Kitabı oku: «Colt-Helden: Super Western Sammelband 7 Romane», sayfa 10
4.
Niemand trat Sheriff Jim Sutherland und seinem Hilfssheriff in den Weg. Die kleine Stadt Danstone erweckte den Eindruck, als sei sie ausgestorben. Sie erinnerte die beiden Männer unwillkürlich an jene Geisterstädte, die längs des Schienenstranges der Union Pacific entstanden waren, eine Zeitlang ein turbulentes Leben gesehen hatten, dann aber verlassen worden waren und tot zurückblieben.
Danstone, die Stadt im Puma Valley, schien diesen aufgegebenen Städten zu gleichen. Die Sonne brannte, der Himmel war blau, es war ein herrlicher Tag. Dennoch zeigte sich kein Leben.
Die beiden Männer hatten ihr Augenmerk fest auf den Vogelkäfig-Saloon gerichtet, vor dem ein abfahrbereiter Einspänner stand. Der Mann auf dem Bock, ein klobiger Bursche, zuckte zusammen, als er Jim Sutherland und Slim Bruce sah. Er machte eine hastige Bewegung nach seiner Winchester, doch Sheriff Jim Sutherland war schneller. Wie durch Zauberei lag sein Colt in der Hand. Die Mündung war auf den Mann gerichtet. Dieser erstarrte mitten in der Bewegung. Leicht hob er die Hände.
„Komm herunter!“, forderte ihn Jim Sutherland auf.
Nur zögernd gehorchte der Mann aus Duff Terrifics Mannschaft. Man sah ihm an, dass er auf eine Gelegenheit lauerte, den beiden Männern eins auszuwischen. Er schien zu hoffen, dass seine Kameraden ihn aus der unangenehmen Lage befreiten. Dass er als Schutzschild dienen sollte und durch die Schwingtür in den Saloon getrieben wurde, war etwas, was ihm ganz und gar nicht gefiel. Seine Angst wurde riesengroß.
„Schießt nicht!“, brüllte er, als er durch die Schwingtür in den Saloon stolperte.
Drei Kerle, die gut im Saloon verteilt waren, konnten von ihren Waffen keinen Gebrauch machen. Sie standen unentschlossen da und sahen zur Nebentür, als suchten sie ihren Anführer. Aber Duff Terrific ließ sich nicht blicken.
„Drei Stunden habt ihr Zeit, um zu packen und zu verschwinden“, sagte Jim Sutherland zu den Kerlen. Er hatte den lebenden Schutzschild nicht erst zum Anhalten aufzufordern brauchen. Ein leichter Druck mit dem Coltlauf im Rücken hatte dem Fahrer gesagt, auf was es ankam. Sein Auftauchen setzte seine Kumpane matt. Das nutzte Slim Bruce, indem er sich eine gute Position an der Wand des Saloons verschaffte.
Die Kerle im Saloon antworteten nicht. Sie schienen auf einen Befehl von Terrific zu warten. Nach seiner Niederlage auf dem Hof des Mietstalles hatte er seinen Leuten erklärt: „Draußen, auf offener Straße, können wir diesen Sutherland und seinen Hilfssheriff nicht zusammenschießen. Ich weiß, dass es die sicherste Methode wäre, aber das würde die Bevölkerung gegen uns aufbringen. Im Augenblick können wir uns das noch nicht erlauben, meint der Boss. Er will nicht, dass wir offen gegen das Gesetz vorgehen, das Sutherland vertritt. Der Boss hat aber nichts dagegen, wenn wir die beiden beim Betreten des Saloons aus der Welt fegen. Was in diesen vier Wänden geschieht ist unsere Sache. Wir können es hinterher so darstellen, als hätten die beiden hier den wilden Mann spielen wollen.“
„Bist du sicher, Duff, dass die beiden Kerle hierherkommen werden?“, hatte einer gefragt.
„Der Boss glaubt es.“ Terrific wich einer klaren Antwort aus. „Ich selbst kann mir nicht vorstellen, dass sie es wagen. Trotzdem macht euch zum Empfang bereit. Ich selbst werde die Stadt verlassen und mich eine Zeitlang auf der Gitter-Ranch aufhalten, jedenfalls so lange, bis meine Verletzung verheilt ist. Es tut mir leid, dass ich nicht einmal zur Beerdigung dabei sein kann.“
„Komm heraus, Terrific!“, rief Jim Sutherland, doch im Nebenraum regte sich nichts. Die Tür, die zum Büro des Saloonbesitzers führte, blieb verschlossen. Alle, auch die eigenen Leute Terrifics, warteten vergeblich auf dessen Erscheinen.
