Kitabı oku: «Die Zukunft ist menschlich», sayfa 2
1 Lösungen statt Probleme
Den besten Rat erhielt ich von einem sehr erfahrenen Begleiter meines beruflichen Lebens. Er hatte schon einige Unternehmen geführt und stand mir auch in seiner nicht mehr aktiven Berufslaufbahn noch viele Jahre zur Seite. Sein Rat lautete:
Bitte die Menschen, mit Lösungsansätzen zu dir zu kommen statt mit Problemen.
Dieser Rat ist simpel wie wirkungsvoll zugleich, und zwar im Privatwie im Berufsleben. Ich hörte einfach auf, Probleme zu diskutieren. Ich gebe zu, das war kein Schalter, den ich einfach umlegen konnte, sondern ein Lernprozess. Aber seitdem führe ich jedes, wirklich jedes Gespräch rund um eine Herausforderung nur zu Lösungsansätzen. Diskussionen wie »Das Problem ist« und »Wir müssten mal« stoppe ich sofort. Sie glauben gar nicht, wie viel Lebenszeit Ihnen dieser simple Rat schenken kann. Probieren Sie es!
Lassen Sie uns also auch im Folgenden mehr über die Lösungen sprechen als über die Probleme. Denn das macht schon einen großen Unterschied. Vielleicht haben Sie bereits den einen oder anderen Ratgeber in Sachen Digitalisierung gelesen. Es gibt dicke Schmöker, die zwar Probleme aufgreifen, aber keinerlei Lösungsansatz liefern. Mein Manifest hat genau das Gegenteil im Sinn: Sie zu motivieren, tagtäglich in Lösungen statt Problemen zu denken.
Unser Ziel sollte sein, die Zukunft heute schon enkeltauglich zu gestalten. Lassen Sie uns darüber nachdenken, wie wir uns die Zukunft vorstellen und wie wir sie selbst gestalten wollen. Jetzt mögen Sie vielleicht sagen: »Na ja, die hat gut reden. Arbeitet in der IT, versteht, was sich genau hinter dem Begriff ›Digitalisierung‹ verbirgt, und kann sicher programmieren.« Dabei geht es mir weniger darum, dass jeder programmieren kann, aber dazu kommen wir noch. Vielmehr ist der erste Schritt, die Gestalterrolle anzunehmen. Meinen Kindern gebe ich gerne mit:
Egal ob du denkst, du schaffst es, oder ob du denkst, du schaffst es nicht – du hast in jedem Fall recht!
Henry Ford
Das gilt bei den Kindern für den Sprung vom 3-Meter-Brett genauso wie fürs Kochenlernen.
Genauso stelle ich mir die gemeinsame Haltung positiv vor. Ja, wir können es schaffen. Wir brauchen eine Vision, wie genau wir uns diese Zukunft vorstellen, und müssen selbst die Schritte gehen, sie umzusetzen. Wie werden wir arbeiten? Welche Bildung wird notwendig sein? Wie steht es um Kunst und Kultur im digitalen Zeitalter? Wie nutzen wir die Digitalisierung, um gesünder oder auch länger gesund zu leben? Wie bewegen wir uns fort und wie schützen wir unsere Umwelt? Diese Fragen betreffen unser tägliches Leben heute sowie das unserer Enkelkinder in der Zukunft.
Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für die Welt.
Mahatma Ghandi
Lassen Sie uns groß denken. Wie etwa kann die Digitalisierung helfen, nachhaltig eine bessere Welt zu entwickeln? Die Global Goals, also die weltweiten Ziele, werfen die Frage auf, wie wir ein Leben ohne Armut, Hunger oder etwa Krankheit in allen Teilen der Welt sicherstellen können. Erste Ansätze gibt es: So liefert DHL bspw. mit Drohnen Medikamente in entlegene Gebiete Afrikas.5
Global Goals: Im Jahr 2015 vereinbarten die Staats- und Regierungschefs 17 Ziele für eine bessere Welt bis 2030. Diese Ziele haben die Kraft, Armut zu beenden, Ungleichheit zu bekämpfen und den Klimawandel zu stoppen. Geleitet von den Zielen ist es nun an uns allen – Regierungen, Unternehmen, Zivilgesellschaft und öffentlichkeit –, gemeinsam daran zu arbeiten, eine bessere Zukunft für alle aufzubauen.6
Wenn wir fest davon ausgehen, dass der Roboter, die Maschine oder der Computer uns in Zukunft ersetzen und wir dies quasi als Schicksal hinnehmen, ist dies so ziemlich das Gegenteil davon, sich selbst aktiv für eine positive Zukunftsprognose einzusetzen.
