Kitabı oku: «Elbkiller: 7 Hamburg Krimis», sayfa 6

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6. Kapitel

„Biegen Sie da vorn mal rechts ab“, befahl Hauptkommissar Brock. „Da war ein Hinweisschild.“

Sie waren ein ganzes Stück auf dem Veddeler Damm gefahren, an dem zahlreiche Firmen ihre Lagerhäuser besaßen. Auch die Reederei Holler hatte sich hier angesiedelt. Sie fuhren direkt auf das Firmenschild an einer fensterlosen Halle zu, vor der ein großer Parkplatz lag, auf dem einige Container abgestellt waren. Ein einsamer Lastzug stand auf der betonierten Fläche. Sie parkten ein Stück daneben.

„Es wird Zeit, dass wir mit Tim reden, dem Neffen von Anton Holler. Bis jetzt hatte ich noch keine Gelegenheit dazu. Ich hoffe, dass wir die offene Planstelle in unserer Abteilung bald besetzen können, damit es nicht solche Verzögerungen gibt, die wir uns eigentlich nicht erlauben können.

Kommissaranwärter Spengler sagte dazu nichts. Vermutlich malte er sich aus, dass er einen weiteren Vorgesetzten bekommen würde, der nichts Besseres zu tun hatte, als ihm Anweisungen zu erteilen.

Brock warf seinem Assistenten einen schrägen Blick zu und deutete den missmutigen Gesichtsausdruck richtig. „Keine Sorge, Sie bleiben weiter direkt mir unterstellt.“

Spengler lächelte, und sie stiegen aus. Sofort umfingen sie die Geräusche und die typischen Gerüche des Hafens. Das Gekreische der Möwen erfüllte die Luft. Aus der Ferne drang der Lärm von zusammenprallendem Metall zu ihnen durch.

Ohne zu zögern marschierten sie auf das breite Doppeltor der Halle zu, dessen sehr viel kleinerer Personendurchgang geöffnet war. Sie standen in einem riesigen Raum, der weitgehend leer war. Ein paar Container standen dicht an einer Wand nebeneinander, die Türen geöffnet. An einer anderen Seite waren Kisten gestapelt. Zahlreiche Paletten bildeten einen unübersichtlichen Holzhaufen. Zwei Gabelstapler standen mitten in der Halle. Kein Mensch war zu sehen.

Unter der Decke waren verschiedene Stahlträger angebracht, an denen Kranschienen mit schweren Haken hingen. Ein dazu gehörendes Steuerhaus klebte wie ein Bienenstock an einer Seite des Lagerschuppens.

Rechts von ihnen führte eine Metalltreppe zu einer Art Galerie auf halber Höhe, an der wohl die Büros lagen. Es handelte sich eher um hölzerne Verschläge mit kleinen verschmutzten Fenstern.

Brock dachte kurz daran, dass sein Arbeitsplatz vielleicht doch nicht so schlecht war. „Gehen wir hoch.“

Brock blieb vor der ersten Tür stehen. Sie hörten ein erregtes Gespräch. Zwei unterschiedliche Stimmen waren zu vernehmen, doch sie verstanden nur Bruchstücke.

„… besser verstecken sollen … konnte nicht ahnen … wer bezahlt das … endlich erfahre ich auch, was passiert ist … früher sagen können.“

Die beiden Beamten sahen sich ratlos an, dann klopfte der Hauptkommissar kurz an die Tür. Das Fenster im oberen Teil, war so verdreckt, dass man nicht hineinsehen konnte. Sie traten ein, ohne auf eine entsprechende Aufforderung zu warten.

Drei Köpfe zuckten herum.

„Einen schönen Tag, die Herren“, grüßte Brock fröhlich und hob seinen Ausweis.

„Aha, der Herr Kommissar!“, entgegnete der Mann auf der linken Seite, der hinter einem Schreibtisch saß. Er war Mitte zwanzig, von kräftiger Statur, mit leicht gelockten schwarzen Haaren und tief liegenden Augen. Er trug ein offenes Hemd, aus dem eine schwere Goldkette mit einem ebenfalls goldenen Anhänger blinkte.

„Hauptkommissar“, verbesserte Spengler automatisch.

Sieht aus wie ein Pirat, dachte Brock. Das musste Tim sein – der Neffe. Er hatte ihn bei seinem ersten Besuch in Hollers Villa nur kurz gesehen, doch das Gesicht hatte er sich eingeprägt.

