Kitabı oku: «Augenzeugenbericht des Häftling Nr. 738 im KZ Buchenwald 1937–1945», sayfa 4
Als ich mit Paul darüber sprach, riet er mir trotz meiner erst 16 Jahre es zu tun. Mir gefiel der „falsche“ Ratschlag meines Bruders zum damaligen Zeitpunkt recht gut. Stand doch eine Entscheidung in meinem jungen Gehirn noch auf der Kippe. Sein Rat hat mir gefehlt. Er war letztendlich der Auslöser es zu tun. Um ihn nachzueifern? So zu werden wie er? Wie bei den Bewaffneten Verteitigungskämpfen am Annaberg? Mutter und Hilde waren strickt dagegen. Auch sauer auf Paul. Hilde fragte mich noch, ob ich einen Vogel hätte. Überlege einmal, wie alt du bist. Überlege einmal, was dir da alles passieren kann, Alfred, das ist kein Spiel! Aber ich war damals, trotz vieler Warnungen, vielleicht auch weil ich in der Pubertät war und dadurch stur, beflügelt durch Pauls Worte, unbelehrbar. Es war die Sehnsucht nach Abenteuer oder man wollte als Jugendlicher ganz einfach mal raus aus seiner Haut. Als Jugendlicher denkt man schnell, man verwirklicht sich einen Traum. Der Traum sich aber genau so schnell zum Albtraum entwickeln kann, schneller als man es sich vorstellen kann. War für den Beitritt zum Selbstschutz, Bielschowitz und unsere Heimat der Auslöser! So kann ich außer Abenteuerlust für den Eintritt in die schwarze Reichswehr keinen vernünftigen Grund für mich erkennen. In nachhinein fällt es mir schwer eine Erklärung für diesen Schritt zu deuten. Ich hakte ihn ab unter „Fehler, die man nur einmal im Leben macht.“ Willi kam nicht mit, er wollte zwar, aber der Einfluss von Hilde, sie waren mittlerweile ein Paar geworden, auf ihn war schon stark genug, um es zu verhindern. Gott sei Dank! Bis zu meinem Abgang zur schwarzen Reichswehr hat sich am Tagesablauf in Hindenburg nicht mehr viel geändert. Außer das wir in der Wolfgang-Grube in Schichten arbeiteten. Von 6.00 – 14.00 Uhr Frühschicht, 14.00 – 22.00 Uhr Spätschicht und von 22.00 – 6.00 Uhr Nachtschicht. Sonst verbrachten wir den Tag im Wald, in der Zentrale oder wir gingen einfach ins Kino oder ins Cafe. Wie schon gesagt, eher durch Zufall nahm ich im Oktober 1923 am niedergeschlagenen Küstriner Putschxi der Schwarzen Reichswehr teil. Aber das war mir alles zum damaligen Zeitpunkt völlig unbekannt. Auch die 7 anderen Hindenburger Jugendlichen, die im September mit mir zusammen im Auto nach Küstrin gefahren wurden, hatten von den politischen Motiven die hinter dem Putsch standen, nicht die geringste Ahnung. Woher sollten wir dieses Wissen auch haben. Für uns war der Putsch nichts Aufregendes. In Grunde genommen haben wir, außer ein paar kleinen Aufregungen, von der ganzen Sache nichts mitbekommen. Wir waren vor Küstrin untergebracht und mussten am 3. Oktober unsere Waffen wieder abgeben, die wir kurzzuvor, bei unserer Ankunft, erhalten hatten. Damit war der Putsch vorbei, ohne dass er für uns überhaupt richtig begonnen hatte. Nach der Entwaffnung sprach ein Feldwebel, sein Name war Voß, mit jedem, ob wir nicht zur Arbeitsgemeinschaft Rossbach nach Mecklenburg wollten. Die meisten sagten zu, ich auch, denn ich war zu stolz, um nach dieser kurzen Kampfepisode gleich wieder nach hause zu fahren. Voß redete irgendetwas über, er hätte von uns auch nichts anderes erwarte und der Kampf wird weitergehen. So kam ich, mit noch 8 anderen, als Freiarbeiter auf einen „Gutshof irgendwo bei Alt Schwerin“. Nordöstlich vom Plauer See in Mecklenburg gelegen. Hier sollte ich, am Anfang noch unbewusst, die Gelegenheit erhalten 2 Jahre und 2 Monate lang eine Keimzelle des Faschismus zu studieren. Feldwebel Voß wurde unser Arbeitsgruppenleiter. Er wohnte in einem nahe gelegenen Dorf, war dort verheiratet und hatte einen Sohn und eine Tochter. Feldwebel Voß, EK2 Träger des 1. Weltkrieges, war von Kopf bis Fuß Soldat und auf Krieg eingestellt. Sollte dieser Mensch mal keine „Feinde“ mehr haben, so machte er sie sich eben. Irgendwo fand dieser Mensch immer welche. Und wir sollten zu seinem willigen Fußvolk heranwachsen. Seine kleinen Pappsoldaten werden. Das war sicher auch der Hintergedanke zur Bildung solcher Arbeitsgemeinschaften, denn die Bildung von paramilitärischen Organisationen war verboten wurden. Man ließ sich etwas einfallen, um für die Zukunft zu Planen. Die wirtschaftliche Lage war schlecht, Arbeit gab es wenig, und so köderte man genug williges Fußvolk um es zu beeinflussen. Wir, 9 Freiarbeiter, wurden in einen umgebauten Stall auf dem Gutshof einquartiert. Es war sehr spontan, aber die Gegend war herrlich, viel Wald und der herrliche Plauer See. Man konnte viel wandern und baden, wenn man nicht auf dem Feld oder im Stall arbeiteten musste. Und noch einen kleinen Vorteil hatte das Quartier in Alt Schwerin, zumindest für mich, der Gutsherr hatte einige Bücher hier eingelagert. Er dachte bestimmt, die können sowieso nicht lesen, die Bauerntrampel. Trotzdem fragte ich ihn, ob ich seine Bücher lesen dürfte, und er sagte „wenn die Arbeit nicht darunter leide, habe er nichts dagegen.“ Und so las ich das erste Mal in meinen Leben richtig viel. Es war zwar viel Schund dabei, aber auch einige Raritäten von Bebel, Rosa Luxenburg und über den Spartakusaufstand während der Römerzeit. So hat er ungewollt meine Bewusstsein mit Fragen konfrontiert, die ich mir bis zum lesen dieser Bücher nie gestellt hätte. Die Arbeit auf dem Feld und im Stall war zwar hart, aber durch meine Kaninchen- und Hühnererfahrungen hatte ich einen Vorteil gegenüber den anderen, die alle noch nie auf dem Feld arbeiteten, geschweige etwas mit Tieren zu tun hatten. Und da war noch etwas, der wichtigste Grund, der mich hat hier so lange festgehalten. Die Tochter von Feldwebel Voß. Sie arbeitete in der Küche des Gutshofes und wir hatten sofort ein Auge füreinander. Ich fühlte mich sofort zu ihr hingezogen und spürte auch keine Abneigung ihrerseits. Sie war zwar schon 17 Jahre, und hieß Bärbel. Zu jeder Essenszeit sahen wir uns und jeder hatte für den anderen ein Lächeln übrig. „Ohh, die macht mich fertig!