„Nehmt eure Eisen aus den Holstern und lasst sie fallen!“, forderte Jim die Kerle auf, deren Unentschlossenheit einer Verwirrung Platz gemacht hatte.
Die Burschen sahen sich an. Keiner wusste, wie er sich verhalten sollte. Schließlich kamen sie zögernd der Aufforderung nach. Sie hatten begriffen, dass während einer einzigen Nacht eine Wandlung mit Jim Sutherland vor sich gegangen war. Nicht einer von ihnen wagte es, der Aufforderung nur zum Schein nachzukommen und den Colt zu ziehen. Slim Bruces Anwesenheit machte sie noch unsicherer. Außerdem fühlten sie sich von ihrem Boss und Anführer Terrific im Stich gelassen. Die Gesichter der Kerle zogen sich in die Länge. Wut stand unverhüllt in ihren Augen. Einer nach dem anderen hob mit spitzen Fingern seine Waffe aus dem Holster und ließ sie zu Boden fallen.
„Ich hole jetzt Terrific“, sagte Slim Bruce mit seiner dunklen Stimme. Er hatte gerade ausgesprochen, als draußen das Knallen einer Peitsche erklang. Dann donnerten Pferdehufe davon, und Wagenräder rasselten. Slim Bruce wirbelte herum und rannte zum Fenster, das zur Mainstreet führte. Mit einem einzigen Blick erfasste er die Situation. Er erkannte den Mann, der vom Bock des Einspänners aus wie wild mit der Peitsche auf das Pferd einschlug.
„Terrific verlässt die Stadt, Jim!“, rief Bruce. „Er hat seine Leute im Stich gelassen.“
„Er ist schneller, als ich dachte“, erwiderte Jim. „Er brauchte nicht einmal drei Stunden, um aus der Stadt zu kommen. — Richtet euch nach ihm!“, wandte sich Jim dann an die Burschen im Saloon. „Für Leute eures Schlages ist kein Platz mehr in Danstone!“
„Sutherland, du bist nicht groß genug, um uns zu verjagen. Sicher, wir werden gehen, aber wir kommen zurück!“
„Versucht es lieber nicht!“, erwiderte Jim rau. „Der Vogelkäfig-Saloon ist bis auf weiteres geschlossen. — Jetzt hinaus mit euch!“
Das war deutlich. Jim war nicht mehr gewillt, die drei Stunden Frist einzuhalten.
Die Kerle schluckten es sofort. Sie begriffen, dass dieser Sheriff, dem man am letzten Abend eine Beerdigungsfeier ausgerichtet hatte, keineswegs abgeschrieben war. Er war keine Marionette, wie sie geglaubt hatten, sondern zeigte ihnen nun deutlich, dass sie die Rechnung ohne ihn gemacht hatten.
„Merkt euch, Ihr könnt nicht weit genug reiten!“, wandte sich Jim an die Kerle. „Verlasst das Valley. Auch auf der Weide werdet ihr euch nicht halten können.“
Keiner antwortete, alle grinsten nur höhnisch. Deutlich war ihnen anzusehen, dass sie Jim Sutherland für einen Narren hielten, dem es bald vergehen würde, sich groß aufzuspielen.
Nun, Jim erwartete keine Antwort. Er atmete auf, als die vier Kerle draußen waren.
Slim Bruce bewegte sich im Hintergrund wie ein Schatten. Er ließ keinen Blick von den vier Männern. Als sie sich auf den Rücken ihrer Pferde schwangen, sagte er zu Jim: „Der Sieg war zu glatt, Freund. Mir ist, als hätten wir in einen Teig hineingestoßen, der nur zu willig nachgab. Mir gefällt das ganz und gar nicht.“
„Auf alle Fälle war diese Lösung besser, als wenn wir Blei verschwendet hätten. Sie ziehen ab, Slim. Die Stadt ist erst einmal von diesem Gesindel befreit. Geh zum Office und hole Bretter, Nägel und einen Hammer! Wir vernageln die Tür des Saloons.“
„Das wird sich gut auf die Leute hier auswirken. Alle werden es sehen, und man wird darüber sprechen. Ob es die Städter aber auf unsere Seite bringt, ist zweifelhaft.“
Ohne auf eine Antwort zu warten, machte sich Slim davon. Er sah nicht einmal den rasch davonreitenden Leibwächtern Terrifics nach, die ihre Pferde durch die Mainstreet trieben.
