Kitabı oku: «Elbkiller: 7 Hamburg Krimis», sayfa 7
Nun, er musste diese Entscheidung noch nicht heute treffen. Dennoch, die Unsicherheit über das Schicksal der Reederei ließ sich nicht aus seinen Gedanken verdrängen.
*
Sie saßen in einem kleinen fensterlosen Raum, der normalerweise für Verhöre genutzt wurde. Den schönen Konferenzraum mit den ledergepolsterten Stühlen hatte Birgit Kollmann belegt. Vermutlich beeindruckte sie in diesem Moment die höheren Gehaltsklassen mit einer ihrer PowerPoint-Präsentationen.
Kommissaranwärter Horst Spengler hatte die fahrbare Wand mit den Fotos und Notizen ihrer Mordfälle hereingerollt. Jeder hatte einen Laptop vor sich stehen, der mit einem Kabel an das interne Netzwerk angeschlossen war. So konnte jeder das Gleiche auf dem kleinen Bildschirm sehen.
Hauptkommissar Cornelius Brock saß am Kopfende des kleinen Tisches. Außer seinem Assistenten befanden sich Kommissar Höhne von der IT-Abteilung und Kommissar Ritter von der Spurensicherung im Raum. Brock kannte Ritter sehr gut, und sie verstanden sich prächtig. Sie waren beide alte Hasen und hatten etwa zur gleichen Zeit ihre Karrieren bei der Polizei begonnen.
Sie waren hier, um eine Zwischenbilanz zu ziehen.
„Fangen wir mit dem an, was wir wissen“, begann Brock.
Bevor jemand etwas sagen konnte, öffnete sich die Tür, und die Erste Hauptkommissarin Birgit Kollmann spazierte herein, unter dem Arm einen Aktendeckel, den sie vor sich auf den Tisch legte. Im Raum wurde es gleich viel enger.
„Ich komme gerade aus einer Sitzung“, erklärte sie ohne jede Begrüßung, „und musste mir anhören, dass im Mordfall Holler offensichtlich immer noch kein Verdächtiger feststeht. Die hohen Herren erwarten Ergebnisse!“
„Wir haben durchaus Verdächtige“, entgegnete Brock. „Leider fehlt es an den nötigen Beweisen.“
PPK schien interessiert und setzte sich. „Lassen Sie hören!“
Jeder trug vor, was es bisher an Erkenntnissen gab, und Frau Hauptkommissarin gab sich beeindruckt.
Ein strafender Blick traf Brock. „Davon hast du mir nicht mal die Hälfte erzählt, Conny. Wenn ich die Einzelheiten gewusst hätte, wären meine Vorgesetzten wesentlich zufriedener gewesen.“
Brock ging nicht auf die Kurzform seines Vornamens ein, die er ungern hörte, doch Birgit Kollmann war wohl nicht mehr dazu zu bewegen, diese Unart zu ändern.
„Ich habe dir nur erzählt, was wir sicher wissen, und wollte dich nicht mit unseren Spekulationen konfrontieren.“
„Ich hatte gerade den Eindruck, dass es sich um mehr als Spekulationen handelt. Für mich steht fest, dass Markus Holler umgebracht wurde, weil er Kokain im Wert von einigen Millionen vernichtet hat, das von seinen eigenen Angestellten ins Land geschmuggelt worden war. Wahrscheinlich waren diese russischen Gangster seine Mörder, die ihn deswegen in der Elbphilharmonie zur Schau stellten, weil er von dort auf die Elbe blickte, wo wiederum im letzten Jahr eine kleinere Lieferung in den Fluss geworfen wurde, und zwar von seinem Cousin Tim Holler. Entweder weil Markus ihm das befohlen hatte oder weil er die Polizei fürchtete, die nach dem gerade erfolgten Unfall unweigerlich an Bord kommen würde. Habe ich das so weit richtig verstanden?“
Brock lächelte. „Ich hätte es kaum besser ausdrücken können.“
„Gut. Kommen wir zu den Russen. Sie wussten nur, dass Markus das Rauschgift an sich genommen hatte, aber nicht, was damit passiert war. Sie haben ihn gefoltert, um das zu erfahren, weil sie nie auf die Idee gekommen wären, dass jemand Millionenwerte in den Fluss schüttet. Wahrscheinlich hat er die Vernichtung zugegeben, doch das haben sie ihm nicht geglaubt. Vor Wut haben sie ihn umgebracht und dann seine Wohnung nach dem Kokain durchsucht. Dieser Kneipenbesitzer war für sie nur ein Zeuge, der zu viel gesehen hatte. Also musste auch er ausgeschaltet werden. Richtig?“
Brock nickte. „Absolut!“
„Schön“, fuhr sie fort. „Wir wissen inzwischen, was wirklich mit den Drogen passiert ist, und wir wissen, dass Tim Holler wahrscheinlich ein Mittäter bei dem Drogenschmuggel ist.“
„Ich denke, er ist dafür verantwortlich“, warf Brock ein.
