Kitabı oku: «Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis», sayfa 6
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Bount war in der Nähe des Hauses geblieben, weil es ihn interessierte, was sich dort in der nächsten halben oder vollen Stunde tun würde.
Er hatte Joyce einfach nicht glauben können, er war über ihre gemimte Ohnmacht ebenso ins Grübeln geraten wie über ihre Behauptung, Alec Hamishs Geliebte gewesen zu sein. Joyce hatte ihm etwas vorgemacht, das stand fest, und nun galt es herauszufinden, wer auf wen geschossen hatte.
Er hastete zur nächsten Telefonzelle und wählte Joyce Finchs Nummer. Das Besetztzeichen ertönte. Er versuchte es in kurzen Abständen immer wieder. Es dauerte fast fünf Minuten, ehe eine Verbindung zustande kam.
„Finch.“
Die Stimme der jungen Frau klang ruhig, sehr gelassen. „Ich muss Sie sprechen“, sagte Bount. „Ich befinde mich in der Telefonzelle an der Ecke.“
„Ich habe nachgerade genug von Ihren Belästigungen und den damit verbundenen dummen Fragen“, meinte Joyce kurz angebunden und wollte aufhängen.
„Auf wen haben Sie geschossen?“, fragte Bount.
Stille. Er konnte nur das Atmen der Teilnehmerin hören. Bount wiederholte seine Frage.
„Sie müssen sich irren. Hier sind keine Schüsse gefallen“, behauptete Joyce.
,.Es waren drei.“
„Erkundigen Sie sich meinetwegen im Nachbarhaus ...“
„Ich besitze ein gut entwickeltes Ohr für derlei akustische Signale“, sagte er. „Wollen Sie, dass ich Ihnen die Polizei ins Haus schicke?“
Erneute Pause, dann sagte Joyce: „Sie sind ein Quälgeist. Okay, ich erwarte Sie.“
Als sie ihm die Haustür öffnete, war sie mit einem weißseidenem Hausmantel bekleidet und hatte das blonde Haar hochgesteckt. Sie gingen ins Wohnzimmer. Joyce brannte sich eine Zigarette an. Ihre Hände waren ruhig. Sie schaute Bount ins Gesicht, dann bettete sie den Nacken auf die Lehne ihres Sessels und blies ein paar hübsche Rauchringe zur Decke.
„Wie teuer sind Sie?“, fragte sie murmelnd.
„Möchten Sie mich engagieren?“
„Warum nicht? Natürlich muss ich wissen, was Sie zu leisten imstande sind. Können Sie einen Toten beseitigen?“
„Wer ist es?“
„Ein Mann namens Bruce Copper.“
„Ist es der Kerl, der mich mit dem verdammten Gas betäubte?“
„Genau der. Ich musste ihn töten. Es geschah in Notwehr“, sagte Joyce Finch und beugte sich mit einem Ruck nach vorn. „Wie finden Sie das?“
„Schon wieder ein Märchen?“, fragte Bount, obwohl er zu spüren meinte, dass Joyce Finch diesmal die Wahrheit sagte. Er war gespannt, wie es weitergehen sollte und fragte sich, ob sein hochattraktives Gegenüber psychisch normal war.
„Diesmal sage ich die Wahrheit“, meinte Joyce Finch. „Das Schwindeln wird mir lästig.“
Es klingelte. „Sie erwarten noch Besuch?“, fragte Bount.
„Ja. Würden Sie mir bitte den Gefallen tun, ihn hereinzubitten?“
Bount erhob sich. Er durchquerte Zimmer und Diele, dann öffnete er die Tür. „Hallo“, sagte er.
Vor ihm stand seine Klientin Leslie Harper.
In Jeans und dunkelblauer Seglerjacke sah sie jung und sportlich aus, keineswegs wie eine junge Dame der Gesellschaft oder wie eine prominente Lady aus einem Haus am Battery Park. Sie starrte ihm verdutzt in die Augen.
„Ich verstehe“, sagte Bount. „Mrs. Finch hat vorhin mit Ihnen telefoniert, deshalb war die Leitung besetzt. Mrs. Finch hat Sie hergebeten.“
Leslie Harper antwortete nicht. Sie ging an ihm vorbei ins Wohnzimmer. Joyce Finch lächelte der Besucherin ins Gesicht. „Reiniger hat die Schüsse gehört“, sagte sie. „Es wäre sinnlos gewesen, ihm etwas vormachen zu wollen.“
Leslie Harper setzte sich abrupt. „Du bist verrückt“, murmelte sie.
