Kitabı oku: «Fürchte den Killer: Sieben Action Krimis», sayfa 10

Yazı tipi:

Der Kommissar und die blutigen Hände



Da ist ein blutiges Messer in ihrer Hand.

Der Junge steht da und sieht sie, wie sie sich über den Mann beugt, das Messer in ihrer Faust.

Der Mann bewegt sich nicht.

Nicht mehr.

Er ist tot.

Überall Blut.

Und die Frau schreit irre.

Sie sieht den Jungen an.

Er wird diesen Blick nie vergessen.

Sein ganzes Leben nicht.

Und das, was er jetzt gesehen hat, wird er ständig vor Augen haben. All die Jahre.

Es ist ein inneres Bild, das er nicht loswerden wird.

Ein Bild, das sein Leben bestimmt.

*



“Es ist schön, dass du mich doch noch besuchen kommst, Junge.”

“Hi.”

“Wir haben uns lange nicht gesehen. Sehr lange.”

“Was willst du?”

“Dich sehen.”

“Dann sieh dir auch das an!”

“Junge...”

“Die Narbe, die du hinterlassen hast!” Er deutete auf sein Gesicht.

“Es tut mir Leid...”

“Diese Narbe ist das einzige, was du mir hinterlassen hast.”

“Ich bin froh, dich zu sehen.”

“Ich bin nur gekommen, um dir zu sagen, dass ich mir wünsche, du wärst tot.”

“Sag so etwas nicht!”

“So ist es einfach.”

“Vielleicht habe ich nicht alles richtig gemacht, aber...”

“Du bist eine Mörderin.”

“Hör mal!”

“Und um ein Haar hättest du mich auch umgebracht.”

“Nein, das wollte ich nicht. Das war...”

“Ich bin eigentlich nur deswegen hier, um dir eine Sache zu sagen: Bring es zu Ende.”

“Was?”

“Dich braucht niemand. Du bist nur schädlich und zwar für alle, die etwas mit dir zu tun haben. Also bring es zu Ende. Besorg dir eine Rasierklinge, häng dich mit einem Bettlaken auf - wie auch immer! Aber es wäre wirklich besser, wenn du diese Mauern nie mehr verlässt!”

“Es ist schrecklich, was du sagst!”

“Es ist schrecklich, was du getan hast!”

“Dafür büße ich!”

“Aber nicht genug! Nicht genug!”

“Aber...”

“Wirst du irgendwann wieder aus dem Knast kommen?”

“Ja, das ist sehr wahrscheinlich.”

“Ich finde, du solltest hierbleiben. Hier gehörst du her. Und hier sollte man dich begraben.”

“Ich...”

“Lebenslang sollte wirklich auch lebenslang sein.”

“Hör zu...”

“Zumindest in deinem Fall.”

“Ich hoffe irgendwann auf eine zweite Chance...”

“Nicht bei mir!”

“Was?”

“Versuch nicht mehr, mit mir in Kontakt zu treten. Unsere Wege trennen sich hier. Und deiner führt in die Hölle.”

Und meiner vielleicht auch, dachte er. Aber in eine andere Hölle!

*



Noch mehr Jahre später...

Viele Jahre später...

Eine Stimme wie schwarzer Samt.

Einschmeichelnd.

Tief.

Sonor.

Verheißungsvoll.

Der Mann mit der Samtstimme - so hatte Janina Dachelmeyer ihn in Gedanken genannt, als sie ihn in Suri's Bar kennengelernt hatte. Scheinbar zufällig. „Nenn mich Rob”, hatte diese Samtstimme gesagt.

Jetzt saß Janina auf einem Stuhl - gefesselt und geknebelt. Und die Samtstimme hatte für sie auf einmal einen eiskalten, grausamen Unterton.

Der ging ins Mark.

„Halt still, sonst tut es nur weh”, sagte Rob. Und während er das sagte, öffnete er die Tasche, die er schon in der Bar bei sich trug. Er hatte plötzlich eine Spritze in der Hand.

Janina zitterte. Sie fragte sich, was für ein Teufelsgift er ihr wohl verabreichen wollte.

Und dann suchte er die Ader in der Armbeuge und stach hinein. „Es ist bald vorbei”, sagte er. „Und dann bekommst du, was du verdienst. So wie die anderen...”

Janina Dachelmeyer ahnte, dass sie dieses Zimmer nicht lebend verlassen würde. Sie war in die Hände eines Monsters in Menschengestalt gefallen...

