Kitabı oku: «Römische Tagebücher», sayfa 4
Dagegen war einer der ersten Ratschläge, der mir bei meinem Eintreffen in Rom gegeben wurde, ein anderer: „Trachten Sie in Rom mit der Gesellschaft Jesu gut zu stehen, das kann ihrer Stellung beim Vatikan nur nützen, sonst sind Sie verloren.“ Ich konnte demgegenüber darauf hinweisen, daß ich einer der ersten Schüler des vom deutschen Jesuiten Leopold Fonck gegründeten päpstlichen Bibelinstituts war und auch als erste wissenschaftliche Abhandlung in deutscher Sprache „Das Buch der Sprüche“ dortselbst veröffentlichen konnte. Überdies zogen in meinem Geiste verschiedene hochangesehene Mitglieder dieser Gesellschaft vorüber, so Hummelauer, ein Bibelforscher mit selbständigem Urteil, die aus diesem Orden hervorgegangen sind, Hermann Muckermann, der intuitiv die Bedeutung der Rassenfrage und Eugenetik erfaßte, Lippert, der vornehme Essayist, der nicht Weniges in seinem geistvollen Stil Nietzsche zu verdanken hatte, und endlich Przywara, der Philosoph und Ästhet, dessen blendende Gedankengänge besonders die katholische Jugend der Nachkriegszeit begeisterten. In diesen Persönlichkeiten, zu denen später Karrer und Balthasar von Urs kamen, glaubte ich schon in Graz den geistigen Ausdruck der Gesellschaft erblicken zu können. In Rom wurde diese meine Beurteilung nicht geteilt. Sie galten als Außenseiter und nicht als Normaltyp eines Jesuiten.
Prächtige Gestalten sind im Festzug des Papstes die Ordensgeneräle der Dominikaner und Franziskaner. Trotz ihrer in die Zehntausende gehenden Mitgliederzahl können sie sich in der Weltkirche vor allem an der Kurie nicht so durchsetzen wie die Gesellschaft Jesu, obwohl Thomas von Aquin, Albertus Magnus, Bartholomäus Las Casas und Lacordaire nicht bloß für den Dominikanerorden, sondern auch für die gesamte Kirche Sterne ersten Ranges sind. Die Nachfolger des heiligen Thomas vertreten ein wundervolles theologisches System, einheitlicher, geschlossener und konsequenter als jenes anderer Orden. Wenn nicht die letzten Schlußfolgerungen im Mysterium enden, während der forschende Menschenverstand noch weiterschreiten möchte, wäre die Theologie eines Thomas von Aquin das großartigste System theologischen Denkens, das je eine Religion in Europa aufgestellt hat. Daß die Lehre von der ewigen Vorausbestimmung des Menschenschicksals nicht bei Zwingli und Calvin geendet hat, ist das Verdienst der Thomaserklärer, die rechtzeitig aufhören oder sich in die Geheimnisse Gottes flüchten. An uns schreitet vorüber die ehrwürdige Gestalt des Benediktiner-Abtprimas aus der freiherrlichen Familie von Stotzingen. Etwas vom großen antiken Menschentum der Römer lebt in der monumentalen einfachen Mönchregel eines Benedikt bis heute weiter. Unsterblich bleiben die Verdienste dieses Ordens und seiner Abzweigungen in der Kolonisation des deutschen Lebensraumes. Durch Jahrhunderte waren mehrere seiner Abteien in Italien (Farfa, Nonantula) Burgen und Festungen des Römischen Reiches Deutscher Nation. Gegenüber diesen drei alten Orden treten die übrigen, deren Generäle im Farbenreichtum der Trachten einander folgen, weniger hervor, so überaus verdienstvoll ohne Zweifel ihr Wirken im Gesamtorganismus der Weltkirche ist. Ihre manchmal eigenartigen Uniformen, die in romanischen Ländern entstanden sind und mit ihrer fremdartigen Ästhetik kaum in das moderne Stadtbild passen, gehen nach der Lebensgeschichte ihrer Gründer auf Anweisungen Christi oder seiner Mutter zurück.