Und während beim Thema Erderwärmung der Einzelne vielleicht noch sagen mag »Das geht mich nichts an« oder »Mein kleiner Beitrag macht doch keinen Unterschied«, weil man es im Täglichen vielleicht nicht spürt, wenn etwa Eisplatten am Nordpol schmelzen, so dürfte sich in Sachen Digitalisierung jeder Einzelne angesprochen fühlen. Schließlich nimmt inzwischen jeder die veränderte Lebenswirklichkeit wahr. Sehr deutlich etwa beim Smartphone, das bei inzwischen acht von zehn Menschen fest im Alltag verankert ist. Dabei ist sein Prototyp, das erste iPhone, erst seit 2007 auf dem Markt.
Ich meine, dass der Mensch auch in Zukunft im Mittelpunkt stehen wird – und dass wir selbst dafür sorgen müssen. Als Menschen. Für Menschen. Mit digitalen »Hilfs«mitteln.
»Halb voll« in diesem Buch
Diese Reise, auf die ich Sie mitnehmen möchte, soll lebendig sein und Ihnen vor allem als Wegweiser dienen, den Sie gleich im Alltag nutzen können. Und so will ich in diesem Buch gedanklich Stationen durchwandern und am Zielpunkt unserer Reise immer zu einer Halbvoll-Haltung gelangen. Einem Aussichtspunkt, von dem aus Sie den Überblick haben oder zumindest eine neue Perspektive. Dabei will ich Sie einladen, bewusst in den Perspektivwechsel einzutauchen, der sich bietet.
»Aussichtspunkt« beschreibt es sehr schön, denn von dort sitzen Sie erhöht und können die Lage überblicken. Wer Herr der Lage ist, fühlt sich gleich besser. Nicht hilflos zusehen müssen mit der Gefahr, den Überblick darüber zu verlieren, was um einen herum passiert, sondern agieren können. In Selbstwirksamkeit kommen, nennen es die Kognitionspsychologen: Überzeugt sein, dass man es schaffen kann, wie schwer auch immer die Aufgabe sein mag, die vor einem liegt. So gehen wir Dinge an, und Herausforderungen lassen sich aus eigener Kraft erfolgreich lösen. Dazu müssen wir selbst die Erfahrung gemacht haben, etwas aus eigener Kraft schaffen zu können.7
Einige Lösungsansätze für mehr Selbstwirksamkeit im Digitalen bringt dieses Buch mit. Insbesondere im Kapitel 4: Bildung werde ich mich damit beschäftigen, wie wir uns die wichtigen Kompetenzen aneignen, über die wir zukünftig verfügen sollten. Wenn Computer sämtliches Faktenwissen speichern und jederzeit für uns abrufbar bereithalten, werden Soft Skills wichtiger als Hard Skills. Zur Frage, was dies für Auswirkungen auf unsere Arbeit haben wird, gibt es ein eigenes Kapitel 4: Arbeit.
»Halb voll« heißt nicht, dass automatisch alles super läuft. An einigen Stellen werde ich auf kritische Punkte bei der Entwicklung der Digitalisierung und dem Umgang mit digitalen Medien hinweisen. Technologie um der Technologie willen ist ein schlechter Berater, wie ich meine. Aber noch konkreter werden wir im Kapitel 3 sehen, wann etwas Neues – sei es Technologie oder nicht – überhaupt erfolgreich sein kann. Dort erkläre ich die 4W-Formel, die ich seit einigen Jahren in der Praxis anwende.
Insgesamt täte es uns gut, viel mehr in Diskurs zu gehen über »gute und schlechte« Digitalisierung. Und über Werte und Ethik, die als Grundlage wie ein ungeschriebenes Gesetz gelten müssten. Hierzu finden Sie mehr im Kapitel 3: Ethik.