*



Im ersten Augenblick war Janina erleichtert, als sie begriff, dass ‘Rob’ ihr keineswegs eine Injektion verpassen, sondern ihr stattdessen Blut abnehmen wollte.

Die Art und Weise, wie er das machte, war laienhaft. Janina Dachelmeyer konnte das beurteilen, denn sie selbst war Ärztin in einer Berliner Klinik. Anästhesistin, um genau zu sein. Und das bedeutete, es gehörte zu ihrem täglichen Job, Spritzen so zu setzen, dass die Patienten hinterher möglichst nicht durch einen riesigen Bluterguss gezeichnet waren.

Rob beherrschte das nicht so gut. Aber der Bluterguss, den sie davontragen würde, war wohl Janina Dachelmeyers kleinstes Problem.

Sie sah ihm zu, wie er den Inhalt der Kanülen in medizinische Blutbeutel füllte.

Janina Dachelmeyer zitterte am ganzen Körper, während sie ihm zusah. Die Knebelung war so fest, dass ihr der Kiefer schmerzte. Ihre Hände und Füße spürte sie schon gar nicht mehr. Drei mal nahm er ihr Blut ab. Dann packte er die medizinischen Utensilien wieder sehr sorgfältig in seine Tasche.

Er war langsam dabei.

Pingelig.

Wie ein Pedant.

Was Janina Dachelmeyer irritierte, war die Tatsache, dass Rob vor der Blutabnahme einen prall gefüllten Blutbeutel aus der Tasche genommen und auf den Tisch gestellt hatte.

Was sollte das alles? Was machte das für einen Sinn, Blut mitzubringen und ihr welches abzuzapfen?

Mit was für einem Spinner hatte sie es hier zu tun?

Ein gefährlicher Spinner.

Der Puls schlug ihr bis zum Hals.

Er hämmerte hinter ihren Schläfen.

Scheiße!, dachte sie.

Die Gedanken rasten nur so in ihrem Kopf. Die dunkle Ahnung, dass sie in die Hände eines perversen Irren gefallen sein musste, wurde nach und nach zur Gewissheit. Nein, das war kein gewöhnlicher Krimineller. Keiner, der es auf ihr Eigentum oder ihren Körper abgesehen hatte. Jedenfalls nicht auf eine Weise, die man irgendwie hätte nachvollziehen können.

Er lächelte.

Sehr verhalten.

Sehr hinterrndig.

Er wusste, wie es weitergehen würde - sie nicht.

Und das schien er zu genießen.

Das - und die Angst in ihren Augen.

Die Ungewissheit, die sie quälte.

„Du fragst dich sicher, was ich hier mache und warum das alles geschieht”, sagte Rob. Und die Samtstimme, die diesen Mann auszeichnete, hatte plötzlich für Janina Dachelmeyer einen ganz anderen Klang.

Ein Klang, der sie an klirrendes Eis erinnerte. Oder an Messer, die gegeneinander gewetzt wurden.

Er sah sie an und sie begegnete seinem Blick.

Ein kaltes Glitzern war jetzt in Robs Augen zu sehen. Nervöse Unruhe schien seinen gesamten Körper erfasst zu haben. Die Ruhe, die er bisher demonstriert hatte, war nur aufgesetzt gewesen.

„Du glaubst inzwischen wahrscheinlich nicht mehr, dass es purer Zufall war, der uns in dieser Bar zusammengeführt hat“, fuhr er fort. Sein Lächeln wirkte jetzt unsicher. „Das war es auch nicht. Ich habe dich ausgesucht. Ja, unter sehr vielen habe ich dich ausgesucht. Ich habe dich beobachtet und wahrscheinlich weiß ich mehr über dich, als alle, die von sich behaupten, dich näher zu kennen. Du glaubst, dass wir uns heute zum ersten Mal begegnet sind. Doch ich versichere dir, dass wir uns schon zuvor über den Weg gelaufen sind. Öfter, als du denkst übrigens. Allerdings...“ Er machte eine Pause. Als zwei quälend lange Sekunden des Schweigens vergangen waren, fuhr er fort: „Wir sind uns fast ein Dutzend Mal über den Weg gelaufen. Nur hast du mich nicht bemerkt. Aber das ist nichts Ungewöhnliches. Weißt du, ich bin eben so ein Typ, den man schnell übersieht. Das nehme ich niemandem übel. Ein paar andere Dinge machen mich allerdings schon richtig sauer...“

Sein Gesicht wurde zu einer vollkommen starren Maske, während er das sagte. Die Lippen zitterten, so als wollten da ein paar wüste Beschimpfungen und Schreie aus ihm heraus.