Jim Sutherland ließ sich auf einer Regentonne nieder. Er war wie von einem Druck befreit und war nicht wenig erstaunt, als die ersten Passanten auftauchten. In der Stadt regte es sich jetzt. Die Leute kamen aus ihren Häusern, gingen scheu an ihm vorbei und betrachteten ihn voller Neugier. Niemand sprach ihn an, und er wusste genau, wie wenig sie von seinem glatten Sieg hielten.
Bitterkeit stieg in Jim auf. Was bedeute ich ihnen, fragte er sich. Rein gar nichts. Sie sehen in mir nur einen Mann, der dafür bezahlt wird, dass er das Gesetz vertritt. Sie kreiden es mir übel an, dass ich ein Halbblut als Hilfssheriff einstellte. Keinem von ihnen aber würde es einfallen, sich als Hilfssheriff verpflichten zu lassen. Niemand glaubt daran, dass Terrific lange mit seinen Leuten ausbleibt. Gewaltlose Siege zählen hier nicht. Sie sind nur überzeugt, wenn jemand tot auf der Strecke bleibt. Solange es diesen Menschen nicht persönlich an den Kragen geht, ist ihnen alles andere völlig gleichgültig.
Als sein Partner zurückkam, vernagelten sie die Tür des Vogelkäfig-Saloons. Einige Passanten blieben stehen und sahen interessiert zu. Kaum hatten die beiden Männer ihre Arbeit beendet, als zwei Reiter auf staubbedeckten Pferden in die Stadt preschten. Jim erkannte in ihnen je einen Cowboy des Ranchers Dan Everett und Roger Downs. Beim Anblick der vernagelten Saloontür hielten sie ihre Pferde an. Sie beugten sich in den Sätteln vor, als müssten sie Jim Sutherland genauer ansehen. Der eine der Reiter, ein grauhaariger, etwa fünfzig Jahre alter Mann, lachte trocken in sich hinein. Er richtete sich gerade im Sattel auf und wandte sich dann an seinen Begleiter, zu dem er mit so lauter Stimme sagte, dass jeder ihn verstehen konnte: „Wir kommen zu spät, Stuart. Das Gesetz hat den Saloon bereits geräumt und uns eine harte Arbeit abgenommen.“
„Soll das heißen, Bob, dass du und Stuart gegen Terrific und seine Leute vorgehen wolltet?“, schnappte Jim Sutherland.
Der grauhaarige alte Reiter schwang sich aus dem Sattel und ließ sein kleines Rinderpferd mitten auf der Mainstreet mit verhängten Zügeln stehen.
„Du traust uns wohl nicht viel zu, Jim? Nun, da hast du dich geirrt, so wie wir uns in dir täuschten. Du hast anscheinend doch mehr Mut, als wir nach deinem bisherigen Verhalten annehmen konnten. Es wird den Ranchern gefallen zu erfahren, dass kein Strohmann den Sheriffposten innehat. Gerade jetzt ist das von entscheidender Bedeutung. Ohne einen Mann, der das Gesetz echt vertritt, dürfte die Hölle über das Puma Valley kommen.“
„Was ist los? Ihr seid nur zu zweit gekommen. Ein Dutzend Reiter hätte besser hier aufräumen können. — Wo stecken die Cowboys?“
„In verteufelten Schwierigkeiten, Jim! Es gab das erste blutige Zusammentreffen mit den Banditen, die von einem Mann aus Terrifics Crew dirigiert wurden. Everett und Downs wurden am hellen Morgen eine Menge Rinder von den Weiden getrieben. Die beiden Rancher haben ihre Herden vereint auf der Sommerweide stehen. Die Rustler kamen dahergeritten, als gehöre ihnen das ganze Valley. Nur der Anführer, der die Rustlertruppe dirigierte, hielt sich so, dass ihn niemand zu Gesicht bekam. Dennoch haben wir ihn erkennen können. Das genügte uns, um nach dem Gefecht in die Stadt zu reiten. — Ist das Nest hier leer?“
Jim nickte. Er wollte Einzelheiten von dem Zusammentreffen mit den Rustlern hören. Es stellte sich heraus, dass die Cowboys unterlegen waren. Sie hatten einen Toten auf ihrer Seite.
