Kitabı oku: «Beutewelt VI. Friedensdämmerung», sayfa 4
Aber auch der russische Geheimdienst selbst, der seit Mitte 2044 ADR, Abwehrsektion der Rus, genannt wurde, hatte längst eine Vielzahl von eigenen Agenten in alle Länder der Welt geschickt, welche die feindlichen Streitkräfte zu unterwandern versuchten und alle möglichen Informationen sammelten. Westeuropa und Nordamerika bildeten die Schwerpunkte der Agententätigkeit der ADR-Männer. Und so beäugten sich die verfeindeten Mächte gegenseitig im Verborgenen, während sie nach außen hin vom Frieden redeten.
Bis auf bruchstückhafte Informationen wussten die Logenbrüder allerdings wenig über die fortlaufenden militärischen Forschungen rund um das Wissenschaftlerteam von Prof. Hammer, das stetig an der Entwicklung verbesserter Waffen arbeitete. Alle Mitarbeiter dieser wissenschaftlichen Abteilung, die ausschließlich in unterirdischen Geheimlabors tätig waren, unterstanden einer akribischen Überwachung durch die ADR.
Doch die Vorgänge hinter den Kulissen der Macht interessierten den größten Teil der Russen, Ukrainer und Balten wenig, denn ihr Leben hatte sich in höchstem Maße verbessert und das war für die meisten Einwohner des Nationenbundes das Wichtigste.
„Die Arbeitslosigkeit ist nach unseren umfassenden Maßnahmen zur Wiederbelebung der einheimischen Industrie, der Landwirtschaft und des Handwerks im Februar auf unter vier Prozent gesunken. Weiterhin hat unser Kampf gegen die um sich greifende Verwahrlosung und Alkoholsucht im russischen Volk bereits Früchte getragen und Hunderttausende unserer Landsleute von der Straße geholt, um sie wieder einem menschenwürdigen Leben zuzuführen!
Ich kann demnach sagen, dass seit meinem Amtsantritt ein wahres Wunder des wirtschaftlichen und kulturellen Aufstiegs stattgefunden hat.
So gut ging es dem russischen Volk seit Jahrhunderten nicht mehr und viele, die mir anfangs noch mit Skepsis und Unwillen gegenüber gestanden haben, sind eines Besseren belehrt worden und dürfen nun sogar an diesem gewaltigen Werk der Wiederaufrichtung unseres Landes teilhaben!“, verkündete Artur Tschistokjow seiner jubelnden Anhängerschaft.
„Zudem kann ich bekannt geben, dass die Geburtenrate der russischen Familien in diesem Jahr wieder so weit gestiegen ist, dass wir den Bevölkerungsrückgang nicht nur gestoppt, sondern in ein gehöriges Wachstum umgewandelt haben. Das zeigt mir nur eines: Unser Volk trägt wieder Hoffnung im Herzen und diese Hoffnung soll ihm in Zukunft niemand mehr nehmen können!“
Frank, Alfred, Julia, Svetlana und sogar Friedrich schenkten Tschistokjow einen gehörigen Applaus und bestaunten noch einmal die riesigen, leuchtenden Drachenkopffahnen, die von der Decke herabhingen.
Heute fand die erste große Saalveranstaltung der Freiheitsbewegung in St. Petersburg statt und die gesamte Führungsspitze der inzwischen gewaltig angewachsenen Organisation war in die Hauptstadt gereist.
„Wenn heute jemand aus dem Ausland nach Russland kommt, so wird er sich wundern, wie sehr ihn die internationalen Medien in den letzten Jahren belogen haben. Er wird sehen, dass hier ein Aufstieg stattfindet, von dem die übrigen Völker der Welt, von Japan einmal abgesehen, nur träumen können.
Vollbeschäftigung, Kultur, Stolz, Werte, Sittlichkeit und Moral – das sind Begriffe, die es in den Ländern der Weltregierung gar nicht mehr gibt.
Wo sind die großen Errungenschaften der angeblichen „Menschenfreunde“? Wo sind ihre angeblich so glücklichen Völker? Wo sind die großen Zeugnisse ihrer angeblichen „Weltkultur“?
Ich kann sie nirgendwo sehen und der gewöhnliche Bürger des Weltstaates kann sie auch nirgendwo erblicken! Denn sie existieren überhaupt nicht! Wir füttern unser Volk nicht mit falschen Versprechungen und Lügen, sondern bauen es auf und machen es wieder stark. Wie schrecklich waren die Zustände in den letzten Jahrzehnten hier in Russland und wie sehr hat das inzwischen beseitigte Regime der Logenbrüder dieses Land zerstört!