“, dachte ich mir. Nicht nur ich hatte ein Auge auf sie, alle hier waren von ihr begeistert. Ihr Gesicht war nahezu perfekt. Sie hatte kurzes mittelblondes Haar, ihr Gesicht war wohl geformt, aus dem lustige blaue Augen schauten. Der Kopf war nicht zu dick und nicht zu dünn, die Anordnung von Mund, Nasse, Ohren, alles stimmte bis aufs I-Tüpfelchen. Wenn sie lächelte, zeigte sie ihre schönen weißen Zähne. Die Schürze, die sie meist trug, lag immer eng an ihren wohlgeformten Körber. Ihre Brüste waren deutlich zu erkennen. Wenn wir uns zum Essen trafen, suchten wir beide die Nähe. Berührten wir uns zufällig, hatte ich das Gefühl, dass Stromstöße durch meinen Körper fahren. Komisch wir berührten uns sehr oft. Alle wollten sie, aber nur ich bekam sie. Wir kamen langsam ins Gespräch, sie sagte mir, sie sei 17. Irgendwann fragte ich sie erst einmal nach ihrem Namen. Ich könne sie Bärbel nennen, meinte sie. Stück für Stück entstand eine richtige Jugendliebe zwischen uns. Am Anfang trafen wir uns immer heimlich am See und gingen spazieren. Vor allem ihr Vater durfte nichts davon wissen. Ich musste ihr vom Bergbau, von Hindenburg, von Hilde, von Vater und Mutter und meinen Freunden erzählen. Ich erzählte ihr von den Kinobesuchen und dem Cafe. Sie war ein williger Zuhörer und ich ein guter Erzähler. War sie doch in ihrem bisherigen Leben noch nie in einem Kino, geschweige in einem Cafe, gewesen. Ihre einzigste Abwechslung waren die Spaziergänge am See, oder im Wald, oder die Arbeit auf dem Gut. Sie erzählte mir auch von Ihrer Familie, die Ihr Vater wie eine Kaserne führte, wo sie die Soldaten sind und er der General. Alles ging streng nach militärischen Regeln zu und wehe man verstieß dagegen. Die Zeit wo sie auf dem Gutshof arbeitet, ist die reinste Erholung. Sie hatte Angst vor Ihren Vater. Alle zu hause hatten Angst und waren froh, wenn er weg war, besonders die Mutter, die er oft schlug. Wann immer wir uns die kommenden Monate trafen, es war für uns nie langweilig oder kurzlebig. Wir konnten das nächste Mal kaum erwarten. Es reifte in uns ein außerordentliches aber unstillbares Liebesverlangen heran, welches sich im Frühjahr 1924 entlud. Sie zog mich auf eine Wiese am Seeufer, setzte mich auf eine Bank und bedeutete mir, sie zu lieben. Ich zögerte einen Moment, dann tat ich es. Sie beugte sich zu mir, dass sich unsere Wangen berührten. Ihr Atem wurde immer schneller. Die Haut glühte, genau wie meine. Sie schloss ihre Augen und das war der Moment um sie zu küssen. Meine Lippen berührten ihren Mund. Ich merkte, dass sie ihre Lippen ein wenig öffnete. Ich merke wie sie innerlich zu glühen anfing und ihre Haut sich veränderte. Sie wollte es, ich wollte es, wir wollten es. Es war für sie das erste Mal und es war für mich das erste Mal. Bärbel stöhnte, nein sie schrie das Glück, die Freude, die Lust aus sich heraus, ich auch. Nur gut, dass wir am See waren und uns keiner hören konnte. Ein unvergesslicher Moment der Erkenntnis und viele Augenblicke reinen Glücks. Als ob alles um uns herum vor Liebesglück seufzte, die Natur, die Menschen, die Tiere, die Bäume, der Himmel, wir haben einfach mitgeseufzt. Jedoch wurde es nur ein kurzes Seufzen. Unsere Liebesspiele brauchten wir beiden ab jetzt wie ein Drogenabhängiger seine Droge. Bekommt er sie nicht, stellen sich Entzugserscheinungen ein. So war es zwischen Bärbel und mir. Trafen wir uns, genossen wir sie ausgiebig in allen Varianten, so oft es unsere Kraft zuließ. Keiner wollte je wieder darauf verzichten. Die Zeit bis zum nächsten Treffen verging für uns unendlich langsam. Wir verlangten einander und es wurde uns nie langweilig. Selbst Regen und Kälte hielten uns nicht ab. Keiner von uns beiden konnte im Voraus ahnen, dass so etwas Schönes und Intensives zwischen uns möglich ist. Diese intensiven Gefühle der Liebe konnte ich später nie mehr so spüren. Zwischen uns stimmte in jeder Beziehung die Chemie, sie war nur auf uns beide abgestimmt. Wenn Feldwebel Voß einmal in seinen beschiessenen Leben etwas gut gemacht hat, dann war es seine Tochter Bärbel, wofür ich ihm heute noch dankbar bin. Aber nur dafür. Voß sollte später im 3. Reich, wie so viele aus der Arbeitsgemeinschaft Roßbach, eine Kariere in der SS beginnen, gerade er brachte viele notwendige Voraussetzungen dafür mit. Er redete ständig zu uns, dass an allem nur die Juden schuld haben. Die Juden sind der Untergang von Deutschland, waren seine ständigen Worte. Wenn ich ihn dann fragte, wo Juden in dieser Gegend sind, die ihm schaden, oder welche anderen Juden es sind, wurde er unsicher und reagierte sehr böse. Ich kenne christliche, deutsche und polnische Familien, keine jüdischen. Juden kenne ich nur aus dem Geschichtsunterricht. Ich kenne keine Juden, sagte ich ihm. Höchstens die Ladenbesitzer in Bielschowitz, aber da weiß ich auch nicht genau, ob es welche sind. Zumindest habe ich es irgendwo mal gehört. Aber sie gaben uns als Kinder manches Stück Schokolade ohne uns dabei zu schaden. Auch wüsste ich nicht, dass ein Jude mir meinen Vater nahm. Dieser Satz war in den