Kitabı oku: «Der Frauenkrieg», sayfa 4

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Viertes Kapitel

Der Reiter, den Canolles mit dem Namen Richon begrüßt hatte, war, wie erzählt, in den ersten Stock des Gasthofes zum Goldenen Kalb hinaufgestiegen und speiste in Gesellschaft des Vicomte zu Nacht.

Er war es, den der Vicomte ungeduldig erwartete, als ihn der Zufall zum Zeugen der Vorkehrungen des Herrn von Epernon machte und in den Stand setzte, dem Baron von Canolles einen Dienst zu leisten.

Herr Richon hatte Paris vor acht Tagen und Bordeaux an demselben Tage verlassen und brachte also die neuesten Nachrichten über die Wirren, die von Paris bis Bordeaux das Land erfüllten und ein immer beunruhigenderes Ansehen gewannen. Während er erzählte, betrachtete der junge Mann stillschweigend sein männliches, gebräuntes Antlitz, sein sicheres, durchdringendes Auge, seine weißen, scharfen, unter dem langen schwarzen Schnurrbart schimmernden Zähne und all die verschiedenen Kennzeichen, die Richon zum Musterbild eines wahren Glücksritters in gutem Sinne machten.

»Also,« sagte der Vicomte nach einem Augenblick, »also ist die Frau Prinzessin zu dieser Stunde in Chantilly?«

Bekanntlich bezeichnete man mit diesem Titel die beiden Herzoginnen von Condé, nur fügte man bei der Gemahlin des verstorbenen Herzogs das Wort Witwe hinzu.

»Ja,« antwortete Richon, »und sie erwartet Euch dort so bald als möglich.«

»Und in welcher Lage ist sie in Chantilly?«– »In einer wahren Verbannung; man bewacht sie wie ihre Schwiegermutter mit der größten Sorgfalt, denn man vermutet bei Hofe, daß sie nicht allein beim Parlamente Klage führen wolle, sondern etwas Wirksameres zugunsten der Prinzen plane. Leider fehlt es, wie immer, an Geld ... Aber da fällt mir ein, habt Ihr das, was man Euch schuldig war, eingezogen? Es ist dies eine Frage, die man mir ganz besonders ans Herz gelegt hat.«

»Mit großer Mühe,«, antwortete der Vicomte, »brachte ich zwanzigtausend Livres zusammen, die ich in Gold bei mir habe; das ist alles.«

»Das ist alles! Teufel, Vicomte, man sieht wohl, daß Ihr Millionär seid; so verächtlich von einer solchen Summe in einem solchen Augenblick sprechen! Zwanzigtausend Livres; wir sind minder reich als Herr von Mazarin, aber reicher als der König.«

»Ihr glaubt also, Richon, die Frau Prinzessin werde die bescheidene Gabe annehmen?« – »Mit Dank; Ihr bringt ihr genug, um ein Heer damit zu bezahlen.«

»Glaubt Ihr, daß wir dessen bedürfen werden?« – »Wessen? eines Heeres? Gewiß, und wir sind dabei, eines zu sammeln. Herr von Larochefoucault hat vierhundert Edelleute angeworben, unter dem Vorwande, sie dem Leichenbegängnisse seines Vaters beiwohnen zu lassen. Der Herzog von Bouillon geht mit derselben Anzahl, wenn nicht mit einer größeren, nach Guienne ab. Herr von Turenne verspricht einen Marsch gegen Paris zu machen, in der Absicht, Vincennes zu überfallen und die Prinzen durch einen Handstreich zu entführen; er wird dreißigtausend Mann, seine ganze Nordarmee, die er dem königlichen Dienste abspenstig macht, bei sich haben. Oh! seid unbesorgt, die Dinge sind in gutem Zuge,« fuhr Richon fort; »ich weiß nicht, ob wir große Geschäfte machen werden, sicher machen wir aber gewaltigen Lärm...«

»Seid Ihr dem Herzog von Epernon nicht begegnet?« unterbrach ihn der junge Mann, dessen Augen funkelten bei dieser Aufzählung von Kräften, die ihm den Triumph seiner Partei verhieß.

»Dem Herzog von Epernon?« fragte der Glücksritter ganz verwundert, »wo soll ich ihm denn begegnet sein? Ich komme nicht von Agen, sondern von Bordeaux.«

»Ihr könntet ihn einige Schritte von hier getroffen haben,« versetzte der Vicomte lächelnd.