Er deutete auf seinen Begleiter. „Horst Spengler. Wir untersuchen den Tod von Markus Holler, und mit Ihnen habe ich noch nicht gesprochen.“

„Und Sie sind?“, fragte Spengler, an die beiden anderen gewandt.

Tim Holler übernahm das Reden. Er zeigte auf den älteren. „Das ist Fiete. Seinen richtigen Namen habe ich vergessen, da ihn alle nur so nennen. Er ist dafür verantwortlich, dass die Waren von unseren Schiffen hier zum Teil zwischengelagert und anschließend termingerecht weitertransportiert werden.“

Fiete nickte. Er stand breitbeinig vor dem Schreibtisch, die Daumen hinter seinen Gürtel gehakt, den er um den dunkelblauen Overall geschlungen hatte. Auf seinem Gesicht lag ein abfälliges Grinsen. Polizisten schienen ihn nicht zu beeindrucken.

Tims Hand schwenkte zu dem jungen Mann von vielleicht achtzehn, neunzehn Jahren herum, der schräg hinter Fiete an der Wand lehnte. „Unser jüngster, Stefan, er lernt noch, wie unser Geschäft funktioniert.“

Brock nahm die Vorstellung mit einem Nicken zur Kenntnis, wobei er registrierte, dass der Junge sichtlich nervös war. Seine Blicke huschten unruhig hin und her, und er wusste nicht, wo er seine Hände lassen sollte, die eine Art Eigenleben entwickelt hatten.

„Sind das alle Mitarbeiter in diesem Lagerhaus?“

„Wir haben noch einen Kranführer, doch der hat ein paar Tage Urlaub. Unser nächstes Schiff kommt erst in einer Woche, daher brauchen wir ihn jetzt nicht. Wenn wir mehr Leute brauchen, werden die tageweise engagiert."

Während Brock Tim Holler betrachtete, war es, als schoben sich zwei Bilder übereinander, der vor ihm sitzende Mann und der Mann, der vor einem Jahr ein Paket von Markus Hollers Jacht über Bord geworfen hatte. Schließlich war er überzeugt, dass es sich um den gleichen Mann handelte. Es wurde immer interessanter!

„Wie kann ich Ihnen helfen?“, erkundigte sich Tim.

„Zunächst hätte ich gern gewusst, wann Sie Ihren Cousin Markus zum letzten Mal gesehen haben.“

Tim Holler legte den Kopf in den Nacken, als müsste er scharf nachdenken. „Ich glaube, das war bei unserem Sonntagsessen im letzten Monat, es ist also einige Zeit her.“

Er blickte zu den beiden anderen Männern. „Ihr habt ihn auch länger nicht gesehen, oder?“

Beide schüttelten den Kopf. Brock bemerkte, dass Stefan fast verzweifelt seine Finger knetete. Der Junge wusste etwas!

Brock verständigte sich wortlos mit seinem Assistenten, indem er eine kurze Augenbewegung in Richtung Stefan machte.

„Du kannst gehen, Stefan. Dich brauche ich nicht mehr“, sagte er anschließend.

Das ließ der Junge sich nicht zweimal sagen, und er lief erleichtert zur Tür.

Brock wandte sich an seinen Assistenten. „Spengler, Sie können inzwischen die Informationen von der Zentrale einholen, auf die wir dringend warten. Ich habe hier noch ein paar Fragen, und wir treffen uns anschließend beim Auto.“

Spengler nickte. Er hatte sofort verstanden, was er tun sollte, und war rasch ebenfalls aus der Tür.

„Haben Sie eine Vorstellung, wer Ihren Cousin ermordet haben könnte?“, fragte er.

Tim Holler zog seine Stirn in Falten und schüttelte den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Wir sehen uns nicht häufig. Markus war drüben im Kontor. Er hat sich hier nicht oft blicken lassen.“

Fiete starrte zu Boden und schwieg.

Um Zeit zu gewinnen, ließ Brock sich noch jede Menge Fragen einfallen, deren Beantwortung ihm allerdings nicht wichtig war. Die beiden Männer entspannten sich sichtlich bei seinen eher harmlosen Fragen. Er hatte den deutlichen Eindruck, dass sie ihm ohnehin nicht die Wahrheit sagen würden. Nach fünfzehn Minuten fiel ihm nichts mehr ein, und er verabschiedete sich mit bestem Dank für die Kooperation.

Spengler stand neben dem Dienstwagen und grinste breit.

„Und?“, fragte Brock.