„Habt ihr eigentlich daran gedacht, die Kollegen vom Rauchgift-Dezernat einzuweihen?“
Alle sahen sich etwas betreten an.
„Wir untersuchen zunächst zwei Morde“, kam die etwas lahme Erklärung von Brock.
„Also nicht!“, stellte Birgit Kollmann fest. „Das solltet ihr schleunigst nachholen. Eine Frage habe ich noch. Wer war der Mann im Boot, der am Sonntagmorgen die Elbphilharmonie beobachtet hat?“
„Das wissen wir noch nicht“, sagte Spengler. „Immerhin haben wir herausgefunden, wem das Boot gehört.“
„Uns fehlen dennoch Beweise“, fügte Brock hinzu.
Hauptkommissarin Kollmann grinste breit. „In der Beziehung kann ich behilflich sein.“
Sie klappte den Aktendeckel auf und entnahm ihm einige Papiere. „Ich habe hier die Telefonverbindungsnachweise von Tim Holler, dem Lagerhaus, der Elbklause und der Gebäudereinigung Jennisew.“
Sie hob den Blick zur Decke. „Es gab dort oben jemanden, der sich sehr eingesetzt hat, um den Fall aufzuklären.“
Sie nahm weitere Papiere aus dem Ordner. „Hier ist ein besonderer Leckerbissen. Durchsuchungsbeschlüsse für das Lager im Hafen und für die Räume der Gebäudereinigung. Das sollte Ihnen helfen, ein paar Beweise zu sichern – hoffe ich jedenfalls.“
Brock war mehr als überrascht. Damit hatte er nun wirklich nicht gerechnet. „Ich denke, das wird reichen“, sagte er langsam. „Jetzt haben wir eine Menge zu tun.“
*
Maria Berghoff klappte das Märchenbuch leise zu. Wie immer war ihr Sohn Erik bei seiner aktuellen Lieblingsgeschichte von Schneewittchen und den sieben Zwergen eingeschlafen. Das Ende hatte er noch nie gehört. Sie überlegte, ob sie zur Abwechslung mal mittendrin anfangen sollte. Sie wusste ja selber kaum noch, wie die Geschichte ausging.
Sie betrachtete ihren kleinen Liebling in seinem Schlafanzug mit den kleinen Pandabären, in seinem Arm sein Plüschtier, das kaum noch erkennen ließ, worum es sich einst gehandelt hatte.
Was sie gleich mit ihrem Mann besprechen wollte, würde auch Eriks Zukunft betreffen. Manche Entscheidungen veränderten das ganze Leben.
Sie stand von der Bettkante auf, löschte das Licht und ging in die Küche. Aus einem Schrank nahm sie zwei Gläser und aus dem Kühlschrank eine Flasche Grauburgunder, den ihr Mann sehr mochte. Da die Weißweinflaschen heutzutage meistens mit einem Schraubverschluss ausgestattet waren, hatte sie kein Problem, die Flasche zu öffnen. Als es noch richtige Korken gab, war das wesentlich schwieriger gewesen.
Kurt saß im Wohnzimmer und las das Abendblatt.
„Es ist noch warm draußen“, sagte sie. „Ich hätte Lust, auf dem Balkon noch ein Glas Wein zu trinken.
Kurt ließ die Zeitung sinken. „Gute Idee.“
Sie setzten sich auf die Gartenstühle, und ihr Mann goss den fast honigfarbenen Wein in die Gläser.
Sie stießen an und schwiegen eine Weile, um die laue Abendluft zu genießen.
„Ich hatte ein langes Gespräch mit meinem Vater“, begann Maria.
Kurt sah sie interessiert an. „Was wollte er denn?“
„Er macht sich Sorgen wegen der Nachfolge. Seit Markus tot ist, denkt er über nichts anderes nach. Er möchte rechtzeitig jemanden an seiner Seite haben, der das Geschäft übernehmen kann, wenn es so weit ist. Er hat sogar daran gedacht, einen Geschäftsführer von außerhalb zu holen, doch so richtig gefällt ihm dieser Gedanke natürlich nicht. Er hatte alles darauf ausgerichtet, dass Markus seine Nachfolge antritt.“
„Was ist mit seinem Neffen Tim oder mit Daniel?“
Maria lächelte schwach. „Mein Vater hält Daniel für völlig unfähig. Der Junge hat keine ausreichende Bildung und interessiert sich nur für Computerspiele. Tim hat zwar Ahnung vom Geschäft, aber …“
„Anton vertraut ihm nicht“, beendete Kurt Berghoff den Satz.
Seine Frau nickte. „Er würde ihm die Leitung der Reederei nie anvertrauen.“
Kurt überlegte kurz. „Was ist mit einem Verkauf?“
Maria sah ihn fast entrüstet an. „Ein Unternehmen, das eine solch lange Zeit in Familienbesitz ist?“
„Was will er dann tun?“
Seine Frau nahm einen langen Schluck. „Er hat an uns gedacht!“, platzte sie heraus.
Kurt sah sie erstaunt an. „Ich bin überrascht. Ich dachte, mir vertraut er auch nicht, nachdem er meinen juristischen Rat nicht mehr braucht.“
„Es stimmt, er war am Anfang nicht von dir begeistert, aber das hat sich inzwischen geändert. Meiner Ansicht nach hält er viel von dir. Er hat deinen Aufstieg in der Kanzlei verfolgt, auch wenn er nie etwas dazu gesagt hat. Das ist eben nicht seine Art.“
„Ich verstehe doch nichts von Schiffen!“
„In der Firma gibt es Fachleute, die damit Erfahrung haben. Dir traut er aber zu, ein Unternehmen zu führen, und nur darauf kommt es ihm an. Er möchte, dass alles in der Familie bleibt – und dazu gehörst du nun mal.“
Kurt nahm einen Schluck Wein, und dachte lange nach.
„Was ist mit der Kanzlei?“, fragte er schließlich.
„Du bist einer von fünf Partnern, und dein Name steht im Briefkopf an letzter Stelle. Wäre es nicht besser, wenn du alleiniger Chef einer Firma wärest? Mein Vater würde dir selbstverständlich auch die Mehrheit der Anteile übertragen.“
„Mir? Nicht dir?“
Maria schüttelte den Kopf. „In dieser Beziehung hat er sich ganz klar ausgedrückt. Wenn jemand ein solches Unternehmen erfolgreich leiten will, sollte es ihm auch gehören.“
„Darüber muss ich ein paar Tage nachdenken.“
8. Kapitel
Es schien wieder ein schöner sommerlicher Tag zu werden. Nur wenige Wolken glitten langsam über den weitgehend blauen Himmel.
Cornelius Brock genoss die wärmende Sonne an diesem Freitagmorgen. Eine Woche war seit dem Mord an Markus Holler vergangen, und heute sollte der Tag sein, an dem die erste sichtbare Polizeiaktion begann.
Auf dem Parkplatz des Lagerhauses der Reederei Holler standen verschiedene Einsatzfahrzeuge und Streifenwagen. Zwei Drogensuchhunde sprangen gerade aus einem Lieferwagen. Die Spurensicherung war eingetroffen, und in diesem Moment kurvte ein Wagen des Sondereinsatzkommandos auf den Platz. Brock glaubte zwar nicht, dass er die Kollegen mit Helmen, Maschinenpistolen und Schutzwesten brauchte, doch man konnte nie wissen …
Ein Kollege von der Drogenfahndung kam auf ihn zu. „Wir sind so weit.“
„Lassen Sie die Jungs vom SEK als Erste reingehen.“
Die Drogenfahnder hatten sich sofort zu umfassender Hilfe bei diesem Einsatz bereit erklärt, als Brock sie informiert hatte. Das Lagerhaus war bisher noch nicht als Ausgangspunkt für geschmuggelte Drogen auf ihrem Radar aufgetaucht. Daher hatten sie großes eigenes Interesse an dieser Durchsuchung. Falls sie dabei fündig wurden, wollte Brock ihnen gern die Lorbeeren dafür überlassen. Sein Ziel war die Aufklärung eines Mordes.
Zehn Minuten später signalisierte ihm ein Uniformierter, dass alles in Ordnung sei, und Brock betrat das Lagerhaus. Es sah aus wie bei seinem letzten Besuch, bis auf die Person, die mitten im Raum auf dem Boden kniete, bewacht von einem SEK-Mann.
Fritz Borowski, besser bekannt als Fiete.
„Lassen Sie ihn aufstehen“, befahl Brock. „Haben Sie ihn durchsucht?“
Der Uniformierte sah ihn leicht ungläubig an. „Ernsthaft?“
Brock winkte ab. „Entschuldigung. War eine blöde Frage.“
Fiete war aufgestanden und klopfte sich den Staub von der Kleidung. „Was soll dieser Überfall? Da werden sich unsere Anwälte freuen, wenn sie davon erfahren.“
Brock lächelte. „Warten wir erst mal ab, was wir finden.“
„Bin ich verhaftet? Das wäre sehr ungünstig. Ich muss nämlich rechtzeitig meinen Flug erwischen.“
„Sie sind noch nicht verhaftet, doch ein paar Fragen müssen Sie schon beantworten.“
Die Durchsuchung der großen Lagerhalle hatte begonnen. Die Hunde wurden hereingeführt, und Fiete starrte nervös zu ihnen hinüber.
„Wo ist denn Stefan Dietz?“
Jetzt grinste Fiete. „Ja, Herr Kommissar, da haben Sie Pech gehabt. Er ist leider nicht mehr hier.“
„Wo wohnt er denn?“
Fietes Grinsen wurde noch breiter. Sein Blick glitt nach oben zu den Verschlägen auf der Galerie, wo sich auch das Büro befand.
„Stefan wohnt dort oben. In der letzten Kammer.“
„Passen Sie auf den Kerl auf“, sagte Brock zu dem SEK-Mann. „Ich sehe mir das mal an.“
Er kletterte die Metalltreppe hoch und ging an den Holzwänden vorbei, bis er die letzte Tür erreichte. Sie war nicht verschlossen. Er stieß sie auf.
Der Verschlag besaß kein eigenes Dach, sodass von den Fenstern der Lagerhalle genügend Licht hereinfiel. Der Raum war mehr als spärlich möbliert: ein Bett mit einer dünnen Matratze, auf der ein Knäuel benutzter Bettwäsche lag, ein alter Schrank mit geöffneten Türen, darin ein paar Schuhe und einige Kleidungsstücke, sowie ein Regal, auf dem ein Fernseher stand.
In dem Regal befanden sich Filme auf DVDs, Autozeitschriften und einige Pornohefte. Außerdem gab es eine Mini-Stereoanlage, einen DVD-Player und allerlei billigen Trödel, der vermutlich als Reiseandenken gekauft worden war.
Nichts von all dem erregte seine Aufmerksamkeit, und Brock stieg wieder hinunter.
Er ging zu Fritz Borowski hinüber. „Hat der Junge keine andere Unterkunft als dieses Loch da oben?“
„Stefan zahlt dafür nichts, und wir sparen einen Wachmann. Hinter den Containern dort drüben gibt es einen Waschraum und eine Toilette. Er hat alles, was er braucht.“
„Und wo ist er jetzt?“
Fiete grinste immer noch. „Er hat beschlossen, wieder auf einem Schiff anzuheuern. Er hat ein Seefahrtsbuch und einen gültigen Pass. Gestern hat sein neues Schiff den Hafen verlassen.“
„Wie heißt das Schiff?“
„Oh, das weiß ich nicht, Herr Kommissar. Er hat es kurz erwähnt, aber ich kann mich einfach nicht erinnern.“
Brock dachte kurz darüber nach, dass sein Assistent es gewesen war, der Stefan Dietz einen neuen Job empfohlen hatte. Eigentlich hatte der Junge die richtige Entscheidung getroffen und seine kriminelle Umgebung verlassen. Er hätte gern mit ihm gesprochen, doch er würde wohl nicht mehr wissen, als er Spengler bereits gestanden hatte. Dennoch würden sie überprüfen, welche Schiffe am Vortag den Hafen verlassen hatten.
„Die Hunde haben etwas gefunden!“, rief eine Stimme.
Brock marschierte in die Ecke, in der die Container standen. Die Hunde wedelten freudig mit den Schwänzen und bekamen Leckerbissen zugesteckt.
Der Hundeführer beschrieb mit der Hand einen Halbkreis. „Sie haben überall etwas entdeckt. Man kann an einigen Stellen mit dem bloßen Auge Reste eines weißen Pulvers entdecken.“
Ein Kollege der Spurensicherung war dabei, die Beweistücke zu sichern. Auch wenn die eigentliche Ware verschwunden war, hatten sie nun den Nachweis, dass hier zwischen Säcken und Kisten Drogen gelagert worden waren. Das ging vermutlich schon seit längerer Zeit so, immer wenn ein Schiff angelegt hatte, waren die geschmuggelten Drogen hier zwischengelagert worden, ehe sie weitergeleitet wurden.
Brock schlenderte zu Fiete zurück, dessen Grinsen inzwischen erloschen war.
„Jetzt kann ich Ihre Frage von vorhin beantworten“, sagte Brock. „Sie sind festgenommen.“
*
Cornelius Brock legte den Telefonhörer auf. Das Gespräch mit Anton Holler war nicht gerade erfreulich gewesen. Der Reederei-Besitzer hatte zunächst sprachlos zugehört, als der Hauptkommissar ihn darüber informiert hatte, dass man sein Lagerhaus durchsucht und anschließend versiegelt hatte.
Danach hatte Holler in das Telefon gebrüllt, dass er Brock sämtliche Anwälte Hamburgs auf den Hals hetzen würde. Als er dann erfahren hatte, dass sein Angestellter Borowski verhaftet worden war und dass man Spuren von Kokain gefunden hatte, war er merklich ruhiger geworden.
Zum Schluss hatten sie ein vernünftiges Gespräch führen können, nachdem Holler allmählich klar geworden war, dass der Ruf seines Unternehmens auf dem Spiel stand. Es spielte keine Rolle, ob er davon wusste oder nicht. Die Hamburger Kaufleute und Schifffahrtsunternehmer würden bei einer Begegnung mit ihm die Straßenseite wechseln, wenn einer der ihren im Verdacht stand, auch nur in die Nähe von Drogen geraten zu sein.
Brock hatte außerdem erfahren, dass Tim Holler am heutigen Freitag einen freien Tag genommen hatte, um einige private Dinge zu erledigen. Er würde wohl erst am Samstag zurück sein.
Kommissaranwärter Horst Spengler saß vor Brocks Schreibtisch und hatte dem Gespräch gebannt zugehört. Er hatte an der Durchsuchung nicht teilgenommen, da er noch Unterlagen zu prüfen hatte.
„Fangen wir mit den Telefonlisten an“, sagte Brock. „Was haben Sie herausgefunden?“
Spengler blätterte in seinen Papieren. „Es gab Gespräche zwischen dem Lagerhaus und der Gebäudereinigung, ebenso zwischen dem Lagerhaus und der Elbklause. Wir wissen natürlich nicht, wer telefoniert hat.“
„Der Junge – Stefan – wird es wohl kaum gewesen sein“, warf Brock ein.
„Nein, vermutlich nicht. Bleiben Fiete und Tim Holler. Dessen privates Handy zeigt übrigens keine verdächtigen Telefonate.“
„Der Kerl ist ja nicht dumm“, kommentierte Brock. „Nachweisen können wir ihm eigentlich nichts. Er hat ein Paket in die Elbe geworfen und macht einen arroganten Eindruck. Ich bin sicher, dass er der Hauptverantwortliche für den Drogenschmuggel ist, denn unser Fiete wäre allein dazu nicht in der Lage. Doch wissen und beweisen sind zwei Dinge. Ich hatte gehofft, dass wir ihn mit seinen Anrufen festnageln können.“
„Die Bankunterlagen geben leider auch nichts her“, fuhr Spengler fort.
„Das überrascht mich nicht. Das Drogengeschäft funktioniert nur mit Bargeld.“
„Allerdings habe ich festgestellt, dass die Gebäudereinigung ein reichlich merkwürdiges Unternehmen ist. Außer Jennisew selbst und den beiden anderen Russen gibt es nur drei weitere Mitarbeiter, die aber nicht fest angestellt sind. Eine Schreibkraft und zwei Fensterreiniger. Das Hauptgeschäft wird von anderen Firmen erledigt, also von Subunternehmern. Mit anderen Worten: Jennisew beschafft die Aufträge und gibt sie sofort weiter. Die Kunden wissen vermutlich nicht einmal, wer wirklich für sie arbeitet.“
„Mit unseren russischen Freunden befassen wir uns später. Lassen Sie uns zunächst mit Fiete reden.“
Fritz Borowski saß in einem der Verhörräume und sah den beiden Kriminalbeamten gelangweilt entgegen.
„Was werfen Sie mir eigentlich vor? Wenn ich meinen Flug verpasst habe, werden Sie die Kosten tragen müssen.“
Brock setzte sich, während Spengler stehen blieb und sich gegen die Tür lehnte. „Zunächst einmal sind Sie hier wegen des Verdachtes auf Drogenschmuggel. Die Spuren, die wir gefunden haben, sprechen eine eindeutige Sprache.“
„Das müssen Sie mir beweisen. Ich habe nichts damit zu tun. Vielleicht war es Stefan.“
Brock registrierte, dass er Tim Hollers Namen nicht erwähnt hatte. Das war für ihn ein Hinweis, dass er ihn aus dem Fall heraushalten wollte. Er hatte schon bei den ersten Sätzen begriffen, dass Fiete eine harte Nuss war. Freiwillig würde er nichts zugeben. In der Tat hatten sie bis jetzt keinen eindeutigen Beweis gegen ihn. Sie brauchten wesentlich mehr, um ihn festzunageln.
„Dann wären da noch die Morde!“
Fiete wurde etwas blasser. „Damit habe ich auch nichts zu tun!“, stieß er hervor. Ihm schien klar zu sein, dass diese Beschuldigung wesentlich ernster war. Brock glaubte eigentlich nicht, dass Fiete in die Morde verwickelt war, doch er konnte ihn damit unter Druck setzen.
„Welche Rolle spielt Tim Holler in dieser Sache?“
Fiete zuckte mit den Achseln. „Ich habe keine Ahnung. Er ist der Chef im Lagerhaus. Er sagt mir nicht, was er denkt oder tut.“
Brock seufzte. Hier kamen sie nicht weiter. Fiete würde seine Kumpane nicht verraten. Er besaß reichlich Erfahrung mit Verhören ähnlicher Art, und Brock wusste aus den Akten, dass er auch früher lieber in den Knast gegangen war, als seine Kumpel anzuschwärzen.
Brock stand auf. „Sie werden heute noch dem Haftrichter vorgeführt. Er wird entscheiden, ob Sie bei uns bleiben.“
Vor der Tür sah Spengler seinen Vorgesetzten an. „Der wird uns nichts verraten, oder?“
Brock schüttelte den Kopf. „Ich hoffe, dass die Durchsuchung der Gebäudereinigung mehr hergibt. Wir haben den Fingerabdruck von dem Auto, mit dem Markus Holler in die Elbphilharmonie transportiert wurde, wir haben die Fensterheber und das Bergsteigerseil, deren Gegenstücke wir hoffentlich finden werden, und wir haben die Telefonverbindungen. Das heißt, wir brauchen von allen Beteiligten Fingerabdrücke und DNA-Tests. Sind die Saugheber eigentlich schon untersucht worden?“
„Die sind noch im Labor. Ich habe gestern noch mit den Technikern gesprochen, und man hat mir zugesagt, deren Untersuchung vorzuziehen. Die Kollegen dort sind völlig überlastet und kommen mit der Arbeit nicht nach.“
„Wir brauchen die Ergebnisse. Machen Sie denen Dampf!“
*
Anton Holler fühlte sich, als hätte ihm sein Arzt mitgeteilt, dass er nicht mehr lange zu leben hätte. Dabei fühlte er sich kerngesund. Was der Kommissar ihm mitgeteilt hatte, hatte seine Welt erschüttert.
Erst der Verlust seines ältesten Sohnes – und nun das!
Er spürte, wie ihm die Kontrolle über sein Lebenswerk entglitt, das vor wenigen Tagen noch so festgefügt gewesen war. Markus hatte das Geschäft von Grund auf gelernt, und er hätte das Unternehmen weiter ausgebaut. Er hatte alle Fähigkeiten dazu besessen.
Doch jetzt? Seinen jüngsten Sohn konnte er vergessen. Daniel besaß weder die Energie noch die Begabung für eine Führungsaufgabe. Er würde es schwer haben, überhaupt einen richtigen Job zu übernehmen.
Anton Holler stand von seinem Schreibtisch auf und ging hinüber in den Wohnraum. Seine Frau hob den Kopf und sah ihm entgegen. Ihre Augen waren immer noch tränenfeucht.
Er setzte sich ihr gegenüber und ergriff ihre Hände.
„Elisabeth, was sollen wir tun?“
Sie sah ihn lange schweigend an.
„Du hast recht“, sagte sie schließlich. „Es muss weitergehen. Viele Menschen hängen von dir ab. Wir werden uns die Zeit zum Trauern nehmen, doch wir müssen uns auch um die Zukunft kümmern. Ich kenne deine Meinung zu Daniel, aber er ist dennoch dein Sohn, und auch seine Zukunft liegt in unseren Händen.“
Anton Holler nickte langsam.
„Maria hat mich vorhin angerufen“, fuhr seine Frau fort. „Sie hat mit ihrem Mann darüber gesprochen, ob er sich vorstellen könne, deine Nachfolge anzutreten, wenn es so weit ist. Er hat lange darüber nachgedacht, und heute Morgen beim Frühstück hat er gesagt, dass er die Familie nicht im Stich lassen würde.“
Elisabeth lächelte wehmütig. „Er hat hinzugefügt, dass die Reederei dann die Kosten für Anwälte sparen könnte.“
Anton lächelte ebenfalls. „Das sind gute Nachrichten. Kurt Berghoff hat mein volles Vertrauen. Auch wenn mir mein eigener Sohn lieber gewesen wäre – der Mann meiner Tochter ist mir ebenso lieb.“
„Ich habe die beiden zum Abendessen am Samstag eingeladen. Dann haben sie einen Babysitter für Erik.“
„Das ist eine gute Idee. Dann können wir ein paar Dinge besprechen. Kurt muss ja nicht schon morgen in der Reederei anfangen. Ich fühle mich durchaus noch in der Lage, das Unternehmen in den nächsten Jahren zu leiten. Doch es wäre eine große Beruhigung für mich, zu wissen, dass die Nachfolge geregelt ist.“
„Und Daniel?“
Anton Holler machte eine hilflose Handbewegung. „Er ist noch jung. Ich habe die Hoffnung, dass er sich noch ändert und begreift, dass er sich Gedanken um seine eigene Zukunft machen muss.“
Elisabeth sah ihren Mann ernst an. „Er stand immer im Schatten seines älteren Bruders. Markus hatte immer deine Aufmerksamkeit. Vielleicht haben wir ihm zu viel Freiheit gelassen, nur das zu tun, was ihm Spaß machte.“
Anton Holler blickte zu Boden. „Du hast wahrscheinlich wieder recht. Dann lass uns die Fehler der Vergangenheit nicht wiederholen.“