Doch die Macht dieser Leute ist mittlerweile hier in Russland gebrochen worden und auch die Folgen ihrer Zerstörungsarbeit werden wir eines Tages endgültig entfernt haben!“, rief Artur Tschistokjow durch die riesige Halle.
„Wer ist der Mann?“, flüsterte Friedrich seinem Vater ins Ohr, während ein Sturm aus Rufen und Jubelschreien um sie herum ausbrach.
„Das ist der Chef von Russland!“, erklärte Frank dem kleinen Jungen.
„Wie heißt der denn?“, wollte Friedrich wissen.
„Das ist der Onkel Artur!“, sagte Kohlhaas.
„Und dem gehört ganz Russland?“, fragte der Junge.
„Sozusagen … ja …“, erwiderte Frank schmunzelnd.
„Auch du, Papa?“
„Nein, ich gehöre ihm nicht, aber ich kämpfe freiwillig für Onkel Artur.“
„Musst du auch andere Soldaten für ihn erschießen, Papa?“
Frank stockte für einige Sekunden. Plötzlich wusste er nicht mehr, was er darauf erwidern sollte.
„Ja, das muss ich manchmal auch tun, Friedrich. Leider!“
„Sind die anderen Soldaten alle böse, Papa?“, bohrte der kleine Sohn nach, während Frank erneut mit seiner Antwort zögerte.
Schließlich erwiderte er: „Dafür bist du noch zu klein. Ich erkläre dir das ein andermal, Friedrich …“
Tschistokjows neue Freunde
Im ersten Quartal des Jahres 2045 erhöhte sich die Zahl derer, die dem Verwaltungssektor Europa-Mitte heimlich den Rücken kehrten, enorm. Tausende von Deutschen, Engländern, Franzosen, Holländern und anderen Europäern flüchteten aus dem verrotteten Herzen des Westens nach Russland, hoffend, dass sie dort ein neues Leben in Freiheit beginnen konnten.
Allerdings war es nicht einfach, dazu die Erlaubnis der Rus zu erhalten, denn jeder neue Bürger trug das Risiko in sich, ein GSA-Spitzel zu sein. So wurden sämtliche Flüchtlinge aus Westeuropa intensiven Prüfungen und Kontrollen unterzogen, um diese Gefahr auszuschließen.
Abgesehen von der Tatsache, dass ausschließlich Angehörige anderer europäischer Nationen überhaupt nach Russland einwandern durften, wurde von diesen auch nicht jeder aufgenommen.
Trotzdem besaß der Nationenbund der Rus bald Zehntausende von neuen Bürgern, die nach Erfüllung der äußerst strengen Aufnahmekriterien, von Artur Tschistokjow nicht nur sehr freundlich empfangen wurden, sondern auch am umfangreichen Sozialsystem des Landes teilhaben durften. Allerdings wurde jeder verpflicht, dafür auch zu arbeiten.
So füllten sich einige leerstehende Dörfer in den russischen Weiten langsam mit Flüchtlingen aus Deutschland, Frankreich oder Skandinavien. Viele der aus Europa geflohenen Menschen waren politische Dissidenten und hatten oft schon viele Jahre unter dem grausamen Überwachungssystem gelitten. Einer von ihnen war Ludwig Orthmann. Der Deutsche war 35 Jahre alt und seine kantigen Gesichtszüge stellten neben seinem stets wachen Blick das auffälligste Merkmal seines Äußeren dar. Orthmann war einer der ersten Aktivisten der im Jahre 2032 gegründeten „Deutschen Freiheitsbewegung“ gewesen. Die Untergrundorganisation hatte sich in Anlehnung an die politische Bewegung Tschistokjows diesen Namen gegeben. Orthmann hatte für seine politische Betätigung bereits mit 12 Jahren Umerziehungshaft bezahlt.