„Stefan – mit Nachnamen heißt er übrigens Dietz – hat erst geflennt und dann geredet wir ein Wasserfall. Er ist ja nicht gerade die hellste Kerze auf der Torte, aber ich konnte die Bruchstücke seiner Erzählung einigermaßen zusammensetzen. Ich fasse kurz zusammen: Markus Holler war am Freitag hier. Er hat Stefan auf den Kopf zugesagt, dass es hier Schmuggelware geben müsste, die mit dem letzten Schiff gekommen sei. Stefan hat ihm dann das Versteck gezeigt. Zwei Sporttaschen zwischen Einrichtungsgegenständen, die zu einem Umzug von Rio nach Hamburg gehörten.“

„Nur zwei Taschen?“

„Es gab wohl noch andere, jedoch in einem weiteren Container, der noch nicht entladen war. Jedenfalls nahm Markus diese beiden Taschen und schleppte sie zu seinem Auto, das hier draußen auf dem Parkplatz stand. Bevor er losfuhr, schärfte er Stefan ein, niemandem etwas davon zu erzählen. Nach dem Wochenende hat dann Tims Kumpel Fiete zwei weitere Taschen aus dem Versteck geholt und Stefan beschimpft, weil die Hälfte der Ware verschwunden war.“

„Worum hat es sich dabei überhaupt gehandelt?“

„Drogen. Kokain, um genau zu sein.“

Brock nickte. „Hollers Schiffe bedienen eine Südamerikaroute. Bolivien und Kolumbien sind die Hauptlieferanten für Kokain. Das ergibt allmählich einen Sinn. Was passierte dann?“

„Damit rückte Stefan erst nach eindringlicher Ermahnung und einem erneuten Heulanfall heraus. Als Markus mit seinem Wagen den Parkplatz verließ, kam Tim Holler gerade an. Er sah seinen Cousin wegfahren und folgte ihm mit einigem Abstand, als ob er ihn beschatten würde, wie Stefan sich ausdrückte. Mehr habe ich beim besten Willen nicht aus ihm herausbekommen. Allerdings habe ich ihm empfohlen, sich dringend einen neuen Job zu suchen.“

„Das haben Sie gut gemacht“, lobte Brock. „Das Bild wird allmählich deutlich.“

„Glauben Sie, dass Tim der Mörder ist?“

„Eigentlich nicht. Er mag ein Halunke und in schmutzige Geschäfte verwickelt sein, doch für einen Mörder halte ich ihn nicht.“

Brock öffnete die Beifahrertür. „Fahren wir!“

Als Spengler sich hinter das Steuer des Autos gesetzt hatte, fuhr ein bulliger SUV auf den Parkplatz, höher, breiter und länger als ihr älteres Golf-Modell vom Polizei-Fuhrpark.

„Warten Sie“, befahl Brock.

Ein einzelner Mann stieg aus dem Fahrzeug. Er war zwischen vierzig und fünfzig, besaß volles, doch schon leicht ergrautes Haar und trug einen dreiteiligen Anzug von merkwürdigem gesprenkeltem Aussehen.

„Wie nennt man wohl diese Farbe?“, kam dazu ein erstaunter Kommentar von Brock.

Spengler grinste. „Möwenschiss?“

Jetzt grinste auch Brock. „Wir warten, bis er wieder herauskommt. Dann folgen wir ihm. Ich möchte gern wissen, wer das ist. Er sieht nicht wie der normale Besucher eines Lagerschuppens aus.“

Es dauerte nur zehn Minuten, bis der SUV wieder vom Parkplatz fuhr. Spengler hatte ihren eigenen Wagen inzwischen auf die Straße gefahren. Sie standen jetzt in einer unauffälligen Lücke zwischen anderen Fahrzeugen.

„Halten Sie Abstand. Ich möchte nicht, dass der Typ uns entdeckt.“

Spengler nickte und wartete, bis der SUV ein ganzes Stück entfernt war, ehe er losfuhr. Es wurde eine lange Fahrt, die sie an der Hafencity vorbei durch die Innenstadt in Richtung Altona führte.

„Ich glaube, ich weiß, wer das ist und wohin er will“, sagte Spengler, als sie die Reeperbahn passierten.

Es dauerte nicht mehr lange, bis der SUV in eine Toreinfahrt einbog. Hinter ihm schloss sich sofort das breite Rolltor.

Die beiden Beamten betrachteten das Firmenschild neben der Toreinfahrt: „Gebäudereinigung Igor Jennisew“.