Augen von Voß schon ein halber Verrat am Vaterland. Oder was meinen sie dazu Feldwebel Voß? Und ich war mit ihm noch nicht fertig. Schon oft wurde in der Geschichte der Menschheit, meist in wirtschaftlich schwieriger Situation nach einem Sündenbock gesucht. Er von oben nach unten geschaffen und so die eigene Unfähigkeit oder was weiß ich zu vertuschen. Ihm dem Volk so als Fraß vorzusetzen. Meist waren es die Juden, die an allem Schuld sind, aber es gibt auch genug andere Beispiele in der Geschichte! Geändert hat sich dadurch aber nie etwas! Das war zuviel für ihn. Wo in diesen Diskussionen mit ihm meine Argumente herkamen, weiß ich nicht mehr, vielleicht durch die Liebe zu seiner Tochter. Er konnte darauf nichts sagen, weil ihm die Argumente fehlten, oder er ganz einfach zu blöd war. Aber ich merkte bei solchen oder ähnlichen Diskussionen schon, dass er mich nicht leiden konnte, vielleicht sogar hasste. Widerspruch von unten war ihm fremd, den bekam er von den anderen Freiarbeitern nicht. Die lachten höchsten über die Diskussionen zwischen Voß und mir, aber auch nur wenn er es nicht sah. Auch schimpfte er ständig über die Polen, die Deutschland beraubt haben und dafür büßen werden. Auch hier sagte ich ihm, dass es solche und solche Polen gibt. Ich mit keinen Polen jemals ein Problem hatte, im Gegenteil, die die ich kenne wollten diese Entwicklung in Oberschlesien auch nicht. Dies soll aber nicht heißen, dass ich diese Entwicklung Widerstandslos billige. Deswegen ging ich ja zur Reichswehr, jedenfalls glaubte ich es damals noch. Die Diskussionen mit mir überforderten Voß und er konnte sie nur mit Gebrüll und einen gewissen Hass gegen mich beenden. Aber ich hatte Spaß daran, ihn zu kitzeln. Konnte ich ihn, für das was er Bärbel ständig antat, auf diese Art ein bisschen ärgern. Alle auf dem Gut bekamen langsam die Beziehung zwischen Bärbel und mir mit. Aber Gott sei Dank, nicht Voß. Ich war ja auch nur wegen ihr noch hier, sonst hätte ich längst die Zelte abgebaut. 1925, ich war im Mai 18 Jahre alt geworden, sie war 20, beschlossen wir zu heiraten. Wie unsere Wohnung einmal aussehen wird, wie wir glücklich leben werden, was wir alles unternehmen werden und können. Alles haben wir uns erträumt, alles haben wir uns ausgemahlt. Noch nie ist mir eine Entscheidung so leicht gefallen. Bärbel zu heiraten. Ich habe Mutter und Hilde von Bärbel und mir geschrieben, auch von unseren Hochzeitsplänen. Sie wünschten uns viel Glück und freuten sich schon darauf Bärbel kennen zu lernen. Bärbel sich natürlich auch auf sie. Wir schmiedeten gemeinsame Pläne, wenn wir am See lagen und die Sterne beobachteten, vor allem den, nach Hindenburg zu ziehen, um dort unsere Familie zu gründen. Sie wollte ganz einfach raus hier, und freute sich schon riesig. Ende Oktober sagten wir es ihren Eltern. Es war ein unverzeihlicher Fehler von uns. Er läutete das sofortige Ende unserer Beziehung ein. In nachhinein weiß ich, wir hätten abhauen müssen. Aber wer kann schon mit so etwas rechnen? Voß rastete vollkommen aus, und schrie Sie an: „Ich werde dich abkommandieren!“ Danach schmiss er mich, bei sich zu Hause, raus. Ich möchte nicht wissen, was sich dann dort abspielte. Aber ich konnte nichts tun. Bärbel kam nie wieder aufs Gut zur Arbeit, und zu Hause war sie auch nicht mehr. Er hatte seine Worte „Ich werde dich abkommandieren!“ wahr gemacht. Er hatte die Möglichkeiten und vor allem die nötige Unterstützung in der schwarzen Reichswehr, um so etwas durchzuziehen. Er hat sie garantiert auf ein Gut in Pommern oder Masureen „abkommandiert.“ Das schlimme war, ich hatte ihr die Adresse von Hindenburg nicht gegeben. Wir hatten an so vieles gedacht, an das einfachste aber nicht. So konnte sie mir niemals mitteilen wo sie war. Ihre Mutter konnte mir über ihren Verbleib auch keine Auskunft geben, da sie es ganz einfach nicht wusste. Es tut ihr so leid, sagte sie unter Tränen zu mir. Ich hatte mir euer Glück so gewünscht. Weder auf dem Gut, noch sonst wo wusste jemand etwas über Ihr Verschwinden, oder wollte es nicht wissen. Niemals sollte ich wieder ein Lebenszeichen von meiner Jugendliebe Bärbel erhalten, obwohl ich nie aufgab sie zu suchen. Sie war meine erste Liebe. Sie bleibt unvergessen und wenn ich ehrlich bin, bin ich auch heute noch davon besessen. Egal, Bärbel, wo du jetzt bist, ich hoffe dir geht es gut. Es ist ohne dich nicht mehr so wie früher, weil du und ich nicht mehr ein Paar sind. Unsere Zeit ist vorbei, doch ich weiß tief in deinem und meinem Herz sind wir immer noch eins. Damals war ich zu jung, allein und mit der Suche nach ihr überfordert. Mecklenburg war nicht die Stadt, war nicht Hindenburg, hier herrschten noch eigene Gesetze. Alles war von jetzt auf gleich vorbei. Wenn ich es nicht selbst erlebt hätte, könnte ich es kaum glauben. Mit gebrochenem Herzen kehrte ich im Dezember 1925 in mein Elternhaus nach Hindenburg zurück.
Die Jahre 1926 bis 1937