Vorbei zieht das Heilige Kolleg. In würdig gemessenem Schritt folgen einander die Purpurträger: ehrwürdige Erscheinungen, vom Alter gebeugte Männer, die alle mehr oder weniger ein interessantes Leben hinter sich haben. Seit 1870 wurden sie immer stärker auf die Rolle hoher Verwaltungsbeamten oder vortragender Räte herabgedrückt, abhängig von Ordens- oder Weltgeistlichen, die ihre Referate besorgen, da sie in merkwürdiger Ämterkumulierung meistens vier bis sechs päpstlichen Kongregationen angehören und deshalb auch bei genialster Begabung unmöglich von einer Sitzung zur anderen das gewaltige Arbeitspensum auch nur flüchtig lesen können. Mit Ausnahme von Merry del Val, Gasquet, Billot, Ehrle und Frühwirth gehören alle der italienischen Nation an, die seit Jahrhunderten der römischen Kurie die Angestellten vermittelt, manche aus Süditalien oder Sizilien, wo nicht wenige Heilige geboren wurden, aber im Volke noch viel aus den Religionen der Antike mitgezogen wird. Mein Begleiter, der zum ersten Mal in Rom eine solche große Feierlichkeit mitmachen konnte, fragte mich etwas naiv: „Umfaßt dieses hohe Kolleg in seiner Zusammensetzung alle Nationen? Ist es der Ausdruck einer Weltkirche?“ (Pius XII. hat unter dem Druck der politischen Verhältnisse nach 1945 manches daran geändert.) Ich konnte ihn bald mit der Antwort beruhigen, die ich erst vor wenigen Tagen von einem der besten Kenner Roms erhalten hatte, dem ich ähnliche törichte Fragen vorlegen wollte. Im absolutistischen System der Weltkirche haben Kardinäle wenig zu reden, da ihre Meinung den Papst nicht bindet. Die letzte Entscheidung muß er selbst fällen. Er kann machen, was er nach seinem Gewissen und Urteil für gut findet. Eine Appellation oder irgendwelche Kontrolle im Sinne der Urkirche ist nicht mehr möglich. Deshalb spielt es keine Rolle, wer gerade den Purpur trägt. Die Urteile der Römer sind geistreich, aber hart. Ich höre sie über diese und jene Kardinäle, über den Spanier Merry del Val, den Engländer Gasquet, der die Nichtigkeitserklärung aller anglikanischen Weihen in Rom durchgesetzt hat, den Franzosen Billot, der die in romanischen Ländern besonders urgierte Herz-Jesu-Verehrung als dogmatisch fragwürdig erklärte und eine Vorliebe für eine geläuterte Action française hatte, den deutschen Jesuiten Ehrle, der seiner Würde bewußt, trotz des hohen Alters in aufrechter Haltung dahinschritt. Nichts würde sein Ordensgelübde verraten, irdische Ehren abzulehnen. Das Kardinalskolleg, das in den Jahrhunderten seines Bestandes, weil es (bis ins 19. Jahrhundert hinein) auch Nichtpriester unter sich hatte, auf eine bewegte Geschichte zurückblicken kann, die wissenschaftlich noch nicht geschrieben ist, ist heute gegenüber der großen Bedeutung im Mittelalter eine „umbra magni nominis21)“, wenn auch religiös vorwärtsstrebende Kämpfergestalten und Persönlichkeiten von hoher Kultur in ihm immer vertreten sind. Ihr Privatleben ist opfervoll geworden, ohne Abwechslung, in manchen Dingen ein weiterlebender Barock entschwundener Zeiten. Mich fesselt nur mehr eines, die Gestalt des Papstes, die wie eine Erscheinung vergangener Jahrhunderte mit religiöser Begeisterung durch die Menge auf dem Tragsessel durch St. Peter zieht. Feierlich klingen Perosis Melodien „Tu es, Petrus“ durch die Kirche. Der Jubel hat kein Ende. Wie eine Symphonie von Musik, Religion und Kunst zieht der Ritus des päpstlichen Hochamtes an unserem Auge vorüber — alles ist Einheit, Harmonie, Zusammenklingen.
Als der letzte Segen erteilt wird, dieselben Posaunen erklingen, die Menge im Beifall jubelt, blicke ich hinüber, wo einst die Grabstelle der Mutter Heinrichs IV., Agnes, der Tochter des Herzogs Wilhelm von Aquitanien war, dem die Lombarden ihre Krone angeboten hatten. In der Petronillakapelle liegt sie begraben, unweit vom Papstaltar, an dem die feierlichen Zeremonien der Missa papalis sich vollziehen. Niemand beachtet mehr die letzte Erinnerung an diese deutsche Mutter, nachdem ihr Grab verschollen ist. Beim Neubau von St. Peter wurde alles beseitigt, was den Architekten störte. So teilt Agnes das Schicksal der deutschen Päpste, deren Gräber in Sankt Lorenzo vor den Mauern, im Dom zu Florenz und in Ravenna verschwunden sind. Kein Gedenkstein erinnert mehr an ihre Namen. Sie sind ausgelöscht und leben nur mehr in den Büchern der Geschichte. Nur zwei Fürstlichkeiten der deutschen Nation, Agnes und Otto II., haben als die einzigen gekrönten Häupter aus der langen Geschichte des Römischen Reiches Deutscher Nation hier ihre Ruhestätte gefunden. Auch Agnes erlebte einst in St. Peter den Triumph eines Papstes, als ihr Sohn Heinrich IV. von der Kardinalskommission des Reiches und der Krone verlustig erklärt wurde. Schon beim Ausgang von St. Peter ruht Mathilde von Tuscien, die Gegnerin der Italienpolitik Heinrichs IV., der ihren großen Feudalbesitz bedrohte. Ein weiteres Stück deutscher Tragik. Wie wenn Hieroglyphen sich entziffern, sprechen diese Grabinschriften in die Gegenwart hinein.
Ein zweites Erlebnis. — Das erste Mal beim Papst. Erwartungsvoll schreite ich durch die vielen Säle des vatikanischen Palastes, bis die Glocke das Zeichen gibt, daß ich eintreten darf. Hinter einem schlichten Paravento noch einige Schritte, und ich knie vor dem Steuermann der Weltkirche. Eine wenig künstlerisch ausgeführte Glasmalerei auf dem Fenster hinter dem Thronsessel des Papstes stört den ersten Eindruck, das Geschenk einer Mailänder Firma. Schon auf dem Wege hörte ich, daß der gelehrte Papst mehr Prunk als echte Kunst liebe. Der Oberitaliener hat ein schärferes Profil als der Römer. Kraft, Arbeit und Energie sprechen aus dem Antlitz dieses Papstes. Die Gesichtszüge sind fast hart zu nennen. Der Römer ist der geborene „fra commodo22)“, der Fragestellungen ausweicht oder sie erst dann erledigt, wenn sie nicht mehr zeitgemäß sind und eine Verurteilung oder positive Einstellung der Weltkirche niemand mehr besonders aufregt. Das bekannte Wort „Roma lavora con piedi di piombo23)“ erklärt sich aus dieser römischen Vorliebe für ein ruhig dahinfließendes Leben. Der Rhythmus der Arbeit und der Dynamismus des Nordmenschen mit seiner Faustischen Unruhe liegen ihm nicht. Er will nicht überall „Ordnung machen“, kennt nicht den Fanatismus für die Wahrheit und nimmt deshalb auch vieles im Leben nicht tragisch. So bildet er das statische Element innerhalb der Weltkirche, das aber für eine so große, nur auf dem Glauben und ohne äußere Machtmittel aufgebaute religiöse Organisation eine Notwendigkeit ist. Pius XI. ist aus einem anderen Holze geschnitzt. Kühl und nüchtern, eine geborene Herrschernatur. Ein Mann mit Linie, Kirchenfürst durch und durch. Der Norditaliener mit der Tiara, der den Besucher trotz aller väterlichen Güte seine hohe Stellung fühlen läßt. Ein ragender Fels im Toben der Zeitgeschichte, kein Opportunist oder Diplomat im Sinne Talleyrands. Gegenüber dieser Säkularerscheinung machte der übrige Hofstaat einen wenig bedeutenden Eindruck. Die Frage dreht sich bald um meine Heimat, um Österreich. Ich hörte aus den Worten des Papstes viel Sympathie und spürte Wärme. Er war geboren, als Österreich noch Mailand besetzt hatte. Seine Verwandten standen im Dienste der alten Habsburgermonarchie. Die Namen Kardinal Geysruck, Erzbischof von Mailand, dessen Ernennung Wien nur mit Drohungen beim Vatikan durchgesetzt hatte, und Feldmarschall