Der gesunde Menschenverstand
Auch wenn das Digitale fremdes Terrain für Sie sein sollte, will ich Sie ermutigen, einen Urinstinkt auszupacken: Ihren gesunden Menschenverstand.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die Methoden der Marktforschung habe ich in all den Jahren von der Pike auf gelernt, hinterfragt und weiterentwickelt. Dazu gehört, wie man Umfragen plant, durchführt und analysiert. Vor allem die Validität, also die Gültigkeit von Ergebnissen, ist seit jeher ein wichtiger Faktor in meiner täglichen Arbeit. Die Frage, die mich ständig begleitet, lautet: Können die Ergebnisse richtig sein?
Mit meiner Firma Dialego führen wir für Unternehmen Hunderte, manchmal Tausende von Interviews durch und analysieren diese (übrigens immer anonym). Heraus kommt dann bspw., wie die Menschen zur Digitalisierung stehen. Ein Ergebnis: Im Jahr 2018 sagten die wenigsten, dass sie »sehr offen« (nur 18 %) der Digitalisierung gegenüberstehen, die meisten Menschen waren »eher offen« oder »unentschieden«. Das finde ich plausibel. Mein GMV – gesunder Menschenverstand – sagt: »Das kann gut stimmen«, also veröffentliche ich diese Zahlen auch guten Gewissens. Natürlich muss hinter einer solchen wissenschaftlichen Studie mehr stehen als »nur ein Gefühl«. Die Methodik muss stimmen, die Stichprobe, das Auswertungsverfahren etc. Kunden, die uns beauftragen, vertrauen mir und meinem Team, dass wir das ordentlich umsetzen, und dieses Vertrauen nehme ich sehr ernst.
Wie stehen Sie zur Digitalisierung?
Nichtsdestotrotz spielt der Faktor Mensch eine wesentliche Rolle. Der darf sein Gehirn nutzen und im Kontext seiner Erfahrungen und seines Wissens kritisch auf solche Zahlen schauen. So tue ich es auch bei den eigenen Ergebnissen, selbst wenn ich überzeugt bin, dass die Methode der Untersuchung gut und richtig ist.
Über die eigenen Erlebnisse und Erfahrungen wird täglich unser gesunder Menschenverstand geschärft. Er lernt übrigens besser als jede Maschine, womit wir uns noch weiter auseinandersetzen werden. Setzen wir ihn also ein. Neuroplastizität nennen Gehirnwissenschaftler die Fähigkeit des Gehirns, mit jeder neuen Erfahrung, die wir machen, neue Verbindungen auszuprägen. Sie ist damit besonders wichtig für uns Menschen.
Wenn der GMV Alarm schlägt
In Zeiten des digitalen Wandels erhöhen sich nicht nur Geschwindigkeit und Taktzahl innerhalb von Unternehmen, sondern gerade auch bei denen, die Nachrichten für Fernsehen, Zeitungen oder digitale Kanäle »produzieren«. Dort werden gerne Studien zitiert, um einer Nachricht mehr Gewicht oder ein Fundament zu geben. Manches Mal aber leider nicht mit wissenschaftlich fundierten Methoden, stattdessen gaukelt man vor, »diese 1000 Interviews sind repräsentativ«. Ich will Sie nicht mit Methodik langweilen, aber mir ist wichtig, dass Sie erkennen, welchen Zahlen Sie trauen können und welchen nicht. Schließlich wollen Sie sich ja ein Bild machen und auf eine Information vertrauen können. Wenn Sie Haltung zeigen, dann auch wohlinformiert.
Aus dem Unternehmensalltag eines Marktforschers kann ich sagen, dass es Anfragen gibt, die lauten: »Hauptsache, Sie liefern 1000 Interviews oder mehr. Dann ist es repräsentativ.« Genau das ist Quatsch, und ich erkläre Ihnen, warum.