»Ah! richtig, wohnt nicht die schöne Nanon von Lartigues in der Gegend?« – »Zwei Musketenschüsse von hier.«

»Das erklärt mir die Anwesenheit des Barons von Canolles im Gasthof zum Goldenen Kalb.«

»Kennt Ihr ihn?« – »Wen? den Baron? Ja. Ich könnte mich sogar seinen Freund nennen, wäre Herr von Canolles nicht von vortrefflichem Adel, während ich ein armer Bürgersmann bin.«

»Bürgersleute wie Ihr, Richon, sind so viel wie Prinzen, in der Lage, in der wir uns befinden. Wißt Ihr übrigens, daß ich Euren Freund, den Baron von Canolles, vor Prügeln oder vielleicht vor etwas noch Schlimmerem bewahrt habe?« – »Ja, er hat mir ein paar Worte davon gesagt, aber ich hörte ihn nicht sehr aufmerksam an, denn ich hatte Eile, zu Euch zu gelangen. Seid Ihr sicher, daß er Euch nicht erkannt hat?« – »Man erkennt die schlecht, die man nie gesehen hat.«

»Ich erriet auch nur, was ich ihm erwidern sollte.« »In der Tat,« sagte der Vicomte, »er schaute mich sehr aufmerksam an.«

Richon versetzte lächelnd: »Ich glaube es wohl, man trifft nicht jeden Tag Edelleute Eurer Art.«

»Er scheint mir ein lustiger Kavalier zu sein,« sagte der Vicomte nach kurzem Stillschweigen.

»Lustig und gut, ein allerliebster Geist und ein großes Herz. Der Gascogner ist, wie Ihr wißt, nie mittelmäßig, entweder ist er vortrefflich, oder er taugt nichts. Dieser ist von gutem Gehalt. In der Liebe wie im Kriege ist er gleich hervorragend, es tut mir leid, daß er gegen uns hält. Ihr hättet in der Tat, da der Zufall Euch in Verbindung mit ihm brachte, diesen Umstand benutzen sollen, um ihn für unsere Sache zu gewinnen.«

Eine flüchtige Röte zog wie ein Meteor übet die bleichen Wangen des Vicomte hin.

»Euer Freund kam mir unbedeutend vor,« sagte er.

»Wer ist in diesen unruhigen, wechselvollen Zeiten ein bedeutender Mann und wer unbedeutend? Wer heute eine Kompanie zusammenbringt, kann morgen schon ein wichtiger Parteiführer sein. Das ganze Land lodert empor; überall streifen kühne Glücksritter umher, und ein verwegener Handstreich jagt den andern.«

»In der Tat, Richon, Ihr macht mir bange,« sagte der Vicomte, »und wenn ich nicht wüßte, daß ich Euch zu meinem Schutz hätte, würde ich es nicht wagen, mich auf den Marsch zu begeben. Aber unter Eurem Geleite,« fügte der junge Mann, dem Parteigänger seine kleine Hand reichend, hinzu, »fürchte ich nichts«

»Unter meinem Geleite,« sagte Richon, »oh! Ihr erinnert mich daran. Ihr müßt meines Geleites entbehren, Herr Vicomte.«

»Sollt Ihr denn nicht mit mir nach Chantilly zurückkehren?«

»Das heißt, ich sollte zurückkehren, wenn ich hier nicht notwendig wäre. Aber man legte mir jetzt ohne mein Verdienst soviel Bedeutung bei, daß ich bestimmten Befehl von der Frau Prinzessin erhielt, die Gegend des Forts, auf das man eine bestimmte Absicht zu haben scheint, nicht zu verlassen.«

Der Vicomte stieß einen Ausruf des Schreckens aus.

»So reisen ohne Euch!« rief er, »mit dem würdigen Pompée, der noch tausendmal mehr Hasenfuß ist, als ich, die Hälfte von Frankreich allein oder so gut wie allein durchziehen! Oh! nein, ich reise nicht, das schwöre ich Euch, ich würde vor Angst sterben, ehe ich ankäme.«

»Oh, Herr Vicomte,« versetzte Richon, in ein schallendes Gelächter ausbrechend, »Ihr denkt also nicht mehr an den Degen, der an Eurer Seite hängt?« – »Lacht, soviel Ihr wollt, ich reise nicht. Die Frau Prinzessin hat mir versprochen, Ihr würdet mich geleiten, und nur unter dieser Bedingung machte ich mich anheischig.«

»Aber Vicomte, jedenfalls zählt man auf Euch in Chantilly, und nehmt Euch in acht, die Prinzen verlieren leicht die Geduld, besonders wenn sie Geld erwarten,«

»Und zu allem Unglück,« sagte der Vicomte, »soll ich noch in der Nacht abreisen. Noch mag es darum sein,« sagte der Jüngling, sich gewaltsam zusammenraffend, »Ihr habt recht, ich reise, Richon. Ich glaube, daß Ihre Hoheit nach dem, was Ihr sagt, des Geldes sehr bedarf.«»Ich sage Euch, Herr Vicomte, Ihr habt das Aussehen eines Helden. Auch gibt es überall Soldaten des Königs, und wir sind noch nicht im Kriege. Traut indessen nicht zuviel und befehlt Pompée, seine Pistolen zu laden.«

»Ihr sagt mir das, um mich zu beruhigen?« – »Allerdings, wer die Gefahr kennt, läßt sich nicht überraschen. Geht also, die Nacht ist schön, und Ihr könnt vor Tag in Monlieu sein.«

»Und Ihr habt keinen Auftrag an Ihre Hoheit?« –

»Ich glaube wohl, Ihr erinnert mich an den allerwichtigsten Auftrag.«

»Habt Ihr geschrieben?« – »Nein, es sind ihr nur zwei Worte zu überbringen.«

»Welche?« – »Bordeaux –ja!«

»Sie weiß, was dies bedeutet?« – »Vollkommen. Auf diese zwei Worte kann sie ganz sicher abreisen. Ich stehe für alles.«

»Vorwärts, Pompée,« sagte der Vicomte zu dem alten Diener, der in diesem Augenblick den Kopf durch die halb geöffnete Tür steckte, »vorwärts, mein Freund, wir müssen reisen.«

»Oh, oh! reisen!« rief Pompé, »das kann dem Herrn Vicomte nicht einfallen. Es kommt ein furchtbarer Sturm.« »Was, sagt Ihr da, Pompée?« versetzte Richon, »es ist keine Wolke am Himmel.«

»Aber in der Nacht können wir uns verirren.« »Das wäre schwierig; Ihr braucht nur der Landstraße zu folgen. Überdies ist prächtiger Mondschein.«

»Schnell, Pompée, packe diesen Sack voll Gold auf dein Pferd.«

»Sagt mir doch, Richon,« fuhr der Vicomte fort, jenen beim Arm in dem Augenblick zurückhaltend, wo er den Fuß auf die erste Stufe der Treppe setzte, »wenn dieser Canolles ein so tapferer Soldat und ein so guter Edelmann ist, wie Ihr sagt, warum macht Ihr nicht einen Versuch, ihn für unsere Partei zu gewinnen? Er könnte uns entweder in Chantilly oder schon auf der Reise einholen. Da ich ihn bereits ein wenig kenne, so würde ich ihn vorstellen.« Richon schaute den Vicomte mit einem so seltsamen Lächeln an, daß dieser, der ohne Zweifel an den Zügen des Parteigängers erkannte, was in seinem Geiste vorging, rasch hinzufügte: »Übrigens will ich nichts gesagt haben, macht was Ihr für gut haltet. Gott befohlen!«

Und er reichte ihm die Hand und kehrte rasch in sein Zimmer zurück, sei es aus Furcht, Richon könnte die plötzliche Röte sehen, die sein Gesicht bedeckte, sei es, daß ihm bange war, von Canolles gehört zu werden, dessen schallendes Gelächter bis in den ersten Stock drang.

Er ließ also den Parteigänger die Treppe hinabsteigen, gefolgt von Pompée, der das Felleisen scheinbar nachlässig trug, um nicht erraten zu lassen, was es enthielt. Nachdem einige Minuten vorübergegangen waren, betastete er sich, um zu sehen, ob er nichts vergessen habe, löschte seine Kerzen aus, stieg ebenfalls behutsam die Treppe hinab, wagte einen schüchternen Blick durch den erleuchteten Spalt einer Tür des Erdgeschosses, hüllte sich in einen Mantel, den ihm Pompée reichte, setzte seinen kleinen Fuß auf die Hand des Reitknechts, schwang sich leicht auf sein Pferd, brummte einen Augenblick über die Langsamkeit des alten Soldaten und verschwand im Schatten.

In der Sekunde, wo Richon in Canolles' Zimmer trat, den er unterhalten sollte, während der kleine Vicomte Anstalten zu seiner Abreise traf, erscholl ein Freudengeschrei aus dem Munde des halb auf seinem Stuhl zurückgelehnten Barons, was zum Beweise diente, daß dieser nicht grollte.

»Ah!« rief der Baron, »Ihr kommt zur rechten Zeit, mein lieber Richon; ich mußte irgend jemand finden, um Meister Biscarros' Lob zu singen, und war beinahe darauf angewiesen, ihn gegen diesen Schafskopf von Castorin zu rühmen, der nicht weiß, was trinken heißt, und den ich nie essen lehren konnte. Biscarros ist, bei Gott, ein großer Meister. Setzt Euch hierher, Richon, Ihr habt zu Nacht gespeist, ich habe auch gespeist; doch gleichviel, wir fangen wieder von vorn an.«

»Ich danke, Baron,« sagte Richon lachend, »ich habe keinen Hunger mehr.«

»Streng genommen, will ich das zugeben, man kann keinen Hunger mehr haben, aber man hat stets Durst. Kostet einmal diesen Collioure.«

Richon reichte ihm sein Glas.

»Ihr habt also,« fuhr Canolles fort, »mit Eurem kleinen einfältigen Vicomte zu Nacht gespeist? Ah, ich bitte um Vergebung, Richon. Nein, ich täusche mich, es ist im Gegenteil ein reizender Junge, dem ich das Vergnügen schulde, das Leben von seiner schönen Seite zu kosten, statt die Seele durch drei bis vier Löcher von mir zu geben, die der gute Herzog von Epernon meiner Haut beizubringen gedachte. Ich bin also diesem jungen Vicomte, diesem bezaubernden Ganymed zu Dank verpflichtet. Ah, Richon, Ihr seht ganz aus, als wärt Ihr, was man von Euch sagt, das heißt, der wahre Diener des Herrn von Condé.«

»Still, Baron!« rief Richon; »habt keine solche Gedanken, ich sterbe sonst vor Lachen.«

»Vor Lachen sterben! Geht doch, nein, mein Lieber. Ich habe übrigens nichts weniger als Abscheu vor Eurem kleinen Edelmanne, der sich so um den nächsten besten vorüberziehenden Kavalier kümmert.«

Und Canolles warf sich lachend in seinen Stuhl und entwickelte, während er seinen Schnurrbart kräuselte, eine solche Heiterkeit, daß Richon notwendig daran teilnehmen mußte.

»Also ernsthaft, mein lieber Richon,« sagte Canolles, »nicht wahr, Ihr konspiriert?«

In diesem Augenblick hörte man den Galopp zweier sich entfernender Pferde.

»Oho!« sagte Canolles horchend. »Was ist das, Richon, wißt Ihr es?« – »Ich glaube es zu vermuten.«-

»So sprecht.« »Der kleine Edelmann reist ab.«

»Ohne von mir Abschied zu nehmen?« rief Canolles, »Das ist offenbar ein armseliger Wicht.«

»Nein, mein lieber Baron, es ist ein Mensch, der Eile hat, und nichts anderes.«

Canolles faltete die Stirn und erwiderte: »Was für sonderbare Manieren! Wo ist dieser Junge erzogen worden? Richon, mein Freund, ich sage Euch, daß er unrecht tut. Unter Edelleuten benimmt man sich nicht so. Bei Gott, ich glaube, wenn ich ihn hier hätte, ich würde ihm die Ohren reiben. Der Teufel hole seinen guten Tropf von Vater, der ihm aus Knickerei ohne Zweifel keinen Lehrer gegeben hat.«

»Ärgert Euch nicht, Baron,« sagte Richon lachend, »der Vicomte ist nicht so schlecht erzogen, wie Ihr wohl glauben mögt; denn er hat mich bei seinem Abgang beauftragt, Euch sein Bedauern auszudrücken und Euch tausend schmeichelhafte Dinge zu sagen.«

»Gut, gut,« erwiderte Canolles, »Weihwasser von Hof, das aus einer großen Unverschämtheit eine kleine Unhöflichkeit macht, weitet nichts. Beim Henker, ich bin in einer sehr wilden Laune. Sucht Streit mit mir, Richon! Ihr wollt nicht? Wartet. Gottes Tod, Richon, ich finde Euch sehr häßlich.«

Richon fing an zu lachen und versetzte: »Mit dieser Laune, Baron, könntet Ihr, wenn wir spielten, mir heute abend hundert Pistolen abgewinnen. Das Spiel befördert, wie Ihr wißt, den Ärger.«

»Ah, bei Gott, das Spiel!« rief der Baron, »ja, das Spiel, Ihr habt recht! Mein Freund, das ist ein Wort, das mich mit Euch aussöhnt, Richon, ich finde Euch sehr angenehm. Ihr seid schön wie Adonis, und ich verzeihe Herrn von Cambes. Castorin, Karten!«

Castorin lief, von Biscarros begleitet, herbei. Beide richteten einen Tisch zu, und die zwei Gefährten fingen an zu spielen. In weniger als einer Stunde gewann Richon, trotz seiner Prophezeiung, seinem Gegner achtzig Pistolen ab. CanolIes, der kein Geld mehr bei sich hatte, befahl nun Castorin, aus seinem Mantelsacke zu holen.«

»Unnötig,« bemerkte Richon, dem dieser Befehl nicht entgangen war; »ich habe keine Zeit, Euch Revanche zu geben.«

»Wie, Ihr habt keine Zeit?« – »Nein, es ist elf Uhr, und um Mitternacht muß ich auf meinem Posten sein.

»Geht doch, Ihr scherzt wohl.«

»Mein Herr Baron,« erwiderte Richon mit ernstem Tone, »Ihr seid Militär und kennt folglich die Strenge des Dienstes.«

»Warum seid Ihr dann nicht abgegangen, ehe Ihr mir das Geld abgewonnen hattet?« sagte Canolles halb lachend, halb mürrisch.

»Macht Ihr es mir vielleicht zum Vorwurf, daß ich Euch einen Besuch abstattete?« – »Gott behüte! Ich habe nur nicht die geringste Lust zu schlafen und werde mich hier furchtbar langweilen.«

Hierauf füllte Canolles die Gläser, und Richon entfernte sich, nachdem er auf die Gesundheit des Barons getrunken hatte, ohne daß es diesem nur in den Kopf kam, erfahren zu wollen, auf welchem Wege er sich entfernte. Aber allein mitten unter halb abgebrannten Kerzen, leeren Flaschen und zerstreuten Karten fühlte sich der Baron in eine jener traurigen Stimmungen versetzt, die man nur versteht, wenn man sie selbst erlebt hat; denn seine ganze Heiterkeit hatte nur seinen ersten Verdruß betäuben sollen.

Er schleppte sich also nach seinem Schlafzimmer und warf durch die Scheiben des Ganges einen Blick voll Kummer und Zorn nach dem vereinzelten Hause, von dem ein Fenster von einem rötlichen Schimmer beleuchtet war, und das von Zeit zu Zeit von Schatten durchzogen wurde, woraus deutlich genug hervorging, daß Fräulein von Lartigues ihre Nacht weniger einsam zubrachte, als er.

Auf der ersten Stufe der Treppe stieß Canolles mit seinem Stiefel an etwas. Er bückte sich und hob einen der kleinen perlgrauen Handschuhe des Vicomte auf, den dieser bei seiner eiligen Entfernung aus dem Gasthause hatte fallen lassen.

Was übrigens auch Canolles in einem Augenblicke der Menschenfeindlichkeit, der einem getäuschten Liebhaber wohl zu verzeihen war, denken mochte, es herrschte in dem kleinen einsamen Hause keine größere Freude, als im Gasthause zum Goldenen Kalb.

Unruhig wälzte Nanon die ganze Nacht hindurch tausend Pläne in ihrem Gehirn umher, um Canolles in Kenntnis zu setzen; sie suchte alles, was in dem Kopfe einer klugen Frau an Geist und List enthalten ist, zusammen, um sich der mißlichen Lage zu entziehen, in der sie sich befand. Es handelte sich nur darum, dem Herzog eine Minute zu stehlen, um mit Francinette zu sprechen, oder zwei Minuten, um eine Zeile an Canolles auf ein Stück Papier zu schreiben.

Aber es war, als vermutete der Herzog alles, was in ihr vorging, als läse er die Unruhe ihres Geistes durch die heitere Maske, mit der sie ihr Gesicht bedeckt hatte, und als hätte er sich selbst geschworen, ihr nicht einen Augenblick Freiheit zu lassen.

Nanon hatte Migräne, Herr von Epernon wollte ihr nicht erlauben aufzustehen, um ihr Riechfläschchen zu holen, sondern holte es selbst.

Nanon stach sich mit einer Nadel, wodurch plötzlich ein Rubin an der Spitze ihres zarten Fingers erschien; sie wollte in ihrem Necessaire ein Stückchen Rosataffet holen. Unermüdlich in seiner Zuvorkommenheit stand Herr von Epernon auf, schnitt das Stückchen Rosataffet mit verzweiflungserregender Geschicklichkeit ab und verschloß das Necessaire wieder.

Nanon stellte sich, als wäre sie in tiefen Schlaf versunken; sogleich fing der Herzog auch an zu schnarchen; da öffnete Nanon ihre Augen wieder und versuchte es, im Schein der Nachtlampe, aus dem in der Nähe ihres Bettes und im Bereich ihrer Hand liegenden Leibrock des Herzogs dessen Schreibtafel zu ziehen; aber in dem Augenblick, wo sie bereits den Bleistift in ihren Fingern hielt und ein Blatt ausgerissen hatte, öffnete der Herzog ein Auge und sagte: »Was macht Ihr, mein Herzchen?« – »Ich suchte, ob kein Kalender in Eurer Schreibtafel wäre.«

»Wozu?« – »Um zu sehen, auf welchen Tag Euer Namensfest fällt.«

»Ich heiße Louis, und mein Namenstag fällt auf den 24. August, wie Ihr wißt; Ihr habt also gehörig Zeit, Euch darauf vorzubereiten.«

Und er nahm ihr die Schreibtafel aus der Hand und steckte sie in seinen Rock.

Verzweiflungsvoll drehte sich Nanon der Wand zu und erwartete den Tag mit begreiflicher Bangigkeit.

Sobald dieser Tag am Gipfel der Pappelbäume zu erscheinen begann, erhob sich der soldatisch gewöhnte Herzog sofort, kleidete sich selbst an, um seine kleine Nanon nicht einen Augenblick zu verlassen, hüllte sich in einen Schlafrock und läutete, um zu erfahren, ob nichts Neues vorgefallen sei.

Francinette übergab auf diese Frage ein Päckchen mit Depeschen, die in der Nacht ein Kurier gebracht hatte.

Der Herzog fing an, sie zu entsiegeln, und las mit einem Auge; das andere Auge, dem der Herzog den verliebtesten Ausdruck zu geben suchte, verließ Nanon nicht.

Nanon hätte den Herzog in Stücke zerrissen, wenn sie imstande gewesen wäre.

»Wißt Ihr,« sagte der Herzog, nachdem er einen Teil der Depeschen gelesen hatte, »wißt Ihr, was Ihr tun solltet, liebe Freundin?« – »Nein, Monseigneur, aber wenn Ihr Befehle geben wolltet, so würde man sich danach richten.«

»Ihr solltet Euren Bruder holen lassen. Ich erhalte soeben von Bordeaux einen Brief, der die von mir gewünschte Auskunft enthält; er könnte sogleich abreisen, und bei seiner Rückkehr hätte ich einen Vorwand, ihm das Kommando zu übergeben, um das Ihr mich für ihn gebeten habt.«

Das Antlitz des Herzogs drückte das unzweideutigste Wohlwollen aus.

»Auf,« sagte Nanon zu sich selbst, »Mut gefaßt! Ich darf hoffen, daß Canolles in meinen Augen lesen oder ein halbes Wort verstehen wird.«

Dann antwortete sie laut: »Schickt selbst, mein lieber Herzog!« denn sie vermutete, der Herzog würde sie nicht gewähren lassen, wenn sie die Sache besorgen wollte.

Der Herzog von Epernon rief Francinette und beauftragte sie, sich nach dem Gasthause zum Goldenen Kalbe zu begeben, ohne eine andere Instruktion, als die Worte: »Sagt dem Herrn Baron von Canolles, Fräulein von Lartigues erwarte ihn beim Frühstück.«

Mit klopfendem Herzen erwartete Nanon die Rückkehr ihrer Zofe und das Eintreffen ihres Geliebten: Krampfhaft suchte sie nach Begrüßungsworten, die für den Herzog unverfänglich klängen und den Baron sofort über die Situation aufklären könnten, als Francinette allein mit der Nachricht wiederkam, der Baron von Canolles sei nicht mehr im Goldenen Kalb.«

Der Herzog machte große Augen und wurde düster. Nanon warf den Kopf zurück und atmete auf.

»Wie,« sagte der Herzog, »der Baron von Canolles ist nicht mehr im Gasthause zum Goldenen Kalb?« – »Du täuschest dich sicher, Francinette,« fügte Nanon hinzu.

»Madame,« erwiderte Francinette, »ich wiederhole, was mir Herr Biscarros selbst gesagt hat.«

»Er wird alles erraten haben, dieser liebe Canolles,« murmelte Nanon ganz leise. »Ebenso gescheit, ebenso gewandt, wie mutig und schön.«

»Holt mir sogleich den Meister Biscarros,« sagte der Herzog mit der Miene seiner schlimmen Stunden; und »in jedem Betrug zuvorzukommen, sandte er lieber statt der Zofe seinen Kurier, indem er sagte: »Gehe zum Wirt zum Goldenen Kalb, sage ihm, er solle hierherkommen und den Küchenzettel zu einem Frühstück mitbringen. Gib ihm diese zehn Louisdor, damit er ein gutes Mahl bereitet. Vorwärts.«

Courtauvaux, der Kurier, empfing das Gold und entfernte sich, um den Befehl seines Gebieters zu vollziehen.

Er war ein Diener von gutem Hause, der sein Handwerk, wohl verstand. Er suchte Biscarros auf und sagte zu ihm: »Ich habe den gnädigen Herrn überredet, ein feines Frühstück bei Euch zu bestellen; er hat mir acht Louisdor gegeben, zwei behalte ich natürlich für die Kommission; hier sind sechs für Euch, kommt geschwind.«

Zitternd vor Freude band Viscarros eine weiße Schürze um seine Hüften, steckte die sechs Louisdor ein, drückte Courtauvaux die Hand und eilte dem Kurier nach, der ihn im schnellsten Laufe nach dem kleinen Hause führte.

Seine Schürze artig in den Gürtel zurückgeschlagen und die Mütze in der Hand, trat er ein.

»Ihr habt gestern einen jungen Edelmann bei Euch, gehabt,« sagte Nanon, »den Herrn Baron von Canolles, nicht wahr?«

»Was ist aus ihm geworden?« fragte der Herzog.

Sehr in Unruhe, denn der Kurier und die sechs Louisdor ließen ihn ahnen, daß eine große Person unter dem Schlafrock verborgen war, antwortete Biscarros anfangs ausweichend: »Gnädiger Herr, er ist abgereist.«

»Abgereist,« sagte der Herzog, »wirklich abgereist?« – »Wirklich abgereist.«

»Wohin ist er gegangen?« – »Das kann ich nicht sagen, denn in Wahrheit, ich weiß es nicht, Madame.«

»Ihr wißt wenigstens, welchen Weg er eingeschlagen hat?« – »Den Weg nach Paris.«

»Um wieviel Uhr hat er diesen Weg eingeschlagen?« – »Gegen Mitternacht.«

»Und ohne etwas zu sagen?« – »Ohne etwas zu sagen; er hat nur einen Brief zurückgelassen, mit dem Befehl, ihn an Fräulein Francinette zu übergeben.«

»Und warum habt Ihr den Brief nicht abgegeben, Schuft?« sagte der Herzog. »Ist das Eure Achtung vor dem Befehle eines Edelmannes?« – »Ich habe ihn übergeben, gnädiger Herr.«

»Francinette!« rief der Herzog.

Francinette, die horchte, machte nur einen Sprung aus dem Vorzimmer ins Schlafzimmer.

»Warum hast du den Brief deiner Gebieterin nicht übergeben, den Herr von Canolles für sie zurückließ?«

Ein doppelter Blitz schoß aus Nanons Augen auf den Wirt und erdolchte ihn gleichsam in seiner Ecke.

Der Unglückliche schwitzte große Tropfen und hätte gern die Louisdor gegeben, die er in seiner Tasche hatte, hätte er dafür mit dem Stiel einer Kasserolle in der Hand vor seinem Herde gestanden.

Während dieser Zeit nahm der Herzog den Brief, öffnete ihn und las. Solange er las, stand Nanon kälter und bleicher als eine Bildsäule da und fühlte kein Leben mehr in ihrem Herzen.

»Was bedeutet dieses verwirrte Geschreibsel?« sagte der Herzog.

Nanon begriff nach diesen paar Worten, daß der Brief sie nicht gefährdete, und erwiderte: »Lest laut, ich kann es Euch vielleicht erklären.«

»Teure Nanon,« las der Herzog.

Und nach diesen Worten wandte er sich nach der jungen Frau um, die sich immer mehr beruhigte und seinen Blick mit bewunderungswürdiger Keckheit aushielt.

»Teure Nanon,« fuhr der Herzog fort, »ich benutze den Urlaub, den ich Euch zu verdanken habe, und mache zu meiner Zerstreuung einen kleinen Galopp auf der Straße nach Paris. Auf Wiedersehen; ich empfehle Euch mein Glück.«

»Oh! er ist ein Narr, dieser Canolles!«»Ein Narr! warum?« fragte Nanon.

»Reist man so ohne allen Grund um Mitternacht ab?«

»In der Tat,« sagte Nanon mit sich selbst sprechend.

»Sprecht, erklärt mir diese Abreise!«

»Ei, mein Gott! Monseigneur,« erwiderte Nanon mit einem reizenden Lächeln, »nichts ist leichter.«

»Sie nennt ihn auch Monseigneur!« murmelte Biscarros. »Offenbar ein Prinz.«

»Sprecht, sprecht!«

»Wie, Ihr könnt es Euch nicht denken?«

»Wohl, Canolles ist siebenundzwanzig Jahre alt; er ist jung, schön, leichtsinnig. Welcher Torheit glaubt Ihr, daß er den Vorzug gönnt? Der Liebe. Er hat wohl an dem Gasthause des Biscarros eine hübsche Reisende vorüberkommen gesehen, und ist ihr dann wahrscheinlich gefolgt.«

Diese Vermutung Nanons wurde vom Wirt bestätigt, der redselig von einem in seinem Gasthause eingekehrten kleinen Kavalier erzählte, der so fein und zierlich gewesen sei und abends Furcht gehabt habe, so daß er sich bald gedacht habe, der Kavalier sei eine Dame.

»Fahrt fort,« sagte Nanon mit gezwungener Miene, »das ist reizend. Ohne Zweifel erwartete der junge Edelmann Herrn von Canolles?«

»Nein, nein, er erwartete zum Abendessen einen großen Herrn mit einem Schnurrbart und schien sogar nicht gut auf Herrn von Canolles zu sprechen, als er mit ihm zu Nacht speisen wollte; aber der wackere Edelmann ließ sich durch eine solche Kleinigkeit nicht aus der Fassung bringen. Das ist ein unternehmender Kamerad, wie es scheint, und nach der Abreise des Großen, der rechts abgegangen war, eilte er dem Kleinen nach, der sich nach links gewendet hatte.«

»Aber woher wißt Ihr denn so sicher,« sagte Nanon, von Eifersucht gefoltert, »daß dieser kleine Edelmann eine Frau war, daß Herr von Canolles in sie verliebt ist, und nicht vielmehr aus Langweile und Laune auf der Landstraße umherzieht?«»Nun,« sagte Biscarros, »ich begegnete auf der Treppe Herrn von Canolles; in der linken Hand hielt er seine Kerze, in der rechten einen kleinen Handschuh, den er leidenschaftlich betrachtete und beroch.«

»Oh! oh! oh! rief der Herzog, der bei den Worten des Wirtes um so heiterer wurde, je mehr er für sich zu fürchten aufhörte.

»Einen Handschuh!« wiederholte Nanon, indem sie sich zu erinnern suchte, ob sie nicht ein solches Pfand im Besitze ihres Ritters gelassen hätte, »einen Handschuh von dieser Art?«

Und sie zeigte dem Wirt einen von ihren Handschuhen.

»Nein,« sagte Biscairos, »einen Männerhandschuh.«

»Einen Männerhandschuh! Herr von Canolles betrachtete und beroch einen Männerhandschuh! Ihr seid ein Narr!«

»Nein, denn es war ein Handschuh von dem kleinen Edelmann, von dem hübschen, blonden Kavalier, der nicht aß, nicht trank und bei Nacht Furcht hatte; ein ganz kleiner Handschuh, in den Madames Hand kaum hineingekommen wäre, obgleich Madame gewiß eine sehr schöne Hand hat'«

Nanon stieß einen halblauten dumpfen Schrei aus, als wäre sie von einem unsichtbaren Pfeile getroffen worden.

»Ich hoffe,« sagte sie mit einer heftigen Anstrengung, »Ihr seid nun hinreichend unterrichtet, Monseigneur, und wißt alles, was Ihr zu wissen wünscht.«

Während aber der Herzog noch ein paar Worte mit Meister Biscarros wechselte und ihm zum Lohn für seine ihn so befriedigende Erzählung noch sechs Louisdor gab, hatte Nanon Zeit, alles zu überdenken.

Bei ihrer großen Liebe zu Herrn von Canolles fühlte sie sich bald geneigt, ihn vor ihren eigenen Augen zu rechtfertigen. Sie dachte daran, wie enttäuschend für ihn die Lage im Goldenen Kalb gelesen sein müsse. Sie war so verliebt, daß sie das Benehmen des Barons einem Anfalle von Eifersucht zuschrieb und sich beinahe Glück wünschte, so sehr von ihm geliebt zu werden, daß sie dadurch eine kleine Rache von seiner Seite hervorgerufen habe. Aber vor allem mußte das Übel an der Wurzel abgeschnitten werden; sie mußte den Fortschritt dieser kaum entstehenden Liebe hemmen.

Sich mit ihrer ganzen Energie bewaffnend, wandte sie sich an den Herzog und sagte: »Welch ein Unglück, Monseigneur, daß die Unbesonnenheit des närrischen Canolles ihn einer Ehre beraubt, wie Ihr sie ihm angedeihen lassen wolltet! Wenn er erschien, so war seine Zukunft gesichert; durch seine Abwesenheit verliert er sie vielleicht ganz und gar.«

»Was ist zu tun, mein Herzchen?« erwiderte Herr von Epernon. »Die Jugend ist das Alter des Vergnügens; er ist jung und belustigt sich.«

»Aber ich,« versetzte Nanon, »ich, die vernünftiger ist als er, wäre der Meinung, man sollte diese unzeitige Freude ein wenig stören.«

»Ah, die zänkische Schwester!« rief der Herzog.

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