen zu machen; die gebieterische, sogar königliche Gebärde, welche das letzte Wort begleitet hatte, ließ keine Erwiderung zu. Statt Mademoiselle Claire zu folgen, schritt ihr überdies Banniére diesmal voran.

Er ging leicht, trat kaum aus den Teppich, verbeugte sich vor der schönen Fee, die seit einem halben Tage einen andern Menschen aus ihm machte, und verschwand im Ankleidecabinet.

Mademoiselle Claire folgte ihm, und als sie an der Thür war, fragte sie:

»Was ist nun zu tun. Madame?«

«Schieben Sie den Riegel auf meiner Seite vor, und kleiden Sie mich dann aus,« antwortete Olympia. »Ich denke, es ist Zeit.«

Mademoiselle Claire schob den Riegel vor und kehrte zu ihrer Gebieterin zurück, die ihr den Ärmel ihres Pudermantels darbot, damit sie ihr sich auskleiden helfe.

»Aber, Madame,« fragte Claire, während sie am Ärmel des Pudermantels zog, »wenn Herr von Mailly zurückkäme, wie er gesagt hat?«

»Nun! wenn Herr von Mailly zurückkäme?«

»Was werde ich Ihm sagen?«

»Sie werden ihm einfach sagen, was ist,« erwiderte Olympia.

Und sie zog ihren Pudermantel selbst vollends aus und entließ mit einem Winke Mademoiselle Claire; diese entfernte sich mit gesenktem Kopfe und die Gebärde zeichnend, welche sagen wollte:

»Bei meiner Treue! ich begreife es nicht mehr.«

XIV.
Die Meditationsstube

Als er in das Kabinett eingetreten war, sank Banniére auf eine große Bergère, auf deren Lehne und in deren Fond noch laue Kleidungsstücke ausgebreitet lagen; es waren die Straßenkleider, welche Olympia kurz zuvor ausgezogen hatte.

Diese sanfte Wärme war im Kabinett vom Boden zum Plafond aufgestiegen und erfüllte die Luft mit sympathetischen Wohlgerüchen.

Exaltiert, schauernd, in einem fieberhaften Zustande, fing Banniére damit an, daß er seinen Kopf in seine beiden Hände nahm, und sich fragte, ob Alles das, was ihm begegne, nicht ein Traum sei, einer von jenen teuflischen Träumen, wie sie, in den ersten Zeiten des Christentums, in ihre Zellen den in ein Kloster eingesperrten Unglücklichen die höhnischen Feinde des Allerheiligsten zusandten.

Die Procession von Herodes und Marianna, seine Flucht aus dem Kloster, der Gang der Schauspieler, das Foyer des Theaters, das Abendbrot, die Liebesblicke der Komödienfräulein, der Chambertin und der Champagner, dann die Augen von Olympia, dann ihre weiße nervige Hand, die seinen Arm presste, dann ihre Perlzähne, denen Gott ein so reiches Etui gegeben hatte, ihre verborgenen Zähne, welche sich aber plötzlich in einem Lächeln auf der Schwelle des Festsaales verraten hatten.

Oh! und dann der Weg durch das rosenfarbige Zimmer; Olympia in einem einfachen Pudermantel, mit ihren entpuderten und aus ihre Schultern herabfallenden Haaren; Alles dies machte im Kopfe des trostlosen Banniére, mit den Tiraden von Herodes, mit den Bravos des Publikums, mit einem Reste von Angst, der von Zeit zu Zeit in das Herz des Novizen biß, ein solches Getöse, daß der Weiseste darüber ein Narr geworden wäre.

Banniére hörte Olympia ihre Dienerin wegschicken.

Er schaute umher.

Eine am Plafond an einer silbernen Kette hängende Alabasterlampe erleuchtete ein reizendes Ankleidekabinett, dem Sachsen nicht nur die Gefäße des Toilettetisches, sondern auch die Spiegel und die Consoles geschickt hatte, und das in den Augen von Banniére, nach einer kurzen Prüfung, an einem kleinen Fehler litt, an der Undurchsichtigkeit seiner Wände.

