Kitabı oku: «Rechtliche Grenzen vertraglicher Haftungsausschlüsse und -begrenzungen in B2B-Exportverträgen», sayfa 2

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§ 1. Einleitung

A. Einführung in die Problematik/Ziel der Arbeit

Wenngleich China mittlerweile Deutschland den Rang als Exportnation Nummer 1 abgelaufen hat, hat die deutsche Wirtschaft im Jahre 2019 noch immer einen beachtlichen Anteil seiner Güter und Dienstleistungen im Wert von mehr als 1.300 Milliarden Euro an das Ausland verkauft1. Rund die Hälfte dieser Exporte machen technisch anspruchsvolle Zwischen- und Endprodukte aus den Bereichen Maschinen- und Anlagenbau, Autoindustrie, Chemie, Elektroindustrie sowie Datenverarbeitung2 aus, welche in komplexe Produktionsabläufe eingegliedert werden, bei deren Störungen es zu erheblichen Betriebsunterbrechungen und damit zusammenhängenden Haftungsrisiken für den Lieferanten kommen kann3. Dabei exportieren nicht nur Großkonzerne, sondern insbesondere auch der Mittelstand4, als Stütze der deutschen Wirtschaft. Die deutsche Wirtschaft hat somit ein nachvollziehbares Interesse daran, auch im internationalen unternehmerischen Geschäftsverkehr Haftungsrisiken in ihren Exportverträgen zu limitieren. Die Wahl des dem Vertrag zu Grunde liegenden Rechts stellt hier die grundlegenden Weichen für das spätere Haftungsregime und etwaige vertragliche Haftungsbegrenzungsmöglichkeiten.

Trotz einer langsam aber stetig anwachsenden Gegenströmung5 haben die weitaus überwiegende Anzahl deutscher Justiziare und Unternehmensverbände sowie ein überwiegender Anteil in der juristischen Literatur einen „Abgesang“ auf die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechts im Vergleich zu anderen Rechtsordnungen eingeleitet6. Auch der Deutsche Anwaltverein (DAV) hat einen eigenen Gesetzesvorschlag entwickelt und in die Diskussion eingesteuert7. Kritisiert werden – was im Laufe dieser Arbeit näher zu beleuchten ist – die fehlende Vorhersehbarkeit sowie mangelnde Praxistauglichkeit der deutschen AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr, insbesondere im Bereich von nur vermeintlich individuell und somit unwirksam vereinbarten Haftungsfreizeichnungsklauseln. Das deutsche Recht, das auch für den Wirtschaftsstandort Deutschland ein entscheidender Standortfaktor ist8, sei international nicht mehr wettbewerbsfähig. Aus dem Blickwinkel des Risikomanagements heraus9 wird folglich die Anwendbarkeit bzw. freie Wahl des deutschen Rechts im Lichte der AGB-Kontrolle offen als Risikofaktor dargestellt, verbunden mit der scheinbaren Glorifizierung ausländischer Rechtsordnungen, insbesondere des Schweizerischen Rechts. Deutsche Exporteure werden zunehmend in fremde, vermeintlich verkäuferfreundlichere Rechtsordnungen gedrängt – ohne zu wissen, ob die vertraglichen Vereinbarungen zur Risikobegrenzung nicht auch dort nationalen rechtlichen Hürden unterliegen. Es darf vermutet werden, dass auch fremde Rechtsordnungen, welche den „Grundsatz der unbeschränkten Haftung“ kennen, Mechanismen entwickelt haben, um privatautonomen Fehlentwicklungen entgegenzusteuern. Diese Beschränkungen können wie in Deutschland explizit in Gesetzen zur AGB-Kontrolle („offene Inhaltskontrolle“) verankert sein, müssen aber nicht10. Denkbar ist neben allgemeinen gesetzlichen Prüfungsmaßstäben auch, dass z.B. auch die Rechtsprechung ihr Übriges tut („verdeckte Inhaltskontrolle“).

Ziel der Arbeit ist es, den Stand der Debatte um die deutsche AGB-Kontrolle kritisch zu hinterfragen, den Stand der Rechtsprechung als Überprüfungsmaßstab heranzuziehen, einen rechtsvergleichenden Blick in andere Rechtsordnungen zu werfen und die gewonnenen Erkenntnisse mit einem bislang kaum diskutierten Lösungsvorschlag abschließend zusammen zu führen.

1 Deutsches Statistisches Bundesamt, Zusammenfassende Übersichten für den Außenhandel – Vorläufige Jahresergebnisse, Fachserie 7 Reihe 1 – 2019, S. 26/Abbildung 1.1, abgerufen am 05.04.2020 unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/_inhalt.html. 2 Deutsches Statistisches Bundesamt, Zusammenfassende Übersichten für den Außenhandel – Vorläufige Jahresergebnisse, Fachserie 7 Reihe 1 – 2019, S. 66/Ziffer 1.11.1, abgerufen am 05.04.2020 unter https://www.destatis.de/DE/Themen/Wirtschaft/Aussenhandel/_inhalt.html. 3 Zur zunehmenden Technologiedynamik und den damit einhergehenden zunehmenden Risiken: Gassmann/Kobe, Management von Innovation und Risiko, S. 6ff.. Podehl, DB 2005, S. 2453ff. (2453); Kaufhold, BB 2012, S. 1235ff. (1235); Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, S. 309ff. (309/310). Zur allgemeinen Üblichkeit von Haftungsbeschränkungsklauseln im Unternehmensalltag siehe Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 113. Die Bedeutung von AGBs betonend, welche die gesetzlichen Rahmenbedingungen bei Lieferung komplexer Produkte ins Ausland abändern: Niebling, Allgemeine Geschäftsbedingungen – Besonderer Teil/Praxiswissen, S. 44. 4 Ostendorf/Neumann/Ventsch, IHR 2006, S. 21ff. (21). 5 Vgl. „Initiative pro AGB-Recht“, gemeinsame Erklärung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Unternehmern vom April 2012, zuletzt aktualisiert im Februar 2019, bestehend aus mittlerweile mehr als 30 Verbänden, u.a. dem Zentralverbands des deutschen Handwerks e.V., Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Markenverband e.V., Gesamtverband der deutschen Mode- und Textilindustrie e.V., Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V., Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie e.V., Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V., Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., abgerufen am 02.09.2019 unter http://www.pro-agb-recht.de/. 6 Kritisch hierzu ULMER/BRANDNER/HENSEN-Ulmer/Habersack, Einl. Rn. 50. 7 DAV, Stellungnahme 23/2012, abgedruckt im AnwBl 5/2012, S. 402ff. (402). 8 Kondring, RIW 2010, S. 184ff. (184). 9 Lischek/Mahnken, ZIP 2007, S. 158ff. (158); Lotz, ZfBR 2003, S. 424ff. (424); Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 37; zur ex ante-Berücksichtigung und Einpreisung von Haftungsrisiken vgl. Roth, ZGR 3/86, S. 371ff. (374). 10 Zum Begriff der „Inhaltskontrolle“ bzw. „Rechtskontrolle“ vgl. ULMER/BRANDNER/HENSEN-Fuchs, Vorb. v. 307 Rn. 1ff..

B. Gang der Darstellung

Zu Anfang werden kurz das von Wirtschaft, Branchenverbänden und dem überwiegenden Anteil der juristischen Literatur kolportierte Meinungsbild als zu beweisende (oder zu widerlegende) Behauptung zusammengefasst und die Auswirkungen auf die Wirtschaftspraxis beleuchtet.

Anschließend werden in einem Sachteil die Grundzüge des deutschen Haftungsrechts dargestellt, um die aufgeworfenen Fragen im Kontext richtig einordnen zu können. Es folgt eine Darstellung und Analyse zulässiger Haftungsbeschränkungen auf gesetzlicher sowie vertraglicher Basis. Zur Meinungsbildung betrifft dies auch bewusst sachfremde Rechtsgebiete, um den Blick für etwaige Lösungsansätze zu weiten.

