Kitabı oku: «Marx als Philosoph», sayfa 3

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Zu den Texten von Alfred Schmidt in diesem Band

Die hier vorgelegte Textsammlung dokumentiert wesentliche Etappen der über Jahrzehnte sich erstreckenden Alfred Schmidtschen Auseinandersetzung mit dem Marxschen Werk. Der als eine Art Vorwort zu verstehende Beitrag gibt einen ersten Überblick über die Motive der spezifisch Schmidtschen Marx-Interpretation: Verfasst aus Anlass des 100. Todestages von Marx, kann Schmidt hier eine Art Bilanz ziehen über seine bereits über zweieinhalb Jahrzehnte sich erstreckende Arbeit an den Quellen wie über die Stoßrichtung seiner engagierten Eingriffe in die internationale Marx-Debatte. Ebenfalls die Form eines Überblicks hat der an den Anfang des Hauptteils gerückte Aufriss Thesen zum Begriff der Natur bei Marx. Schmidt gelingt es hier, auf nur knappem Raum die Essentials zusammenzustellen, die aus seiner komplexen, in der Dissertation breit auseinandergelegten Forschung über die Grundlagen des Marxschen Materialismus resultieren. »Die gesellschaftliche Vermittlung der Natur« – heißt es hier programmatisch – »darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß die Gesellschaft auch natürlich vermittelt ist.«

Der Aufsatz Zum Erkenntnisbegriff der Kritik der politischen Ökonomie, Schmidts Referat zum Frankfurter Kolloquium 1967 Kritik der Politischen Ökonomie heute. 100 Jahre »Kapital« enthält wichtige Hinweise zur »Methode der Marx-Interpretation« und führt in Rekonstruktion der von Marx vorgenommenen Verhältnisbestimmung von Erkenntnisgegenstand (Nicht-Identität von Erscheinung und Wesen) und Verfahren (hier die besondere Beziehung von »Forschung« und »Darstellung« herausarbeitend) vor Augen, wie die schon von Herbert Marcuse in den dreißiger Jahren formulierte Einsicht umgesetzt werden und weitere Früchte tragen kann: »daß die revolutionäre Kritik der politischen Ökonomie in sich selbst philosophisch fundiert ist, wie andererseits die sie fundierende Philosophie schon die revolutionäre Praxis in sich trägt. Die Theorie ist in sich selbst eine praktische; die Praxis steht nicht nur und erst am Ende, sondern schon am Anfang der Theorie, ohne daß dadurch ein der Theorie fremder und äußerlicher Boden betreten wäre.«65

Der Vortrag zum Wissenschaftsbegriff von Marx in der gegenwärtigen Diskussion aus dem Jahre 1970 vertieft diese Spur und belegt das anhaltende spezifisch Schmidtsche Interesse an erkenntnistheoretischen Fragen, die sich im Horizont eines philosophischen Materialismus stellen und den Antwort Suchenden dazu anhalten, immer wieder aus den Begrenzungen der innermarxistischen Debatten herauszutreten. So geht es Schmidt hier darum, »die eigenartige intermediäre Position zu erfassen, die Marx zwischen Kant und Hegel einnimmt«, um dann auf den späten Fichte zu rekurrieren und dessen bisher unterbelichtete Nähe zum Marxschen Denken über Praxis aufzuweisen. Überhaupt: »Praxis«, so war schon im Anhang zur Dissertation zu lesen, sei der »gerade theoretisch wichtigste Marxsche Begriff. Auf ihn«, das wird von Schmidt nicht nur in dem hier publizierten Vortrag, sondern auch an anderen Stellen mit Nachdruck betont, »ist immer wieder zurückzukommen, will man sich Klarheit darüber verschaffen, was bei Marx Materialismus heißt und mit welchem Recht dieser dialektisch genannt zu werden verdient.«66