Banniére bedachte, daß, da das Kabinett eine Thür hatte, die Thür ein Schloß, und das Schloß ein Loch haben müsse. Erwähnter Maßen trieb ihn der Dämon an, der Dämon der Neugierde. Er wollte Olympia noch einmal in ihrem einfachen Negligé anschauen.

Banniére bückte sich vor der Thür und hielt sein Auge an das Schlüsselloch, aber es waltete ein unglückliches Verhängnis über dem armen Novizen. Durch das Schlüsselloch sah man nur einen Lehnstuhl, und dieser Lehnstuhl begrenzte den Horizont, als ob eben derselbe Dämon ihm hätte sagen wollen: Du wirst sie nicht sehen.

Er erhob sich und suchte umher eine andere Öffnung. Da erblickte er über dieser vollen und undurchsichtigen Thür eine, mit einem Mousselinevorhänge geschlossene, rautenförmige Fensterscheibe.

Er erblickte sie und stieß in seiner Freude eine Art von Gebrülle aus.

Der Dämon der Neugierde trieb Banniére fortwährend an.

»Auf! flüsterte ihm dieser böse Geist zu »auf zum Sturme!«

Banniére nahm einen gestickten Schemel, den er in einer Ecke fand; in einer andern entdeckte er einen Fuß wärmer, den er aus den Schemel stellte, und als das bewegliche Piedestal zurecht gerichtet war, hisste er sich hinaus.

Aber es waren zehn bis elf Fuß vom Boden bis zur Fensterscheibe, und Banniére und die zwei Meubles bildeten nur neun.

Der Noviz erinnerte sich des Fensters der Meditationsstube. Er wollte sich mit den Händen anhängen und hob sich mit der Kraft der Faustgelenke bis zu der glückseligen Glasscheibe empor.

Als er aber seine Sprossen verlassen hatte, trennten sich diese, verloren das Gleichgewicht und rollten mit großem Geräusch aus den Boden.

Banniére blieb mit den ersten Fingergliedern am Rande der Leiste hängen.

Zu gleicher Zeit schlugen seine Füße, welche der Stütze entbehrten, an die Thür, wie es die Schlägel aus einer Trommel tun.

Er hatte selbst bange vor dem Geräusche, das er gemacht; musste darüber wütend werden, denn es war ein lächerliches Geräusch.

Doch es wurde noch viel schlimmer, als er bis Stimme von Olympia ihn fragen hörte;

»Aber, was machen Sie denn da innen, Herr Banniére? Zertrümmern Sie die Scheidewand?«

»Ach! mein Fräulein,« erwiderte der Unglückliche mit einer schmerzlichen Stimme, indem er diesem Ausruf den ganzen Wert eines Seufzers gab.

»Nun! wie? sollte Ihnen zufällig unwohl sein?«

»Ah! mein Fräulein,« fuhr Banniére mit derselben Betonung fort, »eine grausame Angst bedrückt mich.«

»Armer Herr Banniére!« sagte Olympia mit einem Tone voll spöttischen Mitleids; »was widerfährt Ihnen denn? sprechen Sie.«

»Es ist sehr schwer, zu sagen, mein Fräulein.«

»Bah!«

»Ich weiß nur, daß ich sicherlich verdammt bin.«

»Wie! weil Sie eine Tragödie gespielt haben? Oh! ich habe mehr als hundert gespielt, und ich hoffe dessen ungeachtet selig zu werden.«

»Ah! Sie, mein Fräulein, das ist ein großer Unterschied, Sie waren nicht Noviz bei den Jesuiten.«

Olympia lachte. Banniére, der wieder aus seine Füße gefallen war, fühlte seine ganze Verzweiflung sich verdoppeln, und er drückte diese Verzweiflung durch Seufzer aus, welche von traurig kläglich wurden.

»Nun, nun, mein lieber Kamerad, Sie müssen doch schlafen,« sprach Olympia ernst; »es wird sogleich vier Uhr sein.«

»Unmöglich, mein Fräulein, unmöglich. Mein Kopf gerät in Verwirrung.«

»Ei! mein Gott, das ist ja beinahe eine Erklärung!«

»Mein Fräulein!« rief Banniére die Hände faltend, als könnte man ihn von jenseits der Thür sehen.