Damals, als man ihn verurteilt und in ein GSA-Gefängnis gebracht hatte, war der aus Rostock stammende Mann gerade einmal 23 Jahre alt gewesen und seine gesamte politische Aktivität hatte darin bestanden, einige Hundert Flugblätter verteilt und zwei regierungsfeindliche Internetseiten eingerichtet zu haben. Seine „rebellische Organisation“ hatte aus etwa 30 seiner Freunde bestanden, unter anderem seinem Bruder Stefan, den die Behörden fälschlicherweise als Kopf der „kriminellen Vereinigung“ ausgemacht und zu 20 Jahren Gefängnis verurteilt hatten. Ludwigs Bruder überlebte die Haft jedoch kein halbes Jahr und wurde eines Tages tot in seiner Holozelle aufgefunden. Er hatte nicht das Glück gehabt, in ein anderes Gefängnis verlegt und dann befreit zu werden, wie es Frank widerfahren war.
Nachdem Ludwig Orthmann seine entbehrungsreiche Haftzeit hinter sich gelassen hatte und ihm eine Holozellenumerziehung erspart geblieben war, hatte er einige Monate lang versucht, wieder ein „normaler Bürger“ des Weltstaates zu werden.
Doch als ehemaliger Häftling mit zahllosen Negativeinträgen in seinem Scanchipregister hatte er keine Arbeit mehr gefunden. So hatte der Geächtete auf Kosten seiner völlig verarmten Eltern leben müssen. Schließlich war es ihm im verschneiten Januar des Jahres 2045 jedoch gelungen, aus dem Sektor Europa-Mitte nach Weißrussland zu fliehen. Orthmann war einer von vielen in dieser Zeit und sein Schicksal zeigte, dass das enge Netz aus Bespitzelung und Überwachung jeden politischen Widerstand in Europa-Mitte nach wie vor unmöglich erscheinen ließ.
„Hoffentlich klappt das alles …“, murmelte Bäumer leise und sah zu Frank herüber.
„Was meinst du denn?“, fragte dieser.
„Na, das mit dem Baby. Svetlana hat einen kleinen Bauch bekommen.“
„He, he! Und ich dachte, dass du die neuen Rüstungen meinst, die heute ausgeliefert werden.“
„Ja, das auch. Meinst du, dass das alles klappt?“
„Alf, ich denke schon, aber ich bin doch kein Frauenarzt.“
„Ich wäre so gerne Papa.“
„Das wird schon, alter Junge!“
Plötzlich kam ein Feldwebel über den Kasernenhof gerannt, er machte vor General Kohlhaas Meldung.
„Die Lastwagen sind mit Hunderten von Ferroplastinrüstungen eingetroffen. Ich schicke die Männer jetzt los, damit sie beim Entladen helfen können!“, rief der Russe.
„Gut! Tun sie das! In zwei Stunden möchte ich ein paar Züge in voller Ausrüstung hier stehen sehen!“, befahl Kohlhaas. Der Offizier schlug die Hacken zusammen.
„Zu Befehl, General!“, antwortete er und lief wieder davon.
Nun konnte sich Frank noch eine Weile Alfs Schwangerschaftssorgen anhören, während sie durch das riesige Militärlager schlenderten. Er war wirklich gespannt, wie seine Elitekrieger in den neuen Körperpanzern ausschauten. Zwei Stunden später war es so weit und fünf Züge der Warägergarde hatten sich in Reih und Glied auf dem Kasernenhof versammelt. Ihre neuen Rüstungen glänzten matt in der Sonne. Viele der Soldaten schenkten Frank ein stolzes Lächeln, als er sich ihnen näherte.
„Die erinnern mich an die Starship Troopers. Dich auch?“, meinte Kohlhaas.
„Starship Troopers? Was sind denn das wieder für Sachen?“ Alf stutzte.
„Das ist ein Roman des Science-Fiction-Autors Robert Heinlein; das Buch ist schon etwas älter. Und dieser Roman wurde im letzten Jahrhundert verfilmt. Die Soldaten sahen jedenfalls fast so aus wie unsere Waräger in ihren Ferroplastinrüstungen.“
„Wenn du das sagst, Frank“, murmelte Bäumer, der sich für solche Dinge kaum interessierte.
Jetzt stellte sich der General vor seine Soldaten und brüllte: „Gut seht ihr aus, Männer!“
„Danke, General Kohlhaas!“
„Ich bin heute extra hier raus gekommen, um euch bezüglich eurer neuen Kleidchen ein paar Komplimente zu machen! Ist das nicht nett?“
„Ja, General Kohlhaas!“, riefen die Waräger im Chor.