Radetzky bedeuten für ihn als Italiener Josefinismus, Knechtung und Fremdherrschaft. Er scheint aber das jetzige Österreich zu schätzen, das klein und machtlos geworden ist. Das Gespräch ging bald auf deutsche Belange über. Er sprach voll Bewunderung über deutsche Arbeit und Wissenschaft, nachdem er als Gelehrter so oft die Bibliotheken Deutschlands, Österreichs und Böhmens besucht hatte, und von der Genauigkeit und Disziplin des deutschen Menschen. Deutschland werde sich wieder aus der Katastrophe herausarbeiten. Dann zeigte er mir einen langen, vom Reichspräsidenten Hindenburg an ihn gerichteten Brief mit dem Dank der deutschen Regierung für alles, was der Vatikan nach dem Kriege auf karitativem Gebiete getan hatte. „Welche Persönlichkeit!“, rief er aus, als er die machtvolle Unterschrift des Generalfeldmarschalls betrachtete. Vielleicht liebt er Deutschland in seiner Not und Verdemütigung, ob auch in Glanz und außenpolitischer Größe, wenn es einmal national erwachen sollte? Ich konnte den Gedanken nicht loswerden, daß er Deutschland mehr bewunderte, als sich ihm seelisch nahe fühlte. Ich erinnerte ihn daran, den Namen „Achille Ratti, Prefetto della Biblioteca Ambrosiana“ eingetragen gefunden zu haben in der Bibliothek des Prämonstratenserklosters Strahov bei Prag und in einem ärmlichen Pfarrhaus des Ennstals, in dem er vor seiner Bergpartie auf den Dachstein in der Steiermark übernachtet hatte. Diese Audienz umfaßte kostbare Augenblicke, die mir unvergeßlich sind. Die Kirche hat in Pius XI. einen großen Führer erhalten, auch wenn die Wellen der Zeit den kleinen Kahn stürmisch emporhoben. Er ist mehr als jener „dolce Cristo in terra24)“, von dem italienische Zeitungen in einem eigenartigen Byzantinismus mit Catherina von Siena sprechen. Er ist eine durchaus männliche Erscheinung. Er weiß, was er will, und ist sich seiner Würde, aber auch des Bleigewichtes seiner Verantwortung in dieser Zeitenwende ganz bewußt. Er ist leidenschaftlich bemüht, das Ansehen des Vatikans zu mehren und dem Papsttum den Anschluß an die große Weltpolitik im Interesse der Weltkirche zu sichern. Mit tiefem Dank für die erste Audienz verließ ich von seinem apostolischen Segen beglückt sein Arbeitszimmer. Nur Pius XI. galten meine Gedanken. Alles andere ist Alltag und Schatten, der sich an die Sonne drängt. Die Eindrücke lassen mich nicht mehr zur Ruhe kommen. Dieser Papst mit seinen bald siebzig Jahren ist noch relativ jung zu nennen, trotz des langen Lebens eine unverbrauchte Kraft. Möge ihm in heiliger Eingebung die Gnade geschenkt werden, die Kirche aus der Vergangenheit zu einer glücklichen Synthese von Religion und nationalem Denken zu führen, wie es Millionen von Europäern heute wünschen. Unendlich groß ist seine Verantwortung. Er ist ein Märtyrer seiner Stellung, der erste Kreuzträger der Welt, darin wirklich der Vicarius Christi, umgeben von Rivalitäten der Staaten, Nationen und verschiedenen theologischen Richtungen innerhalb der Kirche. Wenn man die Bilder der Renaissancepäpste mit jenen des 20. Jahrhunderts vergleicht, welch ein Unterschied schon allein im Gesichtsausdruck einer milden Schwermut, die sich der Gefahren und Schattenseiten unserer Zeit, besonders des Niederganges des verinnerlichten religiösen Lebens, bewußt ist. „Oremus pro Pontifice nostro25)!“
5) „ein entwaffneter Prophet“
6) „leben und (andere) leben lassen“
7) „klerikale Eifersucht“ (Streberei)
8) „Vor allem nie zuviel Eifer“
9) „Das Leben für die Wahrheit einsetzen“
10) „Besser gewesen wäre: weniger Wahrheit und mehr Liebe“
10a) „Stadt auf dem Berge“
11) „Volkesstimme ist Gottes Stimme“
11a) das „Arangierene, Kombinieren und Hinausschieben“
11b) „(den Dingen) auf den Grund gehen“
12) „Mit Merry del Val ist’s nicht weit her“
12a) Arbeiter priester
13) „Kardinäle sind gleich unnützen Fieunden und präpotenten Feinden“
*) Österreichischer Diplomat in Paris und Rom.