Ein einfaches Beispiel, bei dem Sie vermutlich die Alarmglocken läuten hören: Stellen Sie sich vor, Sie sollen herausfinden, wie viel Wert die Deutschen ganz allgemein auf Biolebensmittel legen. Sie stellen sich an einem Samstagmorgen vor einen Biomarkt im Ort und fragen dort 30 Menschen, wie sie es mit dem Einkauf von Biolebensmitteln halten. Am Abend führen Sie die gleiche Umfrage vor dem Multiplex-Kino Ihrer Wahl durch und erreichen weitere 30 Personen. Am Sonntag setzen Sie sich in Ruhe hin, nehmen sich Ihre Interviews vor, werten die Antworten aus (wie oft wurde welche Antwort gewählt?) und vergleichen die beiden Gruppen, also Biomarkt- und Kinogänger. Was vermuten Sie? Was kommt raus? Ticken beide Gruppen gleich? Vermutlich nicht. In der Gruppe der Biomarktkäufer erhalten Sie vermutlich 100 % Zustimmung, wenn es um die Wichtigkeit von Biokost geht. Vor dem Kino wird der Wert deutlich niedriger liegen. Angenommen, Sie erwischen vor allem studentische Befragte, werden diese möglicherweise urteilen, dass sie aus Kostengründen eher zu konventionellen Produkten greifen. Welche Antworten sind nun »richtig«? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten: Die Stichproben waren nicht ausgewogen und nicht geeignet, etwa eine Aussage über alle Deutschen zu treffen, schließlich sind Sie allein durch die Ortswahl Ihrer Interviews jeweils auf spezielle Zielgruppen getroffen. Im Kapitel 2 werden wir darauf etwas genauer schauen.
Mit diesem einfachen Beispiel will ich Sie motivieren, Ihren gesunden Menschenverstand einzuschalten, wenn Sie solche Ergebnisse sehen. Lesen Sie nicht nur die Titelzeile. »Biolebensmittel total angesagt« könnte die Überschrift lauten, wenn ein Artikel über Biokäufer geschrieben wird. Es nützt übrigens wenig, wenn Sie Ihre Freizeit so lange vor dem Biomarkt verbringen, bis Sie 1000 Interviews oder gar 10 000 Interviews durchgeführt haben. Das Ergebnis passt immer noch nur für die Biokäufer. Daraus eine Aussage über die gesamte Bevölkerung abzuleiten wäre schlichtweg falsch. Daran ändert eine große Zahl Befragter gar nichts, sondern nur eine ausgewogene und kontrollierte Rekrutierung der Teilnehmer.
Lesen Sie also weiter, wenn Sie eine Überschrift sehen. Schauen Sie sich an, was im Detail berichtet wird. Wenn eine Studie zitiert wird, hinterfragen Sie diese kritisch. Eine gute Berichterstattung wird Auskunft darüber geben, wie befragt wurde und wie viele Menschen dahinterstehen. Jeder gute Journalist wird kritisch hinterfragen. Sollten Sie journalistisch tätig sein, dann lassen Sie sich nicht vom Druck im Hamsterrad und der Größe einer Stichprobe leiten, sondern überlegen Sie, was Sie veröffentlichen. Schließlich steht Ihre Glaubwürdigkeit auf dem Spiel,8 auch wenn wir in Zeiten des Wandels und hohen Drucks sehen, dass reißerische Meldungen sich besser verkaufen mögen.
Aber was heißt das nun? Ich meine, Sie sollten Haltung einnehmen. Aus Ihrer Rolle und Verantwortung heraus, sei es als Mutter oder Vater, Arbeitnehmer, Manager, Lehrer, Pfleger, Freund … Seien Sie ehrlich mit sich selbst und fragen Sie sich: Kann das sein? Nehmen Sie sich die Zeit, gründlich zu lesen. Haben Sie diese nicht, dann verbreiten Sie bitte keine Meldung. Vergegenwärtigen Sie sich, dass Ihr Gegenüber Ihren Aussagen vertraut.
Wir werden uns im Verlauf noch mit der Bedeutung von Marken, bspw. als Absender eines Produkts oder einer Dienstleistung, beschäftigen. Allgemein betrachtet ist jeder Einzelne eine »Marke«, ebenso wie Institutionen. Warum es in Zeiten digital schnell verbreiteter (Falsch-) Meldungen so wichtig ist, sich selbst treu zu bleiben und die eigene Glaubwürdigkeit und Integrität zu wahren, lesen Sie im folgenden Beispiel.