Bount zog behutsam die Wohnzimmertür hinter sich ins Schloss, lehnte sich dann gegen die Wand, musterte die beiden jungen Frauen und stellte fest: „Sie schulden mir eine Erklärung, meine Damen.“
„Sie wissen bereits genug“, sagte Joyce Finch. „Ich musste Bruce Copper töten. In Notwehr. Er hat versucht, mich zu vergewaltigen. Außerdem wollte er mich erpressen. Seine Leiche liegt in meinem Schlafzimmer. Sie werden den Toten verschwinden lassen.“
„Ich werde nichts dergleichen tun“, sagte Bount ruhig. „Sie sollten endlich die Polizei informieren. Sonst muss ich das übernehmen.“
„Das hast du nun davon!“, sagte Leslie Harper zu ihrer Freundin.
Joyce Finch zuckte mit den Schultern. „Du bist seine Klientin. Er kann dich nicht in die Pfanne hauen, davon werde ich profitieren. Außerdem spielt er sich nur auf. Er bemüht sich, den Schein zu wahren. Reiniger ist käuflich wie alle anderen. Es ist nur eine Frage des Preises. Also gut – handeln wir ihn aus!“
„Mrs. Harper hat mir eine Komödie vorgespielt“, sagte Bount. „Unter diesen Umständen sehe ich mich außerstande, weiterhin ihre Interessen zu wahren.“
„Er meint es ernst“, sagte Leslie Harper.
„Dann“, erklärte Joyce Finch und zog mit raschem Griff ihre Pistole unter dem losen Sitzkissen des Sessels hervor, „müssen wir die Konsequenzen ziehen. Es spielt schließlich keine Rolle, ob wir dem Meer eine oder zwei Leichen anvertrauen.“
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Bount grinste. Das Grinsen fiel ihm nicht leicht. Er spürte, dass Joyce Finch eine sehr merkwürdige Einstellung zum Wert des menschlichen Lebens hatte. Er schätzte die Entfernung ab. die zwischen ihm und der Waffe in Joyces Hand lag und kam zu dem Schluss, dass er sie nicht einmal mit einem Panthersprung überbrücken konnte.
„Ich bin Profi“, sagte er. „Nach den Schüssen habe ich nicht nur mit Ihnen telefoniert. Man weiß, wo ich mich im Augenblick befinde.“
„Er blufft“, sagte Joyce Finch.
„Da bin ich mir nicht sicher“, meinte Leslie Harper mit schmal gewordenen Augen.
„Was wird hier gespielt?“, fragte Bount.
Joyce Finch lachte höhnisch. „Der große Detektiv! Er ist noch immer nicht dahintergekommen.“
„Lege die Pistole aus der Hand, bitte“, drängte Leslie Harper. Ihre Lippen zuckten nervös. „So kann es einfach nicht weitergehen, Joyce. Wir wollten ein Syndikat gründen, keine Killerclique!“
„Wir haben uns geschworen, vor nichts zurückzuschrecken“, sagte Joyce Finch. „Vor nichts! Was Männer fertigbringen, schaffen wir auch, nur machen wir es besser, das hast du selber gesagt, nicht wahr? Und wir haben dir applaudiert!“
„Du hast das falsch verstanden“, meinte Leslie Harper gequält. „Ich wollte es diesen Kerlen zeigen, sicher, aber doch nicht so! Ich wollte vor allem gerissener sein als sie – nicht unbedingt brutaler!“
„Wenn du nicht brutaler als sie sein kannst, hast du verloren, dann haben wir alle verloren, das muss dir doch klar sein“, meinte Joyce Finch.
Bount löste sich von der Wand. Er machte einen Schritt nach vorn. Joyce Finch riss die Waffe hoch, ihr Finger erreichte den Druckpunkt des Abzugs, sie zielte geradewegs auf Bounts Herz. „Stehenbleiben!“, sagte sie scharf. „Noch eine Bewegung und ich ziehe durch!“
Bount stoppte. Er sah, dass die junge Frau es ernst meinte. Leslie Harper erhob sich. Sie streckte die Hand nach der Waffe aus.
„Gib sie mir, bitte!“
„Willst du ihn umlegen?“
„Ich will, dass wir mit diesem Unsinn Schluss machen“, sagte Leslie Harper.