Gleich im Januar fand ich eine Anstellung in der Luisen-Grube „Georg-Schacht.“ Hier hatte ich genug Möglichkeiten über das erlebte, die schwarze Reichswehr und vor allem über Bärbel nachzudenken. Die schwere Arbeit unter Tage, die ich auch suchte, half mir meinen Schmerz zu mindern und alles sehr, sehr langsam, zu vergessen Am Anfang lebte ich sehr zurückgezogen. Hilde bemühte sich um mich, nicht aus Mitleid, sondern sie sprach mir Mut zu. Was habe ich in Hilde für eine wertvolle Schwester. Ich las sehr viel. Die Bücher öffneten meinen Augen eine neue Welt und linderten meinen Schmerz. Ich verschlang sie regelrecht. Mir erging es wie einem seit Wochen ausgehungerten, der plötzlich in einem Raum voller Speisen steht. Am Anfang schlingt man alles in sich hinein. Wahllos. Aber irgendwann konzentriert man sich auf die kulinarischen Leckerbissen. So erging es mir bei meiner Buchauswahl in der Stadt Bibliothek von Hindenburg, wo ich Stammgast wurde. Das schöne an einer Bibliothek ist ja ihr unerschöpflicher Vorrat von Büchern. Ich kam immer öfters mit einer dort angestellten Bibliothekarin ins Gespräch, sie war es, die mir die Welt der wirklich guten Bücher öffnete. Schritt für Schritt lernte ich mit ihrer Hilfe die richtige Wahl zu treffen. Gutes von weniger Gutem zu unterscheiden. Bücher von Mann, Heine, Zweig, Brecht, u. a. Durch sie lernte ich aber auch das Satiremagazin „Der Eulenspiegel“ kennen und schätzen. Ich kaufte von da ab jede Ausgabe dieses Magazins, der Preis war ca. 30 Pfennig, sobald es am Kiosk erschien. Die Beiträge der Autoren des „Eulenspiegel“ wie Slang, Erich Weinert und F. Bernhard, W. Münzenberg, Johannes R. Becher, Kurt Tucholsky, die Zeichner Otto Bittner, Heinrich Zille, waren Spitze, leicht verständlich und zum schmunzeln. Der Eulenspiegel, glaube ich, war die einzigste deutsche Satire Zeitschrift, die sich offen für das Interesse des werktätigen Proletariats einsetzte. Als Gegner wurden „Reaktion und Spießertum in Deutschland“ unter die Lupe genommen. Nach jedem Buchtausch fragte mich die Bibliothekarin, wie sie mir gefallen hätten. Zuerst antwortete ich Ihr nur kurz. Anfangs störte es mich auch ein wenig. Aber mit der Zeit führten wir jedes Mal eine rege Diskussion über deren Inhalte. Sie lehrte mich, Bücher nicht nur so einfach zu lesen. Man muß sie verstehen, man muß sich in die Gedanken des Schriftstellers hineinversetzen, was er sagen und ausdrücken will. Nur so erkennt man die wahre Geschichte, die in einem Buch steckt. Lesen, sagte sie mir einmal mit einem Lächeln im Gesicht, es ist der Brunnen der Weisheit. Worte, das sind mächtige Waffen. Worte können aber auch Feinde schaffen. Worte sollten immer um Frieden ringen. Diese Buchdiskussionen machten uns beiden immer mehr Spaß und für mich waren sie von unschätzbarem Wert, für mein späteres literarisches Verständnis. Ich begann die Welt mit anderen Augen zu sehen. Ich begann das Leben nicht nur von der leichten Seite zu betrachten und gedankenlos in den Tag hinein zu leben. Ich las, ich dachte nach, über die Welt, so wie sie ist. Und sie, glaube ich, war ganz einfach froh darüber, mit jemanden in der Bibliothek diskutieren zu können, der ihr auch zuhörte und lernwillig war. Davon gab es hier nicht allzu viele. Die Bibliothekarin war eine sehr gebildete ältere Dame, sie hieß Rothe, sie war Jüdin. Bin mir aber in letzteren nicht ganz sicher. Ich wollte sie auch nicht danach fragen. Komisch, diese Frage hätte ich mir früher nie gestellt, bzw. es hätte mich auch gar nicht interessiert. Es war in unserer Familie auch nie ein Thema. Aber jetzt verglich ich sie mit Feldwebel Voß und seinen dummen Geschwätz über die Juden, und dachte, was für ein Unterschied zwischen diesen beiden Menschen. Bis zu ihrer Pensionierung im Jahre 1932 kam ich oft hierher. Sie sollte mir bei späteren Ausarbeitungen von Reden und Forumsbeiträgen so manchen Literaturtipp geben. Dadurch hatten meine Reden immer einen gewissen literarischen Tick, der immer gut ankam. In vielen Versammlungen, wo ich später als Redner auftrat, konnte man eine Stecknadel fallen hören, so gespannt verfolgten die Genossen meine Worte. Sie waren solche Reden nicht gewöhnt. Einmal baute ich Victor Hugo und seinen Roman „Die Elenden“ ein, um zu zeigen, daß es zwischen der Arbeiterklasse in Deutschland und Frankreich keine großen Unterschiede gab, das Ihre Probleme die gleichen waren. Schließlich war ich ja der Literatur Obmann der KJVD und später der KPD. Das Ergebnis war, die Romane von Hugo waren von da an in der Stadt Bibliothek stets vergriffen. Politische Diskussionen habe ich mit ihr aber nie geführt, genauso wie sich unser Kontakt nur auf die Bibliothek beschränkte. Wir wollten es auch nicht, es tat unserer Zuneigung aber keinen Abbruch. Zu Ihrer Pensionierung, an der sie ihren Traum verwirklichte und ans Meer nach Saßnitz zog, schenkte ich ihr einen kleinen Gedichtband von Heine als Dankeschön, über den sie sich außerordentlich freute. Bis zu meiner Verhaftung 1934 schrieben wir uns noch einige Mal, danach brach der Kontakt ab. Sie ermutigte und erinnerte mich in Ihren Briefen immer wieder daran, Reden stets so zu schreiben und zu halten, daß diese auch gehört und verstanden werden und ich versuchte immer, so gut es ging, ihren Rat zu befolgen. Hilde und Willy, luden mich immer öfter ins Kino oder zum Tanz ein. Am Anfang wollte ich nicht so, aber dann ging ich doch wieder mit. Die zwei sind ein richtiges Pärchen geworden, wo Hilde ganz schön die Regie führt. Aber Willy scheint es zu gefallen. Schatz hier und Schatz da, es ist schön den beiden so zuzuschauen und ihnen zuzuhören. Unter Tage fanden in den Pausen immer wieder Gespräche und Diskussionen über den Bergarbeiterverband statt. Alle waren hier Mitglied, bis auf mich. Das versuchten die Kumpels zu ändern. Bis Februar 1927 hielt ich Ihren Werbeversuchen stand, trat dann aber in den Bergarbeiterverband ein. Es war eine Organisation die die Rechte der Bergarbeiter, so gut es ging, gegenüber der Grubenleitung vertrat. In diesen Verband versuchten alle politische Parteien Fuß zu fassen. Vorwiegend Sozialdemokraten und Kommunisten, später