Wie eine hochintegre Institution zweifelhafte Statistiken verbreitet
Während ich dieses Buch schrieb, veröffentlichte das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie das Ergebnis einer Studie auf Twitter: 25 % der Deutschen können in wenigen Worten erklären, was künstliche Intelligenz (KI) bedeutet. Darunter noch ein lustiges Interaktionselement: eine Umfrage. Twitter ist ein 2006 gestarteter Social-Media-Kanal, auf dem mit 1,8 Millionen deutschsprachigen Nutzerkonten vergleichsweise wenige Nutzer aktiv sind. Sie treffen hier überwiegend »Fachpublikum« wie Journalisten, Politiker und Experten ihres Fachs.
Zurück zur Umfrage auf Twitter. Sie ahnen es schon: Wir haben hier den Biomarkteffekt. Ganze 93 % der 43 Teilnehmer auf Twitter (ich war eine davon) können KI erklären. Nur drei verneinten. Mein GMV sagte bei den 93 % »Ja, das passt«, ist Twitter doch ein Medium, in dem sich fast ausschließlich technologieaffine Menschen tummeln. Und wer sich für die Nachrichten eines Wirtschaftsministeriums interessiert, ist wohl erst recht im Thema.
Aber 25 % der Deutschen? Mein GMV schlug Alarm. Wäre der Absender irgendein Klatschblatt gewesen, hätte ich drüber hinweggelesen, weil ich schon diesen Absender nicht ernst nehme (Thema Marke! Dazu weiter unten mehr). Aber das Bundeswirtschaftsministerium? Dort, wo ich seit einigen Jahren und sehr gerne eine Beiratsrolle wahrnehme und Hinweise geben soll, wie das Digitale zu gestalten ist? Da fühle ich mich aufgefordert, Haltung einzunehmen. Ich muckte auf und antwortete auf den Tweet, dass ich Zweifel an der Richtigkeit der 25 % habe. Ich schätze diese Zahl – aus meiner Erfahrung und Studien heraus – deutlich niedriger ein. Zwar erhielt ich keine Antwort des BMWi, aus dem Lobbyumfeld aber erreichte mich eine scharf formulierte private Nachricht. Und was glauben Sie, was darin stand? Wie ich es mir erlauben könnte, eine Aussage des BMWi in Zweifel zu ziehen! Meine Antwort: Gerade weil ich mich in dem Feld auskenne, finde ich es wichtig, Haltung einzunehmen.
Genau das ist entscheidend: Lassen Sie uns in Diskurs gehen, statt blind zu vertrauen. Am Diskurs wachsen wir alle und lernen aus der Erfahrung und im Kontext mit anderen. Dazu gehört auch, etwas aushalten zu können. Im blinden Vertrauen jedoch bleiben wir passiv, wachsen nicht in die Gestalterrolle und fügen der Diskussion keine eigenen Akzente hinzu. Also: Statt einfach im Schwarm mitzuschwimmen, drücken Sie die eigene Haltung oder Überzeugung aus dem gesunden Menschenverstand offen aus, auch wenn mit Widerstand zu rechnen ist. Resilienz nennen die Psychologen diese Widerstandskraft. Was dazu beitragen kann, diesen wichtigen Soft Skill zu schulen, sehen wir im Kapitel 4: Bildung.
Zum Diskurs gehören Argumente und Gegenargumente, die uns oder unser Gegenüber auch überzeugen können. Es gehört Mut dazu, Fehler und Fehleinschätzungen zu korrigieren oder zu kommentieren. Als schädlich dagegen stufe ich Passivität ein – die »Nichts sehen, nichts hören, nichts sagen«-Haltung der berühmten drei Affen, wie ich sie zunehmend wahrnehme. Und zwar immer dann, wenn die Themen besonders kompliziert werden, wie etwa beim Thema Daten.
Lassen Sie uns aufstehen und den Diskurs starten. Aus gesundem Menschenverstand. Das wäre ein wunderbarer Beginn der »halb vollen« Sichtweise auf die Welt.
Mensch und Maschine
Stärken entfalten
Die »Halb voll«-Haltung kann uns helfen, in jeder Situation auf die Stärken und Potenziale zu blicken statt auf die Schwächen. Der Neurobiologe und Bestsellerautor Gerald Hüther nennt es Potenzialentfaltung und beschreibt, dass wir mit Kreativität und Begeisterung statt Stress und Leistungsdruck das entfalten, was in uns steckt.9 Die Neuroplastizität, also Weiterentwicklung unseres Gehirnnetzwerks, geschieht nur, wenn wir etwas mit Begeisterung tun. So liegt es mir am Herzen, Begeisterungsfähigkeit für diese neue digitale Welt zu schaffen. Wer in Zeiten des digitalen Wandels zum Gestalter wird und die eigenen Stärken entfaltet, kann vom Wandel nicht überrollt werden.