Der Anführer der Elitegrade begutachtete seine Soldaten noch eine Weile und ließ sie dann wieder wegtreten. Anschließend machte er Alf den Vorschlag, einen Blick auf einige neu errichtete Gebäude zu werfen, die ganz in der Nähe waren. Artur Tschistokjow hatte am Stadtrand von St. Petersburg kürzlich einen neuen Platz für Massenveranstaltungen bauen lassen. Die beiden waren gespannt, was sie erwartete.
Am nächsten Tag machten sich Frank und Alf auf den Weg, um sich den neu errichteten „Platz der Rus“ anzusehen. Als sie schließlich auf ihm standen, kamen sie aus dem Staunen nicht mehr heraus. Zahllose Drachenkopffahnen hingen an gewaltigen, korinthischen Säulen, die weit hinauf in die Höhe ragten. Sie rundeten das imposante Bild des Aufmarschgeländes im Westen von St. Petersburg perfekt ab. Die breiten Zufahrtsstraßen waren von steinernen Monumenten und Statuen aus weißem Marmor gesäumt, die auf die großen Persönlichkeiten der russischen und europäischen Geschichte hinwiesen oder an wichtige historische Ereignisse erinnerten.
Einige Kilometer weiter war ein prunkvolles Gebäude im Stil eines altgriechischen Tempels, das Artur Tschistokjow „Halle der Rus“ hatte taufen lassen, noch in Arbeit. Doch trotz der zahllosen Gerüste und der überall verteilten Berge von Baumaterial, konnte man sich bereits vorstellen, wie erhaben es eines Tages aussehen würde.
Die „Halle der Rus“ war in Zukunft für große Saalveranstaltungen vorgesehen und sollte nicht weniger als 10.000 Besuchern Platz bieten. Doch diese architektonischen Blickfänge waren erst der Anfang von Tschistokjows Umbauplänen für St. Petersburg. Auf Dauer schwebte ihm eine umfassende Neugestaltung der Hauptstadt seines neuen Russlands vor, die ein Gegenstück zu den stets gleichen und hässlichen Großstädten Westeuropas werden sollte.
„Eines Tages werde ich mitten in Russland ein Rom der Neuzeit errichten lassen. Eine Stadt, deren einmalige Herrlichkeit noch viele nachfolgende Generationen beeindrucken wird“, erklärte das russische Staatsoberhaupt seinen Beratern manchmal in stillen, ruhigen Stunden, wenn er sich fernab des politischen Tagesgeschäftes, seinen Visionen widmen konnte.
„Es ist nicht das Ziel der Menschheit als Sklavenmasse dahin zu vegetieren, sondern sich zum Besten und Höchsten zu entwickeln. Die Krönung dieser Entwicklung muss es schließlich sein, dass ein neuer und besserer Mensch entsteht, der nicht nur diesem Erdball den Stempel seiner wegweisenden Zivilisation aufdrückt, sondern auch eines Tages zur nächsten Entwicklungsstufe aufsteigen kann. Diesen Menschen, den Träger der Erfindung und des Schaffens, habe ich in meinem Buch „Der Weg der Rus“ nicht umsonst den Lichtgeborenen Menschen genannt. Seine Erscheinung und sein Geist werden hell wie das Licht sein, doch damit er geboren werden kann, müssen wir das Dunkle besiegen und es in den Abgrund zurückschleudern.
Diese nächste Stufe, die ich meine, und zu deren Erklimmung einzig der Lichtgeborene Mensch fähig ist, wird der endgültige Schritt in den Weltraum sein, auf dass er sein Wesen und seine Zivilisation über die Sterne verbreiten kann“, sagte Tschistokjow manchmal zu seinen oft recht bodenständigen Mitstreitern, die ihm bei seinen Visionen vielfach nicht folgen konnten.
Lediglich Wilden und eine kleine Anzahl seiner Berater und Freunde waren gewillt, sich mit dem Anführer der Freiheitsbewegung auf solche philosophischen Gespräche einzulassen. Frank gehörte ebenfalls zu dieser Gruppe, denn er war alles andere als nur ein dummer Soldat. Kohlhaas liebte Tschistokjows visionäre Gedankenausflüge, bewunderte seine Vorhaben.
Als Alf und er ihre Blicke über den gewaltigen „Platz der Rus“ schweifen ließen, hatten sie bereits einen Vorgeschmack von dem bekommen, was Tschistokjow für die Zukunft in großem Stil für ganz Russland plante. Sie waren beeindruckt.