die Nationalsozialisten. Die Nationalsozialisten waren aber unter den Kumpels wenig beliebt, dies sollte sich auch in der Blüte ihrer Macht kaum ändern. Ich kannte nur einen Nazi unter Tage, Bloss. Er war so unbeliebt, das er den Posten des Aufpassers der Rattenlore innehatte. Später aber, nach dem Machtantritt der Nazis, wurde er auf Anweisung der Grubenleitung Obersteiger. Zwischen den Kumpels dieser Lager kam es in den Pausen immer öfter zu heftigen Diskussionen und Gesprächen. Jeder dieser Parteien versuchte über den Bergarbeiterverband so viel wie möglich Mitglieder für sich zu gewinnen und somit auch die Oberhand. Einige Kumpels überredeten mich doch mal in die Versammlung des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland, KJVD, zu kommen. Ich ließ mich überreden, zumal Hilde und Willi hier ein und ausgingen. Hier wurde getanzt und geredet. Es waren weniger Versammlungen, als eher ein lustiger und amüsanter Abende für die Jugend. Es machte mir Spaß und ich ging fortan immer mit Hilde und Willy mit. Fast jeden Abend. Die Ansichten und Ideen unter den Jugendlichen die hier vertreten wurden gefielen mir, genauso wie das offene Klima, das hier herrschte. Man diskutierte darüber, ob man nicht eine Betriebszelle des Kommunistischen Jugendverbandes Deutschland, KJVD, in der Luisen-Grube Georg-Schacht gründen sollte. Ob ich nicht Lust hätte dort mitzumachen. Die Idee gefiel mir und ich sagte spontan zu. So wurde ich Mitglied der Betriebszelle des KJVD in der Luisen-Grube. Damals wusste ich noch nicht, daß diese Entscheidung sich auf den Rest meines Lebens auswirken wird. Sie hat mein ganzes Leben, hat mich total verändert. Mein ganzer Lebensweg wird seither von dieser Entscheidung mehr oder weniger geprägt. In den Diskussionen unter Tage vertrat ich von nun an den KJVD. Ich erzählte von den Abenden im KJVD, von den Ideen im KJVD, aber auch über meinen Umweg „Mecklenburg“ und den Ansichten der Leute in der Arbeitsgemeinschaft Roßbach, die ich dort persönlich kennen gelernt habe. Dass sie diese Ansichten nicht nur vertreten, sondern auch radikal durchzusetzen versuchen. Das man Aufpassen musste, um durch diese Leute nicht wieder in den Strudel eines Krieges hineingezogen zu werden. Ich erzählte, über die Belange und Probleme der Bergarbeiter in anderen Ländern, die gar nicht so anders waren, wie unsere eigenen. Ich diskutierte mit den Kumpels was uns dieser 1. Weltkrieg gebracht und vor allem eingebrockt hat.
Mir wurde wesentlich lieber zugehört als den Kumpels, die die Sozis vertraten. Die droschen meist nur Fraßen. Die jungen Kumpels waren die besten Zuhörer. Ich erkannte, daß man mit den richtigen Argumenten, mit den richtigen Worten abgestimmt, den Zuhörerkeis schnell erreichen konnte. So leistete ich meinen Beitrag dazu, dass unsere Betriebszelle von Anfangs 5 auf 22 Mitglieder anwuchs. Dies blieb der Ortsgruppe des KJVD von Hindenburg nicht verborgen und man wählte mich im Frühjahr 1928 zu ihrem Politleiter und zum Literatur Obmann. Im Herbst des gleichen Jahres wurde ich von der Bezirksleitung des KJVD Oberschlesien für 4 Wochen zur Reichswehrverbandsschule nach Dresden-Loschwitz geschickt. Ich überlegte lange ob ich dort hinfahren sollte, schließlich musste ich es mit meiner Arbeit unter einen Hut bringen und meinen gesamten Urlaub dafür opfern. In dieser Schule wurden uns die politischen Ziele des KJVD näher gebracht. Ich würde mal sagen, eher mit mäßigem Erfolg. Erstens waren die Dozenten nicht die besten und zweitens waren die dort angereisten Jugendlichen zu unterschiedlich in Ihren Vorraussetzungen, Erwartungen und Ansprüchen. War eher ein schöner Urlaub, denn Dresden und Umgebung gefiel mir sehr gut. Nach meiner Rückkehr wurde ich Mitglied der erweiterten Bezirksleitung des KJVD Oberschlesien und arbeitete in der dortigen Abteilung Gewerkschaft. Ende 1929 wurde ich zum Organisationsleiter des KJVD Bezirk Oberschlesien gewählt. Diese Funktionen übte ich ehrenamtlich, neben meiner Tätigkeit im Bergbau aus. Mein Tagesprogramm war dadurch vollständig ausgebucht. Anfangs viel es mir auch schwer, diese Aufgaben alle unter einen Hut zu bekommen. Aber wie bei allem im Leben, man lernt schnell und gewöhnt sich daran. Ich wusste, die meisten Jungen und Mädchen verbrachten ihre Freizeit vorzugsweise im Freundeskreis, gingen auf Wanderfahrt und nutzten die Möglichkeiten der neuen „Massenkultur“ wie Grammofon, Radio und Kino, Gaststätten und Tanzlokale. Ich versuchte als Organisationsleiter KJVD den Jugendlichen solche Möglichkeiten der Entfaltung ihrer Neigungen und Persönlichkeit zu schaffen, ohne dabei groß politisch aktiv zu werden. Zumal ich aus eigener Erfahrung wusste, was sie für Probleme hatten und wo der Schuh drückte. Welches waren ihre Probleme: „Die Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen, je nach Geburtsjahr, durch einschneidende Erfahrungen geprägt: durch das seelisch verwüstende Kriegs- bzw. Fronterlebnis, das vaterlose Aufwachsen und die Entbehrungen während des Krieges, die Nachkriegskrisen (die eine hohe Jugendkriminalität erzeugten), die Stabilisierungsjahre oder schließlich der unmittelbare Übergang von der Schule in die Arbeitslosigkeit infolge der Weltwirtschaftskrise, sie bedrückten. Chancengleichheit im Bildungsbereich erfuhren sie nicht: Wegen des weiterhin erhobenen Schulgeldes blieb Unterschichtkindern der Zugang zu höheren Schulen in der Regel versperrt. Indessen trafen in den zwanziger Jahren entlassene Volksschüler auf einen gesättigten, zunehmend überfüllten