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Kitabı oku: «Salvator», sayfa 88

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CXVI
Der Partherpfeil

Auf den Abend desselben Tages hatte der italienische Prälat, wie man sich erinnert, den Abbé Bouquemont zu sich bestellt.

Der fand den Bischof mitten in den letzten Vorbereitungen zu der Reise.

»Treten Sie in mein Kabinet,« sagte der Prälat, »ich werde in einem Augenblicke bei Ihnen sein.«

Der Abbé gehorchte.

Darauf sagte Monseigneur Coletti, an seinen Diener gewandt:

»Ist die Person, die ich rufen ließ, in meinem Oratorium?«

»Ja, Monseigneur,« antwortete der Diener.

»Gut. Ich bin für Niemand zu sprechen, als für die Marquise de la Tournelle.«

Der Diener verbeugte sich.

Monseigneur ging in sein Oratorium.

Dort wartete in einer Ecke stehend eine magere, blasse Gestalt, mit langem Haare, welche dem, der sie trug, den Vortheil bot, eine frappante Aehnlichkeit mit Basil in der »Hochzeit des Figaro« oder dem Pierrot der Pantomime zu haben.

Diese Person werden unsere Leser vergessen haben; aber mit zwei Worten rufen wir sie ihnen wieder in’s Gedächtniß zurück: es ist der Geliebte der Stuhlvermietherin, einer der Vertrauten des Herrn Jackal, der sogenannte Longue Avoine, der, nachdem er durch ein Wunder aus den Emeuten der Rue St. Denis glücklich entkommen, siegreich in seine Heimath, Rue de Jerusalem, zurückgekehrt war.

Man wird ohne Zweifel erstaunt sein, diese eigenthümliche Persönlichkeit bei unserem italienschen Jesuiten zu finden; wenn man uns jedoch in sein Oratorium folgen will, so wird man in dieser Richtung sehr rasch aufgeklärt sein.

Bei dem Anblick Monseigneur Coletti’s kreuzte Longue Avoine seine beiden Hände auf der Brust.

»Nun denn,« fragte der Italiener, »was ist das Resultat Ihrer Nachforschungen? Seien Sie kurz und sprechen Sie leise.«

»Das Resultat ist vortrefflich, Monseigneur, und hat keine langen Nachforschungen erfordert; es sind die größten Intriguanten der Christenheit.«

»Woher kommen sie?«

»Von demselben Lande wie ich, Monseigneur.«

»Und woher kommen Sie?«

»Aus meiner Heimath: aus Lothringen.«

»Aus Lothringen?«

»Ja, und Sie kennen das Sprichwort: Lorain traitre à Dieu et à sou prochain?« (Ein Lothringer verräth Gott und seinen Nächsten.)

»Das ist sehr schmeichelhaft für Sie und für die Beiden. Und wo haben sie ihre Studien gemacht?«

»Im Seminar zu Nancy; nur wurde der Abbé fortgejagt.«

»Warum?«

»Es genügt, wenn Eure Eminenz ihm sagen, daß Sie wissen, weßhalb; er wird, dafür stehe ich, nicht auf einer Erklärung beharren.«

»Und sein Bruder?«

»Ah, mit dem ist’s eine andere Sache; ich kenne von ihm die genausten Details. Der König Stanislaus, welcher Patron einer kleinen Kirche in der Umgegend von Nancy gewesen, hatte dieser einen Christus von Van Dyk geschenkt. Nach und nach hatte man den Werth dieses Bildes vergessen, welchen Bouquemont, der Maler, gar wohl kannte. Er bat um die Erlaubnis und erhielt sie, eine Copie von demselben zu machen; als er sie fertig hatte, unterschob er die Copie dem Original und verkaufte das Original um 7000 Franken an das Antwerpner Museum. Die Sache wurde ruchbar und hätte ohne Zweifel sehr unangenehme Folgen für den Künstler haben können, wenn der Abbé, der bereits dem Hause von Saint Acheul aggregirt war, nicht von dem Obern dieses Hauses gehalten worden wäre. Die Geschichte wurde vertuscht; sobald sie jedoch von einem Manne Ihrer Stellung wieder auf das Tapet gebracht würde, bekäme sie ihre ganze Bedeutung wieder.«

»Gut; ich habe gehört, die Namen, die sie führten, seien nicht ihre wahren Namen. Wissen Sie etwas in dieser Beziehung?«