Schließlich kam der Weltpräsident im März 2045 erneut nach St. Petersburg und diesmal folgten ihm zwei weitere Brüder. Sie waren ebenfalls führende Köpfe der internationalen Logenorganisation und Mitglieder im Rat der Weisen. Ihre Aufgabe war es, sich ein Bild von Artur Tschistokjow zu machen und ihren Eindruck dem Vorsitzenden des obersten Gremiums persönlich darzulegen. Das Gespräch fand unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt, so wie es das russische Staatsoberhaupt wünschte, und die Scharen von Reportern mussten vor den verschlossenen Türen des Präsidentenpalastes warten.
„Es ist beeindruckend, was sie seit meinem letzten Besuch hier in St. Petersburg alles haben erbauen und erneuern lassen. Diese Stadt ist wirklich schön geworden“, lobte der Weltpräsident seinen Verhandlungspartner und seine beiden Begleiter setzten ein oberflächliches Lächeln auf.
„Gefällt es Ihnen hier etwa besser als in New York, obwohl diese Metropole doch von so engagierten Menschenfreunden wie Ihnen regiert wird?“, gab Tschistokjow leicht sarkastisch zurück.
Der oberste Vertreter des Weltverbundes schwieg, grinste, beantwortete die provozierende Frage erst nicht. Dann erwiderte er: „Ich fühle mich in New York wesentlich wohler …“
„Das kann ich mir vorstellen. Immerhin sind Sie dort ja von Ihresgleichen umgeben“, gab der russische Staatschef lächelnd zurück.
„Kommen wir nun zur Sache, Herr Tschistokjow. Wir sind heute hier, um uns bezüglich einer beidseitigen Abrüstung zu einigen. Jetzt, wo wir sogar, zumindest in beschränkter Form, wieder Handel miteinander treiben, sollten wir auch in diesem Punkt zu einer Übereinkunft kommen“, erklärte der Weltpräsident.
„Dann machen Sie mir einen Vorschlag!“, sagte Tschistokjow.
„Der Weltverbund wünscht, dass Sie die Anzahl Ihrer Atomsprengköpfe auf 500 Stück reduzieren und nicht mehr als 50 einsatzbereite Atombomben besitzen“, antwortete der prominente Gast.
„Und was ist die Gegenleistung?“, wollte sein Gegenüber wissen.
„Wir werden sämtliche GCF-Soldaten an den Grenzen des Nationenbundes endgültig abziehen und Ihrem Land große Kredite für den Wiederaufbau zur Verfügung stellen“, kam zurück.
„Alle GCF-Soldaten?“
„Ja, bis auf wenige Tausend, die als Besatzungstruppen in ihren Nachbarländern nun einmal notwendig sind, um die öffentliche Ordnung aufrecht zu erhalten“, sprach der Logenbruder.
Artur Tschistokjow überlegte kurz. Dann nickte er. „Einverstanden!“
Sein Gast wirkte etwas verdutzt, denn offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sich sein Rivale auf einen solchen Handel einlassen würde.
„Sie nehmen auch unsere Kredite an?“, fragte eines der anderen Ratsmitglieder verblüfft nach.
„Ja, wir brauchen dringend finanzielle Mittel, da wir den Wiederaufbau Russlands nicht aus eigener Kraft schaffen können“, erklärte ihm Tschistokjow.
Für eine Minute herrschte Schweigen; die drei Gäste aus Nordamerika musterten den russischen Souverän mit Verwunderung.
„Kann ich Ihnen sonst noch irgendwie entgegenkommen, Herr Weltpräsident?“, hakte jener nach.
„Nun, da Sie sich so kooperativ zeigen, kann ich mir sicherlich auch noch eine weitere Frage erlauben, Herr Tschistokjow …“
„Nur zu, Herr Weltpräsident!“
„Es ist kein Geheimnis, dass Sie Ihre politischen Gegner in Russland und den anderen von Ihnen kontrollierten Ländern haben vertreiben oder liquidieren lassen. Dazu gehörten ja vor allem unsere Leute. Ich hoffe, dass diese Zeiten jetzt vorbei sind und sich die Situation langsam entschärft. Angenommen, Sie lassen wieder einige Zweigstellen unserer Organisation in Ihrem Land zu, wäre das zu viel verlangt?“
„Ihre Leute wollen wieder nach Russland zurück?“
„Ja, zumindest einige von ihnen wären nicht abgeneigt, diesmal als konstruktive Mitglieder Ihres neuen Staates einen Beitrag zum Wiederaufbau des Landes zu leisten.“
„Sie wollen ein Land aufbauen, das sie zuvor zu Grunde gerichtet haben?“, wunderte sich Artur Tschistokjow.
Der Weltpräsident lächelte. „Nun, sicherlich spielen auch wirtschaftliche Interessen für den einen oder anderen eine Rolle, aber ich denke, dass der Zuzug von kapitalkräftigen neuen Bürgern nicht Ihr Schaden wäre.“
Der russische Staatschef wirkte nachdenklich, stieß ein leises Räuspern aus und wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Schließlich atmete er tief durch, um zu bemerken: „An wie viele Leute denken Sie denn, Herr Weltpräsident?“
„Nicht viele! Vielleicht 500.“
„Ich denke, dass wir darüber verhandeln können. Aber ich bitte darum, dies bei einem anderen Treffen zu besprechen“, betonte Artur Tschistokjow.
„Das hört sich doch sehr gut an!“, murmelte sein Gast mit listigem Blick.
„Wie hoch könnten die finanziellen Zuwendungen des Weltverbundes für Russland denn sein?“, erkundigte sich der russische Souverän.
Sein Gesprächspartner überlegte kurz und strahlte ihn dann mit einem wissenden Grinsen an. „Wir dachten an etwa 200 Milliarden Globes.“
„200 Milliarden?“
„Für den Anfang, als Zeichen unseres guten Willens“, sagte der Weltpräsident.
„Daran wäre Russland auf jeden Fall interessiert!“, stieß Tschistokjow erfreut aus.
„Es freut mich, dass wir uns so vortrefflich einigen können“, bemerkte der prominente Gast aus Nordamerika und nippte an einem Glas Mineralwasser.
„Mich freut es auch ganz außerordentlich!“, erwiderte der russische Staatsmann zufrieden.
Am nächsten Tag berichteten die Medien weltweit von einer historischen Übereinkunft und lobten Artur Tschistokjow erstmals in den höchsten Tönen.
„Der russische Diktator ist einsichtig geworden!“, titelte der London Star in den folgenden Tagen und sämtliche Presseorgane des Weltverbundes sprachen von „Friedenserfolgen“ und der „Erreichung höchster Höhen der Humanität“ bei den Verhandlungen, womit sie in erster Linie auf die Öffnung Russlands für eine liberalere Wirtschaftsordnung anspielten.
Die Freiheitsbewegung der Rus kochte hingegen von einem Ende bis zum anderen vor Empörung. Artur Tschistokjows engste Vertraute warfen ihm offenen Verrat an den Grundprinzipien ihres politischen Kampfes vor, manche drohten sogar damit, ihre Ämter niederzulegen.
Auch Außenminister Wilden überschüttete Tschistokjow mit Kritik und war kurz davor, ihm in Zukunft den Gehorsam zu verweigern. Es dauerte Wochen, bis der russische Staatsmann seine Mitstreiter wieder halbwegs beruhigt hatte; er forderte sie auf, ihm einfach weiterhin zu vertrauen. Doch das fiel vielen von ihnen zunehmend schwerer.
Hatten sie noch vor einigen Jahren in bitterster Auseinandersetzung mit den Logenbrüdern geblutet und um ihr Leben gebangt, so nahm ihr Anführer inzwischen milliardenschwere Kredite ihrer Feinde an, verpflichtete sich, machte ihnen Zugeständnisse und ließ sogar einige der schlimmsten Ausbeuter und Volksverräter wieder nach Russland hinein, damit diese ihre zwielichtigen Geschäfte von Neuem beginnen konnten.
„Artur Tschistokjow wird zunehmend untragbar!“, zeterte Frank; er dachte ernsthaft darüber nach, die Führung der Warägergarde an einen anderen abzugeben.
Zwei Monate später erreichten nicht weniger als 200 Milliarden Globes den Nationenbund der Rus. Ihnen folgten offizielle Militärbeobachter der Weltregierung, die sich einer akribischen Untersuchung von Tschistokjows Atommacht widmeten.
Doch auch der Weltverbund hielt zunächst Wort und zog sämtliche Truppen der Global Control Force an den Grenzen des Nationenbundes ab. Lediglich kleinere Verbände blieben in Skandinavien, Polen, der Slowakei, in Kasachstan und auf türkischem Gebiet zurück. Gerade so viel, um die Macht der Weltregierung in diesen Regionen noch aufrechterhalten zu können. Diese freigewordenen GCF-Vebände wurden anschließend sofort nach Asien verfrachtet, wo sie in Indien und China benötigt wurden. Ein kleiner Teil von ihnen wurde auch in den Nahen Osten geschickt, um dort im Falle neuer Aufstände präsent zu sein.
Geheimdienstchef Peter Ulljewski stand kurz vor der Explosion und starrte seinen ältesten und besten Freund wütend an.
„Hast du den Verstand verloren?“, schrie er aufgebracht.
Der Anführer der Rus versuchte, ihn zu beruhigen, doch der bullige Mann wirkte, als wolle er dessen Büro jeden Augenblick in Stücke schlagen.
„Antworte mir, Artur! Was soll das?“, schnaubte er.
„Komm wieder runter, Peter!“, erwiderte Tschistokjow ruhig.
„Ich soll wieder runterkommen? Du fährst mit deiner Politik alles, was wir aufgebaut haben, gegen die Wand!“, brüllte Ulljewski, sich drohend vor seinem Freund aufbauend.
„Ich weiß schon, was ich tue!“, entgegnete ihm der blonde Politiker mit einer gewissen Gelassenheit.
„Nein, das tust du nicht, Artur! Du lässt die Logenbrüder wieder nach Russland hinein und leihst dir 200 Milliarden beim Global Bank Trust! Das ist Wahnsinn!“, stammelte der Geheimdienstchef.
„Nein, ist es nicht. Glaube mir, ich weiß, was ich tue“, erwiderte Tschistokjow erneut.
„Ach, du hältst es also für weise, wenn du die gleichen Leute, die unser Volk an den Rand der Vernichtung geführt haben und die wir mühsam los geworden sind, wieder hier zu uns lässt, damit sie ihr Zerstörungswerk von Neuem beginnen können?“
„So wird es nicht sein.“
Ulljewski ballte die Fäuste. „Du bist ein Narr und ich hätte niemals gedacht, dass ich das je zu dir sagen würde. Doch! Es wird so sein!“
„Nein, wird es nicht, Peter!“
„Doch! Doch! Doch!“, grollte Ulljewski.
„Habe ich dich jemals enttäuscht, mein Freund?“
„Ja, jetzt!“, rief dieser.
„Es werden erst einmal höchstens 500 von ihnen nach Russland einwandern dürfen. Mehr nicht. Und sie werden sich zu betragen wissen.“
Der ADR-Chef riss die Augen auf und wirkte wie ein wütender Löwe, der zum Sprung auf seine Beute ansetzte.
„Höchstens 500? Erst einmal?“, knurrte er zornig. „Das glaube ich einfach nicht! Es gibt nur eine Medizin für diese Brut! Und das ist, sie mit dem Maschinengewehr …“
„Ruhig, Peter! Es reicht jetzt!“, mahnte der russische Souverän und fuhr seinem Freund in die Parade.
„Die ADR soll jeden von ihnen genau überwachen und sie keine Sekunde aus den Augen lassen. Ich verlange jede Woche einen ausführlichen Bericht“, ordnete Tschistokjow an.
„Wir haben genug zu tun. Die Länder des Nationenbundes werden zunehmend von GSA-Agenten überschwemmt. So viel Personal haben wir gar nicht, um diese 500 Bastarde auch noch zu beobachten“, erwiderte Peter Ulljewski.
„Doch, sie werden alle überwacht!“, befahl der Anführer der Rus. Er fixierte seinen Freund mit stechendem Blick.
„Warum tust du das, Artur? Warum?“, jammerte Ulljewski. „Wir haben die Freiheitsbewegung zusammen gegründet, haben Seite an Seite gekämpft, so viele Jahre lang. Ich kann nicht verstehen, was du da tust!“
„Ich will damit Frieden schaffen, Peter!“
„Du wirst damit erneut Sklaverei schaffen und alles zerstören, wofür du gekämpft hast, Artur. Russland und Europa werden untergehen. Du lässt dich von ihnen kaufen, das ist alles.“
„Habe ich das jemals, Peter?“, fragte Tschistokjow ruhig.
„Ja, im Moment bist du auf dem besten Wege dorthin. Wieso bist du so geworden? Was ist mit dir passiert? Ich hätte mich jederzeit für dich erschlagen lassen, aber heute weiß ich nicht mehr, was ich von dir halten soll!“, wimmerte Ulljewski, seine Augen füllten sich mit Tränen.