Die Sorgfalt, mit der er die Blutprobe in seiner Tasche verstaute, wirkte pedantisch. Er nahm den Blutbeutel, den er mitgebracht hatte, öffnete ihn und schüttete den Inhalt über Janina Dachelmeyers gefesselte Hände. Dann trat er zurück und betrachtete sie.

Nie zuvor hatte Janina Dachelmeyer so viel Hass und gleichzeitig so viel Furcht in einem einzigen Gesichtsausdruck gesehen. Rob betrachtete sie eine ganze Weile. Die Sekunden rannen dahin, sammelten sich zu einer kleinen Ewigkeit, während Rob vor ihr stand und wie erstarrt wirkte.

Die ganze Zeit über quälte sie der Gedanke, was er wohl noch vor hatte und welcher verborgene, perverse Sinn in dieser ganzen Aktion lag.

Eine vorläufige Antwort sollte sie jedoch wenig später bekommen. Die Erstarrung löste sich bei Rob. Mit einer ruckartigen Bewegung griff er in die Tasche, holte eine Pistole mit aufgeschraubtem Schalldämpfer hervor. Dann trat er von der Seite an sie heran, setzte den Schalldämpfer an ihre Schläfe auf. Sie konnte fühlen, dass sein Finger zitterte, als er versuchte abzudrücken.

Janina Dachelmeyer schloss die Augen.

Es dauerte fünf quälend lange Sekunden ehe ‘Rob’ schließlich die Kraft hatte, den Abzug der Waffe zu betätigen. Janina Dachelmeyers Kopf sackte weg. Die Einschusswunde war klein, die Austrittsöffnung des Projektils dafür um so größer. Blut und Hirn hatten die Tapete vollgespritzt.

Aber nicht den Mann, der sich ‘Rob’ nannte. Und auch nicht Robs Tasche. Er hatte Janina Dachelmeyer extra so hingesetzt, dass das nicht passieren konnte. Schließlich war das nicht sein erstes Opfer und ‘Rob’ hatte inzwischen dazugelernt.

‘Rob’ stand noch eine ganze Weile einfach da. Die Waffe hatte er gesenkt. Er sah auf die reglos auf dem Stuhl hängende, gefesselte Tote herab und sagte schließlich laut und mit einer Stimme, die wieder sehr nach weichem Samt klang: „Jetzt ist es gut. Jetzt...ist alles...gut.”

Aber das hatte er beim letzten Mal auch gesagt.

Und eigentlich wusste er auch diesmal im tiefsten Inneren seiner Seele, dass es nicht stimmte.

Nichts war gut.

Und es würde wohl auch niemals vorbei sein. Schließlich hatte er die Vorbereitungen für das nächste Mal bereits getroffen. Er ging zu seiner Tasche, legte die Pistole hinein und sein Blick fiel dabei auf den Beutel mit Blut, den er Janina Dachelmeyer abgenommen hatte.

*



Zwei Jahre später...

„Harry Kubinke, BKA. Dies ist mein Kollege Rudi Meier”, sagte ich, während ich meinen Ausweis vorzeigte.

Rudi und ich standen in einem engen Flur in einem Mietshaus und ein breitschultriger Kollege in Uniform hatte wohl die strickte Anweisung, niemanden die Treppe hinauf zu lassen.

Er hieß Giesenbracht. Als er meinen Ausweis betrachtete, runzelte er die Stirn und gab sie mir dann zurück. „Tut mir leid, dass ich so pingelig sein muss“, sagte Giesenbracht.

„Keine Ursache, dass ist Ihr Job“, meinte Rudi.

„Es soll auch schon Presseleute gegeben haben, die sich mit gefälschten Poilizeiausweisen Zugang zu interessanten Tatorten verschafft haben.“

Ehrlich gesagt, kommt so etwas eher selten vor, aber ausschließen kann man das natürlich nicht vollkommen. Aber ich wollte dem Kollegeb Giesenbracht jetzt nicht widersprechen.

Ich steckte meinen Ausweis wieder ein.

„Gibt es hier eigentlich keinen Aufzug?”, fragte ich.

„Ist seit einem halben Jahr defekt, wie mir einige andere Mieter erzählt haben“, sagte Giesenbracht. Er machte eine ausholende Geste. „Sie können raufgehen. Dr. Köppler erwartet sie bereits.“

„Dr. Köppler?“, fragte ich.