»Ganz wahr. Ihr wirklicher Name ist Madou und nicht Bouquemont.«

»Wie haben sie gelebt, seit dem Tage, als sie Nancy verließen?«

»Physisch ziemlich gut; moralisch sehr schlecht: sie dupirten die Leute und wenn sie keine Dupes fanden, machten sie Schulden. Wenn Monseigneur mir nur vierundzwanzig Stunden gönnen wollten, könnte ich Sie versichern, daß Sie ganz zufrieden gestellt werden sollten.«

»Unnütz, ich reise diesen Abend und ich reise, indem ich weiß, was ich wissen wollte.«

Damit zog er fünf Louisd’or aus der Börse und sagte, indem er sie Longue Avoine gab:

»Hier eine Abschlagszahlung; vielleicht erhalten Sie nicht unterzeichnete Ordres; jede dieser Ordres, die Sie erhalten, wird von einem kleinen Mandate begleitet sein, das zum Zwecke hat, Sie für Ihre Bemühungen zu belohnen; Sie schicken die Antwort auf diese Ordres poste restante nach Rom; drei † auf Ihren Briefen werden das Erkennungszeichen für mich sein.«

Longue Avoine verbeugte sich mit einer Geberde, welche sagen wollte: »Ist das für den Augenblick Alles?«

Monseigneur Coletti verstand die Geberde.

»Suchen Sie alle Spuren unsrer beiden Männer zu verfolgen, um mir genaue Auskunft geben zu können, wenn ich solche brauche. Gehen Sie.«

Longue Avoine ging rückwärts hinaus.

Monseigneur Coletti wartete, bis die Thüre verschlossen war und sagte dann, nachdem er einen Augenblick gewartet und nachgedacht:

»Und nun zu dem Andern.«

Er verließ sein Oratorium, ging durch den Salon und trat in sein Cabinet.

Er fand dort den Abbé Bouquemont, der, in einen großen Fauteuil ausgestreckt, die Daumen um einander bewegte und zum Plafond emporschaute.

»Nun, Monseigneur Abbé,« fragte er, »können Sic mir sagen, was bei der Marschallin de Lamothe-Houdan vorgegangen?«

»Die Prinzessin schien mich als Beichtvater annehmen zu wollen,« antwortete der Abbé.

»Wie! schien?« fragte der Jesuit erstaunt.

»Die Prinzessin ist nicht sonderlich gesprächig,« versetzte der Abbé, »Eure Eminenz müssen davon zu erzählen wissen. Ich kann nicht genau sagen, welchen Eindruck ich auf sie gemacht, deßhalb sage ich: schien mich annehmen zu wollen.«

»Kurz, haben Sie im Hause Anker gefaßt?«

»Die Frau Marquise de la Tournelle ist der Ansicht, daß es der Fall sei.«

»Dann müssen auch Sie der Ansicht sein. Sprechen wir nicht weiter davon. Nachdem dies abgemacht, ließ ich Sie kommen, um Ihnen Instructionen in Beziehung auf das Benehmen, das Sie gegenüber der Frau Marschallin de Lamothe-Houdan einzuhalten haben, zu ertheilen.«

»Ich erwarte Ihre Befehle, Monseigneur.«,

»Ehe ich auf die Sache selbst eingehe, zwei Worte, die ich in meiner Macht habe, Ihre Skrupel zu besiegen – falls Sie noch welche hätten, was ich bezweifle – und sogar die Aufopferung an die Stelle des Zögerns treten zu lassen. Sie sind aus dem Seminar von Nancy weggeschickt worden. Ich weiß weßhalb. Das ist, was Sie betrifft. Was Ihren Bruder angeht, so wissen Sie wohl, daß im Museum von Antwerpen ein gewisser Christus von Van Dyk ist . . . «

»Monseigneur,« unterbrach ihn der Abbé Bouquemont erröthend. »Warum glauben Sie zu Drohungen Zuflucht nehmen zu müssen, um Ihre ergebenen Diener das thun zu machen, was Sie fordern?«

»Ich glaube das nicht. Ich habe ein gutes Spiel; ich bin in der Vorhand und lege meine Karten auf den Tisch. Das ist Alles.«

Der Abbé biß sich auf die Lippen, aber nicht so sanft, daß man nicht das Knirschen der Zähne gehört hätte; er senkte den Blick, aber nicht so rasch, daß der Prälat nicht einen Blitz hätte hervorleuchten sehen.

Monseigneur Coletti wartete einen Augenblick, bis der die Stellung eingenommen, die er wünschte.