Im Aufsatz Herrschaft des Subjekts gibt Schmidt Aufschluss darüber, wie auch Elemente des anti-anthropozentrischen Denkens von Heidegger und Nietzsche in den Horizont philosophischer Marx-Deutung einzubeziehen sind und dabei ein Bewusstsein befördern, »das die Frage gestattet, ob sich Natur in dem Aspekt erschöpft, den sie uns heute, eingespannt in die allerorts herrschenden Verhältnisse, darbietet.«

Das im darauf folgenden Text enthaltene Gespräch zwischen Alfred Schmidt und Bernard Görlich thematisiert sehr grundsätzlich das Verhältnis von Materialismus und Subjektivität. Ausgangspunkt ist die Rezeption Darwins und die Kritik des Sozialdarwinismus durch Marx und Engels. Sodann rücken die nicht geringen Schwierigkeiten in den Blick, mit denen der Begriff der menschlichen Natur im Marxschen Denken belastet ist. Marx setzt, so Schmidts Fazit einer weit verzweigten Debatte, »Natur nicht als absoluten, unvermittelten Anfang. Das naturale unser Dasein vermittelnde Ganze ist seinerseits vermittelt: durch Reflexion und historische Praxis. Der Mensch […] ist als gesellschaftliches Subjekt Naturwesen und umgekehrt.« Das aber heißt: Gerade weil Gesellschaft hineinreicht in die Natur des Menschen, sie inwendig formt, ist diese als wesentliche Triebkraft gesellschaftlichen Wandels anzuerkennen.

Auf der Basis dieser erkenntnistheoretisch gewonnenen Einsichten nimmt Schmidt denn auch die gegenwärtig diskutierte ökologische Problematik ins Visier, die in den beiden die Textsammlung abschließenden Beiträgen die Auseinandersetzung bestimmen: Sowohl in der unter dem Titel Humanismus als Naturbeherrschung gehaltenen Rede (anlässlich der Frankfurter Römerberggespräche 1979) wie im anschließend abgedruckten Vorwort für die vierte Auflage seines Erstlingswerks Der Begriff der Natur in der Lehre von Marx entwickelt Schmidt seine These von der Unbeherrschtheit der Naturbeherrschung, die die Existenz des Menschen in ihrem Kern bedroht, hierbei die folgende Aussage Walter Benjamins als Motto den eigenen Ausführungen voranstellend: »Marx sagt, die Revolutionen sind die Lokomotiven der Weltgeschichte. Aber vielleicht ist dem gänzlich anders. Vielleicht sind die Revolutionen der Griff des in diesem Zuge reisenden Menschengeschlechts nach der Notbremse.«67

Nicht zufällig wird gerade im Kontext dieser Überlegungen deutlich, warum sich Schmidt in der Marx-Auseinandersetzung für einen intensiveren Rückbezug auf Feuerbach einsetzt:

»Feuerbach erinnert an die schon zu seiner Zeit vielfach verschüttete Möglichkeit, Natur nicht nur als Objekt der Wissenschaft oder Rohstoff zu erfahren, sondern ›ästhetisch‹, im sinnlich-rezeptiven wie künstlerischen Sinn. Aneignende Praxis soll den Dingen zum Ausdruck und Sprache verhelfen. Dazu aber bedarf es eines philosophischen Ansatzes, der über die mit dem Subjekt-Objekt-Schema des Arbeits- und Erkenntnisprozesses gesetzte Trennung von Mensch und Natur hinaus ist. Auszugehen wäre vom Naturganzen (und der Naturentsprungenheit des Menschen).«