„Sie hat schon angekündigt, dass sie für ihren Fall noch Verstärkung bekommt. Und das sind dann ja wohl Sie.“

„Ihren Fall?“, echote ich ziemlich perplex.

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Rudi. Die Informationen, die Rudi und ich bisher zu dem Fall hatten, waren äußerst knapp. Kriminaldirektor Hoch hatte uns hier her geschickt. Kurz nachdem ich Rudi am Morgen an der bekannten Ecke abgeholt hatte, meldete sich unser Chef und beorderte uns an diesen Tatort.

Denn dieser Fall fiel in die Zuständigkeit des BKA. Ein Serienkiller, der Frauen auf eine ganz spezielle Weise tötete. Zumindest war das bis jetzt die Hypothese.

Kriminaldirektor Hoch hatte zwar erwähnt, dass wir Unterstützung durch Fachleute bekommen würden, aber dass jetzt jemand diesen Fall als seinen bezeichnete und in uns so etwas wie herbeigerufenes Hilfspersonal sah, überraschte mich doch ziemlich.

Wir gingen die Treppe hinauf. Wenig später erreichten wir die offen stehende Wohnungstür. Es stand kein Name auf dem Schild an der Klingel. Kollegen der Abteilung Erkennungsdienst waren bereits bei der Arbeit. Außerdem sah ich Kollege Hansen von der zuständigen Mordkommission. Er nickte Rudi und mir zu.

Ich kannte ihn ganz gut, auch wenn wir selten zusammengearbeitet hatten.

„Hier soll eine Dr. Köppler sein“, sagte ich.

„Dr. Köppler ist hier“, sagte eine Stimme, die ziemlich resolut klang. Eine weibliche Stimme. Wir drehten uns um und sahen einer sehr zierlichen, grazilen Frau entgegen. Sie war schätzungsweise Mitte Dreißig, hatte dunkles, gelocktes und bis über die Schultern fallendes Haar und war nicht größer als ein Meter sechzig.

„Guten Tag“, sagte ich.

„Sie sind die Leute vom BKA, auf die ich gewartet habe?“

„Jedenfalls sind wir vom BKA. Dies ist mein Kollege Herr Rudi Meier, mein Name ist Harry Kubinke.“

„Dr. Melanie Köppler, Profilerin. Ich unterrichte normalerweise an der Akademie.“

„Und was führt Sie dann nach Berlin?”

„Dieser Fall, Herr Kubinke.”

„Das verstehe ich nicht.”

„Hat Sie Ihr Vorgesetzter darüber nicht informiert?”

„Ehrlich gesagt hatte Kriminaldirektor Hoch noch kaum Gelegenheit, uns über Einzelheiten in Kenntnis zu setzen.”

„Dann hat er Ihnen nichts darüber gesagt, dass dieser Fall mit einer Serie von Verbrechen in Zusammenhang steht?”

„Doch, aber wir sind bis jetzt nur grob informiert.”

Dr. Melanie Köppler atmete tief durch und verschränkte die Arme vor der Brust. „Es war der letzte Fall, den ich bearbeitet habe, bevor ich den Unterrichtsauftrag der Akademie annahm.”

„Lassen Sie mich raten: Sie haben damals die Sache nicht aufklären können.”

„Das ist leider wahr, Herr Kubinke. Glauben Sie mir, es hat mir nächtelang keine Ruhe gelassen, dass da so ein Irrer durch die Gegend läuft, Frauen anspricht, sie in eine Wohnung wie diese lockt und ihnen eins über den Schädel zieht. Wenn sie dann erwachen, finden sie sich gefesselt auf einem Stuhl wieder. Der Täter besudelt die Hände des Opfers mit Blut und erschießt es mit einer Waffe, die einen Schalldämpfer trägt.”

„Und bei der Reihenfolge sind Sie sich sicher?”, fragte ich.

„Wie meinen Sie das?”

„Was das Blut und den Schuss angeht. Sie wissen genau, dass er nicht erst den Schuss abgibt und anschließend der Toten das Blut über die Hände gießt?”

Melanie Köppler sah ich etwas überrascht an. „Nein, sicher ist das nicht, Herr Kubinke.”

„Und wie kommen Sie dann darauf?”

„Es ist einfach nur... Intuition. Ich glaube, dass es so gewesen ist. Aber vielleicht sollten Sie sich mal mit eigenen Augen ansehen, worum es hier geht.”

„In Ordnung.”

Dr. Melanie Köppler führte uns in das Wohnzimmer. Dort saß das Opfer noch immer gefesselt auf dem Stuhl - so wie der Täter die junge Frau drapiert hatte.

