Kitabı oku: «Beutewelt VII: Weltenbrand»
Alexander Merow
BEUTEWELT VII
Weltenbrand
Roman
Engelsdorfer Verlag
Leipzig
2015
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Copyright (2015) Engelsdorfer Verlag
Alle Rechte beim Autor
Hergestellt in Leipzig, Germany (EU)
Inhalt
Cover
Titel
Impressum
Der Dritte Weltkrieg
Grabenkämpfe
Glühende Landschaften
Hin und her
Die Welt ist eine Holozelle!
Verzweiflung und Zorn
Taktische Atomschläge
Wachsender Wahnsinn
Resignation
Unruhen in Nordamerika
Bröckelnde Allmacht
Nuklearer Amoklauf
Allah ist groß
Sie schlafen jetzt alle …
Sturm auf den Westen
Europas Erwachen
Vorstoß ins Ruhrgebiet
Wer hätte das gedacht?
Das letzte Kapitel
Ausblick
Der Aufstieg des Goldenen Reiches
Glossar
Weitere Romane
Der Dritte Weltkrieg
General Kohlhaas betrachtete den Horizont und sah einigen Vögeln zu, die langsam durch die Lüfte glitten. Hinter ihm standen ein Dutzend schwere Gunjin Panzer und drei mobile Geschütze, weiterhin einige Soldaten der Warägergarde, der Elitetruppe der Volksarmee. Etwas weiter entfernt hatten seine Männer ihr Lager aufgeschlagen. Alle warteten bereits seit mehreren Tagen auf eine Entscheidung des Oberkommandos.
Tschistokjows Soldaten hatten sich nach der atomaren Vernichtung Berlins wieder nach Osten zurückgezogen. Dieser Krieg hatte die nächste Stufe erklommen, das wusste Frank tief in seinem Inneren. Der Schrecken, der nun kommen würde, war nicht mehr aufzuhalten. Die Logenbrüder hatten seine Geburtsstadt mit einem furchtbaren Nuklearschlag vom Antlitz der Erde gefegt. Frank war noch immer schockiert und verstört aufgrund dieses barbarischen Aktes.
„Es war dir doch von Anfang an klar gewesen, oder?“, sagte er leise zu sich selbst. „Warst du tatsächlich so naiv, zu glauben, dass sie vor dem Einsatz von Atomwaffen zurückschrecken würden? Nein, Frank, du wusstest von Anfang an, dass sie es eines Tages tun würden.“
Über 3 Millionen Menschen waren in den Feuerstürmen der Atombomben verglüht, ganze Straßenzüge von der nuklearen Hölle verschluckt worden; große und kleine Häuser, schöne und hässliche Gebäude, Frauen, Kinder, Greise – der atomare Tod hatte keine Unterschiede gemacht und einfach alles ausgetilgt.
Frank ging noch einige Meter geradeaus, um für einen Moment ganz für sich zu sein. Niemand sollte ihn in diesem Zustand sehen, ihn, den „Achilles von Weißrussland“, den größten Helden der Volksarmee. Wie hatte ihn die Kriegspropaganda der Rus schon verherrlicht, seinen Mythos als unverwundbaren, furchtlosen Recken aufgebaut und genährt. Und das war jetzt der große „Achilles“, diese verunsicherte, depressive und müde Jammergestalt, die irgendwo in Ostdeutschland auf einer Wiese stand und nicht mehr ein noch aus wusste.
„Warum hast du mir dieses Leben gegeben, Gott?“, flüsterte er, den Blick zum Himmel gewandt. „Warum hast du mich in dieses Zeitalter der Finsternis geschickt? Was habe ich in meinen früheren Leben verbrochen, dass du mir das antun musstest?“
Kohlhaas dachte an seine geliebte Julia und seinen Sohn Friedrich, die sich im kleinen Dörfchen Ivas im fernen Litauen verkrochen hatten und darauf warteten, dass dieser Krieg mit all seinen alptraumhaften Schrecken weiterging. Und so wie sie zitterten Milliarden Menschen in allen Erdteilen, wissend, dass der Tod seine riesige Sense gerade erst erhoben hatte. Über kurz oder lang würde der atomare Gegenschlag folgen, denn Artur Tschistokjow würde niemals kapitulieren und konnte diesen Terrorangriff auch nicht ignorieren. Die Vernichtung Berlins war demnach nur der Auftakt zu einem Reigen des Entsetzens, der nun auf die unglückliche Menschheit wartete. Frank war felsenfest davon überzeugt und sein Instinkt hatte ihn bisher nur selten getäuscht.
Sein bester Freund, Alfred Bäumer, lag noch immer in einem Krankenhaus in Frankfurt an der Oder. Er hatte Berlin aufgrund einer Armverletzung verlassen müssen, was zugleich sein großes Glück gewesen war. Und auch Frank selbst hatte sich mit einigen seiner Trupps bereits aus der ehemaligen Hauptstadt Deutschlands entfernt gehabt, als die Atombomben eingeschlagen hatten. Sonst wäre auch er nicht mehr am Leben, sinnierte der General, während er von immer größerer Panik ergriffen wurde.
Nach einer Weile kehrte Kohlhaas schließlich wieder ins Lager zurück, um sich in seinem Kommandostand zu verkriechen. Was als nächstes passierte, konnte er lediglich erahnen; verhindern konnte er es jedoch nicht. Auch ein „Achilles von Weißrussland“ hatte nicht die Kraft, den ins Rollen gebrachten Stein noch aufzuhalten. Nein, dafür waren selbst die größten Helden zu schwach.
Artur Tschistokjow und der Führungsstab des Nationenbundes der Rus befanden sich inzwischen in einem Atombunker am Fuße des Uralgebirges, tief unter der Erde. Akira Mori, der japanische Außenminister, hatte den russischen Präsidenten um eine Unterredung gebeten. Er war sofort nach Russland geflogen, nachdem er die Nachricht vom Atombombenabwurf auf Berlin erhalten hatte. Mori machte keinen Hehl daraus, dass weder er noch Präsident Matsumoto wussten, wie sie auf die neue Situation reagieren sollten.
Nun redeten und diskutierten die Männer schon seit Stunden über das Für und Wider eines atomaren Gegenschlages. Matsumoto hatte Tschistokjow ausrichten lassen, dass Japan einen nuklearen Schlagabtausch mehr als alles andere fürchtete und keineswegs bereit war, sich auf das Spiel der Weltregierung einzulassen. Der russische Staatschef hingegen betonte, dass es jetzt notwendig war, dem Feind die eigene Entschlossenheit zu beweisen.
„Sie werden erst ruhen, wenn sie uns vernichtet haben. Das wird auch nicht der letzte Kernwaffenangriff des Weltverbundes sein, davon bin ich überzeugt. Wir müssen jetzt hart bleiben!“, meinte Tschistokjow verbittert, während ihn seine Getreuen und sein japanischer Gast verunsichert ansahen.
„Aber ein derartiger Wahnsinn ist doch keine Lösung“, bemerkte ein General der Volksarmee.
Der Anführer der Rus sah ihn an. „Was sollen wir denn tun? Warten, bis diese Verbrecher die nächsten Städte in Schutt und Asche legen? Sollen wir uns einfach abschlachten lassen, ohne uns zu wehren?“
„Ich weiß nicht, was wir tun sollen“, bemerkte Wilden resignierend und starrte an Tschistokjow vorbei. „Ich gebe es offen und ehrlich zu: Diesmal bin ich mit meinem Latein am Ende.“
Außenminister Mori saß mit versteinertem Gesicht auf einem Stuhl am anderen Ende des spartanisch eingerichteten Bunkerraumes. Er schwieg.
„Der einfache Bürger des Weltstaates, wie auch der einfache Bürger des Nationenbundes, hat kaum eine Ahnung, wer oder was unsere Feinde wirklich sind. Er weiß nicht, wie ihre führenden Köpfe denken und welche Dogmen und Doktrinen ihr Handeln bestimmen.
Diese Kräfte haben die Untugend zur Tugend erklärt, sie haben die Lüge zu ihrer Waffe gemacht und verehren sie als wirksames Kampfmittel gegen alle ihre Gegner. Wir sind jedoch die Eingeweihten, wir studieren ihre Pläne und Schriften seit vielen Jahren und haben ihre Teufelsfratzen schon lange hinter der Maske aus Verdrehung und Täuschung erkannt. Für diese Verbrecher sind wir nur die geborenen Sklaven, nichts weiter als Tiere, deren Tötung gemäß ihren Lehren nicht einmal eine Sünde darstellt.
Sie halten sich für Auserkorene, die das Recht haben, alle Völker dieses Planeten zu unterjochen und notfalls auch zu vernichten, wenn sie sich zu wehren versuchen. Demnach dürfen wir nie vergessen, dass unsere Feinde selbst keinerlei Skrupel kennen und ihnen auch Millionen Menschenleben nichts bedeuten.
Unser Wissen verpflichtet uns daher, so zu handeln, wie wir handeln müssen, um nicht unterzugehen. Wir müssen hart sein, denn bei diesem Gegner ist nichts anderes denkbar. Glaube mir, Thorsten, es fällt mir unglaublich schwer, mich auf die gleiche grausame Stufe zu stellen, wie unser Feind, aber es bleibt mir keine andere Wahl. Sie lassen mir einfach keine andere Möglichkeit mehr. Möge Gott mir vergeben, bei dem, was ich jetzt anordnen muss!“, sagte Tschistokjow zu Wilden mit belegter Stimme.
Dieser sagte nichts. Er schloss die Augen und strich sich mit der Hand durch seine schweißnassen Haare. Der alte Mann wusste, was ihm Artur Tschistokjow damit sagen wollte, und die anderen Anwesenden konnten sich ebenfalls denken, was als nächstes geschehen würde.
„Artur Tschistokjow hat diese Sprache verstanden!“, hatte die Washington News Gazette am 15. Mai 2051 in ihrer Morgenausgabe verkündet. Damit spielte das Blatt auf die Tatsache an, dass sich die Volksarmee der Rus seit der Zerstörung Berlins immer weiter in die Gebiete östlich der verwüsteten Metropole zurückzog.
Die von den Logenbrüdern kontrollierten Medien verhöhnten Tschistokjow lauthals und berichteten hämisch vom allgemeinen Rückzug seiner Truppen aus Mitteleuropa. Doch sie sollten sich einmal mehr in seiner Entschlossenheit täuschen. Das Oberhaupt des Nationenbundes war nämlich felsenfest davon überzeugt, dass nun Feuer mit Feuer bekämpft werden müsse.
Die Weltregierung hatte mit der ohne jede Vorwarnung vollzogenen Auslöschung Berlins ein Tabu gebrochen, das zwischen den beiden Kriegsparteien stillschweigend im Raum gestanden hatte: Sie hatte in diesem Konflikt erstmals von Kernwaffen Gebrauch gemacht.
Jetzt wollte Tschistokjow seinen Gegnern beweisen, dass auch der Nationenbund zu allem bereit war. London sollte das Ziel seiner nuklearen Vergeltung werden. Die englische Metropole, die seit langer Zeit eines der wichtigsten Machtzentren der internationalen Logenorganisation darstellte, sollte nun als Rache für den Angriff auf Berlin in Schutt und Asche gelegt werden. Viele von Tschistokjows Beratern und Freunden, genau wie der japanische Präsident Matsumoto selbst, hatten diesen gebeten, von einem derart brutalen Gegenschlag Abstand zu nehmen, doch der Anführer der Rus ließ sich nicht mehr beirren. Er betonte, dass seine Feinde bald ohnehin weitere Städte in Russland und Japan mit Atomraketen bombardieren würden.
„Wir müssen hart sein!“, predigte Tschistokjow wieder und wieder.
Längst hatte der russische Souverän seine Hauptstadt St. Petersburg, wo die Evakuierung der Millionenbevölkerung noch immer in vollem Gange war, mit seinem Führungsstab verlassen, um sich in einem riesigen Atombunker im Nordwesten des Uralgebirges zu verbergen. Hier wollte er ausharren – notfalls bis zum bitteren Ende eines Krieges, in dem nun auch die furchtbarsten Vernichtungswaffen eingesetzt wurden.
Am 01.06.2051 erhielt der Weltverbund schließlich die Antwort auf die Zerstörung Berlins. Artur Tschistokjow ließ sieben Wasserstoffbomben auf verschiedene Gebiete des Londoner Ballungszentrums abfeuern. Es war gegen 5.00 Uhr morgens, als das Inferno über die noch verschlafene Stadt hereinbrach und riesige Atompilze mit unheimlichem Getöse in den blutroten Morgenhimmel wuchsen. Die Bevölkerung Londons war bisher nur zu einem geringen Teil in die außerhalb der Riesenstadt gelegenen Gebiete evakuiert worden, denn Jerry Diamond, der Sub-Gouverneur der britischen Inseln, hatte nicht ernsthaft mit einem atomaren Vergeltungsangriff des Nationenbundes gerechnet.
Als die tosenden Feuerorkane der Massenvernichtungswaffen jedoch durch das Häusermeer Londons rasten, war es für die Bevölkerung zu spät. Über 8 Millionen Menschen starben bei dem grausamen Vernichtungsschlag, der den gesamten Ballungsraum rund um die größte Stadt Europas vollkommen dem Erdboden gleichmachte.
Die Menschen in allen Erdteilen hielten den Atem an, als sie die Schreckensnachricht erfuhren; sie dachten mit Entsetzen daran, was sie erwartete, wenn sich nun beide Seiten in einer Kettenreaktion mit Atomwaffen beschossen. Inzwischen konnte niemand mehr daran zweifeln, dass der Dritte Weltkrieg, jener Alptraum, der die Menschheit seit über 100 Jahren quälte, endgültig begonnen hatte.
Indes gingen auch die Kämpfe in Ostdeutschland unbarmherzig weiter. Über 2 Millionen GCF-Soldaten waren mittlerweile auf die Volksarmee der Rus getroffen und lieferten sich blutige Schlachten zwischen der Ostseeküste und der Grenze zu Tschechien. Zugleich gewannen die internationalen Streitkräfte auch im Süden Russlands immer mehr an Boden. Mitte Juni waren sie schon fast bis nach Wolgograd vorgedrungen.
In Ostasien wurde Matsumotos Reich derweil zunehmend von der Kriegsflotte der Weltregierung unter Beschuss genommen, während sich Millionen Soldaten auf die Invasion Japans vorbereiteten.
Julia meldete sich am anderen Ende der Leitung, sie hörte sich müde und traurig an. Die junge Frau stieß ein leises Seufzen aus und schwieg dann für einen Augenblick. Schließlich fragte sie: „Wie schlimm ist es bei euch da draußen?“
„Jetzt ist hoffentlich erst einmal für ein paar Stunden Ruhe. Vielleicht bis morgen früh, dann marschieren wir weiter. Es ist immer das Gleiche: Vorrücken, kämpfen, verrecken. Ich warte noch auf die Entscheidung des Oberkommandos“, stöhnte Frank.
„Friedrich hat ein Bild für dich gemalt“, antwortete Julia, bemüht, ihren Mann irgendwie aufzuheitern.
„Das ist schön. Wäre ich doch bei euch in Ivas“, flüsterte dieser leise und verzog traurig das Gesicht.
„Er hat dich als Ritter gemalt“, erklärte Julia.
„Wenn ich nur einer wäre …“, kam zurück.
„Er redet den ganzen Tag davon, dass du diesen Krieg gewinnen wirst. Manchmal geht er mir damit richtig auf die Nerven. Dann schreie ich ihn an, dass er endlich den Mund halten soll.“
„Ich werde hier gar nichts mehr gewinnen. Welchen Einfluss habe ich noch auf Atombomben oder diesen ganzen Irrsinn insgesamt? Ich bin auch nur ein Blatt in einem immer größer werdenden Sturm, der die ganze Welt erfasst, Julia.“
„Du musst in erster Linie überleben, Frank. Das ist das einzig Wichtige – nur überleben! Pass ja auf dich auf, gehe kein Risiko ein, verstanden?“
„Ja, ich versuche jeden Tag aufs Neue, nicht drauf zu gehen. Und ich werde auch meine Männer nicht sinnlos in den Tod schicken, denn sie wollen eines Tages auch ihre Frauen und Kinder wiedersehen. Aber was kann ich schon tun? Es gerät alles immer mehr außer Kontrolle. Da hilft auch der tolle „Achilles von Weißrussland“ nichts mehr, der kann nämlich keine verdammten Atomraketen auffangen oder die Weltkugel anhalten“, murmelte Kohlhaas resignierend.
„Ich will auch keinen Achilles, sondern dich, meinen geliebten Frank“, erwiderte Julia.
„Ich weiß! Und ich bin es auch leid, diese Rolle immer noch spielen zu müssen …“
„Es waren wieder einige Berichte und Reportagen über dich im russischen Fernsehen. Tschistokjows Propaganda erwähnt dich ständig als leuchtendes Beispiel des Heldentums, um die Moral der Soldaten zu stärken“, bemerkte Wildens Tochter.
Frank lächelte gequält. „Dieses ganze Gequatsche kenne ich zur Genüge. Mir wird schlecht, wenn ich es höre. Ich habe manchmal Angst, dass ich irgendwann den Verstand verliere und mir einfach eine Kugel durch den Kopf jage, auf dass ich endlich Frieden finde. Ihr seid der einzige Grund, warum ich das noch nicht getan habe.“
„Das wirst du auf keinen Fall tun!“, herrschte ihn Julia wütend an. Frank schreckte vor ihrer schrillen, lauten Stimme zurück.
„Nein, das werde ich auch nicht“, sagte er. „Vielleicht tut es ja dafür bald ein anderer oder die knallen uns noch ein Bömbchen auf den Kopf.“
„Hör jetzt auf damit, Frank! So einen Unsinn will ich nicht hören! Dieser elende Krieg verlangt auch mir alles ab. Ich kann seit Wochen nicht mehr richtig schlafen und es wird immer schlimmer. Wir können nur siegen – es gibt keinen anderen Ausweg!“, antwortete Julia.
„Jetzt fängst du auch noch damit an“, brummte Kohlhaas.
„Wir müssen durchhalten und wir werden siegen! Glaube an Artur Tschistokjow und die Kraft unserer Armee! Wir sind das Licht! Gott ist auf unserer Seite!“, predigte die junge Frau, wobei sie sich regelrecht fanatisch anhörte.
„Wenn du das sagst, Hasi …“, antwortete Frank und musste plötzlich schmunzeln.
„Ich weiß, dass ich wie die übliche Kriegspropaganda klinge, aber das ist eben so. Du musst durchhalten und die Nerven behalten, Frank! Kein Zurückweichen! Durchhalten bis zu unserem Sieg!“, rief Julia mit bebender Stimme.
„Warum musste ich mich ausgerechnet in die Tochter von Thorsten Wilden verlieben?“, sagte der General, um dann leise zu lachen.
„Eine bessere Wahl hättest du gar nicht treffen können! Jetzt hast du sogar eine persönliche Motivationstrainerin, Schnucki!“, erwiderte Julia.
Die 12 Weisen des obersten Rates der internationalen Bruderschaft hatten sich heute auf einem Landgut, fernab von neugierigen Blicken und jeder Zivilisation, an der amerikanischen Ostküste getroffen, um das weitere Vorgehen in diesem Krieg zu besprechen. Artur Tschistokjows atomarer Gegenangriff und die vollständige Zerstörung Londons, eines ihrer ältesten und wichtigsten Zentren, hatte die hohen Herren nachhaltiger schockiert als sie es sich gegenseitig eingestehen wollten. Der überraschende Atomschlag gegen die ehemalige Hauptstadt Englands hatte Tausenden der ihren den Tod gebracht und von einem der wichtigsten Knotenpunkte der Organisation nur noch eine verstrahlte Ruinenlandschaft übrig gelassen. Der Weltpräsident, wie auch der Vorsitzende des Rates, schwankten noch immer zwischen rasender Wut und einer sich langsam ausbreitenden Unsicherheit.
„Er zögert nicht, genauso rücksichtslos wie wir selbst zuzuschlagen! Das wissen wir jetzt! Folglich wird das ein Kampf bis aufs Messer werden!“, grollte das Oberhaupt des Weltverbundes, seine Mitbrüder mit finsterem Blick anstarrend.
„Das ist wohl wahr. Auch der Atombombenangriff auf Berlin hat diesen Hund nicht gestoppt. Zudem hat er uns mit der Zerstörung Londons gewaltigen Schaden zugefügt. Wir haben ein paar wichtige Zentren auf der Welt, die wir keinesfalls verlieren dürfen – London war eines davon!“, sagte der Vorsitzende des Rates.
„Einige Mitglieder meiner Sippe sind tot! Das hat dieser Bastard nicht umsonst getan! Wir müssen uns rächen! Diesmal mit einem Vernichtungsschlag, der ganz Russland in ein brennendes Gräberfeld verwandelt!“, schrie der Weltpräsident und hämmerte mit der Faust auf den Konferenztisch.
„Schon gut!“, herrschte ihn der oberste Weise an, wobei er keine Miene verzog. „Wir müssen uns den nächsten Schritt in Ruhe überlegen, damit wir keine Fehler machen. Außerdem wissen wir nicht, wie stark Tschistokjows Atommacht wirklich ist. Er weiß, wo unsere wichtigsten Stützpunkte sind und wird diese als nächstes mit seinen Atomraketen vernichten, wenn wir ihn erneut angreifen.“
Einige der Anwesenden redeten laut durcheinander, während der Weltpräsident einen regelrechten Wutanfall bekam. Zornig rannte er durch den Raum und fauchte: „Wir haben wesentlich mehr Atombomben als Tschistokjow und Matsumoto zusammen! Ich verlange einen nuklearen Rachefeldzug gegen diese Hurensöhne! Das vergossene Blut der Unseren muss mit einem noch viel größeren Blutbad vergolten werden! Auge um Auge! Zahn um Zahn! Worauf warten wir noch?“
Der Vorsitzende des Rates der 13 winkte ab. Dann stand er von seinem Platz auf. Er breitete die Arme aus, um mit ruhiger Stimme zu bemerken: „Die Zerstörung Londons hat auch mich erschüttert, aber das darf uns nicht zu unüberlegten Kurzschlussreaktionen verleiten. Wir wissen allerdings jetzt, dass unsere Feinde ebenfalls zu allem entschlossen sind. Trotzdem werden wir sie auf Dauer auch mit konventionellen Mitteln in die Knie zwingen können.
Einen flächendeckenden Großangriff mit Atomwaffen halte ich derzeit für übertrieben und unklug. Außerdem können wir die Stärke des Gegenschlages nach wie vor nicht genau einschätzen.“
„Sollen wir etwa zögerlich reagieren?“, wetterte der Weltpräsident und war noch immer außer sich vor Wut.
„Nein, wir reagieren niemals zögerlich, Bruder! Wir reagieren lediglich schlau – ganz wie es unsere Art ist. Die Rache wird noch folgen und sie wird unvorstellbar grausam sein. Aber ich befehle hiermit, dass wir zunächst abwarten und unsere Nuklearwaffen in der Hinterhand behalten. Die Zeit ist noch nicht reif für einen ausgewachsenen Atomkrieg. Außerdem sind unsere Zentren auch nicht unverwundbar. Deshalb werden wir so vorgehen, wie wir es zu Beginn dieses Krieges beschlossen haben. Wo wir Tschistokjow und Matsumoto mit konventionellen Mitteln aufhalten können, werden wir keine Atomwaffen einsetzen. Um unser selbst willen.“
Der Weltpräsident stieß ein lautes Schnaufen aus, fluchte und ließ sich schließlich wieder auf seinem Platz nieder. Einige der anderen Ratsmitglieder wollten sich noch zu Wort melden, doch der oberste Weise befahl ihnen zu schweigen.
Letztendlich konnte sich das Oberhaupt des Weltverbundes jedoch nicht zurückhalten und schnaubte: „Wollen wir jetzt etwa anfangen, Rücksicht auf die armen, armen Menschen zu nehmen?“
Der Vorsitzende des Rates kniff die Augen verärgert zusammen; drohend hob er den Zeigefinger und maßregelte seinen Stellvertreter. „Nein, natürlich nicht. Eine kluge Taktik führt aber zum Ziel, nicht geistlose Raserei. Wenn wir die Knochen unserer Feinde gebrochen haben und sie am Boden liegen, dann werden wir ihnen einen langsamen, qualvollen Tod bereiten.“
Es war in den letzten Wochen, von ein paar Scharmützeln abgesehen, recht ruhig geblieben. Die Volkarmee der Rus und die Warägergarde hatten sich im Osten Deutschlands auf breiter Front eingegraben und waren nicht mehr weiter vorgerückt. Derzeit herrschte, zumindest in dieser Region, eine gespenstische Ruhe. Im Süden Russlands und an vielen anderen Orten der Welt tobten die Kämpfe jedoch unbeirrt weiter. Der sich aufblähende Weltkrieg verschlang mit jedem weiteren Tag mehr und mehr Menschen.
In der Barentssee lieferten sich die Kriegsschiffe und U-Boote des Nationenbundes schwere Gefechte mit den Seestreitkräften des Weltverbundes, während die schon stark dezimierte japanische Flotte den Gegner im ostchinesischen Meer zurückzudrängen versuchte. Erbitterte Luftschlachten tobten zugleich über den russischen Weiten, denn die GCF hatte damit begonnen, immer verheerendere Bombenangriffe auf die russischen Städte zu fliegen.
Frank und die von ihm befehligten Soldaten lagerten inzwischen nahe der sächsischen Stadt Meißen. Dort verharrten sie und verhielten sich zunächst ruhig. Einige andere Verbände der Warägergarde, die General Kohlhaas direkt unterstellt waren, hatten sich hingegen weiter nördlich eingegraben, um dort die Frontlinie der Volksarmee zu verstärken.
Mittlerweile war es sehr heiß geworden, die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel herab. Frank hatte seinen Unterstand schon den ganzen Tag lang nicht verlassen. Er hockte in einer dunklen, kühlen Ecke und wartete ab, genau wie die anderen Offiziere, die mit ihm in diesem Loch hausen mussten. Soeben hatte er noch eine kurze Nachricht von Alf, dem es wieder besser ging, erhalten. Doch auch das konnte Franks Laune nicht merklich steigern.
Um den Deutschen herum saßen oder lagen seine russischen Kameraden in dem halbdunklen, mit einem langen Schützengraben verbundenen Unterstand. Die Russen unterhielten sich leise, ihre Stimmen hörten sich für Frank nach einer Weile wie ein unterschwelliges Brummeln im Hintergrund an. Der General kauerte schweigend in einer Ecke und starrte auf den Boden. Plötzlich kam einer der Offiziere zu ihm herüber und überreichte ihm einen Datenträger mit Anweisungen des Oberkommandos.
„Ich danke Ihnen, Major Merkin!“, sagte Kohlhaas, er versuchte zu lächeln.
„Machen Sie doch nicht so ein trauriges Gesicht, Herr General. Die nächste Weihnachtsfeier halten wir bestimmt schon an der Atlantikküste ab“, bemerkte einer der Russen.
„Oder wir schauen uns bald die Welt vom Himmel aus an“, meinte Frank. Ein zynisches Grinsen folgte.
„Oder wir sitzen neben dem Teufel und trinken eine Pulle Wodka in der Hölle“, gab der Offizier zurück, während die anderen lachten.
Daraufhin schwiegen sie alle wieder, bis einer der Soldaten auf einmal anfing zu singen. Er sang ein altes, russisches Volkslied und Frank spitzte die Ohren, um den mit rauer Stimme vorgetragenen Text zu verstehen. Das Lied handelte davon, wie schön Russlands Wälder im Frühling sind. Schließlich begann auch Frank die Melodie leise zu summen und vergaß für eine Weile, dass er sich in einem Schützengraben irgendwo an der Front befand. Draußen begann es derweil zu regnen und es wurde schlagartig kälter.
Bis Ende Juni blieben die Soldaten beider Seiten noch in ihren Stellungen und warteten ab, während eine drückende Sommerhitze über Sachsen herfiel. Schließlich versuchte die Volksarmee der Rus über Döbeln und Grimma nach Leipzig vorzustoßen, wo sich der Gegner bereits in Position gebracht hatte. Immer mehr GCF-Soldaten trafen indes auch im Ostteil des Verwaltungssektors Europa-Mitte ein, wo sie eine breite Abwehrfront bildeten, die durch zahlreiche Panzer und Geschütze verstärkt wurde. Die Verluste der Volksarmee hatten sich mittlerweile stark erhöht, genau wie der ständig wachsende Widerstand des Gegners.
In Ostasien waren die Japaner ihrerseits mit über 1 Million Soldaten zu einer Großoffensive in der Mandschurei übergegangen und versuchten, die sich dort formierenden GCF-Truppen so lange wie möglich aufzuhalten und auf dem Festland zu binden. Von diesem kühnen Vorstoß erhoffte sich Präsident Matsumoto, dass er ein wenig mehr Zeit gewinnen konnte, um sein Inselreich weiter zu befestigen und vor allem gegen eventuelle Atombombenangriffe zu schützen. Doch das extrem dicht besiedelte Japan war nur schwer gegen Nuklearschläge abzusichern; eine geringe Menge von Atombomben reichte bereits aus, um auf einen Streich Abermillionen Menschen zu töten. Dafür musste man nur die übervölkerten Ballungszentren im Herzen der Insel treffen.
Längst war das japanische Volk von einer entsetzlichen Panik ergriffen worden. Seit dem Tag, als es gehört hatte, dass Artur Tschistokjow dem Weltverbund ebenfalls mit seinen Atombomben geantwortet hatte, regierte die Furcht. Ununterbrochen wurden jetzt Evakuierungs- und Umsiedlungspläne in die Tat umgesetzt, was nichts daran änderte, dass Japan einfach zu klein und zu sehr mit Menschen überlaufen war, dass sich diese im Falle eines Atomschlages allzu erfolgreich verstecken konnten.
Währenddessen rückten auch die über den Balkan und Italien kommenden GCF-Verbände nach Norden vor, um in der Slowakei und Polen eine neue Front gegen die Volksarmee zu eröffnen. Unter den hier versammelten Soldaten der Global Control Force befanden sich Hunderttausende von Afrikanern und Arabern, die den Einberufsbefehlen der Weltregierung oft nur widerwillig gefolgt waren und keine sonderlich gute Disziplin aufwiesen. Allerdings waren sie zahlreich. Aus Sicht der Weltregierung stellten sie entbehrliches Kanonenfutter dar. Am 06. Juli bombardierte die Luftwaffe der internationalen Streitkräfte Bratislava und zerstörte die Infrastruktur der slowakischen Großstadt. Einige Divisionen der Volksarmee wurden daraufhin in den Süden der Slowakei verlegt, um dort die Stellung zu halten.
So wuchs der Weltkrieg mit jeder fortschreitenden Woche zu einem immer größeren Moloch heran. Bisher unbeteiligte Regionen wurden samt ihren unglücklichen Bewohnern von seinen Klauen ergriffen und in riesige Schlachtfelder verwandelt.
Frank und seine Männer lagen mittlerweile vor Eilenburg in Sachsen, das in den letzten Tagen von der GCF besetzt worden war. Am feindlichen Widerstand bissen sich die Waräger und Volksarmisten die Zähne aus, während die Stadt mit jedem weiteren Tag mehr zu einer Ruinenlandschaft wurde.
Aber alle waren in diesen finsteren Tagen zumindest darüber froh, dass keine Atombomben vom Himmel kamen. Die nukleare Vernichtung Berlins und Londons saß den Menschen noch immer tief in den Knochen und sie rechneten jeden Tag damit, dass das gegenseitige Bombardieren mit Kernwaffen fortgesetzt wurde. Doch zunächst verzichteten sowohl die Weltregierung als auch der Nationenbund auf den Einsatz der gefürchteten Massenvernichtungswaffen, die ganze Städte mitsamt ihren Bewohnern, ihren historischen Gebäuden und allen wundervollen Kulturdenkmälern auf einen Schlag ausradieren konnten.
Artur Tschistokjows Gesicht erfüllte den Fernsehbildschirm und der russische Präsident blickte mit ernster Miene in die Kamera. Er saß an einem schmucklosen Schreibtisch in einem hell ausgeleuchteten Raum. Hinter ihm schmückte eine Drachenkopffahne die graue Betonwand des Atombunkers. Heute sprach der Präsident erneut zum russischen Volk. Er wirkte, obwohl man ihn so gut es ging zurechtgemacht hatte, traurig und erschöpft.
„Meine lieben Landsleute!
Die Mächte des Hasses und der Menschheitszerstörung haben unser tapferes Volk inzwischen in einen schrecklichen Krieg gedrängt und versuchen mit allen Mitteln, den Nationenbund zu vernichten. Ihr satanischer Groll gegen alles Schöne und Gute hat sie einmal mehr dazu verleitet, auch mit den unmenschlichsten und furchtbarsten Waffen gegen die Menschen Russlands vorzugehen. Wo ihre Sklavenhorden plündernd und mordend durch die Lande ziehen, da hinterlassen sie Zerstörung, Chaos und Leid. Gehetzt von den knallenden Peitschen ihrer Herren, rennen sie gegen unsere Abwehrfronten an, um in unsere Städte, Dörfer und Landschaften einzudringen. Diese Bestien in Menschengestalt, die unsere Frauen vergewaltigen und unsere Kinder erschlagen, kennen nur ein Ziel: Die völlige Vernichtung von allem, was uns lieb und teuer ist.