Die ausgewählten Texte verraten, worauf Schmidts Denken über Marx insgesamt abzielte: Einerseits galt es auszugehen und immer wieder zurückzukehren zu den Quellen, den Texten, um ein angemessenes Verständnis der Grundintentionen Marxschen Philosophierens zu gewinnen. »Darüber hinaus«, gibt Schmidt in seinem schon vorgestellten Beitrag Zum Erkenntnisbegriff der Kritik der politischen Ökonomie Auskunft über sein eigenes Vorgehen, »gibt es Probleme, die als solche nur sichtbar werden, wenn die Interpretation ›konstruierend‹ über die Unmittelbarkeit der Texte hinausgeht. Nur so läßt sich die Frage nach der gegenwärtigen Geltung der Marxschen Theoreme adäquat behandeln.« Andererseits, im Sinne der gerade erwähnten konstruierenden Interpretation, ging es Schmidt darum, den Horizont der Marx-Auseinandersetzung zu erweitern, indem er ganz unterschiedliche Positionen der Philosophiegeschichte als problemerhellende Vergleichsebenen heranzuziehen suchte. Nicht zuletzt zielte Schmidt darauf ab, die Marx-Diskussion um die Frage der Subjektivität, und damit um Perspektiven der Verschränkung von »innerer« Natur und geschichtlich-gesellschaftlicher Praxis, zu bereichern. Das Erkenntnismotiv, das ihn hierbei leitete und ein Forscherleben lang Antriebskraft blieb, hatte er schon früh offengelegt: »Gerade um der Objektivität ökonomischer Kategorien willen wird es künftig darauf ankommen, eine – materialistisch begründete – Theorie der Subjektivität zu entwickeln.«68

Die Beiträge dieses Bandes, die Alfred Schmidts Marx-Philosophie repräsentieren, liefern Bausteine zur Weiterarbeit an diesem – unabgeschlossenen und unabschließbaren – Projekt.

Postskriptum

Schmidt hat in seiner noch nicht publizierten Vorlesung über Marx seinen Lehrer Horkheimer mit dem Satz zitiert: »Es kommt darauf an, Marx nicht mit den Augen des ökonomischen Fachmannes zu sehen, sondern mit denen eines Menschen, der weiß, dass er in einer verkehrten Gesellschaft lebt und die richtige Gesellschaft will.«69

Alfred Schmidt hat dies beherzigt, ohne davon abzulassen, jenes innere Band zwischen Philosophie und Ökonomiekritik zu knüpfen, das Voraussetzung dafür ist, Marx als Philosophen zu begreifen. Das lebenspraktische Motiv seines Interesses an Marx hat der Forscher der Geschichte des philosophischen Materialismus nie verleugnet: durch eingreifendes Denken auf die Veränderung des Bestehenden in Richtung einer menschenwürdigeren Welt zu drängen.

Alfred Schmidt war ein begeisterter und begeisternder Philosoph im Sinne der Verbindung des Kantschen mit dem Marxschen »kategorischen Imperativ«70, aber auch ein Philosoph der »verständigen Resignation«71, der – mit Goethe, Feuerbach, Schopenhauer und Freud – darüber belehrte, dass »Materialismus Leben heißt und offene Sinne«.72 Er hat ein Vorbild gegeben für jene Haltung, die Marx selbst zum Maßstab machte, als er darauf hinwies, dass »Kritik« im Kampf mit den widrigen Verhältnissen »keine Leidenschaft des Kopfes« ist, sondern »der Kopf der Leidenschaft.«73


Alfred Schmidt bei einem Vortrag in der Aula der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main (Campus Bockenheim)

© Barbara Klemm (1972)