14) „Die Diplomatie ist meines Erachtens das Allerüberftüssigste! Die Botschafter sind nichts anderes als Spione, dazu da, um in den Vorzimmern zu lauschen. So etwas mochte früher einmal einen Sinn gehabt haben; aber wozu dient jetzt, da es die Presse gibt, noch ein Botschafter? Um eine Ohrfeige zu bekommen wie Hübner oder wie Barrili, um — am Vorabend der Vertreibung der (spanischen) Königin — zu versichern, in Spanien sei alles in Ordnung?
15) „die eigene Haut in Sicherheit bringen“
16) „der Unfähigkeit des Klerus und der Fähigkeit der Laien“ (nachhelfen zu können)
17) „Hier wird die Politik gemacht“
18) „Diese sind dazu fähig (wenn es opportun ist), ihr eigenes Hemd zu verschachern“
10a) »(das) Haus des gemeinsamen Vaters“
19) „‚heiligen‘ Opportunismus“
20) des „kleineren Übels“
21) „ein Schatten eines großen Namens“
22) „bequemer Bruder“
23) „In Rom geht man mit bleiernen Füßen voran“ (Hudal dürfte jedoch hier falsch zitiert haben. Das römische Volkssprichwort lautet nämlich: „A Roma si va avanti con piedi di piombo!“)
24) (jener) „süßer (gütiger) Christus auf Erden“
25) „Beten wir für unseren Papst!“
3. Der Kampf um die Deutsche Nationalstiftung der Anima — eine gesamtdeutsche Frage
Geschichte und Entwicklung der Deutschen Nationalstiftung der Anima sind in mancher Hinsicht, ähnlich wie jene der Benediktinerabteien Farfa und Nonantula, ein Beitrag zur Geschichte des deutschen Reichsgedankens in Italien. Aus kleinen Anfängen, großherzigen Schenkungen einer Familie Peter von Dordrecht in den heutigen Niederlanden, Diözese Utrecht, damals noch Suffraganbistum von Köln, des Kardinals Enkenvoirt, Freunde des Papstes Hadrian VI., ist die Anima bald durch kleine und größere Beträge aus allen Gauen des Römischen Reiches Deutscher Nation zur führenden Stellung einer Deutschen Nationalstiftung in Rom emporgestiegen. Im modernen staatspolitischen Begriff war der eigentliche Gründer also die Niederlande. Wenn sie ihre Stiftung für alle Mitglieder der damaligen „Natio Alemannorum“ bestimmte, so dachten sie begreiflicherweise an die Landsleute ihrer eigenen Heimat (Westdeutschland, Rheinland und namentlich die Niederlande). Dietrich von Nieheim, der umstrittene Kurialist, kommt erst an zweiter Stelle, so verdienstvoll sein Wirken für die Anima war. Bewegt ist die Geschichte der Anima in den folgenden Jahrhunderten. Niederländer, Flamen, Belgier und zuletzt Italiener des zum Reichsfürstentum erhobenen Bistums Trient, Österreicher und Reichsdeutsche (im neuen Sinne der Staatsbürgerschaft) scheinen in ihren wechselvollen Schicksalen auf. Nicht alle Gebiete des Römischen Reiches Deutscher Nation, mit dessen Ursprung, Geschichte und Entwicklung die Pilgerstiftung „Unserer Lieben Frau der Seelen“ in Rom eng verbunden ist, haben im Laufe der Jahrhunderte in gleich starker Weise auch an der finanziellen Entwicklung der Anima Anteil gehabt. Ein Blick in das Bruderschaftsbuch, das von 1464 bis 1601 reicht und mit ungefähr 3000 Namenseintragungen eine der wichtigsten Quellen für die Geschichte des Deutschtums in Rom bildet (gleichzeitig mit jenem des deutschen Campo Santo bei St. Peter [von 1501] und des päpstlichen Heiligen-Geist-Spitales), zeigt uns, wie mannigfach nach Stämmen, Landschaften und Bistümern gegliedert die deutschsprachige Katholikengemeinde Roms in allen Jahrhunderten gewesen ist. Die