„Sie heißt Luisa Mitzmann und war als Krankenschwester im nahegelegenen Krankenhaus beschäftigt”, erläuterte Melanie Köppler. „Alle Opfer dieses Täters waren irgendwo im medizinischen Bereich beschäftigt. Es waren Ärztinnen darunter, Krankenschwestern, eine Altenpflegerin, eine Sprechstundenhilfe, eine Angestellte in einer Blutbank...”

„Sagen Sie jetzt nicht, dass der Täter aus Hass gegen das Gesundheitssystem diese Morde begangen hat”, mischte sich Rudi ein.

Melanie Köppler hob die Augenbrauen. „Wieso nicht? Das wäre noch nicht einmal das absurdeste Mordmotiv, auf das ich während meiner Arbeit gestoßen bin. Auf jeden Fall müssen wir diesen Aspekt im Auge behalten.”

Ich sah die Einschusswunde am Kopf und die Austrittswunde des Projektils. Es sah grässlich aus.

„Der Täter hat den Schalldämpfer immer aufgesetzt”, erläuterte Melanie Köppler.

„Eine Art Hinrichtung”, sagte ich.

„Eine Hinrichtung, eine Bestrafung - irgend etwas in der Art wird es ein”, stimmte mir die Profilerin zu. „Unser Täter nimmt die Dinge außerdem sehr genau und will sich selbst auf gar keinen Fall beschmutzen. Er hat vielleicht sogar eine gewisse Phobie vor Blut und meidet den Kontakt damit - obwohl er es braucht, um seine Opfer so herzurichten, wie wir es hier sehen.”

„Das müssen Sie mir erklären”, sagte ich, denn ich verstand wirklich nicht, worauf Melanie Köppler hinaus wollte. Dass die Hände Blut besudelt waren, war mir auch schon aufgefallen. Blut, dass nicht zur Austrittswunde des Projektils passte, denn das war in die andere Richtung gespritzt und hatte die Wand mit rotbraunen Flecken versehen.

„Er hat das Opfer so positioniert, dass er möglichst nichts abbekommt”, stellte Melanie Köppler fest. „Das meinte ich eben.” Sie schien meinen etwas ratlosen Blick bemerkt zu haben. „Und das Blut, das sie da an den Händen sehen, war bei den anderen Opfern Tierblut, dass der Täter mitgebracht haben muss.”

„Wissen Sie, was für ein Tier?”

„Schweineblut. Aber bei seiner letzten Tat gab es eine Besonderheit.”

„Und die wäre?”

Melanie Köppler sah mich an. „Die letzte Tat liegt zwei Jahre zurück. Damals hat der Täter dem Opfer Blut abgenommen. Das steht auch so im Bericht der Gerichtsmedizin. Sie haben alle Unterlagen gemailt bekommen.”

„Wir werden das alles auch sicher noch lesen, Dr. Köppler”, versprach ich.

Dr. Köppler streifte die Latexhandschuhe über. Dann schob sie nacheinander vorsichtig die Ärmel der Toten hoch. Auf der rechten Seite fand sie, was sie suchte. „Einstichstellen und ein typischer Bluterguss, der entsteht, wenn jemand nicht so sehr darin geübt ist, eine Spritze zu benutzen.“

„Das bedeutet, der Täter kam vermutlich nicht aus der Gesundheitsbranche“, sagte Rudi.

„Jedenfalls hätte ich mir von ihm nicht so gerne Blut abnehmen lassen“, meinte Dr. Köppler. „Ich will es mal so ausdrücken: Der Täter wusste genau, was er tun musste. Er hatte also medizinisches Wissen und hat sich offenkundig gut informiert. Aber er war ohne Übung.“

„Was will er mit dem Blut, das er dem Opfer abgenommen hat?“, fragte ich.

„Er gießt es dem nächsten Opfer über die Hände, wenn sie mich fragen“, antwortete Melanie Köppler. „Auf die Gefahr hin, dass ich mich zu weit aus dem Fenster lehne, aber ich denke, dass das Blut, mit dem die Hände von Luisa Mitzmann besudelt wurden in Wahrheit von einer gewissen Janina Dachelmeyer stammt. Der DNA-Test wird es beweisen. Da wette ich drauf.”

„War Janina Dachelmeyer das letzte Opfer dieser Serie - vor zwei Jahren?”