Der Beginn dazu ist Neugier. Beeindruckende Beispiele für Neugier begegneten mir in den USA, wo ich zwei Mal gelebt habe. Das erste Mal flog ich gleich nach dem Abitur rüber, um für einige Wochen bei einer Familie zu leben. Schon im Auto vom Flughafen nach Hause wurde klar, dass ich in einer mir noch sehr fremden Kultur gelandet war. Ich wurde auf lockere Art und Weise über dies und jenes befragt und empfand das als echte Neugier auf die Person, die nun bei ihnen einzog. Jetzt kann man sagen, wer einige Wochen oder Monate den Haushalt teilt, interessiert sich wohl besser für seine neue Mitbewohnerin. Sicher stelle ich die amerikanische Kultur hier sehr vereinfacht dar, aber belassen wir es an dieser Stelle bei diesem für mich bleibenden Eindruck: Während meiner mehrmonatigen Aufenthalte in Familien gewann ich das Gefühl, dass die Kultur Neugier ausstrahlte. Neugier auf das, was da kommen mag. Wissen, dass man etwas selbst entdecken kann und muss. Eine Art Christoph-Kolumbus-Mentalität, die Welt (neu) zu entdecken. Und diese Neugier steckte mich an.
Einfach mal herausfinden, was hinter einer Haltung oder Handlung steckt, was den anderen antreibt und bewegt – ein Grund, warum ich mich im weiteren Verlauf meiner Laufbahn für die Marktforschung entschied und somit dafür, den Dingen auf den Grund zu gehen, den Menschen wirklich zu verstehen und dann in seinem Sinne zu handeln.
Wie wäre es also, wenn wir dem Menschen zugewandt grundsätzlich auf die Potenziale schauen statt auf die Defizite? Wenn wir betrachten, was den Menschen wirklich ausmacht, und ihn darin fördern, worin er stark ist? Denn wenn wir weiter alle gleich behandeln, betrachten wir den Menschen wie eine Maschine. Die macht alles gleich, kann aber auch nur Bekanntes verarbeiten. Nur das, was sie gelernt hat. Von »Natur« aus, eben weil sie keine Natur ist, sondern programmiert wird mit dem, was sie tun soll. Nicht umsonst gibt es ganze Forschungsfelder, wie etwa die Bionik, bei der die Maschine von der Natur lernen soll. Aber auch dies bedeutet lediglich nachzuahmen, was die Natur selbstständig hinbekommt. Während die Natur sich selbst weiterentwickelt, bleibt die Maschine in ihrem Imitationsmodus stecken. Allein die neurobiologische Erkenntnis, dass Kreativität und Begeisterungsfähigkeit neue Verbindungen im Gehirn des Menschen herstellen, lässt erahnen, dass dies maschinell unmöglich ist.
Bionik: Wissenschaft, die technische, besonders elektronische Probleme nach dem Vorbild biologischer Funktionen zu lösen versucht. (Duden online)
Wir verkennen den großen Unterschied zwischen Mensch und Maschine, wenn wir nicht endlich umdenken, beide grundlegend anders behandeln und deutlich machen, dass uns der Unterschied sehr wohl bewusst ist. Das kommt mir oftmals zu kurz.
Dabei will ich Sie ermuntern, nach Lösungen zu suchen, wie Mensch und Maschine nicht gegeneinander, sondern miteinander arbeiten. Eine Lieblingsserie meiner Kinder ist »Miraculous«.10 SuperheldenFilme wie »Superman« u. Ä. erlangen seit Jahrzehnten zuverlässig Weltruhm. Sie handeln davon, wie der Mensch Superkräfte erhält und so die Welt rettet. So ähnlich, mit weniger Fiktion, stelle ich mir die Zukunft vor, wie wir sie prägen. Auch in der Digitalisierung gewinnt der Mensch, mit digitalen Superkräften, die uns nicht schwächen, sondern die wir als Stärke zu nutzen wissen.