Die in Naturgeschichte verstrickte Menschheit

Überlegungen anlässlich des 100. Todestages von Karl Marx

Ganze Bibliotheken sind über, für und gegen Marx geschrieben worden. Sein dickichthaftes, höchst voraussetzungsvolles Werk, dessen Aussagen sich auf die verschiedensten Wissensgebiete erstrecken, weshalb es sich nur schwer einordnen lässt, hat Generationen von Interpreten beschäftigt. Teils brachten sie es im Beinhaus schwärmerischer und verstiegen-romantischer Utopien unter, teils in der Rumpelkammer unverbindlicher Dogmengeschichte. Gerade noch, dass heutige Professoren der Volkswirtschaft gewisse Verdienste von Marx in zyklentheoretischer Hinsicht halbherzig anerkennen. Dass die Marxsche Analyse der kapitalistischen Produktionsweise als epochaler Lebensform der Gesellschaft in der akademischen Nationalökonomie nicht die ihr gebührende Aufmerksamkeit genießt, ist angesichts der gegenwärtigen Weltlage erstaunlich. »Wie immer auch die Diagnosen der Experten, ihre Analysen und Vorschläge lauten mögen«, schrieb Horkheimer bereits 1968, »das tägliche Leben in den sogenannten fortgeschrittenen Ländern, die Selbstverständlichkeit staatlicher Interventionen, ist von der drohenden wirtschaftlichen Krise beherrscht. Die steigenden Kosten, die Diskrepanz der schmalen Einkommen und des Aufwands für neueste Errungenschaften, die Problematik des Sparens für Geborgenheit im Alter, der wachsende Mißmut sind Symptome des Zerfalls der bürgerlichen Lebensweise […].« Seit Kriegsende ist diese im Westen gerade den Unteren immer mehr zum erreichbaren Ziel geworden, während die Idee eines gewaltsamen Umsturzes verblasste.

Der von östlicher Orthodoxie starr festgehaltene Begriff des revolutionären Proletariats nahm unterdessen eher mythologische Züge an. Trotz bedrohlich anwachsender Arbeitslosigkeit, die mancherorts an das Jahrzehnt nach Versailles erinnert, kann im Westen von »Verelendung« der Arbeiterschaft im streng Marxschen Sinn nicht die Rede sein. Ausgeklügelte Interpretationen der Marxschen Kategorie, die versichern, es handle sich hier um eine »relative« Verelendung, richten sich selbst. Gleichwohl bleibt die Marxsche Lehre – gerade im Westen – ein unentbehrliches Mittel zur Erkenntnis gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge. Horkheimer hielt denn auch 1968 die Zeit für gekommen,

»endlich die Marxsche Lehre […] zu einem der zentralen Themen der Bildung zu erheben. Nicht weil sie in einem großen Teil des Ostens beim Aufholen des westlichen industriellen Vorsprungs als genehme Ideologie fungiert und, jeweils den Umständen angepasst, als staatlich vorgeschriebenes Bekenntnis doziert wird, sondern um der eigenen Zukunft willen hat nunmehr ihre Übermittlung vielen antiquierten […] Lehrstoffen […] zumindest gleich- wenn nicht vorangesetzt zu werden. Soll die junge Generation die ihr geschichtlich gestellten Aufgaben bewältigen, so bedarf sie neben vielem anderen […] nicht etwa kritikloser Anerkennung, jedoch der Kenntnis Marxscher Interpretation von Geschichte und Gesellschaft.«

Die vom Kreis um Horkheimer während der dreißiger Jahre in der Zeitschrift für Sozialforschung entworfene Kritische Theorie gehört zu den fruchtbarsten Versuchen, Marxsche Kategorien in die Problematik unseres Jahrhunderts einzubringen. Die wichtigsten Arbeiten der Zeitschrift sind Beiträge zu einer materialistischen Kulturgeschichte, verstanden als Anthropologie des bürgerlichen Zeitalters. Mit den Begründern der Lehre verstehen die Autoren die materialistische Geschichtsauffassung nicht als »fertige Schablone, wonach man sich die historischen Tatsachen zurechtschneidet«, sondern als »Leitfaden beim […] Studium« (Engels, 18901). Dabei halten sie am authentischen Begriff von »Ideologie« fest. Sie ist falsches Bewusstsein, gesellschaftlich notwendiger Schein. Mannheims Versuch, Marx akademisch zu entschärfen in einer relativistischen Wissenssoziologie der »Seinsverbundenheit« allen Denkens wird von Horkheimer und seinen I Schülern ebenso verworfen wie eine Orthodoxie, die den Ideologiebegriff dadurch aufweicht, dass sie ihn ins Affirmativ-Weltanschauliche verkehrt.