Brock sah seinen Assistenten respektvoll an. „Meine kleinen grauen Zellen laufen jetzt auf Hochtouren.“

*

„Haben wir ein Problem?“, fragte Fiete, nachdem Tim Holler ihn wieder ins Büro gerufen hatte.

Tim saß gedankenverloren hinter seinem Schreibtisch und blickte gegen die Wand, an der ein Kalender vom Vorjahr hing, angestaubt und verblichen.

„Da hast du verdammt recht“, sagte er schließlich.

„Was hat Igor denn gewollt?“

„Er will den Rest der Lieferung. Wir hätten ihm fest zugesagt, alles pünktlich zu liefern, und jetzt hat er nur die Hälfte bekommen. Er war stinksauer und hat mir erhebliche Konsequenzen angedroht, weil er gegenüber seinen Abnehmern verpflichtet ist zu liefern.“

Er machte eine kurze Pause. „Wir haben zehn Tage Zeit.“

„Wie sollen wir das schaffen?“, regte sich Fiete auf. „Das ist völlig unmöglich. Von einem anderen Lieferanten hier zu kaufen können wir uns nicht leisten. Ich habe unsere Konten geprüft. Das ist nicht drin.“

Tim nahm einen kleinen Terminkalender vom Schreibtisch und studierte ihn sorgfältig. „Unser nächstes Schiff legt in drei Tagen in Cartagena ab. Wenn du dich sofort um einen Flug nach Kolumbien kümmerst, kannst du es schaffen, rechtzeitig dort zu sein. Dann passt du selber auf die Fracht auf. Ich rufe inzwischen unseren Lieferanten an und bitte ihn, fünfzig Kilo in Cartagena bereitzustellen. Ich hoffe, dass wir die Summe aufbringen können.“

Fiete nickte. „Dafür müsste es reichen. Wenn Igor uns bezahlt hat, haben wir wieder etwas Luft.“

„Das Schiff ist die Orion. Sie hat Obst geladen, hauptsächlich Bananen. Ich kenne den Kapitän ganz gut. Er wird keine Schwierigkeiten machen, wenn du unerwartet an Bord gehst. Ich rufe ihn an. Er muss trotzdem nicht wissen, was du transportierst. Die Mannschaft darf natürlich nichts erfahren.“

„Ist klar, Chef.“

„Dann kümmere dich um deinen Flug. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“

Fiete ging zur Tür und drehte sich noch einmal um. „Was für Konsequenzen hat Igor eigentlich angedroht?“

Tim blickte ihn düster an.

„Er hat gesagt, wenn er die Ware nicht rechtzeitig bekommt, würden wir ebenfalls die Gelegenheit bekommen, eine schöne Aussicht auf die Elbe zu genießen.“

Fiete starrte Tim Holler an, etwas blass um die Nase.

„Dabei hat er gelächelt“, ergänzte Tim.

Fiete schloss leise die Tür.

*

Kommissaranwärter Spengler saß immer noch vor seinem Monitor, als Cornelius Brock von seinem Besuch bei Birgit Kollmann zurückkehrte.

„Wollen Sie nicht bald Feierabend machen?“

Spengler hob den Kopf. „Sie sind ja auch noch hier.“

Brock setzte sich. „PPK hat darauf herumgeritten, dass wir bloß keinen Fehler machen. Ihr sitzen die großen Bosse im Nacken. Die Medien sind inzwischen groß eingestiegen, auch wenn sie den Namen des Opfers noch nicht veröffentlicht haben. Immerhin haben wir Glück, da sie die beiden Morde noch nicht in Zusammenhang gebracht haben. Doch das wird nicht so bleiben.“

„Man könnte fast Mitleid mit den oberen Etagen haben. Aber immerhin werden sie dafür gut bezahlt, dass sie manchmal selbst den Kopf hinhalten müssen und nicht alles auf die Untergebenen abwälzen können.“

Brock äußerte sich nicht zu den ketzerischen Ansichten seines Assistenten, obwohl er wusste, dass Spengler recht hatte.

„Was haben Sie noch gefunden?“

„Zunächst habe ich diesen Fiete gesucht. Er heißt eigentlich Fritz Borowski und ist für uns kein Unbekannter. Mit anderen Worten, er hat ein umfangreiches Strafregister.“

Spengler drehte den Bildschirm zur Seite. „Erster Diebstahl mit zwölf Jahren, zwei Jahre später der nächste. Von der Schule geflogen, asoziales Elternhaus, Heim, Pflegeeltern, die ganze Palette. Dann Postdiebstahl und Scheckkartenbetrug – Bewährungsstrafe. Mit neunzehn diverse Fälle von Bankautomaten-Manipulation und erster Urlaub in Santa Fu.“

Damit spielte Spengler auf das Gefängnis Fuhlsbüttel an, das im Volksmund Santa Fu genannt wurde.