„Das ist Verrat, wir können nicht mehr zurück“, meinte Joyce Finch. „Für uns gibt es nur eines: die Flucht nach vorn.“
„Gib mir die Pistole, los!“
„Seien Sie vorsichtig“, warnte Bount. Er spürte, dass Leslie Harper sich in tödlicher Gefahr befand und nicht bereit war, sich ihr zu entziehen. Alles in ihm drängte danach, das Ganze in den Griff zu bekommen, aber Joyces Finger am Druckpunkt und die beherrschte, eisige Kälte in ihrem Wesen ließen es nicht geraten erscheinen, in diesem Moment etwas zu unternehmen.
„Wir werden ihm alles erklären“, sagte Leslie Harper. „Er kann, er wird uns helfen.“
„Du hast gehört, was er sagte!“
„Ich nehme das nicht ernst“, meinte Leslie Harper.
„Du bist eine Närrin. Dich muss man vor vollendete Tatsachen stellen“, erklärte Joyce Finch. „Ich lege ihn um!“
Sie zielte. Für den Bruchteil einer Sekunde glaubte Bount die Gewissheit zu haben, dass er verloren hatte, dass alles aus und vorbei war, aber dann geschah das Unerwartete und zugleich Entsetzliche: Leslie Harper warf sich der Freundin entgegen, und Joyce Finch drückte ab.
Leslie Harper brach zusammen wie vom Blitz getroffen.
Bount schnellte nach vorn. Mit einem Handkantenschlag fegte er der jungen Frau die Pistole aus der Hand. Joyce Finch stieß einen Schrei aus, gemischt aus Wut und Schmerz, sie umklammerte ihr Handgelenk und fiel zurück in den Sessel.
Bount hob die Waffe auf, schob sie in seine Tasche und beugte sich über Leslie Harper. Sie lebte noch. Er sprang zum Telefon, wählte die Telefonnummer und sagte: „Sofort eine Ambulanz mit Arzt zum Hause Battery Park 11.“ Er ließ sich die Adresse bestätigen, dann legte er auf.
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Bount Reiniger verstand noch immer nicht alles, was geschehen war, aber er fing an, die Hintergründe der Ereignisse zu begreifen.
Battery Park, seine Vornehmheit, sein Reichtum und die Zwänge seiner Umgebung hatten drei junge Frauen zu Kriminellen werden lassen. Sie hatten die luxuriöse Öde ihres Daseins mit explosiver Spannung anfüllen und ihre Langeweile mit der eher absurden als originellen Idee töten wollen, ein von Frauen geleitetes Syndikat zu gründen.
Es schien, als habe Joyce Finch seine Gedanken erraten. Sie starrte immer noch ins Leere, als sie leise sagte: „Was wissen Sie denn von uns? Was wissen Sie von den Demütigungen, die wir ständig hinnehmen müssen? Es gibt Leute, die uns beneiden. Die Goldpuppen vom Battery Park! Ich sage Ihnen, wie es wirklich ist. Man hält uns wie Vögel im Käfig, auch wenn es so scheint, als hätten wir alle Freiheiten. Unsere Männer lieben das Geld, den Erfolg, ihren Beruf. Uns lieben sie nicht. Wir sind für sie nur Aushängeschilder, ein Stück Repräsentation. Sie geben an mit uns, aber in Wahrheit halten sie uns für dumm und untüchtig, für Menschen zweiter Klasse. Ist es da ein Wunder, dass sich in uns Sprengstoff ansammelte – der Wille, es den Männern zu zeigen, der ganzen, verdammten Welt, die ein solches Männerregime zulässt?“
„Für Mord gibt es keine Entschuldigung“, sagte Bount und kniete sich neben Leslie Harper auf den Boden.
„Wer hat Jessica Thorpe auf dem Gewissen?“, fragte Bount. Er drehte die Verletzte behutsam auf die Seite. Leslie Harper stöhnte. Sie hielt die Augen geschlossen. Die Kugel war knapp eine Handbreit unterhalb der rechten Schulter in den Körper eingedrungen. Die Wunde blutete nur mäßig, es bestand keine Lebensgefahr.
Joyce Finch antwortete nicht. Sie kaute auf der Unterlippe herum und war sichtlich bemüht, eine schwierige Entscheidung zu treffen.