Marx zählt, neben Nietzsche und Freud, zu den großen »Entzauberern« der Moderne. Er durchschaut den im strengen Sinn »oberflächlichen« Charakter der politischen Prozesse, Kulturphänomene und unmittelbaren Bewusstseinsweisen. »Jeder wirkliche Fortschritt in der modernen Geschichtsschreibung«, schreibt Marx 1858, »ist dadurch bewirkt worden, daß man von der politischen Oberfläche in die Tiefen des gesellschaftlichen Lebens« – gemeint sind ökonomische Strukturen – »hinabgestiegen ist.« Und im ersten Band des Kapitals heißt es, die »Geschichte des Grundeigentums« bilde die »Geheimgeschichte« der römischen Republik.

An diesem detektivisch-analytischen Grundzug des Marxschen Materialismus halten die Vertreter der Frankfurter Schule fest. Er ist für sie – zumal in seiner Anwendung auf die kapitalistische Ära – begrifflicher Ausdruck eines Zustands, »worin« – so Marx abermals im Kapital – »der Produktionsprozeß die Menschen, der Mensch noch nicht den Produktionsprozeß bemeistert«. Dass gesellschaftliches Sein über Bewusstsein gebietet, ist ein aufzuhebender Zustand – kein weltanschauliches Dogma.

Marx entwickelt die der Aufklärung und dem deutschen Idealismus entstammende Idee der Selbstbestimmung des Menschengeschlechts weiter, indem er die ökonomisch-materiellen Bedingungen aufdeckt, deren es bedarf, um sie zu verwirklichen. Es gilt, schreibt er 1853, »die Ergebnisse der bürgerlichen Epoche, den Weltmarkt und die modernen Produktivkräfte […] der gemeinsamen Kontrolle der am weitesten fortgeschrittenen Völker« zu unterwerfen. Erst dann – hierin fasst sich das Wesen seiner Geschichtsphilosophie zusammen – »wird der menschliche Fortschritt nicht mehr jenem scheußlichen heidnischen Götzen gleichen, der den Nektar nur aus den Schädeln Erschlagener trinken wollte.«

Noch ist die Menschheit verstrickt in Naturgeschichte. Sie bringt zwar ihren historischen Prozess selbst hervor, »aber nicht« – wie der späte Engels, anspielend auf eine Formulierung Kants sich ausdrückt – »mit Gesamtwillen nach einem Gesamtplan«; dem kollektiven Intellekt nicht unterworfen, nimmt jener Prozess Züge eines mythischen Verhängnisses an, eines blinden, seinen Agenten entfremdeten Naturgeschehens. Marx wirft (hierin durchaus mit Nietzsche, seinem vermeintlich säkularen Gegner verwandt) eine erdumspannende, ökumenische Frage auf. Sie bedarf dringend der Lösung. Ob sie freilich mit den bis heute entwickelten planwirtschaftlichen Instrumentarien zu bewältigen ist, steht dahin.

Thesen zum Begriff der Natur bei Marx
I

Die Aufklärungsphilosophie, zumal die französische, bereitet den Marxschen Naturbegriff insofern vor, als sie in der Natur nicht nur ein Gutes, gesetzmäßig Geordnetes erblickt, dem zu folgen nur moralische Aufgabe des Menschen ist, sondern ebenso – und dieser Aspekt wurde schließlich zum vorherrschenden – ein technisch-ökonomisch nutzbares Material. Mit dem Aufkommen spezifisch bürgerlichen Erwerbsdenkens und -lebens wird Natur zu etwas der Gesellschaft jederzeit – und zwar in stets nämlicher Weise – Dienstbarem. Selbst für Rousseau ist der »Naturzustand« einer durchorganisierten Gesellschaft nicht entgegengesetzt; vielmehr bezeichnet er diejenige Lebensform, bei der Natur als wesentlich spendende, menschlichen Zwecken zugängliche und unterstellte Macht auftritt.