„Beindruckende Karriere“, kommentierte Brock.

„Kaum war er wieder draußen“, fuhr Spengler fort, „hat er seinen Geschäftszweig um Zuhälterei erweitert. Nach zwei Fällen von schwerer Körperverletzung hat er seine zweite und deutlich längere Haft angetreten. Seit einigen Jahren, also seit er bei Holler angestellt ist, gibt es keine weiteren Einträge in seiner Akte. Mit Drogen hatte er bisher nichts zu tun.“

„Man arbeitet sich hoch.“ Brock lächelte gequält. „Beweisen können wir derzeit nichts. Ich werde versuchen, Genehmigungen für die Prüfung seiner Telefonlisten, Bankverbindungen und Bewegungsprofile zu bekommen.“

Spengler nickte. „Außerdem habe ich mir die Gebäudereinigung von Igor Jennisew angesehen. Er ist in Moskau geboren und lebt seit gut zehn Jahren in Hamburg. Seine Firma besteht fast ebenso lange. Er hat nur wenige Angestellte und vergibt viele Aufträge an Subunternehmen. Seine Akte ist relativ sauber. Es gab eine Anklage wegen verbotener Preisabsprachen, doch das wurde außergerichtlich beigelegt. Sein Management besteht aus zwei Personen, die ebenfalls russischer Herkunft sind: Sergei Iwanow und Wladimir Rostrow. Sie stammen auch aus Moskau und kamen einige Jahre nach Jennisew nach Hamburg. Alle drei haben eine gültige Aufenthaltserlaubnis, haben aber keine Anträge auf die deutsche Staatsbürgerschaft gestellt.“

„Ich vermute mal, dass wir die beiden schon kennengelernt haben.“

„Ich bin sogar sicher.“

Spengler betätigte ein paar Tasten, und auf dem Schirm erschienen nacheinander zwei Fotos.

„Das sind sie!“, rief Brock.

„Ich kann sie allerdings nicht festnehmen lassen, weil sie einen Tisch umgeworfen haben. Wir brauchen ihre Fingerabdrücke und ihre DNA, um sie zumindest mit dem Mord an Dieter Schmitz in Verbindung zu bringen. Fragen Sie morgen bei der Spurensicherung nach, ob sie etwas gefunden haben. Fischer wird dann hoffentlich auch die Obduktion von Schmitz erledigt haben.“

Brock drehte sich zur Wand und betrachtete die Tafel, auf der sie ihren Fall ausgebreitet hatten. „Die Fotos von den beiden Typen sollten auch mit drauf. Es wird Zeit, dass wir ein paar Verbindungsstriche ziehen.“

Er sah auf seine Uhr. „Es ist schon spät, machen wir Schluss für heute. Bringen Sie morgen die Mordakte auf Vordermann, und ich werde noch einmal in die Holler-Villa fahren. Ich muss dringend mit dem kleinen Bruder reden. Ich habe den Eindruck, dass er mehr weiß, als er bisher zugegeben hat.“

Er stand auf und tippte auf das Foto von Markus Holler auf der Tafel.

„Wir haben Kokainschmuggel, ein Lagerhaus mit Verdächtigen und deren Verbindung zu einem Russenclan, der wiederum die Vertriebsstellen wie die Elbklause kontrolliert. Wie passt unser erstes Opfer in die Gleichung?“

7. Kapitel

Cornelius Brock studierte die Mordakte, während Spengler am Steuer saß. Ihr Ziel war Anton Hollers Villa, denn Brock wollte unbedingt mit dem jüngsten Sohn Daniel reden. Durch den Diebstahl des indischen Dolches steckte auch er irgendwie in diesem vertrackten Fall.

Die Akte war um einige Berichte ergänzt worden.

Inzwischen hatte die Spurensicherung den Wagen von Dieter Schmitz untersucht, der in der Garage der Elbphilharmonie geparkt war. Markus Holler war tatsächlich mit diesem Fahrzeug transportiert worden. Die Spurenlage im Kofferraum war eindeutig. Im Inneren des Autos waren alle glatten Flächen abgewischt worden. Man hatte keine verwertbaren Spuren gefunden, die sich bestimmten Personen zuordnen ließen.