Arbeitsmarkt, auf dem sie sich gegenüber den etablierten älteren Generationen nur schwer durchsetzen konnten und (zumal wenn sie weiblichen Geschlechts waren) als erste wieder entlassen wurden. Kurz gesagt, sie von der Politik und der politischen Entwicklung in Deutschland die „Schnauze“ voll hatten“. In den vielen Diskussionen die wir führten hörte man die soziale Unzufriedenheit vieler Jugendlicher, die sicherlich vollauf berechtigt waren. Die äußerte sich nicht zuletzt in der Sehnsucht nach einem sinnerfüllten Dasein und nach Überwindung der gesellschaftlichen und politischen Gegensätze. Von der bürokratischen Politik in den Parlamenten und von den überalterten Parteien und ihren einflusslosen Jugendorganisationen fühlten sich vor allem die außerhalb des katholischen und des Arbeitermilieus stehenden Jugendlichen eher abgestoßen und schwer enttäuscht. Und ich muss ehrlich sagen, dass dies auch in gewissen Maße für die Zentrale des KJVD zutraf. Hier wollte man nicht verstehen, dass die Jugendlichen in erster Linie zu den von mir organisierten Veranstaltungen kamen um sich ganz einfach zu amüsieren, den Alltag zu vergessen. Erst in zweiter Linie, wenn überhaupt, an politischen Veranstaltungen interessiert waren. Nur eine Kombination von beiden, konnte dies bewirken. Diese fehlende Einsicht machte mir oft Schwierigkeit bei der Bewilligung von Geldern für solche Veranstaltungen. Aber Saalmiete, Kapellen ect. kosten nun mal Geld. So musste man oft sinnlose Kompromisse eingehen und nichtgewollte, langweilige, politische Sachen einbinden. Dies erkannte und machte sich ab Beginn der Weltwirtschaftskrise 1929 die extreme Rechte mit wachsendem Erfolg zunutze: Hitler, als Angehöriger des Jahrgangs 1889 einer der jüngsten Politiker, verstand es, die NSDAP als Partei der Jugend und des Aufbruchs zu einer nationalen „Volksgemeinschaft“ unter seiner Führung darzustellen. Hörte man seine Reden, konnte man sofort erkennen, dies sind die Worte eines Wolfes der Kreide gefressen hat. Aber wer erkannte dies schon, oder wollte es erkennen? Auch bot HJ und SA nicht zuletzt die Chance, jugendliche Misserfolgserlebnisse und Ohnmachtserfahrungen durch zielgerichteten Aktivismus auszugleichen. Im Gegensatz dazu fehlte im KJVD, aber auch in den sozialdemokratischen und kirchlichen Jugendorganisationen, oft die nötigen kompetenten Leute, als auch das Verständnis für die Probleme und Wünsche der Jugend, so dass man sie in Scharen verlor. Viele der verlorenen KPDler und SPDler sind, als die NSDAP gegründet wurde, reihenweise übergelaufen und bis zum bitteren Ende ihr treu geblieben. Dies versuchte ich auch im Juni 1930, als 23-jähriger Diskussionsredner der Bezirkskonferenz Oberschlesiens der Revolutionären Gewerkschaftsopposition (RGO) zum Ausdruck zu bringen. Insbesondere warf ich die Frage auf, ob nicht gerade unsere Jugend in Deutschland, jedenfalls ein nicht geringer Teil von ihnen, immer mehr zum wehrlosen Opfer der nationalen Volksgemeinschaft von Hitler wird, mit ihm liebäugelt? Hitler wird aus dieser nationalen Volksgemeinschaft eine Maschine machen. Menschen zu Maschinen, mit denen er alles machen kann. Alle wissen, Maschinen können viel, sehr viel, ohne zu hinterfragen. Wir im KJVD müssen darauf reagiere und mehr Verständnis für die Probleme und Wünsche der Jugend aufbringen, auch wenn es keine Kommunisten sind! Wir müssen um jede Stimme kämpfen und werben. Mit mäßigem Erfolg, das sah ich an den Gesichtsausdrücken der vorwiegend älteren Delegierten. Es war sicherlich ein nicht erkanntes, oder nicht zu erkennen wollendes Problem, daß KPD und RGO keinen Politiker hatten oder hervorbrachten, der auf die Jugend eine anziehende Vorbildwirkung hatte, oder aufbringen konnte. Im Gegensatz zu dem späteren Verbrecher Hitler. Ein riesen Fehler der Kommunisten, aber auch der Sozialdemokraten! Einzig und allein lies mich der damalige Delegationsleiter der KPD Zentrale aus Berlin, Genosse Münzenberg, zu sich rufen. Sprach mir kurz Mut zu, für die Gedanken in meiner Rede weiter zu arbeiten und weiter zu kämpfen. Seine Ideen und Vorstellungen von einer kommunistischen Gesellschaft sollten später, als ich sie zu lesen begann, meine Aufmerksamkeit erwecken. Gerade die zum Thema Stalin. Meine spätere Delegierung zur Lenin-Schule, das denke ich aus heutiger Sicht, fand auf seine Empfehlung hin statt. Nichts desto trotz schaffte ich es auf Veranstaltungen viele von KJVD zu überzeugen und zum Eintritt zu bewegen. Es waren ca. 170 Jugendliche. Doch kam mir sicherlich auch der Umstand zu gute, das die Gegend um Hindenburg, mit ihren Bergbau, eine rote Hochburg war. Großen Anteil am Erfolg unserer Veranstaltungen, die immer besser besucht wurden, hatten natürlich auch Hilde und Willy. Vor allem Hilde mit ihrem großen Organisationstalent. Sie strahlte und sagte, die Arbeit hier mache ihr sehr viel Spaß. Allein, hätte ich es auch nie so hinbekommen. Aber das Wichtigste war, uns machte es allen Spaß. Man war beliebt und es kannte uns fast jeder. Wir waren bei diesen Veranstaltungen immer gern gesehene Tischgäste, mit denen immer eine interessante Diskussion zu stande kam. Eines unserer Ziele war es auch, wir versuchten über den KJVD Jugendlichen im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen. Z. B. bei der Ausstattung von Hochzeitsfeiern oder der Beschaffung von Wohnungen. In der Bezirksleitung des KJVD fragte man mich immer öfter, ob ich nicht Mitglied der KPD werden wolle. Ich fing zumindest an, darüber nachzudenken. Viele, aber nicht alle Ideen innerhalb der KPD fanden meine Unterstützung. Ich begann die Büchern von Marx und Engels zu lesen. Das kommunistische Manifest war eine sehr interessante Lektüre. Ich sehe das Kommunistische Manifest als das bei weitem einflussreichste politische Schriftstück seit der Menschenrechtserklärung der Französischen Revolution. Das Programm, in dem Marx und Engels bereits große Teile der später als „Marxismus“ bezeichneten Weltanschauung entwickeln, beginnt mit dem Wort: „Ein Gespenst geht um in Europa, das Gespenst des Kommunismus“ und endet mit dem bekannten Aufruf: „Proletarier aller Länder vereinigt euch!