„Beruhige dich, alter Freund!“, sagte Tschistokjow leise und klopfte seinem Gefährten auf die Schulter.
„Viele führende Mitglieder der Rus reden nicht mehr gut über dich, sie verlieren ihr Vertrauen in deine Führung, Artur. Lass es dir gesagt sein. Es ist so! Du gehst einen Pakt mit dem Teufel ein. Diesen Schweinen kann man nicht trauen, und wer ihnen traut, den führt dieser Irrweg in die Hölle!“
Artur Tschistokjow hielt sich den Kopf und schwieg. Dann schlich er deprimiert hinter seinen Schreibtisch und setzte sich auf einen Stuhl.
„Verkaufe deine Heimat nicht für ein Linsengericht, Artur!“, flehte ihn Peter Ulljewski an, während ihm Tränen über die von Narben gezeichneten Wangen liefen.
„Das werde ich nicht, Peter! Niemals! Du musst mir nur vertrauen und weiterhin an mich glauben. Mehr verlange ich nicht“, sagte Tschistokjow leise. Dann reichte er seinem Freund ein Glas Wasser.
So wie Peter Ulljewski erging es auch Wilden, General Kohlhaas und der überwiegenden Mehrheit der politischen Funktionäre der Freiheitsbewegung. Immer lauter und offener wurde die Kritik an Artur Tschistokjow, und als im Juli schließlich ein Ableger der North American Exchange Bank in Moskau eröffnet wurde und die ersten geschäftstüchtigen Logenbrüder nach Russland kamen, wurde es noch schlimmer. Die neuen Gäste rückten mit lautem Getöse, überquellenden Brieftaschen und glänzenden Luxuslimousinen an, sofort die vielen, neuen Geschäftsmöglichkeiten witternd, die ihnen Tschistokjows Russland zu bieten hatte.
Viele Russen standen ihnen mit offenem Hass gegenüber, doch Tschistokjow betonte gegenüber der Weltregierung, dass diese feinen, reichen Herren unter seinem besonderen Schutz ständen und ließ sie gewähren. Frank und Alfred konnten es nicht fassen und bezeichneten ihren alten Freund offen als Verräter und „gekauften Gockel“, so dass dieser ihnen in einem internen Gespräch derartige Aussagen mit aller Schärfe untersagte.
Ähnlich erging es Wilden, der mit Tschistokjow mehrfach bei öffentlichen Anlässen in Streit geriet. Doch der russische Souverän setzte seine neue Politik durch, ohne nach links und rechts zu sehen, die harsche Kritik seiner Getreuen weiterhin ignorierend. Der Weltverbund und dessen Medienorgane feierten ihn hingegen als „guten Geschäftspartner“ und da es galt, Handel zu treiben und Geld zu scheffeln, gerieten die weltanschaulichen Gegensätze immer schneller in Vergessenheit.
Haruto Mastumoto, der japanische Präsident, war mittlerweile ebenfalls ein wenig auf Distanz zu Tschistokjow gegangen; er schien ihm langsam zu misstrauen. So offen wie sein Bündnispartner, fiel er den Logenbrüdern nicht um den Hals und dachte auch nicht daran, Kredite vom Weltverbund anzunehmen und sein Land damit zu verschulden.
Derweil widmete sich das russische Staatsoberhaupt intensiver denn je dem Wiederaufbau der nationalen Wirtschaft und eröffnete eine neue Fabrik nach der anderen, weihte neue Bauprojekte ein oder förderte die Landwirtschaft.
Russische Exportgüter konnten nun auch in Übersee verkauft werden und die aufblühende Industrie produzierte zugleich immer modernere Maschinen und diverse andere, überall begehrte Waren.
Insgesamt ging es den Russen jetzt zweifellos besser denn je und die mit Tschistokjows neuer Bevölkerungspolitik verbundene Förderung hochbegabter Kinder, die an speziellen Akademien ausgebildet wurden, zog schon die nächste Generation von hochqualifizierten Wissenschaftlern, Ingenieuren und Erfindern heran.
Hunderte neuer Straßen wurden außerdem mit dem geliehenen Geld des Global Bank Trust gebaut, was in Russland zu einer deutlich verbesserten Infrastruktur führte. Die große Masse des Volkes liebte den russischen Staatschef für die Segnungen eines wachsenden Wohlstandes und einer nie gekannten sozialen Sicherheit. Die alte Garde der Freiheitsbewegung jedoch stand ihm mit wachsender Ablehnung gegenüber.
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