Anima war auf geschichtlich nicht ganz geklärtem Wege seit Kaiser Friedrich III. unter weltlichen Rechtsschutz geraten. Vielleicht war das kaiserliche Protektorat, das später Maximilian in einem eigenen Staatsdokument festlegte, ein durch die damaligen Verhältnisse verursachter Übergriff weltlicher Macht (15. Februar 1517) in eine rein religiös-kirchliche Stiftung. Mit dem Glanz und Niedergang der Habsburgerfamilie eng verbunden, haben alle großen Ereignisse der Reichsgeschichte immer wieder in der ehrwürdigen Marienkirche der Anima ein Echo gefunden. Feierlich wurden mit einem Te Deum in dieser Kirche der Sieg Wallensteins, die Schlacht bei Nördlingen und vor allem die Befreiung Wiens von den Türken (1683) der deutschen Gemeinde und den Römern in ihrer Bedeutung für die gesamteuropäische Kultur zum Bewußtsein gebracht. Das kaiserliche Protektorat hatte für die Anima zur Folge, daß sie unter dem Einfluß des Fürstenabsolutismus zur Hof- und Repräsentationskirche der Habsburger in Rom wurde, während die Bruderschaft als ursprüngliche Trägerin des Besitzes und auch des Stiftungszweckes nach der Mitte des 17. Jahrhunderts sich allmählich auflöste. Der Anima gegenüber konnte ihre Schwesterstiftung des deutschen Friedhofs bei St. Peter, auch wenn manche ihren geschichtlichen Ursprung bis auf die karolingische Zeit zurückführen wollen, nicht aufkommen, selbst nicht, als um die Mitte des 15. Jahrhunderts ein Würzburger Ordenspriester gegen die Italienisierung reformierend entgegenzuwirken suchte. Auch diese zweite deutsche Stiftung, die wie die Anima ursprünglich nur für Pilgerbetreuung bestimmt war, wurde in den unsicheren Zeiten des spätmittelalterlichen Roms unter Reichsschutz gestellt. So sind beide, als das Römische Reich Deutscher Nation 1806 sein Ende fand, mit oder ohne Zustimmung des Vatikans unter das weltliche Schutzrecht der österreichischen Kaiser gekommen, was schließlich auch in den päpstlichen Breven für die Anima (1859) und den Campo Santo (1876) feierlich anerkannt worden ist. Es kann geschichtlich nicht bestritten werden, daß dieses weltliche Schutzrecht auch seine großen Vorteile hatte, wenn man an die unsicheren rechtlichen Verhältnisse im Kirchenstaate denkt, die aus allen Botschaftsberichten leider nur zu klar ersichtlich sind. Jedenfalls wurde die Stiftung der Anima im kritischen Jahre 1870, als der neue italienische Staat religiöse Vermögen zur Bezahlung seiner Schulden nach Belieben einziehen wollte, durch die Überschreibung in den Catasto di Roma26a) als „Ospizio reggio austriacob)“ und als „Imperiali e Reali Stabilimentic)“ vor den Zugriffen der geldbedürftigen neuen Herrscher Roms gerettet. Das Jahr 1918 hat mit dem Ende der Habsburgermonarchie diesem Schutzrecht ein Ende bereitet, um so mehr, als das Saint-Germain-Österreich ausdrücklich in der Präambel des Friedensvertrages erklärte, sich nicht als Nachfolgerin der Habsburgermonarchie betrachten zu wollen. So hatte auch Papst Benedikt XV. in einer Ansprache hervorgehoben, um den Weg für spätere Konkordate freizulegen, daß alle Rechte der früheren diesbezüglichen Herrscher in der Kirche nunmehr an den Apostolischen Stuhl zurückgefallen seien. Es war zu verständlich, daß nach dem Ersten Weltkriege, besonders aber nach der neuerlichen Ernennung eines Österreichers zum Rektor (1923), die Frage einer Neufassung des in vieler Hinsicht veralteten Breves von 1859 verschiedene Kreise interessieren mußte, nachdem der Text schon seit Jahrzehnten in vielen Teilen durch die Geschichtsereignisse überholt war und überdies geschichtliche Unwahrheiten enthielt. Tatsächlich hat das päpstliche Breve 1859 die berechtigten Ansprüche der Holländer nur teilweise anerkannt (in deutscher Übersetzung):