“. Ich erkannte den Wahrheitsgehalt dieser Idee, die hinter den Worten steckten. Hier sah ich durchaus einen Weg für eine friedliche Zukunft der Menschheit, in der Hunger, Elend und Ungerechtigkeit, verbannt sind. Ein anderes und besseres Deutschland. Ich trat zu meinen Geburtstag, am 31. Mai 1930 in die KPD ein. Dieser Tag wurde zum Wendepunkt in meinem Leben. Als stünde man an einer Wegkreuzung, um sich für ein Leben zu entscheiden oder ein anderes. All das bis dahin mir erschienene Leben bekam plötzlich einen ganz anderen Sinn, eine andere Richtung. Ich verspürte einen innerlichen Stolz in mir dazuzugehören und habe es nicht bereut! Die Partei berief mich sofort als Mitglied in der erweiterten Bezirksleitung Oberschlesiens. Hier war ich ab jetzt der Verbindungsmann zum KJVD. Im Juni oder Juli fragte man mich, ob ich nicht im September an einem Lehrgang der Kommunistischen Jugendinternationale an der internationalen Lenin-Schule in Moskau teilnehmen wolle. Die KPD in Oberschlesien braucht junge gebildete Nachwuchskader und ich hätte mich hierfür empfohlen. Man gab mir ein Aufnahmeformular mit, mit der Bitte, es mir gut zu überlegen. Ich muss sagen, dass ich lange überlegt habe, ob ich nach Moskau gehe. Erstens müsste ich meine Arbeit in der Grube aufgeben, und zweiten wäre ich für mindestens 2 Jahre von der Familie und meinen Freundeskreis im KJVD getrennt. Außerdem ist ein Weg in die Politik immer mit gewissen Risiken verbunden. Andererseits, das Leben ist immer untrennbar mit dem Risiko verbunden und wann würde ich schon mal wieder die Gelegenheit bekommen, um an der internationalen Lenin-Schule in Moskau zu studieren. Mir wurde auch ein Stipendium von 65 RM zugesichert. Ich habe natürlich mit Hilde, Willy, Mutter und Franz darüber gesprochen. Alle rieten mir zu. Zumal die Familie über Franz mit Kohle versorgt wurde, was damals nicht unwichtig war. So füllte ich den Antrag aus und fuhr am 28. September 1930 nach Berlin. Proviant hatte ich so viel von Mutter, Vater und Hilde zum Abschied bekommen, hätte eine Reise um die Welt antreten können. Adelheid nähte mir extra Sachen. Von Berlin aus erreichten wir nach langer und anstrengender Zugfahrt die Grenzstation Negoreloje, und somit Russischen Boden. Ein Transparent, mit der Losung „Proletarier aller Länder, vereinigt euch“, war wie ein Triumphbogen hoch über die Gleise zur Begrüßung der Reisenden gespannt. Nach kurzem Aufenthalt, man musste die Spurbreite der Waggons ändern, fuhr der Zug weiter, zur internationalen Lenin-Schulexii nach Moskau, wo Funktionäre durch die Kominternxiii ausbildet werden. Auf dem Belorussischen Bahnhof angekommen, suchte und meldete ich mich im Hotel „Lux“, welches an der Twerskaja lag. Es war nicht weit vom Bahnhof entfernt. Im Komintern-Hotel „Lux“, es wurde noch auf Veranlassung von Lenin als Gästehaus der Komintern eingerichtete, wusste man schon, wer ich war und wohin ich sollte. Man brachte mich zur Begrüßung zum Sitz der Komintern, dieser lag unweit des Kremls. Danach ging es zur Internationalen Lenin Schule, sie lag in der Uliza Worowskowo. Nach Erledigung der Aufnahmeformalitäten wurde mir ein Dreibettzimmer zugewiesen. Ich bewohnte es zusammen mit Bruno Bauer aus Pommern und Josef König aus Schlesien. Josef kam 3 Tage später. Wir waren alle dem Politseminar zugeteilt. Das erste halbe Jahr galt mehr der Vorbereitung. Vor allem zum Erlernen der Russischen Sprache. Josef und mir machte dies keinerlei Probleme, da wir beide, bedingt durch unsere Kindheit perfekt polnisch konnten. Der Weg von dieser Sprache zur russischen war nur ein Katzensprung. Bruno viel es schon wesentlich schwerer. Wobei ich glaube, Bruno, wird wohl nie die russische Sprache erlernen, ihm fehlte wohl das Talent dazu. Alle Bemühungen es ihm beizubringen schlugen meist fehl. Wir drei unternahmen sehr viel miteinander. Moskau hatte für uns sehr viel zu bieten. So oft wir konnten besuchten wir das Kaufhaus GUM. Geschäfte gab es hier viele, aber kaum Auslagen. Die Versorgungsprobleme des jungen kommunistischen Landes waren nicht zu übersehen, vor allem die mit landwirtschaftlichen Produkten. Aber wir ja waren hier, um diesen riesigen, schönen, historischen Bau einfach zu genießen, die Leute zu beobachten oder um Tee oder Cafe in den Promenadencafes zu trinken. Herrlich der Kreml, der rote Platz, die vielen Museen, Moskau bei Nacht. Im Seminar bekamen wir täglich verschiedene Aufgaben zugewiesen, um uns mit den Werken von Marx, Engels und Lenin zu beschäftigen. Die Ergebnisse wurden dann intensiv in der Gruppe unter Leitung eines Dozenten diskutiert. Neben vielen anderen Professoren waren dies vor allem die Professoren Fred Oelßner und Erich Wollenberg. Wir sollten lernen, den Marxismus-Leninismus zu begreifen, zu interpretieren, um sich später allen Diskussionen stellen zu können, ohne Angst haben zu müssen, zu versagen. Dies sollte unsere Hauptaufgabe an der Lenin Schule