»Ah!« machte der Jesuit, »jetzt, da wir einverstanden sind, hören Sic mich: die Marschallin de Lamothe-Houdan ist eine Sterbende; Sie haben nicht lange Zeit, in der Sie ihr Beichtvater sein werden; aber mit Eifer und Intelligenz kann man die Minuten zu Tagen, die Tage zu Jahren machen.«

»Ich höre, Monseigneur.«

»Wenn Sic die Beichte der Prinzessin gehört, werden Sie die Instructionen verstehen, die ich Ihnen gebe und die Ihnen bis dahin etwas verwirrt erscheinen können.«

»Ich werde versuchen, darin klar zu sehen,« machte der Abbé Bouquemont mit einem Lächeln.

»Die Marschallin hat einen Fehl begangen,« sagte der Prälat, »einen Fehl von solcher Schwere, daß, wenn sie nicht hier auf Erden Vergebung von der Person erlangt, die sie gekränkt, sie vom Himmel wohl schwerlich Verzeihung erlangen wird; das ist’s, was ich ihr klar zu machen Sie beauftrage.«

»Ich müßte aber doch wissen, Monseigneur, welcher Art dieser Fehl gewesen, um ihr die Nothwendigkeit der Vergebung hier auf Erden zu beweisen.«

»Sie werden es wissen, wenn die Prinzessin es Ihnen gesagt.«

»Ich hätte gerne Zeit gehabt, meine Dilemmen vorzubereiten.«

»Nehmen Sie zum Beispiel eines jener schweren Vergehen an, zu deren Sühne nicht weniger, als das Wort Jesu Christi noth wäre.«

»Eine Ehebrecherin?« warf der ein.

»Bemerken Sie wohl, daß ich nichts Bestimmtes sage,« machte der Italiener. »Aber im Falle, daß es ein Ehebruch wäre, glauben Sie wohl, daß die Gräfin ihre Verzeihung vom Himmel erlangen würde, wenn sie nicht zuvor die ihres Gemahls hätte?«

Unwillkürlich schauerte der Abbé; er erkannte von ungefähr den Zweck des Italieners, und so verdorben er auch war, diese florentinische Rache erschreckte ihn doch.

Er hätte vielleicht das Gift der Medicis und der Borgia besser verstanden und weniger gefürchtet.

Aber so ungeheuerlich auch die Aufgabe war, er wagte es nicht, den geringsten Einwurf zu machen; er fühlte sich wie der Hase in den Krallen des Tigers.

»Nun denn,« fragte der Italiener, »Sie übernehmen es?«

»Ich wünsche nichts mehr, Monseigneur; nur möchte ich auch verstehen!«

»Verstehen! und warum? Ist es so lange, seit Sie in die heilige Gesellschaft aufgenommen wurden, um das erste Gesetz vergessen zu haben: perinde ac cadaver? Gehorche ohne Frage, ohne Ueberlegung, blind; gehorche, wie eine Leiche.«

»Ich bin bereit,« sagte der Abbé feierlich, als er so an das Gesetz des Ordens erinnert wurde, »die Mission, die Sie mir anvertrauen, getreu zu erfüllen und perinde ac cadaver zu gehorchen.«

»Das ist schön!« sagte Monseigneur Coletti.

Und, indem er an seinen Schreibtisch trat, nahm er ein kleines Portefeuille heraus, das, wie man durch seine Hülse hindurch sah, dick gespickt war.

»Ich weiß, daß Sie arm und bedürftig sind,« sagte der Prälat; »Sie können durch die Ordres, die ich Ihnen gegeben habe, zu außerordentlichen Ausgaben veranlaßt sein. Ich glaube Ihnen gegenüber noch in Schulden zu stehen, selbst wenn ich auch alle Kosten auf mich nehme. Nach der glücklichen Ausführung der Mission werden Sie als Dank für die guten Dienste, die Sie geleistet, eine ebenso große Summe erhalten, wie die in diesem Portefeuille enthaltene.«

Der Abbé Bouquemont erröthete und zitterte zugleich vor Freude, und es bedurfte all’ der Kraft, die er über sich besaß, um das Portefeuille mit den Fingerspitzen zu nehmen und es in die Tasche zu stecken, ohne sich der Summe zu vergewissern, die es enthielt.

»Kann ich mich nun verabschieden?« fragte der Abbé, der eine große Eile hatte, den Italiener zu verlassen.