»Oh!« fuhr Olympia fort, »ich bin Ihrer Ansicht, Sie ziehen sich in der Tat die Verdammnis zu; nehmen Sie sich in Acht.

»Mein Fräulein,« rief Banniére außer sich; »spotten Sie nicht über mich. Ich schnattere, ich schaudere, ich brenne zu gleicher Zeit. Oh! ich glaube wohl, das ist das, was man verliebt und wahnsinnig verliebt sein nennt.«

»Wäre es nicht eher das, was man betrunken sein nennt, mein armer Kamerad?«

»Oh! nein. Wenn Sie wüssten! mein Kopf ist im Vergleich ruhig. Es ist meine Herz, mein Herz, das immer mehr in Flammen gerät! Wenn ich Ihre Stimme höre, ist es mir, als stürbe ich,«

»Schlafen wir, schlafen wir, lieber Herr Banniére.«

»Mein Fräulein, seit dem Augenblick, wo ich Sie gesehen, habe ich begriffen, daß ich nicht mehr mir gehörte.«

»Mein lieber Banniére, alle Briefe, die ich empfange, und ich empfange viele, fangen mit diesen Worten an.«

»Glücklich sind diejenigen, welche Ihnen ihre Aufrichtigkeit beweisen konnten, mein Fräulein!«

»Armer Junge! Sollten Sie zufällig Witz haben, lieber Herr Banniére?«

»Ach! ich weiß es nicht, mein Fräulein.«

»Nun! ich beklage Sie von ganzer Seele, wenn das, was Sie sagen, wahr ist. Schlafen wir.«

»Oh!« rief Banniére, »nun sangen Sie wieder an zu spotten. Wenn Sie wüssten, daß es nur eines Wortes von Ihnen bedürfte, um mich zu trösten . . .ein Wort, ich bedarf desselben sehr. Sie haben keine Idee, wie toll ich sein muss, um mit dieser Dreistigkeit zu Ihnen zu sprechen; nein, ich gehöre nicht mehr mir; nein, Ich bin ein Wahnsinniger! Ah! mein Fräulein, Gott bestraft schon die Sünde, zu der mich der Teufel verleitet hat. . . . Liebe! Ach! nicht mir ist die Ihrige vorbehalten! Was bin ich? ein Erdenwurm, ein Atom, ein Elender! Oh! ich bin unwiderruflich verloren, dafür stehe ich Ihnen.«

»Herr Banniére,« sagte Olympia mit dem ernstesten Tone, denn sie sah, daß ein wirkliches Leiden im Grunde dieser komischen Szene obwaltete, »Herr Banniére, Sie haben Unrecht, sich so zu misshandeln! es ist in Ihnen der Stoff zu einem liebenswürdigen Menschen und einem Jungen von Geist; ich glaube mehr noch, es ist in Ihnen ein redliches und aufrichtiges Herz.«

»Oh!« machte Banniére.

»Sie haben sogar ein hübsches Gesicht,« fuhr Olympia fort; »glauben Sie mir, Sie werden den Weibern gefallen.«

»Ich will nur Ihnen auf der Welt gefallen, nur Ihnen, nur Ihnen.«

»Sie sind aber Noviz bei den Jesuiten!«

»Ah! ja.«

»Und so lange Sie nicht Ihre Kutte in die Nesseln geworfen haben. . .«

»Ei! was liegt daran, ob ich sie behalte oder nicht behalte, diejenige, welcher ich gefallen möchte, wird mich nie anschauen.«

»Diejenige, welcher Sie gefallen wollen, bin ich, nicht wahr?«

»Oh! mein Fräulein, Sie sind es! Sie, Sie!«

»Ich danke! denn Sie sagen das aus eine Art, daß ich nicht daran zweifle, und glauben Sie mir, eine Frau ist Immer dankbar gegen denjenigen, welcher sie wahrhaft liebt. Diesem Manne ist sie also, wenn nicht eine der seinigen gleiche Liebe, – die Frau ist nicht immer Gebieterin über ihre Liebe, – aber die volle Wahrheit schuldig. Wohl denn, Herr Banniére, ich werde geliebt von einem wackeren Manne, den man Herr von Mailly nennt.«

»Ach!« seufzte Banniére, welcher fühlte, daß hier wirklich das unübersteigliche Hindernis war.

»Und da ich Niemand etwas stehle, Herr Banniére,« fuhr Olympia fort, »da ich ein eben so gutes Wort habe, als es mit einander ein ehrlicher Mann und eine ehrliche Frau haben können, so bitte ich Sie, um Ihrer selbst willen, an nichts von dem, was Sie beschäftigt, mehr zu denken.«

»Beschäftigt!« rief Banniére gedemütigt, verdutzt, »sie nennt diese Qual eine Beschäftigung!«

»Sie haben mich gehört, mein lieber Nachbar,« sagte Olympia mit fester Stimme; »in zehn Minuten haben Sie mehr über mich erfahren, als Andere je in zehn Jahren erfahren werden. Ich bin Weib und kann schwach sein. Ich begreife also den Wahlspruch: Dem Einen oder dem Andern! nach meinem Geschmack oder nach meinem Rechte; aber dem Einen und dem Andern, nie! Nehmen Sie daher Ihre Qualen in Geduld hin, mein lieber Herr Banniére, strecken Sie sich auf Ihren Kissen aus und schlafen Sie.

»Gute Nacht, mein Fräulein,« antwortete Banniére mit traurigem Tone; »ich habe Sie tausendmal um Verzeihung zu bitten wegen aller Unruhe, die ich Ihnen verursacht, wegen aller Albernheiten, die ich Ihnen gesagt, wegen aller lächerlichen Ungebührlichkeiten, die ich Sie habe ausstehen lassen. Jetzt, mein Fräulein, begreife ich den ganzen Umfang meines Unglücks. Von diesem Augenblick an seien Sie auch unbesorgt, mein Fräulein, Sie werden mir nichts mehr vorzuwerfen haben. Schlafen Sie, mein Fräulein, schlafen Sie; ich bin in einer stummen Verzweiflung, der grausamsten von allen für denjenigen, welcher sie empfindet, aber der am wenigsten lästigen für denjenigen oder diejenige, welche sie fühlen macht.«

Olympia antwortete diesmal nur durch einen kleinen Ausruf, den Banniére, wenn er eingebildeter gewesen wäre für einen Seufzer hätte halten können.

Der unglückliche Banniére aber versenkte sich in den Lehnstuhl, begrub sich in die Kleider, welche Olympia kurz zuvor ausgezogen, und die den berauschenden Wohlgeruch bewahrt hatten, welchen die junge und schöne Frau um sich her verbreitet, und während er Olympia einatmete, verurteilte er sich zur Folter der Unbeweglichkeit.

Er war kaum mehr in seinem Willen, als im Schlafe erstarrt, als des Geräusch des Klopfens an der Gangthür erscholl.

Banniére bebte und horchte mit allen seinen Ohren: jedes Geräusch war für ihn ein Ereignis.

Es kam ihm vor, als hätte Olympia ihrerseits eine Bewegung gemacht, was bewies, daß seine schöne Nachbarin auch horchte.

Nach einem Augenblick wurde die Hausthür geöffnet und wieder geschlossen; dann hörte Banniére die Thür des Zimmers von Olympia öffnen und Tritte aus dem Boden krachen.

Das war für Banniére ein erschrecklicher Schlag.

Olympia log also; sie bewilligte also ganz leise einen Vorzug, den sie ganz laut von sich ablehnte; sie bewahrte also Herrn von Mailly, der auf der Straße nach Lyon galoppierte, die beschworene Treue nicht.

Banniére hielt es nicht mehr aus, er sank aus dem Lehnstuhl aus den Teppich und wälzte sich vor Verzweiflung im Mantel von Herodes.

Nie hatte er so viel gelitten.

Plötzlich hörte er im Zimmer von Olympia einen Ausruf des Erstaunens.

Feige, wie alle Verliebte sind, horchte er wieder.