Anschließend werden die Entstehungsgeschichte der AGB-Kontrolle, die Intention des Gesetzgebers, die Behandlung durch die Rechtsprechung und ausgewählte dogmatische Ansätze samt eigenem Ansatzpunkt dargestellt.

Hieran schließt eine ausführliche, auf Gesetz und Rechtsprechung basierende Darstellung zulässiger Haftungsausschlüsse und -beschränkungen an.

Dieser Gang der Darstellung folgt einem bestimmten Zweck: Zuallererst ist zu ermitteln, welche Problemstellungen der deutsche Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung mit der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu lösen versucht, und wie diese Ziele mit unterschiedlichen Instrumentarien erreicht werden sollen. Der Schwerpunkt liegt anschließend auf der Fragestellung, unter welchen Voraussetzungen der Gesetzgeber bzw. die Rechtsprechung im unternehmerischen Geschäftsverkehr die Privatautonomie im Bereich von Haftungsbeschränkungen zulässt oder gegebenenfalls beschränkt. Herauszuarbeiten ist, ob die deutsche AGB-Kontrolle (auch unter Berücksichtigung des eventuell anwendbaren CISG) tatsächlich dermaßen unsichere Rahmenbedingungen in internationalen Exportverträgen bietet, dass eine gezielte Wahl ausländischen Rechts Sinn machen kann. Hierbei soll auch ein kurzer Abstecher in nicht unmittelbar rechtstypische Gebiete gewagt werden, um zu beleuchten, ob etwaige Problemstellungen nicht durch praktische Ansätze (wie Verhandlungsstrategien (z.B. Harvard-Verhandlungsstrategie)) umgangen werden könnten und somit doch eher theoretische als praktische Probleme darstellen. Auch einige derzeit diskutierte Reformvorschläge werden in die Betrachtung miteinbezogen.

Im später folgendem rechtsvergleichenden Teil soll versucht werden, die vertraglichen Grenzen von Haftungsausschlüssen und -begrenzungen beispielhaft in verschiedenen fremden Rechtsordnungen zu beleuchten. Wenn die deutsche AGB-Kontrolle im Bereich der Haftungsfreizeichnung im unternehmerischen Geschäftsverkehr tatsächlich dermaßen unzulänglich und unpraktikabel sein sollte, stellt sich die Frage, wie in ausgewählten anderen Ländern mit der zu Grunde liegenden Problemstellung umgegangen wird, welche beispielhaften Ansätze hier verfolgt werden, und vor allem, ob diese Ansätze gegenüber dem deutschen Recht denn tatsächlich vorzugswürdig sind. Von erheblicher Bedeutung ist hier nicht nur, ob und wo solche Grenzen bestehen, sondern insbesondere auch, warum und wie sich diese Grenzen von den deutschen Beschränkungen der Privatautonomie unterscheiden. Auch hierbei soll, der im Raum stehenden Frage der praktischen Unzulänglichkeit der Rechtsanwendung folgend, ein besonderer Fokus auf die Vorstellung konkreter Urteile gelegt werden. Hierzu werden beispielhaft folgende Rechtsordnungen abgehandelt:

 1. Schweizer Recht: Sollten wie von den Kritikern der deutschen AGB-Kontrolle propagiert trotz der vom Schweizerischen Bundesgericht entwickelten Überprüfungsmaßstäbe (z.B. Ungewöhnlichkeits- und Unklarheitenregel11 für AGBs) keine praktisch relevanten Beschränkungen der Privatautonomie existieren, stellt sich die Frage, wie das Schweizer Recht dies begründet und welche Schlüsse sich für die den beiden Rechtsordnungen zu Grunde liegende Problemstellung ergeben.

 2. US-Amerikanisches Recht: Zudem wird noch eine Rechtsordnung aus dem anglo-amerikanischen Rechtskreis herangezogen. Aus diesem Rechtskreis, dessen grundsätzlich weite Vertragsfreiheit – auch des Modellgesetzes UCC12 – allgemein bekannt ist, wird ein dem deutschen Verständnis eher fremdes vertragliches Haftungskonzept (sog. „knockfor-knock indemnification“13) dargestellt, welches – dem allgemeinen Rechtsverständnis des case law widersprechend – durch den texanischen Gesetzgeber in gewisse Grenzen verwiesen wurde14. Zu klären wird sein, wie dieser uns fremde Ansatz funktioniert und welche Problemstellungen durch welche gesetzlichen Vorgaben gelöst werden sollen.

Das rechtsvergleichende Fazit soll neben einer abschließenden Bewertung der verschiedenen Ansätze und gewonnenen Erkenntnisse auch neue Aspekte in die Debatte um die Fortentwicklung der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr einbringen.

Die Arbeit schließt mit der Vorstellung eines auf Basis der gewonnenen Erkenntnisse abgeleiteten Modells sowie einer konkreten Empfehlung, die den rechtlichen wie praktischen Bedürfnissen gleichermaßen gerecht werden soll und die Debatte lösungsorientiert versachlichen möchte.

11 Berger, Allgemeines Schuldrecht, Rn. 959. 12 Bruns, Haftungsbeschränkung und Mindesthaftung, S. 83ff.. 13 Dieses im Bereich der Ölförderung häufig vertraglich vereinbarte Haftungskonzept stellt nicht auf ein Verursacher- oder Verschuldensprinzip ab, sondern teilt Verantwortlichkeiten rein z.B. nach Unternehmenszugehörigkeiten der klagenden Person ein. Wird solch ein Konzept zwischen Vertragspartnern vereinbart, kann dies zur vollständigen Haftungsfreistellung für den Schädiger führen. Siehe hierzu später im rechtsvergleichenden Teil unter § 6 B II.3 (4). 14 Civil Practice & Remedies Code, Chapter 127, Indemnity Provisions in certain Mineral Agreements.

§ 2. Quod est demonstrandum: Stand der Debatte und praktische Auswirkungen

A. Zusammenfassung zum Stand der Debatte

Mittlerweile werden die angeblichen Unzulänglichkeiten der deutschen AGB-Kontrolle im Vergleich zur Vertragsfreiheit in fremden Rechtsordnungen nicht mehr nur von einzelnen Branchenverbänden kritisiert, sondern auch in weiten Fachkreisen aus Wirtschaft, Anwaltschaft15 und zunehmend auch Forschung16 rege diskutiert17. Hier hat sich insbesondere die Abgrenzung von AGB-Klauseln, welche der strengen Kontrolle der §§ 307ff. BGB unterliegen, und individuell ausgehandelten Klauseln, welche gem. § 305b BGB nicht angreifbar sind bzw. eigentlich sein sollten, als größter Kritikpunkt herauskristallisiert18.

Nach Angabe diverser Unternehmensverbände, insbes. auch des VDMA, mangele es den Unternehmen auf Grund der unklaren Überprüfungskriterien an Vorhersehbarkeit, Verlässlichkeit und somit Rechtssicherheit im Umgang mit allgemein gebräuchlichen Vertragsmustern und -klauseln. Die Vorgaben von Gesetzgeber und Rechtsprechung, die ursprünglich dem Verbraucherschutz dienen sollten, würden im unternehmerischen Geschäftsverkehr, dem sog. B2B-Bereich19, als Beschneidung der Privatautonomie verstanden, die dem Leitbild eines selbstbestimmten und verantwortlich handelnden Unternehmertums zuwiderlaufe20. Insbesondere eine fehlende Haftungsbeschränkungsmöglichkeit im Bereich der einfachen Fahrlässigkeit führe dazu, dass unternehmerische Risiken weder kalkulierbar noch versicherbar seien21. Teile des Schrifttums sprechen gar von einer „uneinsichtigen und doktrinären“ Rechtsprechung, welche in der praktischen Anwendung im Widerspruch zur geltenden Gesetzeslage stehe22. Die „zahllosen Fallstricke zu vermeiden“23 sei auch einem vernünftigen Rechtsanwender angesichts der Rechtsprechung kaum möglich24.