»Noch ein letztes Wort,« machte dieser.

Der Abbé verbeugte sich.

»Wie stehen Sie mit der Marquise de la Tournelle?«

»Sehr gut, Monseigneur.«

»Und mit dem Grafen Rappt?«

»Sehr schlecht.«

»So haben Sie also keinen Grund und keine Lust, ihm angenehm zu sein?«

»Durchaus keine, Monseigneur, im Gegentheil.«

»Und wenn Jemanden ein unvermeidliches Uebel begegnen sollte, so würden Sie wünschen, daß es eher ihm, als irgend Jemand sonst begegnete?«

»O, was das betrifft, ganz entschieden, Monseigneur.«

»Nun gut, Herr Abbé, befolgen Sie meine Instructionen, Punkt für Punkt, und ich glaube, daß sie gut gerächt sein werden.«

»Ah?« rief der Abbé, dessen Gesicht die Freude roth färbte, »ich verstehe jetzt Alles.«

»Stille, mein Herr, ich brauche das nicht zu wissen.«

»Ehe acht Tage vergehen, Monseigneur, sollen Sie Nachricht haben . . . Wohin muß ich Ihnen schreiben?«

»Nach Rom, Straße Umilta.«

»Ich danke, Monseigneur, und Gott stehe Ihnen auf Ihrer Reise bei.«

»Ich danke, Herr Abbé, wenn der Wunsch auch gewagt ist, so ist die Absicht gut.«

Der grüßte und ging durch eine kleine Geheimtreppe, die der Prälat ihm selbst öffnete.

In den Salon zurückkehrend, fand Monseigneur Coletti dort die Marquise de la Tournelle.

Die alte Frömmlerin wollte ihrem Beichtvater Lebewohl sagen.

Dieser, der nun Alles abgemacht, was ihm noch in Paris zu thun geblieben, und nun so rasch als möglich abreisen wollte, hatte ein Mittel, die larmoyante Szene abzukürzen, welche die alte Marquise ihm spielen wollte, und er war eben im Begriffe, da er kein anderes Mittel sah, den Wunsch und das Bedürfniß geltend zu machen, das er habe, sich in dem Augenblick vor einer so gefährlichen Reise, wie die einer chinesischen Mission, etwas zu sammeln, als der Kammerdiener der Frau Marquise hastig eintrat und ihr meldete, daß die Marschallin de Lamothe-Houdan soeben einen so heftigen Nervenanfall gehabt, daß man befürchtet, sie werde während des Anfalls sterben.

»Marquise,« sagte Monseigneur Coletti, dessen Wangen sich bei dieser Nachricht dunkel färbten, »Sie sehen ein, es ist nicht eine Minute zu verlieren.«

»Ich eile zu meiner Schwägerin,« rief die Marquise, indem sie rasch aufstand.

»Sie täuschen sich!« machte der Prälat, »nicht zur Marquise gilt es zu eilen.«

»Wohin denn?«

»Zum Abbé Bouquemont.«

»Sie haben Recht, Monseigneur; ihre Seele ist noch kranker, als ihr Körper. Leben Sie wohl denn, mein würdiger Freund, Gott stehe Ihnen bei auf Ihrer langen Reise!«

»Ich werde auf meinem langen Wege für Sie und Ihre Familie beten,« antwortete der Prälat, seine Hände auf der Brust kreuzend.

Die Marquise fuhr in ihrem Coupe weg. Eine Viertelstunde später führte eine Calesche mit vier Postpferden Monseigneur Coletti auf den Weg nach Rom.

CXVII
Wo der Abbé Bouquemont fortfährt, seine Streiche zu machen

Die Marschallin de Lamothe-Houdan war allerdings einige Augenblicke nach dem Weggange der Marquise de la Tournelle und des würdigen Abbé Bouquemont von einem solchen Krampfe erfaßt worden, daß die Kammerzofe, die in jenem Augenblicke bei ihr war, durch das ganze Hotel rief: »Die gnädige Frau stirbt.«

Der alte Arzt des Marschalls, den die Prinzessin beständig abgewiesen, eilte, von Gruska davon unterrichtet, in aller Eile herbei und erkannte an einigen beunruhigenden Symptomen, daß es eine gefährliche Krisis sei und daß die Prinzessin, ehe vierundzwanzig Stunden vergingen, den, letzten Seufzer ausgehaucht haben würde.

Der Marschall kam in dem Augenblicke, wo der Arzt das Zimmer der Circassierin verließ.

Als er das düstere Gesicht des Doctors sah, ahnte Herr von Lamothe-Houdan Alles.

»Die Prinzessin schwebt in Gefahr?« fragte er.

Der Arzt schüttelte traurig den Kopf.

»Nichts kann sie retten?« fragte der Marschall.

»Nichts,« antwortete der Arzt.

»Und welcher Ursache schreiben Sie ihren Tod zu?«

»Dem Schmerze.«

Die Stirne des Marschalls verfinsterte sich plötzlich.

»Glauben Sie, Doctor,« sagte er traurig, »daß ich persönlich der Prinzessin einen solchen Schmerz bereiten konnte?«

»Nein,« antwortete der Arzt.

»Sie kennen sie seit zwanzig Jahren,« fuhr Herr von Lamothe-Houdan fort; »Sie haben, wie ich, diese beharrliche Lethargie beobachtet, in der die Frau Marschallin beständig gelebt. Als ich Sie in dieser Richtung fragte, haben Sie mir tausend Beispiele von ähnlichen Fällen genannt, und ich glaubte, wie Sie mir sagten, daß diese Schlafsucht, in welche die Prinzessin so oft verfiel, die Folge eines Constitutionsfehlers sei; in diesem Augenblicke dagegen schreiben Sie ihren Tod dem Schmerze zu; erklären Sie sich deßhalb, mein Freund, und wenn Sie in dieser Beziehung eine Bemerkung gemacht, so lassen Sie mich die Sache wissen.«

»Marschall,« sagte der Arzt, »ich habe keine einzelne Thatsache beobachtet, bemerkt, erkannt, welche diese Ansicht motivieren könnte; aber aus allen einzelnen Anzeichen geht für mich die Ansicht hervor, daß keine andere Ursache als der Schmerz die tödtliche Krankheit der Frau Marschallin hervorgerufen haben kann.«

»Das ist die Ansicht eines Weltmannes und Philosophen, Doctor, aber ich verlange Ihre wissenschaftliche Ansicht, Ihre Ansicht als Arzt.«

»Marschall, ein wahrer Arzt ist ein Philosoph, der den Körper nur studiert, um die Seele besser kennen zu lernen. Das Studium war in Beziehung auf die Prinzessin sehr schwierig und anstrengend; aber das Resultat ist darum doch sicher, und so wahr wir einander gegenüber stehen, versichere ich, soweit ein Mensch etwas versichern kann, ohne bestimmtes Wissen auf die bloße Kunde von allgemeinen Thatsachen, versichere ich Sie, daß ein tiefer, schwerer Kummer, eine furchtbare Kränkung die Frau Marschalls in’s Grab bringen wird.«

»Ich verlange nicht weiter von Ihnen zu wissen, mein Freund,« sagte der Marschall m bewegtem Tone, indem er dem alten Arzte beide Hände bot; »und wenn ich Sie fragte, so geschah es weniger, um Ihre Ansicht, als um die meinige bestätigt zu hören. Vor wenigen Jahren, mein Freund, kam mir der Gedanke bereits; und wenn ich ihn nicht ausgesprochen, nicht mal vor Ihnen, auf den ich doch ein so unbedingtes, unbegrenztes Vertrauen habe, so geschah es, weil ich dachte, der Schmerz einer von ihrem Gatten geliebten Frau könne nur eine Ursache haben, ein Vergehen!«

»Marschall,« unterbrach ihn der Arzt erröthend, »glauben Sie mir, daß ich nie, auch nur einen Augenblick einen ähnlichen Gedanken gehegt!«

»Das bin ich überzeugt, mein Freund,« sagte der Marschall, indem er die Hände des Doctors kräftig schüttelte, »doch jetzt Adieu! Sie haben keine besonderen Befehle in Beziehung auf die Behandlung der Prinzessin zu geben?«

»Nein, Marschall,« antwortete der Arzt. »Das Leben der Frau Prinzessin wird geräuschlos erlöschen; zwischen ihrem Tod und ihrem Leben wird kein anderer Unterschied sein als zwischen der brennenden und der erlöschenden Kerze; sie wird ruhig die Augen schließen, um zu sterben, als wenn sie schlafen wollte, und der Tod wird von ihrem Schlaf nur den Unterschied haben, daß es ein ewiger Schlaf ist.«

I)er Marschall de Lamothe-Houdan neigte traurig den Kopf und drückte dem scheidenden Doctor noch einmal gerührt die Hand.