II

Demgegenüber lässt sich das qualitativ Neue der Marxschen Naturkonzeption mit dem im »Kapital« auftauchenden Begriff des »Stoffwechsels von Mensch und Natur« ausdrücken. Ganz wie die Aufklärung sieht Marx die Natur primär unter dem Aspekt ihrer Aneignung, um menschliche Bedürfnisse zu befriedigen. Aber er geht insofern über das 18. Jahrhundert hinaus, als er die Beziehungen zwischen Mensch und Natur konkret-historisch analysiert. Dabei geht es weniger um das (auch dem materialistischen Flügel der Aufklärer geläufige) Faktum der Naturentsprungenheit des Menschen als vielmehr darum, die jeweils geschichtlich bedingte Gestalt des produktiven und konsumtiven Verhältnisses der Gesellschaft zur Natur zu untersuchen.

Das dem Begriff des »Stoffwechsels« zugrundeliegende, von der Aufklärung aus spezifisch ideologischen Gründen nicht explizierte Sachmoment ist die gesellschaftliche Arbeit, die mit ihr gesetzte Arbeitsteilung und Notwendigkeit sozialer Klassen. Mit dieser Einsicht geht bei Marx einher, dass das natural Gegebene stets schon den Charakter eines – potenziellen oder aktuellen – Produkts hat; dass es sich keineswegs in reiner Unmittelbarkeit bloß darbietet, sondern, wie es im Kapital heißt, »Rohmaterial« als »Arbeitsgegenstand« nur ist, sofern es »bereits durch Arbeit vermittelte Veränderung erfahren hat.« Verglichen damit erscheint den Aufklärern bei allem technologischen Verständnis die Natur eher als leicht zugängliche Frucht denn als zu formierendes Material.

III

Die gesellschaftliche Vermittlung der Natur darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Gesellschaft auch natürlich vermittelt ist. Marx beharrt darauf, dass die Menschen ihre Zwecke nur in dem Maße gegenüber der Natur verwirklichen können, wie sie sich der Eigenbestimmtheit des natürlichen Materials versichern. Auch die kollektiv wirkenden Menschen, ohne welche es eine dem individuellen Bewusstsein »erscheinende« Gegenstandswelt nicht gäbe, gehören dieser immer schon an. Mit dem ökonomischen Übergang von der agrarisch-feudalen zur industriell-kapitalistischen Gesellschaftsformation stellt Natur sich stets mehr als ein »Erzeugtes«, stets weniger als ein schlicht »Gegebenes« dar. Je methodischer das natürliche Sein in den sozialen Lebensprozess einbezogen wird, als desto unangemessener erweist sich ein Begriff von Erkenntnis, der sich im Nach- und Abbilden an sich seiender Strukturen erschöpft. Dem trägt der deutsche Idealismus von Kant bis Hegel insofern Rechnung, als er nachweist, dass von einer schlechterdings subjektunabhängigen »Welt des naiven Realismus« nicht die Rede sein kann. Marx bleibt darin der von der idealistischen Philosophie aufgeworfenen Problematik verpflichtet, als er am traditionellen Materialismus beanstandet, dass er die Wirklichkeit auf die anschaulich oder mathematisch gegebene physikalische Körperwelt reduziert. Diese wird so im strengen Sinn einseitig behandelt: »unter der Form des Objekts«. Marx kommt es darauf an, eine nicht-subjektivistische Theorie der Subjektivität zu entwickeln, welche die Abstraktion eines »weltlosen« Subjekts ebenso vermeidet wie die einer »subjektlosen« Welt. Der hier zuständige Begriff ist der zumal vom jungen Marx verwandte der »Praxis«, dem nicht allein eine anthropologische Bedeutung zukommt, sondern dessen erkenntnistheoretischer Gehalt entscheidend ist. Durchbrochen wird hier das herkömmliche Schema von passiver Sinnlichkeit (Materie) und aktivem Denken (Verstand, Begriff). Zur neu erfassten Materialität des Marxschen Materialismus gehört die menschliche Praxis als tätige Sinnlichkeit, sinnliche Tätigkeit.

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