Besonders deutlich bringt dies die von BDI, DIHK, VDMA, ZVEI, IHK Frankfurt am Main, diversen Rechtsanwälten und Syndizi aus Unternehmen getragene Initiative zur Fortentwicklung des deutschen AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr25 zum Ausdruck. Diese rät, solange die angestrebten Änderungen in Gesetz und/oder Rechtsprechung oder Entschärfung dieser Problematik nicht eintreten, mehr oder weniger offen zur „Flucht aus dem deutschen Recht“26, wofür sich mittlerweile auch konkrete Fortbildungsreihen von Seminar-Dienstleistern entwickelt haben27. Die Unternehmen werden aus eigener Erfahrung heraus bereits seit längerem mit solchen Seminar-Angeboten nahezu überschwemmt. Insbes. größere Unternehmen sollen seit schon geraume Zeit das Schweizer Recht dem deutschen Recht vorziehen28. Zuletzt stellt die Initiative verstärkt auch auf die Herausforderungen der Digitalisierung ab und sieht eine Neuordnung als wesentlich für die digitale Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands29.

Auch internationale Branchenverbände haben Ihren Beitrag zu einer internationalen Diskussion geleistet: So sehen z.B. selbst die ORGALIME Bedingungen30 speziell für den Fall einer Wahl des deutschen Rechts einen separaten Annex31 vor, welcher die – branchenüblichen, aber gem. AGB-Rechtsprechung unzulässigen – Haftungsausschlüsse für Folgeschäden („loss of production, loss of profit and other indirect loss“32) abwandelt bzw. vollständig aufhebt33. Auch die FIDIC Bedingungen, immerhin internationaler Standard für Ingenieursdienstleistungen, haben sich den Herausforderungen der deutschen AGB-Kontrolle zu stellen34.

Auf der Ebene von Politik und Justiz hat der „Wettbewerb der Rechtsordnungen“35 schon vor einiger Zeit Aufmerksamkeit erregt und das Bundesministerium der Justiz Ende 2008 veranlasst, mit dem Deutschen Richterbund, dem Deutschen Anwaltverein, der Bundesrechtsanwaltskammer, dem Deutschen Notarverein und dem Deutschen Juristinnenbund ein „Bündnis für das deutsche Recht“ auszurufen36. Die Thematik der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr wurde anscheinend jedoch nicht aufgegriffen37. Die zugehörige Werbebroschüre („Law – Made in Germany – global, effektiv, kostengünstig“38) preist nur die große Rechtssicherheit an, welche „den Bedürfnissen des internationalen Handelsverkehrs verlässlich Rechnung“39 trage. Das Bundesministerium für Verbraucherschutz und Justiz hat die Verbandsinitiative zur Fortentwicklung des deutschen AGB-Rechts zur Kenntnis genommen und Anfang 2012 ein Anhörungstermin durchgeführt, bei dem durch Experten und Verbände konkrete Änderungsvorschläge vorgelegt werden sollten. Der Koalitionsvertrag 2018 beinhaltet gar explizit eine Überprüfung der Anwendbarkeit der AGB-Kontrolle im unternehmerischen Geschäftsverkehr:

„Wir werden das AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen auf den Prüfstand stellen mit dem Ziel, die Rechtssicherheit für innovative Geschäftsmodelle zu verbessern. Kleine und mittelständische Unternehmen, die Vertragsbedingungen ihres Vertragspartners aufgrund der wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse faktisch akzeptieren müssen, sollen im bisherigen Umfang durch das AGB-Recht geschützt bleiben.“40

Laut Auskunft eines Sprechers des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz sei auch Ende 2019 auf Grund der Komplexität der laufenden Prüfung des Vorhabens noch keine Aussage darüber möglich, ob und wann es zu einer Umsetzung kommt41. Auch am Regensburger workshop, der sich im Mai 2019 mit der Reform der AGB-Kontrolle im B2B-Bereich beschäftigt hat, nahmen Vertreter des BMJV teil, allerdings ohne inhaltlichen Beitrag zu den oder Bewertung der dort diskutierten Vorschläge42.