Allerdings gab es einen sauberen Abdruck auf der Haube des Kofferraums, den jemand offenbar mit der Hand zugedrückt hatte. Er war nicht im System gewesen, doch Cornelius Brock hatte sofort einen Verdacht, wem er gehören könnte. Sie brauchten nur noch einen Vergleichsabdruck.

Die Obduktion von Markus Holler hatte keine weiteren Überraschungen ergeben. Ebenso wenig die Untersuchung seiner Wohnung. Sie war vorher von Unbekannten gründlich durchsucht worden, die ihrerseits allerdings keine Spuren hinterlassen hatten.

„Dort vorn!“, sagte Brock plötzlich. „Die Einfahrt links. Da müssen wir hin.“

Spengler steuerte ihr Fahrzeug gehorsam auf den Weg zum Haus und bog zu den Garagen ab. Er parkte hinter dem Jaguar, den Brock bereits kannte.

„Ich frage mich, wem der teure Wagen gehört“, murmelte Brock. „Er steht die ganze Zeit hier und ist auch nicht bewegt worden, soweit ich das sehen kann.“

Sie stiegen aus und gingen zum Haus hinüber. Spengler klingelte, und Elisabeth Holler öffnete persönlich. Sie trug einen Morgenmantel und war nicht geschminkt. Ihr Gesichtsausdruck war von Trauer gezeichnet.

„Sie erinnern sich an mich?“, fragte Brock.

Sie nickte langsam. „Mein Mann ist im Kontor.“

„Das ist mein Assistent Horst Spengler. Dürfen wir hereinkommen?“

Frau Holler öffnete die Tür, und sie betraten einen Vorraum.

„Ist das Ihr Wagen da draußen?“, erkundigte sich Spengler.

Sie sah ihn erstaunt an. „Der Jaguar? Nein, ich habe noch nicht mal einen Führerschein. Der Wagen gehört Markus. Er steht seit letztem Freitag hier.“

„Haben Sie einen Schlüssel dafür?“

„Ich denke, schon.“

Sie zog eine Schublade eines Schränkchens auf, das Teil einer größeren Garderobe war, und zog einen Autoschlüssel heraus, den sie Brock reichte.

„Markus lässt seinen Schlüssel immer hier, wenn er den Wagen bei uns parkt.“ In ihren Augen erschienen Tränen.

„Wir sehen uns das Fahrzeug kurz an und kommen gleich zurück.“

Sie nickte und ließ die Tür angelehnt. „Kommen Sie einfach herein, wenn Sie fertig sind.“

Brock öffnete als Erstes den Kofferraum. Beide starrten völlig überrascht auf das, was darin lag.

Zwei große schwarze Sporttaschen!

Brock zupfte Einweghandschuhe aus seiner Jacke, zog sie über seine Finger und griff nach der ersten Tasche. Der Reißverschluss war nicht zugezogen. Er klappte die Seiten der Tasche zurück. Sie blickten auf ein Durcheinander von Plastikhüllen, Packpapier und Klebestreifen. Überall waren Reste von weißem Pulver zu sehen.

Das Innere der zweiten Tasche sah ebenso aus.

„Das sind die Taschen, von denen Stefan im Lagerhaus gesprochen hat, und die Markus Holler mitgenommen hat“, erläuterte Spengler.

„Doch wo ist das Kokain, das angeblich in den Taschen war? Hier haben wir nur die Verpackung. Die Ware ist weg“, stellte Brock fest.

„Das haben die Russen in seiner Wohnung gesucht“, sagte Brock. „Ich denke, sie haben ihn auch im Schuppen der Elbklause mit Foltermethoden danach gefragt. Vermutlich haben sie ihn aus lauter Wut ermordet, bevor er ihnen die Wahrheit sagen konnte – oder sie haben ihm nicht geglaubt.“

Er schloss den Kofferraum des Jaguars. „Das muss sich die Spurensicherung ansehen. Informieren Sie die Kollegen.“

Spengler nickte und griff zu seinem Handy, während sie wieder zur Villa gingen.

Elisabeth Holler war nicht zu sehen.

„Suchen Sie Frau Holler und reden Sie mit ihr“, ordnete Brock an. „Ich möchte nicht, dass sie stört, wenn ich mit Daniel rede.“

Brock ging die Treppe hinauf. Diesmal war keine laute Musik aus dem Zimmer zu hören. Er klopfte kurz und trat ein, ohne auf eine Einladung zu warten.

Daniel hockte vor seinen Monitoren inmitten seiner Techniksammlung. Auf seinen Ohren saßen wuchtige Kopfhörer.

Brock zog ihren Stecker aus einem der Computer, und Daniel fuhr erschrocken herum. „Sie schon wieder!“

Brock zog einen Stuhl heran und setzte sich neben den jungen Mann.

„Wir müssen noch einmal reden. Diesmal ist es jedoch sehr viel ernster. Du hast den indischen Dolch deines Vaters geklaut. Damit wurde dein Bruder umgebracht.“

Daniel begann zu schluchzen. „Das ist alles meine Schuld! Hätte ich diesen blöden Dolch nicht in die Elbklause gebracht, würde Markus noch leben.“

Brock legte ihm beruhigend die Hand auf die Schulter. „Das stimmt nicht. Es war ein Zufall, dass die Gangster deinen Bruder ausgerechnet mit dieser Waffe ermordeten. Es hätte auch irgendetwas anderes sein können. Sie haben diesen Dolch nur genommen, weil er gerade dort lag. Du hättest dieses Ding zwar nicht stehlen dürfen, aber du bist nicht schuld an seinem Tod. Dass du den Dolch zurückgebracht hast, hat uns sogar geholfen, denn damit konnten wir die Mordwaffe identifizieren.“

Daniel wischte sich über die Wangen, als die Tränen auf beiden Seiten herunterliefen. „Es tut mir so leid.“

„Ich schlage vor, dass du mir jetzt die ganze Wahrheit erzählst, von Anfang an. Wenn du mir jetzt hilfst, werde ich auch dir helfen. Ich nehme an, dass dein Vater keine Anzeige wegen des Diebstahls erstatten wird. Wir können es dann dabei belassen, dass du den Dolch nur einem Freund der Familie gezeigt hast. Verstehen wir uns?“

Daniel nickte langsam. „Was wollen Sie wissen?“

„Fangen wir mit dem letzten Freitag an. Was hast du an dem Tag gemacht?“

„Ich war ein paar Stunden im Kontor, weil ich noch ein paar Aufgaben erledigen wollte, die liegen geblieben waren.“

Brock kommentierte diese Ausrede nicht, da er wusste, dass Daniel die Arbeit nicht erfunden hatte. „Und dann?“

„Als ich gehen wollte, traf ich Markus, der ebenfalls gerade das Kontor verließ. Er fragte mich, ob er mich mitnehmen sollte, da er nach einem kleinen Umweg nach Hause in die Elbchaussee fahren würde. Ich dachte, das würde schneller gehen als mit der Bahn. Das war jedoch ein Irrtum. Markus fuhr nämlich in unser Lagerhaus am Hafen, um etwas abzuholen, wie er sagte.“

Brock nickte. „Ich weiß, wo das ist.“

„Er bat mich, im Wagen zu warten, was ich auch tat. Er verschwand im Lager und kam nach einer Weile wieder, wobei er zwei schwere Taschen trug, die er in den Kofferraum legte. Als wir wegfuhren, bemerkte ich, dass uns ein anderes Auto folgte. Ich glaube, das war mein Cousin Tim. Ich habe Markus darauf hingewiesen, und er hat ihn nach kurzer Zeit abgehängt. Markus kennt sich nämlich im Hafengebiet hervorragend aus. Ich fand es spannend, wie er gefahren ist.“

„Was geschah dann?“

„Markus schien sehr wütend zu sein. Er hat ein paar Mal mit der Faust aufs Lenkrad gehämmert und über verdammte Idioten geflucht. Ich wusste nicht, wen er meinte. Er hat mir nichts gesagt.“

„Wohin seid ihr dann gefahren?“

„Nachdem das andere Auto abgehängt war, sind wir zu einem kleineren Hafenbecken gefahren, in dem nicht viel Betrieb war. Die meisten Schiffe versuchen, am Freitag abzulegen, damit sie nicht übers Wochenende die teuren Liegegebühren bezahlen müssen.“

„Das ist mir schon klar. Was habt ihr dort gemacht?“

„Markus parkte dicht an der Kaimauer. Dann bat er mich, ihm zu helfen, die schweren Taschen aus dem Kofferraum zu holen. Anschließend musste ich mich wieder in den Wagen setzen. Ich sah, wie er ein Päckchen nach dem anderen aus den Taschen holte, mit einem Taschenmesser die Verpackung aufschnitt und den Inhalt ins Wasser rieseln ließ. Weil ein leichter Wind wehte, gab es einige weiße Staubwölkchen, und ich hörte ihn wieder laut fluchen. Als er fertig war, warf er die Taschen in den Kofferraum, und wir fuhren nach Hause. Ich habe ihn gefragt, was er da gemacht hat, aber er hat mich nur merkwürdig angesehen und gesagt, dass ich niemandem davon erzählen dürfte.“

Brock hatte wie gebannt zugehört. Daniels Beichte erklärte einige Lücken ihrer Ermittlungen, und jetzt war das Motiv für die Ermordung von Markus Holler klar. Es war die ganze Zeit nur um Drogen gegangen!

„Was ist am Freitag noch passiert?“

„Nachdem Markus mich hergebracht hatte, hat er sich ein Taxi bestellt und ist wieder weggefahren. Er hat mir nicht gesagt, wohin er wollte.“

„Nun, das wissen wir. War sonst noch etwas?“

„Mein Vater kam später, und wir haben zu Abend gegessen. Ich habe meinen Teller auf mein Zimmer genommen, wie ich es meistens mache. Mehr weiß ich nicht.“

Brock stand auf und ging zur Tür. „Du hast uns sehr geholfen.“

„Da ist noch etwas“, sagte Daniel plötzlich. „Spät in der Nacht, ich war schon eingeschlafen, und es war völlig ruhig im Haus, hat ein Telefon geklingelt. Es war sehr leise, aber ich kenne den Klingelton. Es war das Telefon von Tim, meinem Cousin. Etwas später habe ich gehört, wie er das Haus verließ. Ich bin dann eingeschlafen und habe bis zum Morgen nichts mehr mitgekriegt.“

Brocks Augen wurden schmal. „Danke, Daniel. Das war sehr interessant für mich.“

*

Anton Holler, korrekt gekleidet wie immer, saß in seinem Kontor und ließ seinen Blick über die nun schon fast antike Einrichtung gleiten. Die halbhoch getäfelten Wände waren im Laufe der Zeit stark nachgedunkelt. Darüber hingen Aquarelle, Zeichnungen und Fotos der Schiffe, die der Reederei gehört hatten. Die meisten davon gab es schon lange nicht mehr.

Er strich mit der Hand über die leicht zerkratzte Platte seines Schreibtisches. Daran hatte bereits sein Vater gesessen, und davor sein Großvater. Die Schreibtischlampe stammte von der Firma Tiffany aus der Zeit des Jugendstils. Er wusste, dass sie heutzutage bei einer Auktion eine Menge Geld einbringen würde, aber er hatte nicht die Absicht, sie gegen eine moderne Lampe einzutauschen.

Die Telefonanlage war neu. Anton Holler war sparsam, aber nicht geizig. Seiner Ansicht nach bezahlte er seine Mitarbeiter überdurchschnittlich gut, und er war sicher, dass sie ebenso gut für ihn arbeiteten.

Es war ihm zwar zu Ohren gekommen, dass in seinem Lager im Hafen manchmal Geschäfte abgewickelt wurden, die dort nicht hingehörten. Es gab aber bei den Büchern keine Unregelmäßigkeiten. Er hatte mehrmals externe Prüfer beauftragt, doch nach ihren Erkenntnissen war alles korrekt. Wenn dort also etwas lief, hatte es mit der Reederei nichts zu tun.

Sein Neffe Tim hatte im Lagerhaus die Aufsicht. Er vertraute ihm. Er gehörte schließlich zur Familie.

Andererseits – als Nachfolger konnte er ihn sich auch nicht recht vorstellen. Ihm fehlte das Format von Markus. Die Trauer überwältigte ihn, und Anton Holler brauchte einige Minuten, bis er sich wieder gesammelt hatte.

Wer sollte das Geschäft übernehmen, wenn Tim dafür nicht geeignet war?

Daniel? Er lachte kurz auf. Dann könnte er gleich Konkurs anmelden.

Blieb nur noch Maria, seine Tochter. Ihr Mann – sein Schwiegersohn Kurt Berghoff – hatte seine Qualitäten. Er war ein guter Anwalt. Doch besaß er auch die Qualifikation zur Leitung eines Unternehmens?

Anton Holler seufzte. Irgendwann musste er sich für eine Lösung entschließen. Einen Geschäftsführer von außen holen? Diese Vorstellung bereitete ihm großes Unbehagen.

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22 aralık 2023
Hacim:
840 s. 1 illüstrasyon
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9783956178269
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