„Ja”, murmelte Melanie Köppler. Ihre Stimme klang jetzt auf einmal tonlos. Es war ihr anzusehen, dass ihr der Fall sehr naheging. Auch zwei Jahre später noch. Ich konnte gut verstehen, warum das so war. Mir selbst ist das auch schon so gegangen. Man weiß, dass ein Täter weitere Morde begehen wird - aber man kann ihn einfach nicht fassen. So etwas kommt vor und es gehört zu unserem Job, damit irgendwie klar zu kommen. Aber es nagt an einem - und in diesem Fall nagte es wohl seit zwei Jahren an der Seele von Melanie Köppler.

Ihr besonderer Eifer bei diesem Fall war daher mehr als erklärlich. Aber wenn man sich so sehr in eine Sache hineinsteigert, kann es leicht ein, dass man den Blick für das Naheliegende verliert.

„Aber eine Aufbewahrungszeit von zwei Jahren für Blut?”, hakte ich nach. „So weit ich weiß zersetzen sich Blutproben schon nach kurzer Zeit.”

Melanie Köppler nickte, während sie den Blick dem Opfer zuwandte. „Das ist korrekt. Aber erstens ist Plasma durchaus nach zwei Jahren noch verwendbar, wenn es fachgerecht gelagert wird und zweitens...” Sie sprach nicht weiter. Irgend etwas schien ihr an der Toten aufzufallen. Allerdings war sie offenbar nicht gewillt, ihre Beobachtung mit uns zum gegenwärtigen Zeitpunkt zu teilen. „Wir warten den DNA-Test ab, Herr Kubinke. Und sollte ich Recht behalten und diese Blutprobe tatsächlich DNA von Janina Dachelmeyer enthalten, dann erkläre ich Ihnen, wie er das gemacht hat, einverstanden?”

„Nun...”

„Im Moment habe ich keine Zeit dafür.”

„Aber das ist ein Punkt, der...”

„Später, Herr Kubinke. Bislang ist es ja auch nur eine Vermutung. Oder sagen wir besser: Eine begründete Hypothese.”

„Auf die Sie wetten wollten.”

„Ja, allerdings...” Einige Augenblicke schwieg sie nachdenklich. Sie gab einem das Gefühl, lästig und außerdem schwer von Begriff zu sein. Ich ahnte schon, dass die Zusammenarbeit mit ihr vielleicht nicht ganz einfach werden würde. Vielleicht war sie auch nur so sehr von dem Gedanken besessen, dass dieser Fall mit dem Mord an Janina Dachelmeyer in Zusammenhang stand, dass sie sich in etwas hineinsteigerte und den Wald vor lauter Bäumen nicht sah. Vermutlich war es tatsächlich das Beste, erst einmal den DNA-Test für das Blut abzuwarten, mit dem der Täter die Hände der Toten besudelt hatte. Und streng genommen war ja auch das zunächst einmal nichts weiter als eine ‘begründete Hypothese’.

„Erzählen Sie uns mehr über den Fall vor zwei Jahren”, verlangte jetzt Rudi, der wohl erkannt hatte, dass wir, was die Blut-Sache anging, bei Dr. Köppler erst einmal nicht weiterkamen. Aber ich nahm mir vor, darauf zurückzukommen.

„Janina Dachelmeyer war eine Ärztin”, fuhr Melanie Köppler dann in gedämpftem Tonfall fort. „Sie hat den Täter in einer Bar kennengelernt. Wir konnten sogar ermitteln, in welcher.”

„Dann gab es Zeugen, die Janina Dachelmeyer zusammen mit dem mutmaßlichen Täter gesehen haben?”, hakte ich nach.

Sie nickte. „Leider waren deren Aussagen sehr unpräzise. Andererseits - ich weiß nicht, an was ich mich erinnern würde, wenn ich zwei Menschen beiläufig in einer Bar sitzen gesehen hätte. Womöglich noch in eine Situation, in der jeder genauere Blick aufdringlich und peinlich wirken würde. Und wenn man dann später erfährt, dass sich da eine Frau von ihrem Mörder davon überzeugen ließ, ihn mit nach Hause zu nehmen, denkt man vielleicht, dass man doch besser genauer hingesehen hätte. Aber dann ist es zu spät. Insofern kann ich den Zeugen keinen Vorwurf machen.”

Immerhin war es also wohl schonmal ziemlich sicher, dass es sich bei dem Unbekannten tatsächlich auch um einen Mann handelte. Einen Mann zudem, der offenbar einiges an Geschick im Umgang mit Frauen hatte. Einer, der genug Charme und Witz hatte, um mit dieser Flirt-Masche an sein grausames Ziel zu gelangen.

*



In diesem Augenblick trat der Gerichtsmediziner in den Raum. Es war Dr. Bernt Heinz von der Abteilung Erkennungsdienst, Rudi und ich kannten Dr. Heinz ziemlich gut, wir hatten immer wieder mal im Rahmen unserer Ermittlungen mit ihm zu tun.

Dr. Heinz begrüßte uns kurz.

Als sein Blick dann auf die tote Luisa Mitzmann traf, fiel ihm der Kinnladen herunter. Und das, obwohl Dr. Heinz nun wirklich allerhand gewohnt ist und als Gerichtsmediziner schon von Berufswegen hart im Nehmen sein muss. „Oh”, sagte er nur und atmete tief durch.

„Ich habe gesehen, was ich sehen wollte”, sagte hingegen Melanie Köppler. Sie wandte sich an Rudi und mich. „Wir sehen uns wahrscheinlich später irgendwann zum Meeting. Ich nehme an, dass Ihr Chef auch dabei sein wird. Der Fall hat einiges Aufsehen in den Medien erzeugt und deshalb besteht ein gewisser Druck auf die ermittelnden Behörden. Sie kennen das ja...”

„Allerdings”, murmelte ich.

Mit diesen Worten ging Melanie Köppler davon. Dr. Heinz nahm sie gar nicht weiter zur Kenntnis. Und an dem, was der Gerichtsmediziner nach der Erstuntersuchung vielleicht beitragen konnte, schien sie gar nicht interessiert zu sein.

„Die geht ihren Weg”, raunte Rudi mir zu. „Unbeirrbar.”

„Sie hat ihre eigene Meinung”, gab ich zurück. „Allerdings eine, die für meinen Geschmack manchmal ein bisschen zu vorgefasst ist.”

„Ach komm, Harry. Der Tag hat schon übel genug begonnen. Da kannst du ruhig etwas großzügiger sein!”

„Ich sage ja nur, was mir auffällt, Rudi.”

„Genau dasselbe macht Dr. Köppler auch.”

Ich atmete tief durch. „Wie es scheint, bleibt die einfache Ermittlungsarbeit jetzt an uns hängen.”

„Sag bloß, du hast was anderes erwartet, Harry!”

Dr. Heinz bestätigte einige der Vermutungen von Melanie Köppler. Insbesondere, was den angenommenen Tathergang betraf. „Näheres kann ich Ihnen natürlich erst nach der vollständigen Obduktion sagen”, fügte er noch hinzu.

Ich wies ihn auf das Blut an den Händen hin und darauf, dass unbedingt ein DNA-Vergleich mit einer gewissen Janina Dachelmeyer durchgeführt werden musste.

Etwas später sprachen wir mit Katrin Menckenhorst. Sie wohnte einen Stock tiefer und arbeitete im selben Krankenhaus wie Luisa Mitzmann.

Laut Auskunft von Kollege Hansen, wäre der Mord an Luisa Mitzmann immer noch unentdeckt geblieben, wenn sie nicht gewesen wäre.

Katrin Menckenhorst war eine Frau von Ende zwanzig mit dunkelroten Haaren, die sie zu einem praktischen Knoten zusammengefasst hatte. Als sie uns in ihrer Wohnung empfing, war ihr Make-up verschmiert. Sie hatte geweint und sah alles in allem ziemlich mitgenommen aus.

„Stellen Sie ruhig Ihre Fragen“, sagte sie und ihre Stimme klang dabei heiser.

„Wie sind Sie darauf gekommen, dass bei Luisa Mitzmann etwas nicht stimmt?“, fragte ich.

„Wir hätten eigentlich beide heute Morgen unsere Schicht gehabt. Und Luisa ist - war - sehr gewissenhaft. Sie hätte niemals einfach verschlafen oder sich nicht abgemeldet. Und normalerweise war es so, dass sie bei mir vorbeigekommen ist, um mich abzuholen.”

„Aber an diesem Morgen kam sie nicht.”

„So ist es”, bestätigte sie. „Es wurde langsam Zeit, ich habe sie erst mit dem Handy zu erreichen versucht. Dann bin ich zu ihr rauf und habe geklopft. Aber es hat niemand geöffnet.”

„Und dann?”

„Ich habe es noch ein paarmal versucht, es reagierte niemand. Und dann habe ich bemerkt, dass die Tür nicht richtig geschlossen war. Es ist nämlich so: Die Wohnungstür bei Luisa ist nicht mehr ganz in Ordnung. Man muss aufpassen, dass das Schloss wirklich eingeschnappt ist, sonst ist sie nur angelehnt.” Sie zuckte mit den Schultern. „Ich bin kein Fachmann für so etwas, aber ich denke, Sie wissen ungefähr, was ich meine.”

Ich nickte. Der Täter hatte das offenbar nicht gewusst und gedacht, dass er die Tür geschlossen hatte, als er die Wohnung verließ. „Fahren Sie fort”, forderte ich sie auf. ”Erzählen Sie einfach alle, was Ihnen einfällt. Wir können das immer noch ordnen. Aber jetzt sind Ihre Erinnerungen noch frisch und jede Kleinigkeit, jede scheinbar noch so unwichtige Beobachtung könnte uns helfen, den Mörder Ihrer Kollegin zu finden. Und ich denke, das ist auch in Ihrem Sinne.”

„Natürlich.” Sie schluckte und wich meinem Blick aus. Katrin Menckenhorst kämpfte mit den Tränen und für einige Augenblicke hatte ich die Befürchtung, dass sie vielleicht die Fassung wieder verlor. Ich hätte dafür volles Verständnis gehabt. Aber andererseits gab es da einen offenbar tötungswütigen Killer. Eine Bestie, die vor zwei Jahren das Töten vorübergehend eingestellt hatte und nun von Neuem damit begann. Und man brauchte nicht unbedingt Psychologe oder Profiler zu sein, um voraussagen zu können, dass Luisa Mitzmann nicht sein letztes Opfer war, wenn ihn niemand stoppte.

Die Wahrscheinlichkeit war zumindest sehr groß.

Was auch immer der Grund dafür sein mochte, dass der Killer zwei Jahre mit dem Töten aufgehört hatte, dieser Grund schien nicht mehr zu bestehen. Vielleicht konnte er den inneren Drang, der ihn zu beherrschen schien, auch einfach nicht länger bändigen und hatte ihm nun erstmals wieder nachgegeben.

Zwei Jahre...

Ich fragte mich, was ihn zwei Jahre davon abgehalten haben mochte, sich weitere Opfer zu suchen.

Möglicherweise war der Grund, dass er sich keine weiteren Opfer suchen konnte, zum Beispiel, weil er in dieser Zeit inhaftiert oder außer Landes gewesen war. Ich nahm mir vor, diesen Aspekt nicht aus den Augen zu verlieren. Wenn eines dieser beiden Merkmale zutraf, war das vielleicht ein erster Schritt, um den Täterkreis zumindest schonmal ganz grob einzugrenzen.

Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, während Katrin Menckenhorst um ihre Fassung rang und sie schließlich wider Erwarten doch noch zurückgewann.

„Ich betrat die Wohnung und dann habe ich Luisa gefunden“, murmelte sie. „Es war furchtbar. Ich stand erst eine ganze Weile da und konnte nichts tun. Verstehen Sie, was ich meine? Ich war wie zur Salzsäule erstarrt... als ich mich wieder rühren konnte, habe ich dann die Polizei angerufen.“

„Wann haben Sie Luisa Mitzmann zuletzt gesehen?“, fragte ich.

„Gestern Abend, so um 18.00. Wir hatten beide Spätschicht und dann Dienstschluss.“

„Sind Sie zusammen nach Hause gegangen?“

„Nur bis zur U-Bahn-Station. Ich wollte noch was einkaufen, deshalb haben wir uns getrennt.“

„Wissen Sie, was Luisa Mitzmann noch vorhatte? Haben Sie darüber gesprochen?“

„Ich nehme an, dass sie in Rico's Snackbar gegangen ist, um zu essen. Die haben dort das beste Chili weit und breit und Luisa mochte Chili für ihr Leben gern.“

„Hat sie ausdrücklich gesagt, dass sie dort noch hinwollte?“

„Ja, wir haben darüber gesprochen. Sie hatte nämlich ziemlich großen Hunger.“ Sie schluckte. „Wenn ich bei ihr geblieben wäre, würde sie jetzt noch leben...“

„Wie kommen Sie darauf?“, fragte ich etwas irritiert.

Sie hob den Blick. „Na, sie muss ihren Mörder doch irgendwann danach kennengelernt haben! Entweder in Rico's Snackbar oder sie ist später nochmal weggegangen, aber eigentlich glaube ich das nicht.“

Türler ve etiketler

Yaş sınırı:
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Litres'teki yayın tarihi:
26 mayıs 2021
Hacim:
906 s. 27 illüstrasyon
ISBN:
9783956179730
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