werden. Ich stellte mich mit sehr viel Lust und vor allem mit viel Wissbegier dieser Aufgabe. Die Zeit verging wie im Fluge. Nachdem ich in Moskau einen sehr schönen und unvergesslichen Jahreswechsel 1930 – 1931 erlebt hatte, mussten sich alle einer Parteikommission stellen, um eine Parteiaufnahmeprüfung in die KPdSUxiv (Bolschewiki) abzulegen. Mir wurde die Frage gestellt, warum ich erst 1927, der Arbeiterbewegung beigetreten bin? Ich erklärte offen, dass ich bedingt durch die politischen Ereignisse in Oberschlesien, vorher Mitglied im Selbstschutz Oberschlesien, danach in der Schwarzen Reichswehr war. Ich erklärte auch, dass dies faschistische Organisationen waren oder sind. Man fragte mich, wie ich einen solchen Fehltritt nur begehen konnte. Ich erklärte ihnen nochmals, dass die damalige Zwangsumsiedlung meiner Familie in Oberschlesien der Auslöser war. Für uns Jugendliche bedeutete es eine Selbstverständlichkeit, etwas dagegen zu unternehmen. Wir kannten ja damals die politischen Hintergründe nicht, bzw. waren nicht in der Lage gewesen, die richtigen Lehren daraus zu ziehen! Die Mitgliedschaft in diesen Organisationen, aus heutiger Sicht, ein schwerer Fehler, aus dem ich meine Lehren gezogen habe. Aber ein Fehltritt? Ich kann es ja nicht mehr rückgängig machen. Außerdem sollte man mein damaliges Alter von 16 Jahren, meinen damaligen politischen Wissensstand, in Betracht ziehen! Fazit, ich wurde auf Beschluss dieser Kommission, mit der Begründung: „Falsches Ausfüllen meines Fragebogens“, nach dem ersten Semester im Februar 1931 nach Deutschland zurückgeschickt. Wie ich später von Josef erfuhr, wurde in der Seminargruppe darüber abgestimmt. Nur er und Bruno stimmten dagegen. Irgendwie fand ich diesen Beschluss schon ein bisschen komisch. Ja, es hat mich geärgert. Wollten diese Genossen den perfekten Menschen schaffen, den es niemals geben wird oder was wollten sie damit bezwecken? Ich war doch der Beste in der Seminargruppe und vorher mit Lob überschüttet worden. In diesem konkreten Moment habe ich einen Unterschied gespürt. Einen Unterschied zwischen meinen Denken und Vorstellungen, mit denen eines kommunistischen Russlands. Aber nur kurz! Nach meiner Rückkehr habe ich meine Funktion als Mitglied der Bezirksleitung der KPD Oberschlesiens weiter behalten und man setzte mich als politischen Instrukteur der Partei ein. Später wurde ich als Mitglied der Bezirksleitung in den Kampfbund gegen den Faschismus berufen. In der Massenorganisation des Kampfbundes gegen den Faschismus, gegründet 1930, organisierte die KPD Arbeiter und Angehörige anderer sozialer Schichten. Die Partei sah darin eine Einheitsfrontorganisation, d. h. eine Organisation, die insbesondere auch sozialdemokratische Arbeiter zum gemeinsamen Kampf gegen Faschismus und Krieg unter Führung der KPD gewinnen sollte. Ich kandidierte im gleichen Jahr auch als Abgeordneter der KPD für den Provinziallandtag und wurde in diesen als „Jugendvertreter der KPD“ gewählt. Bis zur Wahl zum Reichstag am 31. Juli 1932 setzte ich meine ganze Kraft für ein gutes Abschneiden der KPD in Hindenburg ein. Die Arbeit hat sich trotz Repressalien und Gefängnis gelohnt, die KPD wurde mit 32,03 % der Stimmen stärkste Partei in Hindenburg. (SPD 9,09 %) Ein Ergebnis, was nie mehr erreicht werden sollte. Aber die Wahlvorbereitung ging leider nicht mehr ohne Auseinandersetzungen mit der NSDAP ab. Die SA, der Schlägertrupp der NSDAP, versuchte massiv Veranstaltungen der KPD zu sabotieren. Hier kam es oft zu gewalttätigen Auseinandersetzungen beider Lager. Natürlich schützen wir Kommunisten uns gegen solche Überfälle. Diese Provokationen gingen immer seitens der NSDAP und ihrer paramilitärischen Organisation SA aus, es wurde aber nie oder ganz selten gegen sie ermittelt. Gegen die KPD oder Sozialdemokraten sofort und immer. Bei einer solchen Rangelei wurde ich verhaftet. Verurteil wegen „verübter Angriff auf einen Propagandakraftwagen des Stahlhelms (Stahlhelm unterstand SA und SS)“, durch die Strafkammer Gleiwitz vom 16. Oktober 1931 wegen gefährliche Körperverletzung. Urteil: 2 Monate Gefängnis. Am 26. November wurde ich von der gleichen Strafkammer, wegen unbefugten Waffenbesitz zu 2 ½ Monate verurteilt. Von 25. Januar bis 14. April 1932 mußte ich Gefängnisstrafe antreten und absitzen. Am 25. Juni 1931 wurde ein gegen mich geführtes Ermittlungsverfahren wegen Sachbeschädigung politischer Art (beim illegalen Plakatkleben erwischt) eingeleitet. Aber mangels Beweisen eingestellt und fallengelassen. Nach meiner Entlassung aus dem Gefängnis wurde ich sofort von der Bezirksleitung der Partei als Propagandaleiter Referat Jugend eingesetzt. Meine Aufgabe bestand darin in den verschiedenen Unterbezirken Parteischulen zu organisieren und für das kompetente Lehrpersonal zu sorgen. Dies war nicht gerade einfach. Auch führte ich selbst Unterricht durch. Hierbei beschäftigte ich mich vorwiegend mit den Aufgaben der Jugend in der KPD und den damit verbundenen Zielen. Im Juli 1932 wurde ich Mitglied und Funktionär der Bezirksvorstände des Roten Massenschutzbundes und der Roten Hilfe (RHD) in Hindenburg. Ich hatte kaum noch Zeit für Willy und Hilde, für Kino oder zum Tanz. Aber oft bearbeiteten die beiden mich so lange, bis ich schließlich nachgab und mit Ihnen mitging. Meist gingen wir dann zu Veranstaltungen des KJVD, die jetzt durch andere organisiert wurden. Ich traf dort immer wieder viele „alte“ Gesichter die sich nicht mehr so begeistert äußerten.
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