«Aber wer hat denn diesen Brief gebracht?« fragte Olympia.

»Gut! es ist nur ein Brief,« dachte Banniére.

«Ein Dragoner, mein Fräulein; er kam mit verhängten Zügeln, und sobald ich das Billett in der Hand hatte, entfloh er so rasch, als er gekommen war.«

»Die Stimme von Mademoiselle Claire!« rief Banniére; »immer besser!«

»Das ist ein seltsamer Bote,« sagte Olympia mit zitternder Stimme.

Dann nach einem Stillschweigen:

»Öffnen Sie die Riegel dieses Kabinetts.«

»Des Kabinetts, wo der Jesuit ist?« fragte Mademoiselle Claire mit dem Ausdrucke des tiefsten Erstaunens.

»Ja.«

Claire zog die Riegel, und Banniére bebte, während er sich erhob.

»Und dann?« fragte Claire.

»Und dann,« antwortete Olympia mit ihrem ruhigen Tone, »bitten Sie Herrn Banniére, wenn er nicht schläft, mir das Vergnügen zu machen, herauszukommen und einen Augenblick.mit mir zu plaudern.«

Banniére stand auf seinen Beinen, ehe diese Worte vollendet waren.

Claire öffnete die Thür, hinter welcher der Noviz so viel geschnattert hatte.

Sie sah Banniére stehen.

»Er schläft gar nicht,« sagte Claire zu Ihrer Gebieterin.

»Desto besser. Ich bitte, wollen Sie näher kommen, Herr Banniére.«

»Mein Fräulein . . .«

»Vorausgesetzt jedoch, daß Ihnen das nicht unangenehm ist?« fragte Olympia lächelnd.

Banniére trat mit bleicher Stirne und hüpfendem Herzen in das Zimmer ein.

Olympia hatte purpurrote Wangen, eine gefaltete Stirne und ein Auge voll von düsteren Flammen.

Sie hielt einen entsiegelten Brief in ihren, wie die von Aurora, rosigen Fingern.

»Nähern Sie sich, mein Herr,« sagte sie.

»Oh weh!« dachte Banniére; »sie wird .mich vor die Thür werfen lassen. Dieser Brief ist ein Befehl von Herrn von Mailly. Ich bin ein weggejagter Mensch.«

Banniére, als er bei Olympia war, wurde von einem wahren Schwindel befallen; zum Tode verurteilt und bei dem verhängnisvollen Blocke, wäre er weniger bleich und bebend gewesen.

Olympia schlug ihre noch von Zorn glänzenden Augen zu dem Novizen aus.

»Mein Herr,« sagte sie, »ich bitte, lesen Sie diesen Brief.«

»Da haben wir es,« dachte Banniére.

Er nahm indessen den Brief und las:

»Meine teure Olympia, Alles hat aus dieser Welt ein Ziel, die Liebe wie das Übrige. Sie lieben mich aus Zartgefühl, und ich meinerseits mache es mir zum Vorwurf, daß ich nicht mehr für Sie die glühende Liebe hege, die Sie einzuflößen verdienen; aber meine volle Freundschaft hat meine Liebe überlebt, und der König, indem er mich zurückberuft, macht durch das Bedauern, mit dem ich Sie verlasse, daß ich sehe, wie lebhaft und tief diese Freundschaft für Sie ist.

»Sie wären die Frau gewesen, die immer aus mich gewartet hätte, denn Sie sind die Redlichkeit in Person. Ich löse selbst die Bande, welche Sie hemmten. Öffnen Sie Ihre Flügel, schöne Taube.

»Ich habe in Ihrem Secretair tausend Louis d'or gelassen, die ich Ihnen schuldig war, und einen Ring, den ich Ihnen anbiete.

»Wundern Sie sich nicht, wenn Ich Ihnen schreibe, ich hätte nie den Mut gehabt, Ihnen so viele harte Dinge ins Gesicht zu sagen.

»Auf Wiedersehen und ohne Groll.

»Graf von Mailly.«

»Oh! mein Gott,« rief im ersten Aufschwung seines Herzens Banniére, nachdem er gelesen hatte.