Bount richtete sich auf. „Jessica war eine von Ihnen, nicht wahr? Genau wie Leslie. Gibt es noch andere?“ Er wartete keine Antwort ab, ließ sich in einen Sessel fallen und meinte: „Eine von Ihrer Gruppe war mit Bill Correggio liiert. Seine Geliebte bekam nicht nur Einblick in das Syndikatsgeschäft, sie bekam auch Lust, es besser zu machen – ohne Correggio. Natürlich brauchte sie Hilfe, professionelle Unterstützung. Deshalb machte sie sich an Correggios vitale Sekretäre heran. Die zogen mit und legten ihren Boss um, weil sie meinten, mit den Krallenengeln vom Battery Park besser zurechtzukommen. Ich wurde in das Ganze nur hineingezogen, weil man einen Sündenbock brauchte, einen ‚Mörder', dem man Correggios Tod anhängen konnte.“
„Sie irren sich.“
„Ich lasse mich gern belehren.“
„Keine von uns war Correggios Geliebte“, sagte Joyce Finch. „Wir haben ihn nicht einmal gekannt.“
Bount hob überrascht die Augenbrauen. Er spürte, dass die junge Frau die Wahrheit sagte, hatte aber keine Ahnung, was noch kommen würde.
Es geschah nicht sehr häufig, dass seine Kombinationsgabe ihn im Stich ließ, aber diesmal tappte er buchstäblich im Dunkeln, er war ratlos.
„Jessica hatte ein Verhältnis mit Konstantin Andreous“, sagte Joyce Finch und schenkte sich einen Cognac ein. Anscheinend hatte sie beschlossen, reinen Tisch zu machen. Bount begriff, dass Joyce Finch keineswegs edle Motive leiteten. Sie wollte nicht ihr Gewissen erleichtern, sie wollte ihn zu ihrem Komplizen machen. Sie glaubte, dass sie dieses Ziel nur mit rückhaltloser Offenheit erreichen könne.
„Andreous?“, murmelte Bount.
„Ja, Andreous. Ein mächtiger Mann, der jedoch von der Ölkrise hart getroffen wurde und mit seiner Tankerflotte plötzlich ins Minus geriet. Andreous ist kein Mann, der sich sein Geld auf dem Bankenmarkt holt, er weiß um bessere Quellen. Er nimmt seinen Kredit dort auf, wo enorme Schwarzgeldsummen existieren, Gelder also, von denen der Fiskus nichts wissen darf. Bill Correggio besaß solche Gelder. Er verlieh sie auch an Andreous. Jessica Thorpe war zu diesem Zeitpunkt nicht nur Andreous Geliebte, sondern auch seine Vertraute. Sie verfolgte seine Manipulationen und lernte dabei eine Menge über die krummen, ungesetzlichen Geschäfte des Reeders und seines Kreditgebers. Eines Tages machte sich einer von Correggios Sekretären an sie heran.“
„Brother?“, fragte Bount.
„Nein, der Dunkelhaarige. Clark Latham“, erwiderte Joyce Finch. „Latham hatte den Auftrag, Jessica als Spitzel zu gewinnen, denn Correggio wollte verständlicherweise wissen, wie sein Geld arbeitete und ob er die Kreditzinsen erhöhen konnte. Jessica wurde zur Doppelagentin. Es machte ihr Spaß, mit der Gefahr zu hantieren. Sie schlief mit Latham. aber auch mit Andreous. Eines Tages beschloss Jessica, aus ihren Kenntnissen einen Profit besonderer Art zu schlagen.“
„Sie verband sich mit Latham und dessen Freund Brother, weihte Leslie und Sie in ihren Plan ein und beschloss, ein von ihr geführtes Syndikat zu gründen. Mit anderen Worten: Sie wollte sich an Correggios Stelle setzen.“
„Ich weiß, dass das phantastisch klingt, aber inzwischen war vieles geschehen“, nickte Joyce Finch. „Latham hatte sich hoffnungslos in Jessica verknallt. Er war bereit, ihren Plänen zu folgen und brachte es fertig, auch Dennis Brother für den Plan zu gewinnen.“
„Andreous erfuhr davon und beschloss, sich von seiner ungetreuen Geliebten zu trennen.“
„Ja. Er kaufte sich für diesen Zweck ein paar Killer – Winter und Hamish“, sagte die junge Frau.
„Als Konstantin Andreous beschloss, Jessica aus dem Verkehr zu ziehen, wähnte er sich in einer fabelhaften Position“, meinte Bount. „Jessica hatte aus begreiflichen Gründen ihr Verhältnis zu ihm wie eine geheime Kommandosache behandelt ...“
„Stimmt, nur Leslie und ich wussten Bescheid“, fiel ihm Joyce Finch ins Wort.
„Gleichzeitig hatte sich Jessica mit Clark Latham eingelassen. Andreous zog daraus seinen Nutzen. Er ließ das Ganze so aussehen, als habe Correggio Wind von Jessicas Verschwörung bekommen und Jessicas Ermordung befohlen. Ich bin sicher, dass der Reeder einige Tricks anwandte, um Jessica in diesem Glauben zu bestärken. Jessica fühlte sich schließlich tatsächlich allein von Correggio bedroht, aber in Wahrheit war es Andreous, der ihr nach dem Leben trachtete.“
„Jessica, Leslie und ich haben versucht, dahinterzukommen“, sagte Joyce Finch. „Wir unternahmen alle Anstrengungen, um das Rätsel zu lösen, aber anfangs glaubten wir genau wie Jessica, dass nur von Correggio Gefahr drohte.“
„Was sagte Latham dazu?“
„Er fühlte sich verunsichert, genau wie Brother, aber auch die beiden wussten nicht genau, was gespielt wurde. In dieser Situation fassten sie den Entschluss, Correggio zuvorzukommen. Sie, Bount Reiniger, waren dazu ausersehen, den beiden als Alibi zu dienen.“
„Kam Jessica nur deshalb zu mir?“ „Nein, sie wurde von Andreous geschickt. Er hatte Jessica suggeriert, dass sie sich an einen prominenten Privatdetektiv wenden müsse, der imstande sei, sie gegen Correggios Mordpläne abzusichern. Andreous brachte Jessica persönlich zu Ihrem Office. Er konnte nicht wissen, dass Leslie und ich im Hintergrund lauerten. Wir wünschten herauszufinden, was gespielt wird. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, dass Andreous ein paar Gangster gechartert hatte, Winter und Alec Hamish. Wir wussten auch nicht, dass Andreous, der Jessicas Gepflogenheiten genau kannte, die Beruhigungstabletten in Jessicas Pillenschachtel gegen ein hochgiftiges Konzentrat vertauscht hatte.“
„Jetzt ist alles klar“, sagte Bount. „Winter und Ashley hatten den Auftrag, jedwede ärztliche Hilfe zu unterbinden. Sie wussten, dass es einen Arzt im Hause gab, und sie waren zur Stelle, als Dr. Stiller helfend einzugreifen versuchte. Aber warum ließ Jerry Winter Jessicas Handtascheninhalt mitgehen, warum drang er in ihr Haus ein?“
„Um Beute zu machen, aus keinem anderen Grund“, sagte Joyce Finch bitter. „Ich nehme an, dass er sich dafür von Konstantin Andreous, seinem Auftraggeber, vorher das Okay holte.“
„Was ist mit Bruce Copper?“
„Den hatten wir nach langem Suchen engagiert als Bodyguard, aber auch als Mann, von dem wir wussten, dass er vor nichts zurückschrecken würde. Die Bedrohung, der Jessica sich ausgesetzt fühlte und die von Andreous geschickt geschürt wurde, konnte nur von einem Profi wie Copper gestoppt werden – glaubten wir jedenfalls.“
„Er war dabei, als Jessica mich Im Office besuchte?“, fragte Bount.
„Ja, und er war es auch, der Hamish und Winter folgte und schließlich dahinterkam, für wen die beiden arbeiteten. Es war so einfach! Winter traf sich mit Andreous in einem kleinen Restaurant und nahm einen dicken Briefumschlag mit Geld entgegen. Nun wussten wir Bescheid. Wir gaben Copper den Auftrag, Winter und Hamish zu erledigen. Das waren wir Jessica schuldig. Es war ein Akt der Rache und der Gerechtigkeit.“
„Ich fürchte, die Gerichte werden anders darüber denken“, meinte Bount. „Immerhin kann ich mir jetzt zusammenreimen, was Leslie Harper so kurz nach Jessicas Tod in mein Office brachte. Leslie Harper wünschte herauszufinden, was es gegeben hatte, gleichzeitig wollte sie mit ihrem ‚Auftrag' erreichen, dass ich sowohl Bill Correggio als auch Konstantin Andreous verunsichere.“
„Vor allem ging es darum, Sie in Correggios Office zu locken“, sagte Joyce Finch. „Sie wissen jetzt, weshalb.“
Es klingelte. Bount stand auf. „Das wird der Notarztwagen sein“, sagte er und ging hinaus.
Er hatte recht. Der Arzt und zwei Sanitäter kamen mit einer Bahre herein. Leslie Harper hatte das Bewusstsein verloren. Der Arzt untersuchte die Verletzte, legte einen Notverband an und gab Anweisungen, wie die junge Frau auf die Bahre zu betten sei.
„Ist die Polizei schon verständigt?“, fragte er dann.
„Ich erledige das“, sagte Bount und zückte seine Lizenzkarte. Der Arzt nickte und verließ hinter den Sanitätern mit ihrer Bahre das Haus.
„Sie müssen mir helfen“, sagte Joyce Finch.
„Ihnen kann nur ein Anwalt helfen.“
„Ich bin reich. Wenn wir zusammenhalten, bringen wir alles ins Lot. Wir werfen Copper ins Meer und nehmen Andreous aufs Korn. Latham und Brother werden uns dabei helfen. Verdammt, wir stehen vor dem Ziel, ein ganzes Syndikat wartet nur darauf, von uns übernommen zu werden ...“
„Sie sind verrückt“, sagte Bount. „So verrückt wie Jessica Thorpe, Leslie Harper, Clark Latham und Dennis Brother. Was haben sich Correggios Männer bei dem Ganzen gedacht? Latham und Brother sind Insider. Sie müssen wissen, dass es keine isoliert arbeitenden Syndikate gibt. In dieser mörderischen Branche kann nur derjenige bestehen, der von den Großfamilien der Mafiosi geduldet wird.“
„Dennis Brother war immerhin so etwas wie Correggios rechte Hand“, sagte Joyce Finch. „Die Cosa Nostra wird ihn als Nachfolger akzeptieren. Damit hätten wir ein Aushängeschild. Das genügt. Die Fäden ziehen wir, die Geschäftsgrundlage existiert – wir führen einfach Correggios Organisation weiter. Mann, Reiniger, das ist eine einmalige Chance für Sie, groß herauszukommen! So etwas bietet sich ihnen im Leben kein zweites Mal.“
Er schaute sie an. Glaubte sie tatsächlich, was sie sagte? „Da ist ein Punkt, den ich nicht verstehe“, meinte er. „Warum hat Correggio Latham und Brother nicht hochgehen lassen? Er muss doch gewusst oder geahnt haben, dass es Jessica gelungen war, die beiden Männer auf ihre Seite zu ziehen.“
„Er hat es nicht gewusst. Schließlich war es Correggio, der Latham auf Jessica ansetzte. Es sieht ganz so aus, als sei Correggio gestorben, ohne von Lathams Doppelspiel erfahren zu haben. Als Latham oder Brother auf ihn schossen, wusste er natürlich Bescheid, aber da war es zu spät für ihn. Ist das nicht wundervoll? Correggio ist an der Kröte erstickt, die er selbst aussetzte.“
Bount erhob sich. Er ging zum Telefon. Es wurde Zeit, die Polizei zu verständigen. Joyce Finch sprang auf. Sie begriff, was er vorhatte. „Nein, das werden Sie nicht tun, das nicht!“, stieß sie mit scharfer Stimme hervor und ballte die Fäuste.
Bount nahm ungerührt den Hörer ab. „Es wird Zeit, die Mordkommission zu verständigen“, stellte er fest. „Sie werden mich nicht daran hindern.“ Joyce Finch gab einen seltsamen Laut von sich, dann stürzte sie sich auf Bount. Sie entriss ihm den Hörer und versuchte das Kabel aus der Verankerung zu reißen. Bount stieß sie zurück. Die junge Frau ging erneut auf ihn los, buchstäblich zähnefletschend. Sie biss und kratzte, sie trat nach ihm. Bount schüttelte sie ab wie ein lästiges Insekt. Sie fiel zurück in den Sessel, keuchend.
„Ich hasse Sie!“, stieß sie hervor. „Wenn ich die Aussage verweigere – und das werde ich tun! – kommen Sie keinen Schritt weiter.“
„Ich habe die ganze Geschichte gehört und werde sie dort abspulen, wo man sie braucht, bei Captain Rogers, dem Leiter des Morddezernates“, sagte er.
„Dieser Captain ist kein Narr“, meinte Joyce Finch schweratmend. „Er wird sich ein paar Gedanken über Ihre Behauptungen machen und zu dem Schluss kommen, dass Sie sich damit von Correggios Ermordung freikaufen wollen. Ich jedenfalls werde bestreiten, auch nur ein Wort von dieser wilden Story erzählt oder gewusst zu haben.“
Bounts Mundwinkel zuckten schwach. Er hatte es satt, seine Zeit mit nutzlosen Redereien zu vergeuden. Während er die Nummernscheibe drehte, dämmerte ihm, dass es schwer und gefährlich sein würde, Konstantin Andreous als Hauptschuldigen festzunageln. Es war nicht die einzige Aufgabe, die sich ihm und der Polizei stellte, auch Clark Latham und Dennis Brother mussten einer gerechten Bestrafung zugeführt werden.
Die Sache hatte nur einen Haken.
Es gab niemand, der bereit gewesen wäre, sich als Zeuge zur Verfügung zu stellen. Der Großreeder hatte für sämtliche Tatzeiten ein Alibi, und Bruce Copper, der die Geldübergabe an Jerry Winter beobachtet hatte, war tot. Erschossen von seiner Auftraggeberin Joyce Finch.
Nur Leslie Harper bot Anlass zu schwacher Hoffnung. Sie war von Joyce Finchs Pistolenschuss niedergestreckt worden und nur durch Zufall dem Tode entronnen.
Es lag nahe, zu glauben, dass Leslie Harper aus diesem Geschehen ihre Konsequenzen ziehen und sich auf die Seite des Rechtes stellen würde, aber natürlich existierte auch die Möglichkeit, dass sie es vorziehen würde, jede Aussage zu verweigern.
Ohne Zweifel, Leslie Harper bildete ein Problem für sich. Sie war gefährdet.
Joyce Finch würde vermutlich bemüht sein, die ehemalige Freundin mit allen Mitteln zum Schweigen zu bringen. Wenn Joyce Finch es schaffte, auf freiem Fuß zu bleiben, würde sie sicherlich versuchen, Leslie Harper endgültig aus dem Verkehr zu ziehen, sie konnte dabei der Unterstützung von Andreous, Latham oder Brother gewiss sein.
Leider sprach vieles dafür, dass man ihr, der Frau eines Prominenten, die Behauptung von der Notwehrsituation abnehmen würde – dies umso mehr, als Bruce Copper sicherlich vorbestraft gewesen war.
Joyce Finch hatte also eine reelle Chance, nach kurzer Verhaftung und Vernehmung gegen Kaution auf freien Fuß gesetzt zu werden. Das bedeutete tödliche Gefahr für Leslie Harper, es gab ihm aber auch Zeit, die notwendigen Gegenmaßnahmen einzuleiten.
Der Teilnehmer meldete sich. „Captain Rogers, bitte“, sagte Bount.
Bounts Office-Apartment befand sich in einem Wolkenkratzer im Herzen von Manhattan. 7th Avenue 1133, Ecke 54th Street, West. Als er dort eintraf, war es ein Uhr morgens. Er sah. dass hinter den Fenstern seines Büros noch Licht brannte und fragte sich, was June bewogen haben könnte, bis jetzt die Stellung zu halten.
Ihm fiel ein, dass Latham und Brother seinen Revolver aus dem Büro gestohlen hatten. Vermutlich hatten sie, um dieses Ziel zu erreichen, die Tür aufgebrochen, und June war es nicht gelungen, binnen weniger Stunden einen Handwerker zum Erneuern des Schlosses aufzutreiben.
Er parkte den silbergrauen 450 SEL in der Tiefgarage, fuhr mit dem Lift nach oben und verspürte plötzlich einen mordsmäßigen Hunger. Ihm fiel ein, dass die Turbulenz des Tages ihm keine Zeit zum Essen gelassen halte und er nahm sich vor, sein Tiefkühlfach um ein hübsches Steak zu erleichtern.
Er betrat sein Office keineswegs forsch, sondern begutachtete erst einmal das tatsächlich aufgebrochene Schloss, dann schob er mit dem Fuß die Tür zurück. Im Vorzimmer brannte Licht.
„He, June?“, rief er.
Niemand antwortete. Er durchquerte den Raum und öffnete die Tür zu seinem Office. An seinem Schreibtisch saß ein Fremder und stocherte sich mit einer zurechtgebogenen Heftklammer zwischen den tabakbraunen, erneuerungsbedürftigen Zähnen herum. „Na, endlich“, sagte er. „Was hat Sie bloß so lange aufgehalten?“
Bount trat über die Schwelle und bereute im nächsten Moment, diesen spontanen Schritt getan zu haben. Hinter ihm rührte sich etwas. Kein Zweifel, ein zweiter Mann hatte neben der Tür gelauert.
Wo war June?
Bount schaute sich nicht um. Er war unbewaffnet. Joyce Finchs Pistole befand sich inzwischen bei den von der Mordkommission sichergestellten Beweisstücken.
„Wer sind Sie. was tun Sie hier?“, stieß Bount hervor. Der Mann am Schreibtisch stand auf. Er war fast so groß wie Bount und mit den Muskelpaketen eines Proficatchers bepackt. Diese Kraft machte ihn auf dümmliche Weise selbstsicher, er kam spöttisch hinter dem Schreibtisch hervor, leicht geduckt und mit bösartig funkelnden, braunen Augen, die dicht beieinanderstanden und erkennen ließen, dass er keineswegs hergekommen war, um Bounts berufliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können.
Bount warf einen kurzen Blick über seine Schulter. Auch der zweite Typ machte nicht den Eindruck, als ob man sich mit ihm gütlich einigen könnte. Er war knapp über die 30 und hatte die platte Nase eines Mannes, der stolz darauf ist, als Schlägertyp eingestuft zu werden.
Bount machte einen raschen Schritt zur Seite und kehrte seinen Rücken zur Wand. Die beiden Männer grinsten. Der Plattnasige baute sich vor der Tür auf und schnitt Bount den Fluchtweg ab. aber Bount hatte keineswegs die Absicht, vor den Männern zu türmen.
„Wir sind Ihre Freunde, Meister“, sagte der Mann, der den Schreibtisch verlassen hatte. Er war ebenfalls um die 30 und hatte ein schmales Gesicht mit einem Menjoubärtchen. Seine fadenscheinige Eleganz und die Art, wie er sich bewegte, ließen ihn noch unsympathischer erscheinen als den Mann mit der Schlägernase.
„Das höre ich gern“, sagte Bount und spannte die Muskeln. Er wusste, dass es Ärger geben würde, sogar großen Ärger, und war entschlossen, daraus die Konsequenzen zu ziehen. Gegen Gangster dieses Schlages empfahl es sich nicht, die Regeln der Fairness zu achten. Hier ging es um Sieg oder Vernichtung, und gewinnen konnte nur derjenige, der schneller, härter und brutaler handelte als der Gegner.
Der Mann blieb stehen, auf wippenden Füßen. „Zur Freundschaft gehört es auch, einprägsame Lektionen zu erteilen – schließlich sind sie das beste Mittel, die beabsichtigte Wirkung zu erzielen“, höhnte der Mann, „es ist wie mit einem Vater, der den Sohn schlägt – gewissermaßen aus Liebe“, fügte er hinzu.
„Mir kommen gleich die Tränen“, sagte Bount und schnellte nach vorn. Seine Faust explodierte wie ein Schuss aus der Hüfte. Sie traf den Solarplexus seines Gegners. Der ging in die Knie. Bount wirbelte herum, gerade rechtzeitig, denn der Schlägertyp hatte sich nicht damit aufgehalten, eine Schrecksekunde zu vergeuden. Er griff mit beiden Fäusten an.
Bount traf sofort ins Schwarze, aber der Plattnasige zeigte keine Wirkung, allenfalls die, dass er wütend schnaufte und die Wucht seiner Schläge steigerte. Es kam, wie Bount es erwartet hatte. Bevorzugtes Ziel der Schlägerfäuste war die Zone unterhalb der Gürtellinie.
Bount blockte die Attacken seines Gegners ab, so gut es ging und schaffte es binnen weniger Sekunden, aus der Defensive in die Offensive zu gehen. Jetzt war der Plattnasige gezwungen, sich zu verteidigen, sichtlich verblüfft, denn er war es offenbar gewohnt, in einer solchen Situation das Geschehen zu diktieren.
Bount setzte ihm erneut die Rechte auf den Punkt. Der Mann mit der flachen Nase wankte, aber seine Fäuste hörten nicht auf, zu wirbeln. Es schien fast so, als könnte ihn nichts und niemand von den Beinen holen. Seine Treffer blieben brandgefährlich und verloren nur wenig von ihrer Brisanz.