Durch die sich abzeichnenden Änderungen aufgeschreckt entstand die aus mehreren, vornehmlich kleineren Wirtschaftsverbänden initiierte Initiative pro AGB-Recht43, welche sich wegen der besonderen Verlässlichkeit des deutschen AGB-Rechts und dessen Schutz für den wirtschaftlich schwächeren Vertragspartner im Hinblick auf Transparenz, Ausgewogenheit und Rechtssicherheit gerade im unternehmerischen Geschäftsverkehr hervorragend bewährt habe und keiner legislativen Änderungen bedürfe44. Feindbild der Initiative ist hierbei der Großkonzern, der durch die interne Rechtsabteilung oder externe Rechtsspezialisten gegenüber Kleinunternehmen ein Ungleichgewicht schaffe, das dem zwischen Unternehmen und Verbrauchern gleich komme45. Aus praktischer Sicht sei keine Flucht in Schweizer Recht zu belegen, da die Risiken der kaum bekannten Rechtsordnung in keiner Relation zur (ohnehin bestrittenen) Problematik stehen würden46.

15 Vgl. das Symposium des Deutschen Anwaltvereins (DAV) und des Deutschen Juristentages (DJT) am 19.01.2012 in Berlin. Zu den vorgestellten Konzepten vgl. z.B. Hannemann, AnwBl 4/2012, S. 314ff. (314ff.) sowie Schmidt-Kessel, AnwBl 4/2012, S. 308ff. (308ff.). In den 2012er Beschlüssen des DJT (abgerufen am 07.03.2014 unter http://www.djt-net.de/beschluesse/beschluesse.pdf) finden sich 3 angenommene Beschlussvorlagen, welche a) die Indizwirkung der §§ 308, 309 BGB auch im B2B-Bereich ablehnen, b) eine Anpassung des Erfordernisses des Aushandelns an die Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs fordern und c) eine Beschränkung der Inhaltskontrolle im B2B-Bereich auf good commercial practice wünschen. 16 Vgl. z.B. auch „Zusammenfassung AGB-Expertendialog Heidelberg vom 14.12.2009“, abgerufen am 23.10.2010 unter http://www.frankfurt-main.ihk.de/recht/themen/vertragsrecht/agb_recht_initiative/14-12-09-zusammenfassung/. 17 Zusammenfassend mit „Der große Streitpunkt: AGB im Unternehmensverkehr“ beschreibend: Pfeiffer, NJW 2017, S. 913ff. (917). Der Disput erinnert bei Prüfung der Debatten zum AGBG in weiten Teilen verblüffend den bereits in den 80er Jahren geführten Diskussionen, auch unter Beteiligung von Vertretern von Wirtschaftsverbänden, um die Auswirkungen der AGB-Kontrolle auf den kfm. Geschäftsverkehr, vgl. z.B. Hensen, NJW 1987, S. 1986ff. (1986ff.) und Rabe, NJW 1987, S. 1978ff. (1978ff.). 18 Zusammenfassend aus Sicht eines Befürworters: Graf v. Westphalen, NJW 2009, S. 2977ff. (2977). 19 Berger, NJW 2010, S. 465ff. (465). 20 Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1231); Koch, BB 2010, S. 1810ff. (1810). 21 Mit weiteren Verweisen: Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1231). Zur Wichtigkeit von Haftungsbeschränkungsklauseln aus der Sicht der Unternehmenspraxis: Del Popolo, Grenzen des AGB-Rechs im unternehmerischen Alltag und das damit zusammenhängende Risikomanagement an Hand von praxisrelevanten Beispielen, S. 56ff.. 22 Maier-Reimer, NJW 2017, S. 1ff. (1). 23 STAUDINGER-305ff.-Mäsch, Vorbem. zu §§ 305ff. Rn. 48. 24 STAUDINGER-305ff.-Mäsch, Vorbem. zu §§ 305ff. Rn. 48. 25 Ausführliche Informationen hierzu unter www.agb-recht-initiative.de. Neufassung unter dem Slogan „AGB-Recht für Unternehmen modernisieren – Wirtschaftsstandort Deutschland stärken“ am 18.10.2018 durch Bitkom e.V., Bundesverband Deutsche Startups e.V., Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Bundesverband Gesundheits-IT– bvitg e.V., Die Deutsche Kreditwirtschaft, ICC Germany e.V. – Internationale Handelskammer, VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., Verband der Auslandsbanken in Deutschland e.V., Verband der privaten Bausparkassen e.V., Verband Deutscher Bürgschaftsbanken e.V., Verband öffentlicher Versicherer e.V., ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V., abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.zvei.org/fileadmin/user_upload/Themen/Maerkte_Recht/Allgemeine_Geschaeftsbedingungen_im_unternehmerischen_Geschaeftsverkehr/pdf/Verbaendeerklaerung-Politische-Forderung-AGB-Reform.pdf. 26 „AGB-Recht: Rechtswahl im Export: Risiko deutsches Recht“, Betriebsberater online, abgerufen am 24.10.2010 unter http://www.betriebs-berater.de/magazin/pages/show.php?timer=1251446559&deph=0&id=66662&currPage=3; so auch Leuschner, AcP Bd. 207 (2007), S. 491ff. (491); vgl. Anmerkungen von Hobeck zu ICC (Teil-)Schiedsspruch Nr. 10279, SchiedsVZ 2005, S. 108ff. (112). 27 Z.B. „Schweizer Recht im Anlagenbau – Profitieren Sie von Vertragsfreiheiten!“, Management Circle Intensiv-Seminar, 1 tägige Veranstaltung, Kosten 1.245,- EUR (netto); „Kauf-, Liefer- und Werkverträge nach Schweizer Recht“ mit dem hervorgehobenen Hinweis „Nutzen Sie Ihre Gestaltungsmöglichkeiten nach Schweizer Recht!“, FORUM Institut für Management GmbH, 1 tägige Veranstaltung, Kosten 890 EUR (netto). 28 So u.a. Brachert/Dietzel, angestellt bei der SIEMENS AG im Bereich Legal Services, beschrieben in ZGS 2005, S. 441; Ostendorf, SchiedsVZ 2010, S. 234ff. (234). Als „„erste Adresse“ für eine das deutsche Recht vermeidende Rechtswahl“ sehend: Müller/Schilling, BB 2012, S. 2319ff. (2323). 29 Siehe Stellungnahme „AGB-Recht für Unternehmen modernisieren – Wirtschaftsstandort Deutschland stärken“ vom 18.10.2018 durch Bitkom e.V., Bundesverband Deutsche Startups e.V., Bundesverband Deutscher Leasing-Unternehmen e.V., Bundesverband Gesundheits-IT– bvitg e.V., Die Deutsche Kreditwirtschaft, ICC Germany e.V. – Internationale Handelskammer, VDMA Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V., Verband der Auslandsbanken in Deutschland e.V., Verband der privaten Bausparkassen e.V., Verband Deutscher Bürgschaftsbanken e.V., Verband öffentlicher Versicherer e.V., ZIA Zentraler Immobilien Ausschuss e.V., ZVEI – Zentralverband Elektrotechnik und Elektronikindustrie e.V., abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.zvei.org/fileadmin/user_upload/Themen/Maerkte_Recht/Allgemeine_Geschaeftsbedingungen_im_unternehmerischen_Geschaeftsverkehr/pdf/Verbaendeerklaerung-Politische-Forderung-AGB-Reform.pdf. 30 ORGALIME S 2000, General Conditions for the Supply of Mechanical, Electrical and Electronic Products, Brüssel, August 2000. Zur Gebräuchlichkeit verschiedener Standardbedingungen vgl. Hök, Handbuch des internationalen und ausländischen Baurechts, S. 192ff.. 31 ORGALIME Guide on ORGALIME General Conditions, July 2002; vgl. auch Ostendorf, ZGS 2006, S. 222ff. (226). 