Einen Augenblick später trat der Marschall in das Zimmer der Prinzessin; sie lag auf ihrem Bette, in Weiß gekleidet wie eine Braut, und mit einem Gesichte von so zarter Farbe, wie ihre Kleider; ja sie machte mit ihren Haaren, ihrem Gesichte, ihren Kleidern, den Draperien ihres Bettes den Eindruck, als ob sie bereits in ihrem Leichentuche läge. Es fehlte, um zu glauben, daß man eine Todte aufsuche, in diesem Zimmer nichts mehr, als ein Priester, Kerzen und die silberne Vase, welche das Weihwasser enthielt.

Dieser Anblick machte den Marschall de Lamothe-Houdan zittern.

Er hatte viele Menschen im Kriege sterben sehen. Der Anblick des Todes war durchaus nichts Neues für ihn; aber als ein tapferer Mann konnte er nicht begreifen, daß man dem Tode nicht widerstehe, daß man sich nicht gegen ihn vertheidigte, daß man ihn nicht wie einen Feind zurückjagte.

Dieser stumme, ruhige Tod, ohne Protestation, ohne Widerstand, ohne Empörung auf die eine oder andere Art, erfüllte ihn mit Staunen.

Er fühlte, wie seine Kniee wankten, als wäre er ein Kind von ein paar Monaten, das ein Gewicht aufheben will; er näherte sich respektvoll dem Bette der Kranken und sagte mit seiner sanftesten Stimme zu ihr:

»Leiden Sie?«

»Nein,« sagte die Prinzessin Rina, indem sie dem Marschall den Kopf zuwandte.

»Fühlen Sie sich krank?«

»Nein,« antwortete sie noch einmal.

»Ich habe so eben den Arzt begegnet, der von Ihnen wegging,« fuhr der Marschall fort.

»Ja,« machte der Kopf der Circassierin.

»Wünschen Sie Etwas?«

»Ja,«

»Was wünschen Sie?«

»Einen Geistlichen.«

In diesem Augenblicke meldete die Kammerfrau das Erscheinen der Marquise de la Tournelle und des Abbé Bouquemont. Man ließ den eintreten, und während dieses Zwiegesprächs zog sich der Marschall mit der Marquise in das Boudoir der Prinzessin zurück.

Wir kennen die Sünden der Marschallin de Lamothe-Houdan, wir werden sie deßhalb nicht wiederholen, indem wir die Beichte derselben unsern Lesern wieder vorlegen.

»Meine Schwester,« sagte der Abbé Bouquemont, der während der Aufzählung der Fehler der Prinzessin die ganze Bedeutung der Mission, die ihm Monseigneur Coletti gegeben, erkannte, und sah, welche Rache er an dem Grafen Rappt nehmen konnte, »meine Schwester, erkennen Sie die Größe Ihrer Sünde?«

»Ja,« antwortete die Prinzessin.

»Haben Sie gesucht, Ihren Fehler wieder gut zu machen?«

»Ja.«

»Auf welche Weise?«

»Durch Reue.«

»Das ist viel, aber noch nicht genug, und es gibt noch wirksamere Mittel.«

»Lassen Sie mich sie wissen.«

»Wenn ein Mensch gestohlen hat,« versetzte der nach einigem Nachdenken, »glauben Sie, daß seine Reue dem Wiederersatze des Gestohlenen gleich komme?«

»Nein,« antwortete die Marschallin, ohne zu wissen, wo der Priester damit hinaus wollte.

»Nun, es gibt für Ihre Vergehen, meine liebe Schwester, ein analoges Mittel des Wiederersatzes.«

»Was wollen Sie damit sagen?«

»Sie haben die Ehre Ihres Gemahles gestohlen; wo eine Wiederherstellung derselben nicht möglich ist, wiegt ein freies, offenes, ehrliches Geständniß Ihres Vergehens in einem solchen Fall eine Wiederherstellung auf.«

»Und wie?« . . . rief die Marschallin. Aber sie hielt plötzlich inne, als fürchtete sie, man möchte ihre Stimme hören. Sie erhob sich in ihren Kissen und den Kopf nach dem wendend, sah sie ihn so ausdrucksvoll an, daß er, dessen Nervensystem nicht gerade sehr empfindlich war, unwillkürlich schauerte.

»Sie schauern, Herr?« sagte die Prinzessin, indem sie ihn mit der gleichen Festigkeit anzusehen fortfuhr.

»Gewiß, meine Schwester!« antwortete der Abbé Bouquemont ganz verlegen.

»Sie schauern selbst bei dem Gedanken an eine so furchtbare Art, sein Vergehen zu sühnen,« fuhr die Sterbende tief bewegt fort.

»Weil ich wirklich, meine Schwester, wenn ich die Folgen bedenke, die ein solches Geständniß haben kann, lebhaft von Mitleid für Sie bewegt bin.«

»Also für mich allein beunruhigen Sie sich, Herr Abbé?«

»Gewiß, meine Schwester.«

»Das ist schön,« sagte die Prinzessin, nachdem sie einen Augenblick nachgedacht, »sprechen wir nicht weiter davon und kommen wir auf die Art der Sühne zurück, die Sie mir vorschlagen.«

Die arme Frau hatte nie so lange gesprochen, sie hielt einen Augenblick, wie es schien, erschöpft inne und Schweißtropfen überströmten ihre Stirne.

Der glaubte nichts Besseres thun zu können, als zu schweigen; sie unterbrach die Stille.

»Herr,« sagte sie, »wenn ich das Geständniß nicht mache, das Sie fordern, was wird die Folge sein?«

»Ewige Strafe für Sie in der andern Welt.«

»Und absolute Ruhe für den Herrn Marschall in dieser?«

»Natürlich, meine Schwester, aber . . . «

»Aber, Herr Abbé, glauben Sie nicht, daß meine Sühne größer sein werde, wenn ich um den Preis einer ewigen Strafe die Ruhe meines Gatten erkaufe?«

»Nein,« sagte der, den diese Frage nicht wenig in Verlegenheit brachte; »nein,« wiederholte er, um durch die Wiederholung des Wortes, in Ermanglung von Gründen, seiner Antwort mehr Gewicht zu verleihen.

»Wollen Sie mir sagen weßhalb?« drängte die Marschallin.

»Man handelt nicht um sein Seelenheil, meine Schwester,« antwortete der Abbé hart, indem er die arme Frau dadurch einzuschüchtern suchte.

»Heißt das nicht sein Seelenheil verdienen, wenn man das eines andern sichert?«

»Nein, meine Schwester; wenn Sie noch einige Jahre zu leben hätten, so würde ich es der Vorsehung überlassen, Ihr Gewissen aufzuklären; aber da Sie so nahe daran stehen, Ihre Seele in Gottes Hände zurückzugeben, so dürfen Sie nicht zögern, sie von aller Befleckung zu reinigen. Ich gebe zu, daß das Mittel, Ihre Sünden abzuwaschen, ein furchtbares ist; aber Sie haben keine Wahl in den Mitteln und Sie müssen das annehmen, was Ihnen als eine göttliche Gnade angeboten wird.«

»So soll also,« murmelte die arme Prinzessin, »das durch meine Vergehen beschmutzte Leben eines ehrenhaften Mannes mit rauher Hand gebrochen werden; und ein Diener Gottes räth mir dazu! O mein Gott, gib mir Klarheit und laß einen Deiner Lichtstrahlen in dieses Herz dringen, das so finster wie ein Gefängniß ist.«

»So sei es,« stotterte der Abbé.

»Herr Abbé,« sagte die Marschallin in entschiedenem Tone, »schwören Sie mir vor Gott, daß diese Sühne nöthig ist.«

»Jeder Schwur ist unerlaubt, meine Schwester,« sagte der Geistliche streng.

»So geben Sie mir Gründe zur Unterstützung Ihres Rathes, Herr Abbé; geben Sie mir nur einen einzigen. Ich wünsche nichts mehr, als mich in Demuth zu unterwerfen; aber ich möchte wissen, warum ich es thue.«

»Das ist eine Schwäche des Geistes und Stolz. Das Gerechte und Rechte wird nicht bewiesen, man fühlt es.«

»Eben, weil ich es nicht fühle, Herr Abbé, bitte ich Sie mit gefalteten Händen, es mich begreifen zu machen.«

»Ich wiederhole Ihnen, daß das Ihr Stolz ist, Ihr Geist, der sich empört gegen Ihr Gewissen; denn Ihr Gewissen ruft Ihnen zu, ohne daß ich nöthig hätte, diese Worte zu wiederholen: »Alles Böse, was Du gethan, mußt Du wieder gut machen!« Das ist das göttliche Gesetz, das höchste Gesetz. Aber was gilt den verkehrten Menschen der Ruf ihres Gewissens? Denken Sie sich nur, daß Sie befleckt mit diesem Vergehen vor den Richterstuhl Gottes kommen, während Sie doch gereinigt hätten davor treten können! Glauben Sie, daß Gott in seiner strengen Gerechtigkeit, nicht einen Boten erwecken wird, der zu diesem gekränkten Gatten sagt: »Mann, die Frau, die Dir vor Gott gehörte, hat Dich unter den Menschen verrathen.««

»Gnade, Herr!« rief die arme Frau in Kummer aufgelöst.

»Mann!« fuhr der Abbé mit greller Stimme fort, »diese Frau hat den Rath von mir erhalten. Dich um Vergebung anzustehen, und sie war Verbrecherin genug, auf den Stufen meines Thrones niederzuknieen mit einer befleckten Stirne.«

»Gnade! Gnade!« wiederholte die Prinzessin.

»Nein, keine Gnade! wird die Stimme Gottes sagen. Mann, sei ohne Barmherzigkeit für das Verbrechen dieser Ruchlosen und verwünsche ihren Namen auf Erden, wie ich ihre Seele strafen werde im Himmel. Das ist die furchtbare Strafe, welche Gott Ihnen aufbewahrt – hier auf Erden, wie im Himmel; – denn ich wiederhole Ihnen, Gott wird nicht gestatten, daß der Mann, den er Ihnen gegeben, Ihre Vergehen und seine Schande nicht wisse.«

»Genug, Herr Abbé,« rief die Marschallin, die für einen Augenblick alle Kräfte zusammenraffend, sich rasch erhob und mit dem Finger auf die Thüre zeigend, mit ruhiger Stimme hinzufügte: »Ich werde Niemand das Recht geben, meinen Gemahl zu unterrichten. Gehen Sie und melden Sie dem Marschall, daß ich ihn erwarte.«

»Aber, gnädige Frau,« rief der Abbé, den diese stolze Verabschiedung blaß machte, »Sie sprechen mit einer Bitterkeit mit mir, deren Ursache ich mir nicht erklären kann.«

»Ich spreche mit Ihnen, Herr Abbé,« antwortete die Prinzessin stolz, »wie mit einem Menschen, dessen Pläne ich dunkel ahne, ohne sie zu verstehen. Wollen Sie gefälligst, wenn Sie weggehen, den Herrn Marschall bitten, bei mir einzutreten?«

Und ihm den Rücken kehrend, sank sie auf ihr Bett zurück.

Der Abbé ging, nachdem er der armen Frau einen Blick voll Zorn und Bosheit zugeworfen.

Aber es war zu viel für die unglückliche Prinzessin gewesen. Der Kampf, den sie gegen den Abbé kämpfte, so lange dieser furchtbare Streit gedauert, hatte ihre letzten Kräfte gebrochen, und als der Marschall in das Schlafzimmer trat, stieß er einen dumpfen Seufzer aus, da er sie so gebrochen sah, daß er glaubte, sie habe kaum noch ein paar Augenblicke zu leben.

Er rief der Kammerfrau, welche an das Bett ihrer Herrin eilte und ihr die Schläfen reibend, sie nach und nach wieder zum Bewußtsein brachte.

Kaum waren die Augen der Sterbenden offen, so wandte sie sich mit unheimlichem Blicke nach der Thüre des Zimmers.

»Wonach sehen Sie, meine Freundin?« fragte der Marschall sanft.

»Ist er fort?« fragte die Prinzessin mit zitternder Stimme.«

»Wer, Madame?« fragte ihre treue Gruska mit thränenvollem Blicke.

»Der Geistliche!« antwortete die Marschallin, auf deren Gesicht sich ein tiefer Schreck malte, als hätte sie eine Legion Teufel, von dem Abbé Bouquemont geführt, in’s Zimmer treten sehen.

»Ja,« sagte der Marschall, dessen Brauen sich finster zusammenzogen bei dem Gedanken, daß der ohne Zweifel diesen beunruhigenden Zustand seiner Frau hervorgerufen.

»Ah!« machte die Prinzessin, als wäre eine schwere Last von ihrer Brust gefallen.

Dann sich an die Kammerfrau wendend, sagte sie:

»Ziehe Dich zurück, Gruska, ich habe mit dem Marschall zu sprechen.«

Die Kammerfrau zog sich zurück und ließ die Prinzessin mit ihrem Gemahle allein.

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04 aralık 2019
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