„Das Schlimme war, dass wir in eine Falle hineinritten, als wir glaubten, die Schufte leicht aus dem Spiel bringen zu können. Wir rechneten nicht mehr mit einer Verstärkung für die Rustler. Da mussten wir erfahren, dass die Viehdiebe uns zahlenmäßig weit überlegen waren. Zwei Kerle führten die Hinterhaltschützen an. Der eine von ihnen heißt Ken Maker, der andere Hugh Penner. Wir haben diese Namen aus einem der Banditen herausgepresst, den wir fangen konnten. — Aber was ist dir, Jim?“
Jim Sutherland war erblasst und schluckte schwer. Es gelang ihm, ruhig zu bleiben, obwohl die beiden Namen wie ein Blitzschlag aus heiterem Himmel auf ihn wirkten. Er kannte die beiden Namen. Beide Männer waren Schuld am Tod seines Bruders. Sie gehörten zu jenen, die er Jahre gesucht hatte. Jetzt, nachdem er die Verfolgung längst aufgegeben hatte, trieb das Schicksal ihm die beiden zu. Das konnte kein Zufall sein!
Jim erklärte den Cowboys, was die beiden Namen für ihn bedeuteten. Danach berichteten ihm die beiden Reiter, warum sie allein gekommen waren. Sie wollten nicht nur Terrific an den Kragen, sie wollten in der Stadt auch Leute anwerben. Es stand nach dem Zusammentreffen mit den Rustlern nicht gerade gut um die beiden Rancher. Einige Reiter waren verwundet worden und fielen für die nächsten Tage aus.
„Jim, wenn sich jetzt keine Städter finden, die für die Rancher in die Sättel klettern, sieht es böse aus“, endete Bob.
„Versucht euer Glück!“
„Jim, willst du die Leute nicht fragen?“
„Sie hören nicht auf mich, Gents“, sagte Jim bitter. „Es ist, als ginge jemand durch die Stadt, der die Leute in Furcht hält. Die Scheu und Bedrücktheit der Leute sind Anzeichen für mich, dass irgendwer in der Stadt ist, der die Leute beeinflusst. Wenn man diesen Mann fassen könnte, würde man das Übel bei der Wurzel haben.“
„Du musst mehr tun als nur die Stadt freihalten“, sagte Bob eindringlich. „Können wir auf dich bauen?“
„Ich werde mein Möglichstes tun, Bob.“
„Die Rancher erwarten dich. Es ist merkwürdig, man hat nie von dem Sheriff in Danstone viel gehalten. Jetzt aber, da es ihnen selbst an den Kragen geht, erwartet man Hilfe von ihm; jetzt greifen sie nach dem rettenden Strohhalm.“
Jim Sutherland zog es die Kehle eng. Das bittere Gefühl in ihm verstärkte sich. Nun waren die Rancher nicht mehr so stolz. Nach dem ersten harten Zusammenprall mit den Rustlern ließen sie sich dazu herab, Männer in der Stadt anzuwerben. Sie warfen jetzt alles in die Waagschale. Jim erkannte, dass der Kampf ohne Gnade geführt wurde. Der Sieg hier bedeutete im Grunde genommen überhaupt nichts.
„Wir werden kommen“, mischte sich in diesem Augenblick zum ersten Mal Slim Bruce ein. „Vorher sollten wir allerdings noch abwarten, wer zur Beerdigung des Kerls aus Terrifics Leibwache kommt.“
Es war erstaunlich, dass die Cowboys bereits Bescheid wussten.
„Du hast einen Schuft aus der Welt gebracht, Bruce“, sagte Bob und tippte an die Stetsonkrempe. Zu Jim Sutherland gewandt sagte er trocken: „Du kannst dich zu diesem Partner beglückwünschen, Jim.“
5.
Am späten Nachmittag hatte sich noch immer kein Städter gefunden, der für die Rancher in den Sattel klettern wollte. Vergeblich versuchten die beiden Cowboys von Dan Everett und Roger Downs Leute anzuwerben. Als das nicht klappte, versuchten sie sogar Passagiere, die mit der Stagecoach kamen, für ihre Sache zu gewinnen. In der ersten Kutsche, die am Mittag eintraf, waren nur ein dicker Rinderaufkäufer und eine alte Frau, in der zweiten, die gegen Abend in die Stadt einfuhr, eine junge Frau mit ihren beiden Kindern.
„Die Schwierigkeiten im Puma Valley haben sich wohl schon herumgesprochen“, sagte Slim Bruce zu Jim Sutherland. „Das ist nichts Außergewöhnliches. Überall versuchen die Leute, Unannehmlichkeiten aus dem Weg zu gehen. Die Cowboys tun mir leid. Sie ritten bedrückt zu ihren Ranches zurück und sahen aus, als wären ihnen alle Felle davongeschwommen.“
Jim Sutherland antwortete nicht. Er gab zu dem Essen, das er gerade kochte, noch ein wenig Salz, holte die Teller und deckte den Tisch. Dann trug er das Essen auf.
Draußen sank die Dämmerung. Nur wenig Leute waren unterwegs. Ein Maultiertreiber kam mit seinen Tieren am Office vorbei und wenig später ein Leiterwagen, der hoch mit Heu beladen war. Jim kannte den Fahrer des Heuwagens. Der Mann war nicht mit Gütern gesegnet. Er wohnte am Südende der Stadt und musste eine große Familie versorgen. Er hatte Ziegen und Schafe. Seine Herde hielt er in Stadtnähe, da Ziegen und Schafe von den Ranchern nicht gern gesehen wurden. Er hatte bereits einige Male mit den Städtern Schwierigkeiten gehabt. Da er sehr ängstlich war, achtete er darauf, dass sich seine Tiere nicht ins Rinderland verirrten.
Der Leiterwagen hielt vor dem Sheriff-Office. Der Fahrer band die Pferde an und kam herein. Beim Eintritt zog er den Stetson und schaute Jim ein wenig verlegen an.
„Was gibt es, Jeremias?“, fragte Jim.
„Man sagte mir, dass die Rancher Leute suchen. Stimmt das?“
„Freut es dich, dass sie in der Klemme sind, Jem?“
„Ich bin nicht nachtragend, Sheriff“, antwortete Jeremias. „Lange Zeit habe ich nicht begriffen, warum der Geruch meiner Ziegen und Schafe die Rinderleute so sehr aufregte. Heute weiß ich, dass Ziegen und Schafe eine Weide für Rinder unbrauchbar machen können. Ich möchte umsatteln und mir eine kleine Rinderranch zulegen. Ich habe mir einiges ersparen können.“
„Um mir das zu sagen, kamst du hierher, Jem?“
„Gewiss nicht! Ich möchte für die Rancher reiten, Sheriff. Wenn ich ihnen jetzt helfe, werden sie mir vielleicht später bei der Verwirklichung meines Vorhabens behilflich sein.“
„Halte dich heraus, Jem! Keinem anderen Menschen würde ich diesen Rat geben, doch du hast eine große Familie zu versorgen, du hast viele Mäuler zu stopfen, und ohne dich wäre deine Familie verteufelt übel dran.“
„Dass es uns schlecht geht, ist bereits ein Dauerzustand“, grinste Jeremias. „Was meine Ziegen und Schafe abwerfen ist nicht viel. Was ich habe, musste ich mir vom Munde absparen. Ich möchte aus meiner misslichen Lage heraus, ich möchte etwas tun, was Zukunft hat. Das hier ist Rinderland. Man würde es nie zulassen, dass ich meinen Viehbestand vergrößere. Ich selbst möchte auch nicht immer gegen den Strom schwimmen. Wenn die Rancher sehen, auf welcher Seite ich stehe, wird sich für mich ein Weg in die Zukunft öffnen. Das bin ich schon meiner Familie schuldig. — Ich werde noch heute reiten.“
Jim sah den Mann mit großen Augen an. Er erkannte, dass es Jeremias ernst war und ihm niemand seinen Plan würde ausreden können.
„Setz dich zu uns und iss mit!“, forderte Jim den Besucher auf.
„Ich schlage das Angebot nicht aus“, erwiderte Jeremias. „Das Essen riecht so gut, dass mir das Wasser im Munde zusammenläuft. Wenn du mich aber umstimmen willst, kannst du dir die Einladung zum Essen ersparen. Ich habe mich fest entschlossen und weiß, was ich tun muss. Ich will weiterleben und meine Pläne für die Zukunft wahr machen, Jim.“
„Wie du willst, Jem, aber ich habe dich gewarnt!“
„Wie meine Frau, aber ich habe auch auf sie nicht gehört. Die Rancher sind in der Zange. Jetzt kann ich ihnen zeigen, wo ich stehe. Ich habe mir alles genau überlegt, es kann nichts schief gehen.“
„Die Rancher haben die erste Schlacht verloren, Jem. Du schlägst dich auf eine Seite, die vielleicht nie zum Zuge kommt. Ist das der Fall, dann bist du hier erledigt und musst völlig neu anfangen.“
„Dieses Risiko muss ich auf mich nehmen“, versicherte der Mann und setzte sich neben Slim. „Lange genug habe ich auf meine große Chance gewartet. Jetzt heißt es für mich zupacken. Ich gebe gern zu, dass es ein Fehlschlag werden kann. Aber ist nicht das ganze Leben ein Risiko?“
„Vergiss nicht, dass die Gegner der Rancher vor nichts zurückschrecken.“
„Dann müsstest auch du um deine Gesundheit besorgt sein, Jim. Du bist aber nicht davongeritten. Im Gegenteil, du hast deine ersten Erfolge gehabt. Man spricht davon; die Leute stecken die Köpfe zusammen. Macht nur so weiter, ihr beide! Ein gutes Beispiel findet auch Nachahmer. Ich selbst habe mich entschieden.“ Jeremias füllte sich den Teller und langte herzhaft zu.
Nach dem Essen versuchte Jim seinen Besucher nochmals von seinem Vorhaben abzubringen, doch wieder vergeblich. Jeremias verabschiedete sich kurz darauf. Die beiden Männer sahen ihm nach, als er mit seinem Leiterwagen in der Dunkelheit untertauchte.
„Seine Familie sollte für ihn beten“, sagte Jim. „Er ist ein guter Mann. Aber er will es einmal besser im Leben haben und sieht jetzt seine Chance. — Slim, wir holen jetzt unsere Pferde und machen eine Runde.“
„In Ordnung, Jim.“
„In dieser Nacht wird es sich zeigen, was unser Sieg wert ist.“
Slim Bruce antwortete nicht. In seine Augen war ein schwermütiger Ausdruck gekommen.
„Männer wie Terrific geben erst auf, wenn sie tot sind“, erwiderte er, ohne Jim anzublicken. „Ich hätte ihn töten können, doch ich brachte es einfach nicht über mich. Mein Vorteil war zu groß.“
„Bereust du es, Slim?“, wollte Jim wissen.
Slim zuckte mit den Schultern. Er starrte in die Nacht hinein, die dunkel und drohend heraufzog und das Land mit schwarzen Schatten füllte.
„Ich kann mir selbst keine Antwort darauf geben, Jim. Terrific ist der Mörder meiner Eltern. Er hat den Tod mehr als verdient — und ich hatte es in der Hand. Im entscheidenden Augenblick konnte ich es einfach nicht tun. In mir war etwas, was mich zurückhielt. Durch seinen Tod wäre uns vielleicht viel Kummer erspart geblieben. Er wird alles tun, um uns aus der Welt zu schaffen.“
„Ich weiß, Freund. Es wird ihm keine Ruhe lassen. Seine Mordbanditen können jederzeit auftauchen. Wir müssen sehr auf der Hut sein. Jetzt ist er verletzt, und das Geschehen auf der Weide lenkt ihn von uns ab, trotzdem müssen wir sehr vorsichtig sein.“
„Wem sagst du das, Jim?“, murmelte Slim Bruce. „Wir haben Terrific aus der Stadt, nicht aber aus dem Land vertreiben können, wir haben ihm außerdem seine Goldader genommen, den Vogelkäfig-Saloon. Er wird das nicht so ohne weiteres schlucken, Jim.“
Währenddessen war Jeremias auf dem Heimweg. Er bewohnte am Ende der Stadt ein altes windschiefes Haus. Kaum war er vom Bock geklettert, als seine Frau und seine Kinder aus dem Haus kamen. Einer seiner Jungen verschwand im Stall und tauchte wenig später in der Dachluke auf. Ein anderer brachte eine Petroleumlampe heran und hing sie so auf, dass das Heu abgeladen werden konnte.
„Du bist lange fort gewesen, Jem“, sagte seine Frau, während sie abluden. „Wo warst du so lange?“
„Beim Sheriff. Er hat mich zum Essen eingeladen.“
„Du hättest lieber dort wegbleiben sollen, Mann. Wer jetzt mit Sutherland verkehrt, macht sich verdächtig und wird mit Schwierigkeiten rechnen müssen.“
„Magda, Sutherland hat Terrific aus der Stadt gejagt, er hat ihm und seiner Meute gezeigt, was ein echter Mann tun kann. Er ließ sich nicht ins Bockshorn jagen und hat den Vogelkäfig-Saloon geschlossen. Sutherland hat den Ranchern gezeigt, dass sie ihn unterschätzt haben, ja, dass sie sogar auf ihn angewiesen sind. Das ist mehr, als wir alle erwarten konnten.“
„Er hat ein Halbblut eingestellt, Jem, das wird ihm niemand verzeihen. Die Leute reden über ihn.“
„Ohne Slim Bruce wäre der Sheriff wohl kaum noch in der Stadt, Magda. Und was heißt Halbblut? Ich habe mir Slim Bruce angesehen, er ist ein Mensch wie jeder andere. Mich stört weder die Hautfarbe noch die Rasse. Es kommt nur auf den Menschen an, alles andere zählt nicht.“
„So denkst du, aber die Leute denken anders. Du kannst sie nicht beeinflussen. Ich sage dir nochmals, du hättest die Einladung zum Essen nicht annehmen dürfen. Hat dich jemand ins Office gehen sehen?“
„Nur der verrückte Doc Amb Wade, Magda“, erwiderte Jeremias und nahm seine Arbeit wieder auf. „Ich glaube, der alte Doc ist nicht mehr ganz richtig im Kopf. Er hält sich für Napoleon.“
„Wie kommst du darauf?“, wollte Magda wissen.
„Ich traf auf ihn, als ich das Office verließ. Er stand an der Tür und hatte einen Dreispitz auf dem Kopf. Er stand breitbeinig da, die Rechte unter die Weste geschoben. Mit düsteren Augen starrte er mich an. Nun, ich habe ein Lächeln nicht verkneifen können. Der gute alte Doc lebt einsam und vergräbt sich zu sehr in seinen Büchern. Das muss geradezu verrückte Ideen in seinem Kopf erzeugen.“
„Sonst hast du niemand gesehen?“
„Magda, du bist zu besorgt. Natürlich sah ich einige Bekannte, auch den Besucher, der beim Doc war. Es war ein Mann mit einer roten Narbe auf der linken Wange und mit engstehenden Schlitzaugen. Es war ein Fremder, den ich nie zuvor in der Stadt sah. Aber das bedeutet nichts. Sicherlich kam der Fremde mit der Stagecoach und brauchte ärztliche Hilfe. Man sagt zwar, dass der Doc niemanden mehr behandelt, doch gewiss macht er dann und wann eine Ausnahme.“
Magda gab keine Antwort. Beide arbeiteten, bis der Leiterwagen leer war. Jeremias wischte sich den Schweiß von Stirn und Wangen.
„Noch einige Fuhren, dann haben wir genug Heu für den Winter, Frau. Es reicht aber trotzdem nur für das Notwendigste. Noch heute werde ich zu den Ranchern reiten und ihnen meine Hilfe anbieten.“
„Warum nur willst du der Erste sein, der Partei ergreift?“
„Damit wir einen besseren Start in die Zukunft haben, Frau. Ich will Rinder züchten. Unsere Kinder sollen es einmal besser haben als wir. Die Rancher werden helfen. Es gibt noch genug freies Land. Als Ein-Kuh-Rancher ist man keine echte Konkurrenz. Die Rancher brauchen also nichts zu befürchten.“
„Jem, wenn dein Plan in Erfüllung geht, werde ich deinem Schutzheiligen eine riesige Kerze stiften“, sagte Magda mit leuchtenden Augen. Sie war von den Zukunftsplänen ihres Mannes angesteckt worden. Es gab so vieles, was andere hatten und was sie selbst bisher hatten entbehren müssen. Nein, sie durfte den Schwung ihres Manne nicht mehr bremsen, sie musste ihn reiten lassen. Sein Erfolg würde der Familie Glück bringen.
„Magda, stell mir einen Packen zusammen“, sagte Jeremias, als sie ins Haus gingen. „Ich brauche Proviant und Munition. Noch heute will ich reiten.“
„So schnell, Jem?“
„Wenn man einen Entschluss fasst, soll man handeln“, sagte er fest. „Die Rancher brauchen jeden Reiter. Ich weiß, wie sehr sie im Druck sind.“
„Also gut, ich packe.“
Jeremias nickte und setzte sich auf einen der selbstgezimmerten Stühle. Er schaute sich um und sah seine Kinder, denen es an Kleidung und Schuhzeug fehlte. Die Kleinen betrachteten ihn scheu. Der Vater war für sie eine Respektsperson.
Ich muss meine Familie aus dem Elend heraus in eine bessere Zukunft führen, dachte Jeremias.
Unter Terrific wird das Leben unerträglich. Er und seine Leute kontrollieren die Stadt. Alle nehmen es hin, dass er sie ausbeutet. Ein echter Mann hat mit seinem Begleiter Terrific verjagt. Jetzt ist es an der Zeit, den Kopf zu heben und Partei zu ergreifen. Ich habe es erkannt, und es ist nur schlimm, dass die anderen noch in ihrer verteufelten Gleichgültigkeit verharren.
Jeremias erhob sich. Aus einer Truhe nahm er seinen alten Armeerevolver. Er betrachtete die Waffe, die er aus dem Krieg mitgebracht hatte. Eines seiner Kinder kam näher. Mit großen Augen blickte es dem Vater zu, als dieser die Waffe sorgfältig reinigte. Noch bevor Jeremias mit der Arbeit fertig war, klopfte es an der Tür. Als Magda öffnete, trat Hayde Egan ein. Das Mädchen kam oft und half Magda bei der Arbeit. Die Kinder liebten Hayde.
„Was ist, Madam?“, schnappte Jeremias, als er Haydes verstörtes Gesicht sah.
„Ein Rudel rauer Reiter hat den Toten aus der Schmiede geholt“, kam es fast tonlos über ihre Lippen. „Sie schlugen meinen Bruder John nieder. Ich selbst konnte fliehen. Ich versuchte, Jim Sutherland und Slim Bruce zu warnen, doch die beiden Männer waren nicht im Office. Das harte Rudel hat den Vogelkäfig-Saloon wieder geöffnet. Terrifics Leute sind mit von der Partie. Offenbar hat es wenig genützt, dass Sheriff Sutherland sie davonjagte. Der alte Zustand scheint in der Stadt wiederhergestellt zu sein. — Wenn ich nur wüsste, wo Jim Sutherland ist?“ Ihre Stimme erstickte. Schussdetonationen zerrissen die Stille der Nacht. Lärm und Hufschlag waren zu hören.
„Großer Gott, Madam, das kann nur bedeuten, dass die Schufte die Rancher ausgeschaltet haben, dass sie mächtiger sind als je zuvor. - Aber setzen Sie sich, Sie können ja kaum noch stehen.“
Hayde Egan war sehr bleich und schwankte.
Lauter wurde der Hufschlag, härter das Krachen der Schüsse. Stimmen schrien durcheinander.
„Du kannst nicht bleiben!“, kam es erregt über Magdas Lippen. „Du hast Partei ergriffen, Jem! Sicherlich stehst du auf der Abschussliste der Bande. Du musst dich verstecken!“
Als Jeremias zögerte und eine unwillige Antwort geben wollte, packte sie ihn am Arm und schob ihn zur Hintertür.
„Beobachte die Straße, Hayde!“, rief sie dem Mädchen zu.
Hayde nickte. Sie stellte sich ans Fenster und blickte auf die Straße hinaus. Die Kinder verkrochen sich ängstlich in den Ecken. So jung sie auch noch waren, so hatten sie doch begriffen, dass das wilde Schießen in der Stadt nichts Gutes bedeutete.
„Magda, ich bleibe!“
Jeremias versuchte sich mit sanfter Gewalt gegen seine Frau zu stemmen, doch sie ließ nicht locker. Sie hatte den Armeerevolver aufgenommen und drückte ihm den Gurt mit der Waffe in die Hand.
„Was soll das, Magda?“, fragte Jeremias erstaunt.
„Reite zu den Ranchern!“, erwiderte sie erregt. „Ich sattle dir dein Pferd, und dann reite durch die Gärten davon!“
„Hat das überhaupt noch einen Sinn?“
„Ich weiß es nicht. Ich kann dir nicht sagen, wie es um die Rancher Everett und Downs steht. Ob ihre Ranches zerstört und ihre Cowboys tot oder in alle Winde zerstreut sind, kann man von hier aus nicht beurteilen. Sollte es der Fall sein, dann verlass das Land und gib mir von einem sicheren Ort aus Nachricht. Bleiben darfst du nicht mehr, die Gegner kennen keine Gnade. Es wäre falsch, wenn wir uns jetzt etwas vormachen würden. Du musst unseren Kindern und mir erhalten bleiben. Wer soll sonst für uns sorgen?“
„Ich gehöre gerade jetzt zu euch, Magda.“
„Sei vernünftig und komm jetzt!“, drängte sie, als Jeremias umkehren wollte.
„Magda, ich bin nicht feige.“
„Das hat mit Feigheit nicht das Geringste zu tun. Im Gegenteil, es wird nach Feigheit aussehen, wenn du bleibst. Ein toter Held nützt uns nichts. Es kommt aufs Überleben an, Jem, nicht auf den Starrsinn, der in den Tod führen muss.“ Magda öffnete die Hintertür. Als sie hinaushuschte, blieb Jeremias nichts anderes übrig, als ihr zu folgen. Im Stall angelangt bedeutete sie ihm, an der Stalltür zu wachen und den Gurt umzulegen. Jeremias tat es, wenn auch widerwillig. Er hörte, wie sie sein Reitpferd aus der Box zog, es im dunklen Stallgang sattelte und aufzäumte.