32 ORGALIME S 2000, General Conditions for the Supply of Mechanical, Electrical and Electronic Products, Brüssel, August 2000, Artikel 37. 33 Die ORGALIME S 2000, General Conditions for the Supply of Mechanical, Electrical and Electronic Products, Brüssel, August 2000, enthalten in dem beschriebenen Annex im Fall der Anwendbarkeit deutschen Rechts Klauseln, welche die ORGALIME Haftungsausschlüsse streichen oder ersetzen. 34 Kondring, RIW 2010, S. 184ff. (185). 35 Kondring, RIW 2010, S. 184ff. (184/185); Dauner-Lieb/Axer, ZIP 2010, S. 309ff. (309); so auch Maier-Reimer, NJW 2017, S. 1ff. (1). 36 Weiterführende Informationen auf der Homepage des Deutschen Richterbunds, abgerufen am 14.04.2020 unter https://www.drb.de/positionen/verbandsthemen/buendnisfuer-das-deutsche-recht/. 37 Gerade deshalb als Beleg zu Gunsten der bestehenden Regelungen wertend: Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232). 38 Herausgegeben von Bundesnotarkammer, Bundesrechtsanwaltskammer, Deutscher Anwaltverein, Deutscher Notarverein und Deutschem Richterbund, abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.drb.de/fileadmin/DRB/pdf/Buendnis_deutsche_Recht/Broschuere_Law_-_Made_in_Germany_EN.pdf. 39 A. a.O., S. 8; Maier-Reimer, NJW 2017, S. 1ff. (1). 40 Koalitionsvertrag zur 19. Legislaturperiode zwischen CDU, CSU und SPD, Zeile 6186–6190, abgerufen am 13.04.2020 unter https://www.cdu.de/system/tdf/media/dokumente/koalitionsvertrag_2018.pdf?file=1; siehe auch Müller, BB 26/2018, Die erste Seite; Graf v. Westphalen, ZIP 2018, S. 1101ff. (1101). 41 Nitschke, JUVE 9/2019, S. 49ff. (50). 42 Herresthal, Reform der AGB-Kontrolle im B2B-Bereich, Vorwort S. 8 sowie S. 137. 43 Vgl. gemeinsame Erklärung zu den Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Unternehmern vom April 2012 (regelmäßig aktualisiert, zuletzt im Februar 2019), S. 1, der „Initiative pro AGB-Recht“, bestehend aus dem Zentralverbands des deutschen Handwerks e.V., Bundesverband Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen e.V., Markenverband e.V., Gesamtverband der deutschen Mode- und Textilindustrie e.V., Wirtschaftsverband Stahl- und Metallverarbeitung e.V., Bundesverband der Deutschen Gießerei-Industrie e.V., Gesamtverband Kunststoffverarbeitende Industrie e.V., Zentralverband des Deutschen Baugewerbes e.V., Hauptverband der Deutschen Bauindustrie e.V., abgerufen am 13.04.2020 unter http://pro-agb-recht.de/. 44 Aus einem der an der Initiative beteiligten Wirtschaftsverbände stammend: Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232); ebenfalls keinen Handlungsbedarf im unternehmerischen Geschäftsverkehr feststellend: Niebling, MDR 2019, S. 907ff. (919). 45 Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232). 46 Schäfer, BB 2012, S. 1231ff. (1232).