„Der zur Kirche S. Maria dell’Anima bestellte Klerus ist unter Deutschen zu wählen, die zur germanischen Nation gehören. Was die Belgier und Holländer betrifft, die ursprünglich das Recht hatten, in diesen Klerus zugelassen zu werden, so soll ihnen ein Entgelt gewährt werden durch Überweisung eines Jahreszuschusses aus den Einkünften der frommen Gründung, nämlich hundertzwanzig Scudi für einen Belgier und ebensoviel für einen Holländer, zu leisten an das belgische oder andere Priesterkolleg, jedesmal wenn sich dort von ihren diesbezüglichen Bischöfen ausgewählte und gesandte Personen befinden.“
Belgier, Holländer und Luxemburger und nicht zuletzt Reichsdeutsche meldeten deshalb nach 1918 nicht zu Unrecht ihre Ansprüche, stammten doch die grundlegenden und ursprünglichen Stiftungen, denen die spätere Entwicklung der Anima ihre Bedeutung verdankte, aus den Niederlanden, die im 14. Jahrhundert zum Römischen Reich Deutscher Nation gehörten, ferner aus den Gebieten der Diözesen Paderborn, Kulm (Danzig) — Brixen und Trient können nicht übersehen werden —, um nur einige zu nennen. Dabei ist es schwierig, heute noch im einzelnen nachzuweisen, wie viele Beiträge aus anderen Diözesen Deutschlands und Österreichs geleistet worden sind. Selbst die diesbezügliche Archivarbeit des Rektors Lohninger (Linz) konnte darüber nicht unbedingte Sicherheit verschaffen. Nur das Österreich der Nachkriegszeit hatte eine neue Stiftung, die 1924 Kardinal Erzbischof Piffl (Wien) mit Geschenken von Schweizer Wohltätern gemacht hat. Sonst verdankte die Anima ihren wirtschaftlichen Weiterbestand nur den Kapitalien (Häusern), die vorausgehende Jahrhunderte hinterlassen hatten. Je mehr ich mich nach meiner Ankunft in Rom in die Geschichte der Anima auf Grund von Geschichtsurkunden vertiefte, um so rascher erkannte ich, daß tatsächlich in ihr ein Stück vom Römischen Reich Deutscher Nation erhalten ist, daß es also ein gesamtdeutsches Haus war, in dem, keinen Schlagbaum kennend, ungeachtet aller Treue zur römischen Kirche, deutscher Geist herrschen und kreisen muß; wo ein halbes Jahrtausend deutscher Auslandsgeschichte auf mich täglich einwirkt und so viele Grabdenkmäler meiner Vorgänger mich an des Reiches Herrlichkeit erinnern, will ich Sonderwünschen keinen Raum in meinem Herzen geben, sondern die Stiftung so leiten, daß sie ihrer Geschichte und Vergangenheit würdig sei. Schon einmal war in der alten österreichisch-kaiserlichen Zeit ein Rektor (Lohninger, Linz) über diese seine gesamtdeutsche Haltung gestürzt. Sollte mir vielleicht eines Tages ein ähnliches Schicksal bestimmt sein? Die Hauptfragen des Kampfes um die Anima betrafen besonders folgende vier ungeklärte Teile des obgenannten päpstlichen Breves, wobei bekannt ist, daß die römische Kurie aus Traditionalismus oder politischen Rücksichten nicht rasch grundlegende Urkunden ändert — diese Breven mit ihren stereotypen Formulierungen hinken deshalb gewöhnlich der Zeitgeschichte nach: