Kitabı oku: «Unternehmenssanierung, eBook», sayfa 27
1.2 Wahrnehmung von Komplexität in Unternehmen
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Grundsätzlich ist die Wahrnehmung der Verantwortlichen innerhalb eines Unternehmens für Auslöser und Verlauf einer Krise beschränkt, da diese als Betroffene nicht frei von subjektiven Einschätzungen bezüglich der aktuellen Situation sind. Häufig ist das Management aber viel mehr als nur Betroffener. Die Erfahrung zeigt, dass gerade Führungsschwäche, falsche Einschätzungen der Geschäftsentwicklung und fehlerhafte strategische wie operative Entscheidungen Unternehmenskrisen auslösen. Damit fallen die handelnden Elemente, die eine mögliche Krise frühzeitig identifizieren sollten und mit geeigneten Maßnahmen gegensteuern könnten, durch ihre starke persönliche Beteiligung als objektive Analysten der aktuellen Unternehmenssituation weitgehend aus. Der eingangs beschriebene Charakter der Komplexität, dass komplexe Systeme selbst dann nicht vollständig verstanden werden können, wenn vollständige Informationen über alle ihre Elemente und deren Wechselwirkungen vorliegen, wirkt in diesem Zusammenhang als weiterer Hinderungsgrund, um eine vollständige Erfassung des tatsächlichen Krisenverlaufs aus dem Unternehmen heraus rechtzeitig zu identifizieren.
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Das Wesen der Komplexität führt in Krisensituationen häufig zu dem Versuch, die einfach zu identifizierende Ursache mit einfachen Maßnahmen zu beheben. So kann eine auftretende Ergebniskrise häufig linear auf einen Umsatzrückgang bei einem Schlüsselprodukt zurückgeführt werden. Die erste Reaktion des Managements ist daher, diese Krisenursache durch Maßnahmen zur Steigerung des Umsatzes des Produktes zu beseitigen. Unberücksichtigt bleibt dabei häufig die Frage, ob dieses Produkt aus Deckungsbeitragssicht wirklich am stärksten gefördert werden sollte, ob veränderte Kundenbedürfnisse dieses Produkt überhaupt wieder auf das alte Niveau zurückkehren lassen, ob durch konstruktive Anpassungen die Stückkosten gesenkt werden könnten oder ob der Einkauf durch Lieferantenwechsel zur Ergebnisberuhigung beitragen könnte. Diese Vereinfachung von Problem und Lösung zeigt deutlich die herrschenden Defizite bei der Wahrnehmung von Komplexität in Entscheidungssituationen.
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Die Strukturen des Unternehmens können eine wesentliche Rolle bei der Verstärkung des Effektes mangelhafter Wahrnehmung der Komplexität spielen. So ist die klassische Linienorganisation durch die starke Zergliederung von Verantwortlichkeiten, unflexible Entscheidungswege und formalisierte Kommunikationskanäle am wenigsten dazu geeignet, die Komplexität der Unternehmenswirklichkeit transparent zu machen und in Entscheidungssituationen explizit zu berücksichtigen. Die Entscheider erhalten in der Regel nur einen kleinen Ausschnitt der entscheidungsrelevanten Informationen und konzentrieren sich auf optimale Wirkungen für den eigenen Verantwortungsbereich.
Bereichsegoismen und eine Fokussierung auf den persönlichen Erfolg wirken in diesen Organisationen besonders stark und verhindern häufig einen produktiven Umgang mit der vorhandenen Komplexität. Bessere Organisationsformen für die Beherrschung von Komplexität finden sich im Bereich der prozessorientierten Organisationen. Hier finden sich Führungskräfte mit vernetzten Verantwortungen für einen gesamten Leistungsprozess und der Überblick über eine gesamte Wertekette führt zu einer funktionsübergreifenden Berücksichtigung der relevanten Elemente sowie deren Wechselwirkungen und damit automatisch zur Integration der Komplexität in die Entscheidungssituationen.
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Auch die Steuerungssysteme des Unternehmens sind bei der Komplexitätswahrnehmung von entscheidender Bedeutung. Je mehr Wechselwirkungen zwischen den Unternehmenseinheiten durch das Controlling abgebildet werden, desto größer ist das Maß der identifizierten und damit hoffentlich beherrschten Komplexität. Basis für ein komplexitätsintegrierendes Berichtswesen auf der obersten Ebene bildet eine strategische Planung, welche neben harten Faktoren wie Umsätzen und Kosten auch weiche Faktoren wie Marktentwicklungen und technologische Entwicklungen integriert. Sie beinhaltet somit Daten zu den bedeutendsten Elementen des Unternehmens und berücksichtigt explizit die Verbindungen und Wechselwirkungen auch mit den Umweltsystemen. Diese strategische Planung darf nicht für eine längere Periode festgeschrieben werden (5-Jahres-Plan), sondern muss kontinuierlich aktualisiert werden, um neue Einflüsse und Entwicklungen berücksichtigen zu können. Auch auf der Ebene der Kostenrechnungssysteme gibt es Methoden, die die Komplexität stärker in den Wahrnehmungsfokus der Entscheider rücken als andere. So bilden z.B. Prozesskostenrechnungen (ABC – Activity Based Costing) explizit die Wertschöpfungsketten im Unternehmen nach und ermöglichen so Transparenz bezüglich der wirklichen Kostentreiber und ihrer Wechselwirkungen mit anderen Elementen in der Prozesskette. Eine Weiterentwicklung des „klassischen“ ABC stellt das TDABC dar (Time Driven Activity Based Costing),[35] welches die Nachteile des „klassischen“ ABC, wie beispielsweise den erheblichen Pflegeaufwand, deutlich reduziert und weitreichendere Steuerungsinformationen zur Verfügung stellt und somit einen wertvollen und effizienten Weg zur Beherrschung der betrieblichen Komplexität darstellt.
1.3 Management von Komplexität in Krisensituationen: Beherrschung versus Reduktion
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Wie in den vorangegangenen Abschnitten bereits deutlich wurde, spielt die Komplexität in Entscheidungssituationen eine erhebliche Rolle. Ihre ungenügende Berücksichtigung, ausgelöst z.B. durch eine gestörte Wahrnehmung, kann unmittelbar krisenauslösend sein. Um einen adäquaten Umgang mit Komplexität zu gewährleisten, bedarf es eines expliziten Komplexitätsmanagements. Diese Form des Managements zielt auf den Umgang mit Unsicherheiten und Wahrscheinlichkeiten durch den Aufbau geeigneter Instrumente für die Steuerung von Komplexität sowie der Planung und Umsetzung von Maßnahmen zur Reduktion der endogenen sowie exogenen Komplexität. Es richtet sich demnach auf die beiden Zielbereiche:
a) | Beherrschung der Komplexität und |
b) | Reduktion der Komplexität.[36] |
Alle Management-Aktivitäten zur Beherrschung der Komplexität richten sich auf den Aufbau von Strukturen und Instrumenten, um die gegebene Komplexität eines Systems jederzeit kontrollieren zu können. Sie richten sich also auf Informationen über die Elemente des Systems sowie die Art ihrer Verbindungen. Eine große Rolle spielt die bereits beschriebene Gestaltung von Organisation und Steuerungssystem des Unternehmens. Transparenz über Wirkzusammenhänge durch Reports und Planungsabgleiche sind demnach ebenso wichtig wie eine Aufbauorganisation und Führungskultur, welche zum übergreifenden, systemischen Denken anregt und auch Verantwortungsbereiche schafft, die wertkettenübergreifende Entscheidungen ermöglichen. Als ein taugliches Instrument zur Beherrschung von Komplexität haben sich neben TQM (Total Quality Management) auch Performance-Measurement-Systeme wie z.B. die Balanced-Score-Card (BSC) erwiesen. Mit ihren vier Perspektiven:
- | finanzwirtschaftlicher Erfolg, |
- | Prozesse und Organisation, |
- | Kunden und Marktbearbeitung sowie |
- | Mitarbeiter und Lernen |
bildet die Balanced Score-Card bereits die entscheidenden Bereiche eines Unternehmens in der Krise ab. Durch die geschickte Wahl der darunterliegenden Kennzahlen und Ziele werden Verbindungen zwischen Elementen abgebildet, welche per se schon komplexitätsdarstellend sind. Darüber hinaus ist die Erstellung der Score-Card ein Führungsprozess, welcher bei den Führungskräften den Blick für Zusammenhänge schult und damit die Wahrnehmung der Komplexität im Unternehmen fördert.
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Die Beschäftigung mit der Balanced-Score-Card zeigt ganz deutlich auf, dass für die Beherrschung komplexer Systeme auch ein besonderer Manager-Typus erforderlich ist. Der klassische Linienmanager mit beschränkter, klar umrissener Verantwortung ist häufig nicht die richtige Person, um in einer zeitlich und inhaltlich extrem anspruchsvollen Krisenphase mit hochkomplexen Sachverhalten richtig zu führen und zu entscheiden. Hierin liegt aber auch die Herausforderung, der Komplexität in Krisensituationen durch Aufbau von Instrumenten und Ressourcen zur Komplexitätsbeherrschung Herr zu werden. In der Regel fehlen dem Krisenunternehmen sowohl Zeit als auch finanzielle Ressourcen, um ein Komplexitätssteuerungssystem aufzubauen und geeignete Manager im Markt zu identifizieren, welche das Unternehmen mit dem vorhandenen Komplexitätsniveau führen könnten.
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Als Maßnahmentreiber in der Krise hat daher die Reduktion der Komplexität eine weitaus größere Bedeutung. Diese Management-Aktivitäten richten sich direkt auf die Anzahl der Elemente im System sowie die Anzahl ihrer Verbindungen.[37] Grundsätzlich ist eine Reduktion von Komplexität deutlich einfacher umzusetzen, als ein Unternehmen zu ertüchtigen, ein gegebenes Maß an Komplexität zu beherrschen. Dies gilt umso mehr für Krisenunternehmen, die unter den o.g. Restriktionen agieren müssen. Reduktion von Komplexität bedeutet in diesem Kontext zunächst Reduktion der Elemente im System. Die Spannbreite möglicher Maßnahmen reicht hier vom Abspalten von Unternehmensteilen über Bereinigung von Kunden- und Produktportfolio bis hin zu Personalfreisetzungen. Bei all diesen Maßnahmen verliert das System Elemente und damit automatisch auch Verbindungen zwischen Elementen, so dass das Maß an Komplexität sinkt.
Die vorhandenen Managementkapazitäten können sich auf Steuerungsbereiche mit weniger Komplexität konzentrieren, so dass eine komplexitätsbedingte Überforderung des Managements in der Krisensituation (hoffentlich) beseitigt werden kann und eine stabile Führung den Turnaround schafft. Ein weiterer Vorteil der Reduktion besteht in der Möglichkeit, leichter temporäres Know-How von außen zu integrieren. Während die Beherrschung von Komplexität zwingend auf Dauer angelegt sein muss, da eine erneute Überforderung in diesem Bereich unweigerlich wieder zu einer Krisensituation führen würde, sind Reduktionsmaßnahmen projektartig angelegt und hinterlassen nach erfolgreichem Abschluss ein komplexitätsreduziertes Unternehmen, welches im Idealfalle vom bestehenden Management erfolgreich weitergeführt werden kann.
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Da Komplexität systemimmanent ist, kann sie selbstverständlich nicht beliebig weit reduziert werden, um das Unternehmen wieder steuerbar zu machen. Insbesondere im Bereich der Umweltkomplexität sind der Reduktion gewisse Grenzen gesetzt, da häufig nur ein geringer Einfluss auf die Umweltsysteme ausgeübt werden kann und viele Verbindungen imperativ sind. Zwar können die Interaktionen z.B. mit den Beschaffungsmärkten durch Lieferantenkonzentration und zu den Abnehmermärkten durch Portfoliobereinigung reduziert werden. Aber Unternehmen bleiben immer umweltreferenzierte Systeme und daher ist der alleinige Fokus auf Reduktion der Komplexität in Krisenunternehmen nicht möglich. Ein erfolgreiches Projekt im Komplexitätsmanagement wird somit immer Maßnahmen zur Beherrschung der Komplexität und weitere zu deren Reduktion integrieren.
2. Reduktion von Komplexität in Krisensituationen
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In Krisensituationen müssen Unternehmen schnell wieder in einen steuerbaren Zustand überführt werden. Die vorhandenen Kapazitäten müssen ziel- und zukunftsgerichtet eingesetzt werden sowie Potenziale im Unternehmen identifiziert und gehoben werden. Um diese Ziele zu erreichen, ist die Reduktion der vorhandenen Komplexität von besonderer Bedeutung. Erfolgreiche Maßnahmen zur Komplexitätsreduktion unterstützen genau die genannten Stoßrichtungen eines Turnaround-Konzeptes. Da Komplexität auch durch Wechselwirkungen getrieben wird, ist bei der Reduktion von Komplexität aber immer das Gesamtsystem im Auge zu behalten. Die Optimierung eines Teilbereiches des Unternehmens kann für das Gesamtunternehmen durch interdependente Bezüge zu einer suboptimalen Lösung führen. Die Komplexitätsreduktion leistet für Krisenunternehmen konkret drei entscheidende Beiträge. Neben der Senkung des Steuerungsaufwandes und damit der Verbesserung der Steuerungsfähigkeit werden in besonderem Maße die Komplexitätskosten gesenkt. Darüber hinaus können in der Regel auch Zahlungsströme durch Verwertung nicht mehr benötigter Anlagen beziehungsweise Unternehmensteile erzeugt werden.
2.1 Strategische Komplexität
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Ein wesentlicher Treiber für die Gesamtkomplexität eines Unternehmens stellt die strategische Komplexität dar. Im Zuge ihres organischen Wachstums bilden viele Unternehmen starke Komplexitätstreiber in Form diversifizierter Geschäftseinheiten aus. Um Abhängigkeiten von bestehenden Produkten zu reduzieren und um vermeintliche Geschäftschancen zu nutzen, werden Unternehmen gekauft oder Töchter beziehungsweise Geschäftsbereiche aufgebaut. Mit jeder neuen Einheit wächst aber auch der Steuerungsbedarf und vorhandene Management-Ressourcen müssen auf die bestehenden und angewachsenen Einheiten verteilt werden. Die Erfahrung zeigt, dass insbesondere die Ergebnissteuerung aller Geschäftseinheiten viele Unternehmen vor große Herausforderungen stellt. Die Steuerungssysteme sind häufig nicht auf die Lenkung konzernartiger Strukturen ausgelegt, so dass auch unprofitable Einheiten ohne Anpassungen weitergeführt werden. Darüber hinaus wird regelmäßig durch eine innerbetriebliche „Subventionierung“ eine transparente Ergebnisdarstellung verhindert.
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Ist das Management von der Steuerung derart komplexer Strukturen überfordert, kommt es zu Krisensituationen die nicht nur die originär defizitären Einheiten betrifft, sondern über Verflechtungen und den Abzug von Management-Kapazitäten auch das Gesamtunternehmen gefährden können. Im Turnaround muss das Management daher mitleidlos und objektiv alle Geschäftseinheiten auf den Prüfstand stellen. Im Rahmen einer detaillierten Deckungsbeitragsrechnung müssen die tatsächlichen operativen Ergebnisse der einzelnen Einheiten ermittelt werden. Eine derartige Segmentrechnung darf mit ihrer detaillierten Kostenzuweisung nicht unterhalb der direkten Kosten enden und die indirekten Kosten mit der Gießkanne bzw. prozentual zum Umsatz zuweisen. Denn gerade die „Sorgenkinder“ im Portfolio erhalten häufig die besondere Aufmerksamkeit des Vertriebes und der Geschäftsleitung, verbunden mit der Hoffnung, gerade hier den Ertragsbringer der Zukunft „groß zu ziehen“.
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Nach der Erzeugung von Transparenz in den wahren Ergebnisbeiträgen muss die Unternehmensleitung die zentrale Frage im Turnaround beantworten: welches ist das Kerngeschäft des künftigen, gesunden Unternehmens. Neben den aktuellen Ergebnissen sind natürlich strategische Aspekte für die künftige Entwicklung der Geschäftsfelder, und damit des gesamten Unternehmens von entscheidender Bedeutung. Als Grundlage für die Portfoliobereinigung und als Denkraster für das Management sind klassische Portfoliomatrizen immer noch sehr hilfreich (hier am Beispiel des Lebenszyklus-Portfolio von Arthur D. Little):
Abb. 5: Matrix für die Portfolioselektion strategischer Geschäftseinheiten
[Bild vergrößern]
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Die Beschäftigung mit den Aspekten des Portfolios gibt in der Regel bereits die Antwort auf die Frage, welche Geschäftseinheiten eine Zukunft haben, und daher gehalten beziehungsweise ausgebaut werden sollen, und welche Einheiten aufgegeben werden müssen. Die Einstellung eines Segmentes ist insbesondere vorteilhaft, wenn Verwertungserlöse durch den Verkauf von Anlagen oder Lagerbeständen zu erwarten sind. Weitaus wichtiger in Krisensituationen ist allerdings die Veräußerung von Geschäftsteilen an Dritte Unternehmen. Durch positive Synergien oder eine bessere Integration können Geschäftseinheiten, die sich im eigenen Unternehmen nicht entwickeln konnten, bei Drittfirmen durchaus prosperieren. Um einen möglichst hohen Kaufpreis zu erzielen, gilt es, diese potenziellen Käufer zu ermitteln und ihnen durch einen gesteuerten M+A-Prozess das eigene Angebot schmackhaft zu machen. Da dieser Prozess viele Risiken enthält (ungewollter Abfluss von Know-How und Kundendaten, Desinformation im Markt, falsche Bewertung von Kaufpreis und Angeboten), empfiehlt es sich, einen erfahrenen Berater in die Verhandlungen einzubeziehen. Die Zielsetzung bei der Veräußerung von Geschäftseinheiten kann, je nach Qualität der Einheit, unterschiedlich sein. Eine solide Einheit, die aus strategischen Erwägungen nicht mehr zum Kerngeschäft gehört, soll sicherlich auch einen soliden Kaufpreis erzielen. Es kann aber auch durchaus Sinn machen, eine defizitäre Einheit einschließlich aller Anlagen für eine symbolische Summe zu übertragen, um zunächst einen Verlustbringer zu eliminieren, aber auch um z.B. keinen Aufwand mit der Abwicklung von Arbeitsplätzen zu haben und die Managementkapazitäten für wichtigere Aufgabe im Turnaround zu reservieren. Ein besonderer Fall ist sicherlich der sogenannte „Verkauf des Tafelsilbers“. In besonders kritischen Unternehmenssituationen, insbesondere beim Fehlen der notwendigen finanziellen Mittel für den Turnaround, kann es sinnvoll sein, eine besonders wertvolle Einheit, welche für gute Erträge oder besondere strategische Perspektiven steht, zu veräußern, wenn damit der eigentliche Unternehmenskern saniert werden kann.
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Die Portfoliobereinigung beinhaltet selbstverständlich erhebliche Risiken. So kann eine falsche Einschätzung der Entwicklungsmöglichkeiten der Kerngeschäftseinheiten schnell zu einer existentiellen Bedrohung für das Unternehmen werden. Durch die Bereinigung nimmt sich das Unternehmen darüber hinaus generell einen Teil seiner strategischen Optionen und verringert seine Marktflexibilität. Dem gegenüber steht in der Regel die Notwendigkeit, durch eine Konzentration auf das Kerngeschäft die Komplexität im Unternehmen so weit zu verringern, dass es wieder steuerbar und überlebensfähig ist. Das Management erhält die Chance, sich auf den Turnaround in einem verschlankten, weniger komplexen Unternehmen zu konzentrieren. Eine entscheidende Wirkung ist darüber hinaus in der Regel der Zufluss frischer Mittel durch Veräußerungserlöse beziehungsweise der gebremste Abfluss von Mitteln durch die Eliminierung von Verlustbringern im Unternehmen.
2.2 Strukturelle Komplexität
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Die oben beschriebene Zunahme der strategischen Komplexität geht häufig mit einem Anwachsen struktureller Komplexität einher. Wachsende Unternehmen benötigen zunehmende Kapazitäten für die Leistungserstellung und bauen damit kontinuierlich Komplexität im Bereich der Standorte und Anlagen auf. Ein bedeutender Treiber in diesem Komplexitätsbereich war z.B. der Drang der Unternehmen, der Lohnkostendegression zu folgen und Standorte in Osteuropa oder Asien aufzubauen. Dieser Aufbau orientiert sich in der Regel aber nicht an einem betriebswirtschaftlich rationalen Wachstumsplan sondern ist eher situativ getrieben. So werden Produktionsstätten nicht nach der Logik von Fertigungsfluss und Prozesslogik aufgebaut oder erweitert, sondern häufig für neue Geschäftsbereiche, Produktbereiche oder regionale Märkte explizit gebaut beziehungsweise zugekauft.
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So sinnvoll die einzelnen Maßnahmen zur Kapazitätserweiterung im jeweiligen Kontext auch waren, in Krisensituationen zeigen sich die negativen Auswirkungen dieses unkontrollierten Komplexitätszuwachses besonders deutlich. So gehen zu hohe Kosten für den Unterhalt der Anlagen und Gebäude mit einem überdimensionierten Personalbestand aufgrund nicht abgestimmter Fertigungsprozesse einher. Einen weiteren bedeutenden Kostenblock stellen häufig innerbetrieblichen Logistikkosten dar, welche aus dem Transport zwischen Fertigungsstufen resultieren. Ein Beispiel aus der metallverarbeitenden Industrie zeigt die Potenziale für eine Optimierung der Fertigungsstruktur durch Standortkonzentration: