Kitabı oku: «Das Enneagramm», sayfa 7
In Beziehungen kann die EINSer-Energie zu Komplikationen beitragen. Eine EINS verliebt sich gern in einen Menschen, der in ihren Augen vollkommen ist. Sobald sich die ersten Kratzer zeigen und der Lack abzublättern beginnt, fängt die EINS an, am anderen herumzunörgeln, um ihn zu verändern. Die EINS hat kein Verständnis dafür, wenn der andere sich nicht wenigstens ernsthaft bemüht, ein „besserer Mensch“ zu werden. Wenn das Gegenüber allerdings seine Fehler ehrlich eingesteht, um Vergebung bittet, Besserung gelobt und durch die Tat beweist, dass es sich verändern will, sind EINSer bereit, großmütig zu vergeben und zu vergessen. Die Vergebung einer EINS ist aber selten ganz bedingungslos.
EINSer können eine geistige Liste mit den Fehlern anderer Leute führen und nachtragend sein. Sie können zwar vergeben, aber schlecht vergessen. Das hängt damit zusammen, dass ihr Ärger ihre eigentliche Energiequelle ist und ihnen hilft, sich selbst wahrzunehmen. Die kritische Potenz dieses Ärgers ist ihr positiver Beitrag für jede Gemeinschaft – aber sie ist nicht die ganze Wahrheit. Wenn sich die EINS mit dem eigenen Zorn überidentifiziert und schmollend dasitzt, weil sie den eigenen Blickpunkt für den entscheidenden Beitrag hält, werden die anderen irgendwann aufhören, sie ernst zu nehmen.
Symbole und Beispiele
Das Tier, das der „unerlösten“ EINS zugeordnet wird, ist der kläffende Terrier. Ameise und Biene symbolisieren den Fleiß der EINS. Sie sind unermüdlich damit beschäftigt, das ideale Staatswesen aufzubauen und zu erhalten. Bienen prüfen alle Blumen und behalten von allem nur das Beste, den Honig.
Die symbolische Nation der EINS ist die Schweiz. Sauberkeit und Ordnung, ein nachgerade ideales demokratisches Gemeinwesen, Präzisionsuhren, strikte Neutralität (beide Seiten haben Recht!), Friedfertigkeit und zugleich ein perfektioniertes Verteidigungssystem – die Liste der Schweizer „Tugenden“ ließe sich beliebig fortsetzen. Ein Witz sagt, in der Schweiz sei die Hälfte der Bewohner Bankbeamte, die andere Hälfte Psychotherapeuten. Es hat lang gedauert, bis die Außenwelt und vor allem die Schweiz selbst entdeckt haben, dass auch ihr „perfektes“ politisches und ökonomisches System keine makellose Vergangenheit hat und etliche Leichen im Keller liegen.
Die Farbe der EINS ist Silber. Silber ist eine kühle, nüchterne und klare Farbe. Sie repräsentiert das Mondlicht, das seinen Glanz von der Sonne (dem höchsten Ideal) bezieht. Die integrierte EINS steht wie der milde Silberglanz des Mondlichts für Wandel und Wachstum.
Lucy van Pelt, die ewig nörgelnde Gegenspielerin Charlie Browns in der Zeichenserie Peanuts, ist die Karikatur einer unerlösten EINS. Sie ist unentwegt damit beschäftigt, die ganze Welt (und besonders den ewigen Verlierer Charlie Brown) zu kritisieren und zu verändern, und weigert sich, eine Welt hinzunehmen, die nicht perfekt ist. In einem der Zeichenstrips erleben wir mit, dass bedingungslose Liebe die einzige Kraft ist, die eine EINS wie Lucy erlösen kann. Lucy lamentiert darüber, wie schlecht die Welt ist und wie unglücklich sie selbst ist. Ihr Bruder Linus fordert sie daraufhin auf, doch auch einmal an all das zu denken, wofür sie dankbar sein kann. Das bringt sie erst richtig in Rage! Es gibt nichts, wofür zu danken sich lohnt! Da sagt Linus: „Zumindest hast du einen kleinen Bruder, der dich lieb hat!“ Sie sieht ihn einen Moment lang verstört an, dann fällt sie ihm schluchzend um den Hals. Und Linus meint: „Ab und zu sage ich doch mal das Richtige!“6
Der Mönch Martin Luther (1483 – 1546) war im Grunde seiner Seele ein zorniger junger Mann, der sich nach einem bedingungslos liebenden Gott sehnte: „Wie kriege ich einen gnädigen Gott?“ war seine Lebensfrage. Mit Recht richtete sich seine Wut gegen die damalige katholische Kirche, die sagte, man müsse sich diese Liebe durch Ablässe, rituelle Vollzüge und gute Werke verdienen. Die EINS sehnt sich danach, dass endlich jemand kommt und diesem ermüdenden Spiel ein Ende macht. Luther hatte einen strengen Vater auf Erden und einen zornigen Gott im Himmel. Und auch die Mutter Kirche war streng und fordernd. Ihm hingen diese Elternstimmen zum Hals heraus. Psychologisch betrachtet ergab sich die Reformation aus der Verstrickung einer EINS in ihre Zwänge. Luther sehnte sich nach bedingungsloser Gnade, Liebe und Annahme.

Bekehrung des Saulus (Schnorr von Carolsfeld): Erlebnis der Gnade
Erik H. Erikson (1902 – 1994) hat einige seiner wichtigsten psychoanalytischen Einsichten aus der Auseinandersetzung mit der Lebensgeschichte des jungen Luther gewonnen. Die ambivalente Beziehung des Reformators zu seinem Vater ist für Erikson die Hauptursache für die Zwänge und Kämpfe, denen Luther ausgesetzt war. Der Vater „zeigte den heftigsten Jähzorn bei dem Versuch, ihn seinen Kindern auszutreiben“.7 Die Folge war nach Luthers eigenen Worten, „dass ich ihm flohe und ward ihm gram, bis er mich wieder zu sich gewöhnte“. Erikson bemerkt dazu: „Auch wenn er sich vor ihm fürchtete, konnte Luther den Vater nicht aufrichtig hassen … Und Hans, dem es nicht gegeben war, jemals Nähe zwischen sich und seinem Sohn zu schaffen, und den bisweilen mörderischer Zorn beherrschte, konnte ihn nicht lange lassen“8. Als Luther später im Rückblick über seine einstigen Beichtskrupel berichtet, sind es libido (sexuelle Lust), ira (Zorn) und impatientia (Ungeduld), die er als Quellen der Versuchung nennt.9 Tiefenpsychologisch aufschlussreich ist auch die Tatsache, dass der junge Luther unter Verstopfung und Harnverhaltung litt. Vieles spricht für die These, dass sein „Turmerlebnis“ in Wirklichkeit auf der Toilette stattfand. Erikson bemerkt dazu lakonisch: „Den Gelehrten wäre es freilich sehr viel lieber, wenn das Geschehen sich dort abgespielt hätte, wo sie selbst ihre gedanklichen Offenbarungen erlangen – vor dem Schreibtisch“, und weist auf die Vorliebe des späten Luther für anal-vulgäre Sprache und auf seine „Kapazität an Dreck schleuderndem Zorn“ hin.10 Es ist, als ob mit der reformatorischen Erkenntnis auch all der unterdrückte Zorn und „Dreck“ freigesetzt wurde, der Hauptursache der pathologischen Ängste des jungen Luthers gewesen war.
Gott sei Dank entdeckte der Reformator Martin Luther den Apostel Paulus und fand bei ihm, was er suchte, weil auch Paulus eine EINS ist. Erweckt Paulus nicht manchmal den Eindruck, ein bisschen arrogant und rechthaberisch zu sein? Er war von Haus aus Pharisäer; EINSer sind die geborenen Pharisäer. Gott hat seine Wurzelsünde transformiert und eine Gabe daraus gemacht. Er brauchte einen eifernden Pharisäer, der zum Eiferer für das Evangelium werden konnte. Das ist das Liebenswerte an Paulus, diesem großen Weißen Ritter für Christus, der für seinen Herrn alles tut. Aber wir haben ihn auch ab und zu über und würden ihm am liebsten sagen: „Kühl etwas ab, Paulus! Das ist zu viel des Guten!“ Besonders wenn Paulus angegriffen und kritisiert wird, kann er bitter, sarkastisch und selbstgerecht reagieren und seine Gegner zynisch niedermachen.
Bezeichnend ist jener Vorfall, über den Paulus im Galaterbrief selbst berichtet. Er erzählt, wie er dem stürmischen und im Grunde doch ängstlichen Apostelfürsten Petrus (SECHS) „Auge in Auge entgegengetreten“ ist: „Denn er war schuldig geworden!“ (Galater 2,11). Petrus war zunächst in der Gemeinde von Antiochien über seinen eigenen Schatten gesprungen und hatte gemeinsam mit getauften Heiden gegessen – was er als strenggläubiger Jude eigentlich nicht gedurft hätte. Als aber die Spitzel des streng judenchristlichen „Herrenbruders“ Jakobus aus Jerusalem dazukommen, sondert er sich ab, steht nicht zu seiner soeben demonstrierten Freiheit und beginnt zu „heucheln“. Für Paulus war es das größte Herzensanliegen zu betonen, dass die alte Grenze zwischen Juden und Heiden durch Christus aufgehoben ist. Deswegen stellt er den ersten Mann der Kirche öffentlich zur Rede. Wenn eine EINS von einer Sache überzeugt ist, dann wankt und weicht sie nicht vor Fürstenthronen: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders!“ Das hätte Paulus schon 1500 Jahre vor Luther sagen können. Bei beiden sehen wir, wie eng Wurzelsünde und Geistesfrucht miteinander verquickt sind und wie Gott unsere Obsessionen wandeln und für seine Ziele benutzen kann.
Umkehr und Erlösung
EINSer müssen lernen, dass es nicht nur einen richtigen Weg gibt, sondern dass viele Wege nach Rom führen. Deswegen müssen sie mit ihrem Zorn Freundschaft schließen und ihn erkennen, bevor sie Urteile über sich und andere fällen. Unreife EINSer suchen ständig nach geeigneten Projektionsflächen für ihre negativen Gefühle und Stimmungen; in der Regel ist es die erstbeste Person in ihrer Nähe. Wenn eine EINS ihren Zorn nicht erkennt und annimmt, wird sie ihn an den Kindern, am Ehepartner oder am unaufgeräumten Haus auslassen.
EINSer sind umgängliche Menschen, solange sie sich nicht zu ernst nehmen. Der Ausweg besteht immer darin, sich selbst zu relativieren und sich so vom falschen Selbst zu lösen. Die größte Freiheit einer EINS besteht darin, über sich selbst lachen zu können, weil sie sieht, dass die eigene Wahrnehmung nur einen Teil des Gesamtbildes ausmacht.
Tief in der EINS lebt das Ideal des Guten, Wahren und Schönen. Ich (Richard Rohr) hätte nicht geschuftet wie ein Verrückter, hätte keine Kommunität gegründet und wäre nicht sieben Tage die Woche für andere da gewesen, wenn ich diese EINSer-Energie nicht hätte. Ich werde mich dafür auch nicht nachträglich entschuldigen oder mich niedermachen, denn ich weiß, dass Gott aus meinen zwiespältigen Motiven viel Gutes gemacht hat. Ich weiß inzwischen, dass ich meine Leistungen nicht nur vollbracht habe, weil ich den Herrn Jesus so lieb habe. Ein Teil davon war schlicht und einfach Richard, der Richards Trips ausgelebt hat. Ich habe gedacht, ich tue das alles aus Liebe zu Jesus, und in gewisser Weise habe ich Jesus in all dem ja wirklich zu lieben versucht. An diesem Punkt zeigt sich einmal mehr der demütige Realismus Gottes. Er weiß, dass er von uns allen höchstens ein bisschen echte Hingabe bekommt. Wir machen das meiste im Leben in erster Linie für uns und kämpfen um unsere Selbsterhaltung in dieser Welt. Aber sobald wir die Demut haben, das zuzugeben, kann die Gnade und Liebe Gottes mächtig werden.
Man kann nur auf die Wahrheit bauen! Lügen und Illusionen entlarven sich früher oder später selbst. Beim Enneagramm geht es darum, unsere Illusionen beim Namen zu nennen und sie zu demaskieren, damit Platz wird für die Gnade Gottes, die uns helfen kann, auf das wahre Leben zu bauen anstatt auf Selbstbetrug.
EINSer müssen aufhören, alles oder nichts zu wollen. Sie brauchen jene Vollkommenheit, die allein in Gott zu finden ist. Sie können die Vollkommenheit nicht selber schaffen. Deswegen sind sie auf die Geduld ihrer Mitmenschen und auf Gottes Geduld angewiesen.
Die spezifische Einladung, die EINSer hören und sich aneignen müssen, liegt in dem Wort „Wachstum“ verborgen. Ihre Naturliebe ist bereits ein Hinweis dafür, dass es ihnen gut tut, Dinge wachsen zu sehen. Was wächst, ist noch nicht vollkommen. Aber es ist unterwegs. Jesus hat viele Gleichnisse erzählt, in denen Saat und Ernte und das geduldige Warten, das dazwischen liegt, auf das Kommen des Gottesreiches hinweisen. Sie sind im Markusevangelium, Kapitel 4, gesammelt. Zum Beispiel dieses:
„Mit dem Reich Gottes ist es wie mit einem Mann, der Samen auf seinen Acker sät. Dann schläft er und steht wieder auf; es wird Tag und Nacht; der Same keimt und wächst und der Mann weiß nicht wie. Die Erde bringt von selbst (griechisch: automatisch!) ihre Frucht: erst den Halm, dann die Ähre, dann das volle Korn in der Ähre. Sobald aber die Frucht reif ist, legt er die Sichel an; die Zeit der Ernte ist da“ (Markus 4,26 – 29).
Der vollkommene Gott selbst hat Geduld und lässt uns Zeit zum Wachsen. Eine EINS, die Wachstum zulässt, nimmt Anteil an der göttlichen Gelassenheit.
In diesem Prozess kann sich auch der letztlich destruktive Zorn der EINS zum „heiligen Zorn“ wandeln. Die Bibel spricht häufig vom Zorn Gottes angesichts des Unrechts auf der Erde. Die Propheten des Alten Testaments und Jesus wurden mitunter von diesem heiligen Zorn ergriffen (Tempelreinigung Jesu). Paulus geriet in inneren Aufruhr, als er in Athen die vielen Götzenbilder sah, und Luther geriet über den Ablasshandel in Grimm. Heiliger Zorn ist Ausdruck der Liebe und darf niemals gegen die Liebe ausgespielt werden. Er will nicht zerstören, sondern die ursprüngliche Gerechtigkeit wiederherstellen.
Ignatius von Loyola (1491 – 1556), der Gründer und erste General des Jesuitenordens, gehört zu den Heiligen, die eine EINS waren. Der baskische Ritter lag als Dreißigjähriger nach der Verteidigung von Pamplona schwer verwundet danieder und erlebte durch die Lektüre von Heiligenlegenden eine umfassende Bekehrung. Schließlich weihte er seine Waffen der Gottesmutter, der er fortan als geistlicher Ritter dienen wollte. Er pflegte Kranke, pilgerte nach Palästina und absolvierte ein gründliches Studium. Um seine Erfahrungen mit anderen zu teilen, entwickelte er seine Geistlichen Übungen (exercitia spiritualia), die von der Inquisition zunächst sehr beargwöhnt wurden. 1534 legten er und seine Freunde das Gelübde ab, in Palästina für die Kirche zu wirken oder sich dem Papst für jede beliebige andere Aufgabe zur Verfügung zu stellen. 1540 wurde der Orden bestätigt.
Die Geistlichen Übungen durchläuft bis heute jeder Jesuit mehrmals im Leben vier Wochen lang. Sie dienen der Läuterung durch die Betrachtung der eigenen Sündhaftigkeit und des Lebens und Leidens Christi – und sie dienen der „Unterscheidung der Geister“, die auf das Innere des Menschen einwirken. Die Energie der EINS ist in der ignatianischen Spiritualität nicht zu übersehen: Unterscheidung der Stimmen, damit man perfekter wird; 30 Tage strenge Exerzitien, damit man vollkommener wird. Wie alle einseitigen Systeme hat diese Form der Frömmigkeit ihre besonderen Stärken und Schwächen. Ihre größte Stärke ist die Gründlichkeit und Gewissenhaftigkeit der Selbsterforschung und die Bereitschaft, sich der mühevollen Arbeit an sich selbst und der ständigen Überprüfung der eigenen Motive zu unterziehen. Dies geschieht aber – hoffentlich! – nicht egozentrisch oder im luftleeren Raum. Christus, der sich für unsere Erlösung hingegeben hat, ist das Gegenüber und die Quelle der Erneuerung und Umkehr.
Zu den Lebensaufgaben der EINS gehört es zu lernen, Pflicht, Ordnung und die Verbesserung der Welt auch mal links liegen zu lassen und stattdessen zu spielen, zu feiern und das Leben zu genießen. Wenn sie ihre Empfindlichkeit und ihren Groll abbaut und ihre Projektionen zurücknimmt, wird Barmherzigkeit möglich. Heitere Lebensfreude kann sie lernen, wenn sie bei der fröhlichen SIEBEN in die Schule geht.11
Karl Barth, der Schweizer Theologe und Reformator der protestantischen Theologie nach dem Ersten Weltkrieg, war wohl eine EINS. Seine Auslegung des Römerbriefes war eine schonungslose Abrechnung mit der bis dahin vorherrschenden „liberalen Theologie“, die sehr optimistisch war im Blick auf die Möglichkeiten des Menschen. Barth protestierte dagegen, dass Menschen Gott für ihre Ziele vereinnahmen. Deswegen predigte er einen Gott, der der Ganz Andere ist und der andere Pläne und Ziele hat als wir. Barths monumentale „Kirchliche Dogmatik“ ist das wohl umfangreichste theologische Gesamtwerk des 20. Jahrhunderts. Der streitbare Theologe war ein geradezu besessener Mozart-Fan (Mozart ist eine typische SIEBEN!). Thomas Merton schildert, ohne das Enneagramm zu kennen, wie Karl Barth seine Kreativität unbewusst aus der „Kraftquelle“ Mozart geschöpft hat, dem Typ, der doch scheinbar so anders war als er selbst:
Karl Barth hatte einen Traum über Mozart.
Barth hatte sich immer über den Katholizismus Mozarts und über seine ablehnende Haltung gegenüber dem Protestantismus geärgert. Mozart meinte: „Protestantismus ist nur im Kopf“ und „Protestanten verstehen den Sinn des Agnus dei qui tollis peccata mundi nicht“.
Barth sollte in seinem Traum Mozart theologisch examinieren. Er wollte die Prüfung so einfach wie möglich gestalten und beschränkte sich bei seinen Fragen gezielt auf Mozarts Messen.
Aber Mozart antwortete ihm kein einziges Wort.
Barths Traumbericht hat mich tief angerührt und ich war nahe daran, ihm deshalb einen Brief zu schreiben. Der Traum betrifft sein Seelenheil. Vielleicht macht Barth den Versuch zuzugeben, dass ihn eher der Mozart in ihm erlösen wird als seine eigene Theologie.
Jahrelang pflegte Barth tagtäglich Mozartplatten zu spielen, bevor er sich ans Werk seiner Dogmatik machte. Dabei versuchte er vielleicht unbewusst, den verborgenen Mozart in sich selbst zu erwecken, jene zentrale Weisheit, die auf die göttliche und kosmische Musik eingestimmt ist und durch Liebe, ja, sogar durch Eros, erlöst wird. Sein anderes, theologisches Selbst, war währenddessen scheinbar mehr mit der Liebe beschäftigt; aber es richtete sich auf eine gestrengere und mehr im Hirn lokalisierte Agape: eine Liebe, die letztlich nicht in unserem Herzen lebt, sondern allein in Gott und die sich nur unserem Kopf offenbart. Barth sagt bezeichnenderweise, dass es ein Kind, sogar ein „göttliches Kind“ sei, das in Mozarts Musik zu uns spricht. Viele, sagt er, hätten gemeint, Mozart sei in allen praktischen Fragen zeitlebens ein Kind geblieben. Gleichzeitig sei Mozart jenes verlorene Kind gewesen, das niemals im buchstäblichen Sinne Kind sein durfte. Mit sechs Jahren gab er bereits sein erstes Konzert. Dennoch sei er stets Kind gewesen „in der höheren Bedeutung dieses Wortes“.
Fürchte dich nicht, Karl Barth! Vertraue der göttlichen Barmherzigkeit. Obwohl du ein erwachsener Theologe geworden bist, ist Christus in dir ein Kind geblieben. Deine Bücher (und meine) sind unwichtiger, als wir denken mögen. In uns lebt ein Mozart, der unsere Erlösung sein wird.12
Muster ZWEI

Überblick
Die Angehörigen dieser Gruppe setzen ihre Gaben für die Bedürfnisse anderer ein und sorgen sich um deren Gesundheit, Ernährung, Erziehung und Wohlergehen. Sie vermitteln ein Maß von Annahme und Wertschätzung, das anderen helfen kann, an den eigenen Wert zu glauben. ZWEIer können großzügig teilen und für andere „ihr letztes Hemd“ hergeben. Sie stehen anderen bei, wenn sie Leid, Schmerz oder Konflikte durchstehen müssen, und vermitteln ihnen so das Gefühl, dass jemand für sie da ist und sie annimmt. Die Nächstenliebe und Verfügbarkeit der ZWEIer hat allerdings auch Schattenseiten, die auf den ersten Blick nicht zu erkennen sind:
ZWEIer sind gefallsüchtig und brauchen übertrieben viel Dank und Bestätigung. Viele ZWEIer hatten eine Kindheit, die ihnen grau und trist erschien; wirkliche Geborgenheit und das Gefühl, ein Zuhause zu haben, fehlten. Andere ZWEIer berichten, dass sie nur bedingte Liebe erfahren haben. Die Liebe wichtiger Bezugspersonen musste durch Wohlverhalten erkauft werden. Wenn sie die Bedingungen erfüllt hatten, konnten sie unter Umständen viel Liebe und Geborgenheit bekommen. Die „schöne“’ Kindheit, die diese ZWEIer hatten, hindert sie daran, wütend oder traurig darüber zu sein, dass man sie ständig zu übertriebenem Wohlverhalten animiert hat. Manche ZWEIer erinnern sich auch, dass sie schon früh das Gefühl hatten, eine Stütze für die emotionalen Bedürfnisse anderer Familienmitglieder sein zu müssen. Sie hatten das Gefühl, sie müssten sich nützlich machen, um bemerkt und geliebt zu werden. Es kam zu einem fatalen Rollentausch zwischen Eltern(teil) und Kind: Das Kind musste die Erwachsenen „bemuttern“ und eigene berechtigte Bedürfnisse verleugnen. Bert Hellinger nennt diesen heillosen Rollentausch von Eltern und Kindern „Parentisierung“. Die Botschaft, die das Kind in sich aufgenommen hat, lautet in etwa: „Ich werde geliebt, wenn ich zärtlich, verständnisvoll und hilfsbereit bin und meine eigenen Bedürfnisse zurückstelle.“ Dadurch bekam das Kind aber auch eine Größe, die ihm eigentlich nicht zustand. Es erlebte sich selber als mächtig, die Erwachsenen hingegen als schwach und bedürftig. Das ist der Nährboden für jenen falschen Stolz, der die Wurzelsünde der ZWEI ist. Sie sieht insgeheim auf diejenigen herab, denen sie „dient“. „Gut sein“ ist bei der ZWEI keine moralische, sondern eine emotionale Kategorie. Die ZWEI hat den Anspruch, „lieb“ und hilfreich zu sein, und ist in der Regel davon überzeugt, dass sie das ist.
Hellinger geht in seiner systemischen Familientherapie davon aus, dass jedes System auf einen Ausgleich von Geben und Nehmen dringt. Menschen, die zu viel geben, belasten eine Gemeinschaft ebenso wie Menschen, die immer nur nehmen (Muster FÜNF!). Denn irgendwann werden die „Geber“ Rückzahlung einklagen. Die „Nehmer“ werden Aggressionen gegen die ewig Gebenden entwickeln, weil sie von ihnen zu Schuldnern gemacht werden.
Das klassische Bild einer ZWEI ist die Karikatur der jüdischen Mutter, die ihre Kinder wie eine Glucke behütet und dafür sorgt, dass sie von ihnen gebraucht wird.1 Aber wehe, wenn der Dank ausbleibt: „Wie könnt ihr mir das antun, nach all dem, was ich für euch getan habe!“ Zunächst verwöhnt und umsorgt eine unerlöste ZWEI andere Menschen ungebeten und ungefragt. Wenn das den anderen zu lästig oder zu eng wird und sie auf Distanz gehen, anstatt diese „Liebe“ zu erwidern, fühlt sich die ZWEI betrogen und ausgenutzt.
Es gibt viele Witze über Priester und ihre Haushälterinnen. Die „klassische“ Pfarrersköchin (oder evangelische Pfarrfrau) gehört diesem Menschenschlag an. Zu allen Zeiten gab es viele Pfarreien, in denen die Haushälterin „die Hosen anhatte“.
Ich (Richard Rohr) hatte in New Jerusalem eine Sekretärin, die eine klassische ZWEI war und mich und die ganze Gemeinschaft durch ihre Kompetenz beherrschte; sie wusste alles und war deshalb unentbehrlich. Ich gehöre zu den Leuten, die Kleinigkeiten sofort wieder vergessen. Sie erinnerte sich an alle Details. Wenn ich zu einer Sitzung musste, informierte sie mich vorher über das Wesentliche. Schließlich wussten alle: Wer Informationen braucht, sollte tunlichst nicht zu mir kommen, sondern zu ihr. Sie sorgte hingebungsvoll für mich. Auf diese Weise kontrollierte und regierte sie mich aber auch.
ZWEIer halten fortwährend das Thermometer in die Luft, um die soziale Temperatur und Windrichtung zu messen, weil sie ihre Identität darauf aufbauen, wie andere ihnen gesonnen sind und auf sie anspringen. Der Stimmungspegel der ZWEIer steigt und fällt je nachdem, wie viel Sympathie oder Abneigung ihnen entgegenschlägt.
Die „Herzenstypen“ ZWEI, DREI und VIER sind „außengeleitete Menschen“, deren Wohlbefinden in erster Linie davon abhängt, wie ihre Umwelt auf sie reagiert, und deren ständige Aktivitäten insgeheim kein anderes Ziel haben, als von außen bestätigt zu werden. Bei einem Kind ist das verständlich und verzeihlich. Man kann auf diese Weise seine ganze Jugendzeit verbringen. Das Problem beginnt, wenn man sich als erwachsener Mensch noch immer so verhält.
Irgendwann beginnt dieses Spiel, andere Menschen zu irritieren oder gar zu nerven. Wenn man eine Weile mit einer unreifen ZWEI zusammen ist, spürt man, dass von ihr eine ganz bestimmte subtile Energie ausgeht. Man hat das Gefühl, von der ZWEI umklammert oder gar verschlungen zu werden: „Bemerk mich! Streichle mich!“ Aber die eigentliche Zauberformel lautet: „Brauch mich!“
An diesem Punkt sind ZWEIer, die sonst die eigene Umwelt so genial manipulieren können, ihrerseits manipulierbar. ZWEIer brauchen es, gebraucht zu werden. Zu einer ZWEI muss man nur sagen: „Ich brauche dich!“ – und jeder Widerstand weicht. Sie fallen über dich her, um dir nützlich zu sein und dir zu helfen, selbst wenn sie weder die Energie noch die Zeit dazu haben. Sobald sie das Wörtchen „brauchen“ hören, kratzen sie den letzten Rest von Energie zusammen, um dir zur Hilfe zu eilen. Später gehen sie dann nach Hause und können sich ohrfeigen, dass sie sich wieder haben breitschlagen lassen: „Warum habe ich mich schon wieder ausnutzen lassen? Weshalb bin ich dieser blödsinnigen Arbeitsgruppe beigetreten? Warum habe ich versprochen, einen Kuchen zu backen? Das macht mir doch alles in Wirklichkeit überhaupt keinen Spaß!“ Aber in jenem Augenblick war es so schmeichelhaft, gebraucht zu werden, dass die ZWEI einfach nicht widerstehen konnte und Ja gesagt hat!
ZWEIer haben nah am Wasser gebaut, weil sie gefühlvoll und sensibel sind. Sie sind Teddybären; sie schmusen und knuddeln gern. ZWEIer reden gern über Beziehungen und über die Liebe. Sie sehnen sich danach, geliebt zu werden und nach Herzenslust zu lieben und für den geliebten Menschen leben zu dürfen. Unser soziales Netz würde zusammenbrechen ohne all die ZWEIer, die sich für das Wohlergehen anderer aufopfern. Sie sind Wohltäter, Geber und Helfer. Das ist ihre größte Gabe. Aber sie müssen ihrer Neigung widerstehen, sich selbst zu Heiligen und Märtyrern hochzustilisieren. Wolfgang Schmidbauer hat diesen Menschentyp schon vor Jahren – ohne das Enneagramm zu kennen – in seinem Buch „Die hilflosen Helfer – Über die seelische Problematik der helfenden Berufe“ dargestellt und dabei den Begriff des „Helfersyndroms“ geprägt.2 Freilich hat er dabei das Kind mit dem Bad ausgeschüttet, als stehe jeder, der anderen hilft, unter Verdacht, neurotisch zu sein anstatt ein „gesunder“ Egoist!
Die unreife ZWEI kämpft mit Identitätsproblemen. Sie verändert sich fortwährend, um die Bedürfnisse der jeweils anwesenden Person zu erfüllen; so entsteht ein „multiples Selbst“ (Palmer). ZWEIer sind daher oft am liebsten mit nur einer anderen Person beisammen. Sind mehrere nahe stehende Menschen gleichzeitig anwesend, weiß die ZWEI unter Umständen nicht mehr, wem sie sich zuwenden und welches Selbst sie aktivieren soll. Außer in solch verwirrenden Situationen empfindet die ZWEI diese verschiedenen Ich-Zustände nicht als Problem, sondern als Bereicherung: „Jeder meiner Freunde bringt eine andere Seite in mir zum Klingen. Deshalb möchte ich keinen von ihnen missen.“
ZWEIer haben meist einen großen Bekanntenkreis und neigen dazu, Menschen sehr schnell als ihre „Freunde“ zu bezeichnen. Sie hüten ihre Beziehungen eifersüchtig und wollen möglichst für alle ihre Freunde besonders wichtig sein. Sie sind stolz darauf, dass so viele Menschen bei ihnen ihr Herz ausschütten, und können fremde Not geradezu körperlich mitempfinden. Dabei haben sie allerdings die Neigung, zu rasch gute Ratschläge zu geben.
Dilemma
Die große Versuchung der ZWEI besteht darin, fortwährend anderen zu helfen und auf diese Weise sich selbst auszuweichen. Die Identität der ZWEI liegt gleichsam in den Wünschen und Bedürfnissen anderer, das heißt außerhalb ihrer selbst. Das führt dazu, dass ihr Gefühlsleben oft ziemlich chaotisch ist. Unreife ZWEIer tun sich schwer, ihre eigene Mitte zu finden. Wenn sie allein sind, fällt ihnen die Decke auf den Kopf. Meditation und Gebet macht ihnen lange Zeit Angst, weil kein Mensch da ist, der sie bestätigt und ihnen nah ist, und weil sie fürchten, in sich selbst nichts zu finden als ein schwarzes Loch oder beängstigende Unruhe.
ZWEIer haben einen Hang, andere Menschen zu verführen. In extremen Fällen kann das bis zum Missbrauch führen. Gerade die Hilflosigkeit und Bedürftigkeit von Abhängigen kann auf eine ZWEI anziehend wirken. Dabei muss es sich nicht um sexuellen Missbrauch im buchstäblichen Sinne handeln. Oft reicht es schon, dass das hilflose Kind zum Ersatzobjekt eigener Bedürfnisse wird. Sie wenden diesem Objekt all die Liebe zu, die sie sich selbst wünschen, aber aus irgendeinem Grund nicht bekommen können. Auf diese Weise lieben sie im Grund nur sich selbst. Ihr scheinbarer Altruismus ist die „legitime“ Form, den eigenen Egoismus auszuleben. ZWEIer haben ein Herz für verlassene Waisenkinder, die Hilfe brauchen. Wenn sie solche Kinder adoptieren, kann die Motivation dafür sehr zweifelhaft sein. Sie halten sich auch gern ein Patenkind in der Dritten Welt – es ist so schön, gebraucht zu werden! Das ist die Gabe und zugleich das Dilemma der ZWEIer: Sie geben anderen genau das, was sie sich selber wünschen. Da in ihnen ein heimatloses Kind steckt, rührt sie die Not verlassener Kinder besonders an. Menschen, die noch hilfloser und schwächer zu sein scheinen als sie selbst, geben ihnen das Gefühl von Stärke. Wer helfen kann, der hat Macht! Herrschen durch Dienen!
ZWEIer sehnen sich – zumindest vordergründig – nach Verschmelzung. Aber auch das leben sie eher außerhalb von sich selbst aus als im eigenen Leben: Sie machen sich ständig Gedanken, wer zu wem passen könnte, und verkuppeln andere Leute miteinander. Sobald zwei Menschen in ihrem Bekanntenkreis romantische Gefühle füreinander entwickeln, treten die ZWEIer in Aktion, um Verbindungen herzustellen oder zu fördern. Sie können auch subtile Versuche unternehmen, Verbindungen zu verhindern, vor allem wenn sie selbst den Verlust einer der beteiligten Personen befürchten. Viele ZWEIer lesen gerne Liebesromane oder Kontaktanzeigen, weil das Leben ohne romantische Liebe nur halb so schön wäre. Oder sie chatten stundenlang im Internet und nähren dadurch die eigene Illusion, mit vielen Menschen vernetzt oder in romantischem Kontakt zu sein.
Gereifte ZWEIer haben gelernt, ohne Bedingungen, Hintergedanken und nachgereichte Rechnungen zu lieben. Der Weg zwischen selbstloser Nächstenliebe und manipulativem Helferkomplex ist allerdings eine Gratwanderung. Mit der Aufforderung, sich selbst zu verleugnen und anderen zu dienen, ist vor allem in der Kirche oft Schindluder getrieben worden. Der bayerische Pfarrer Wilhelm Löhe (1808 – 1872), Begründer der Neuendettelsauer Diakonissenanstalt, hat den Schwestern ein Leitwort mitgegeben, das für neurotische ZWEIer-Seelen Gift ist: „Was will ich? Dienen will ich. Wem will ich dienen? Dem Herrn in seinen Elenden und Armen. Und was ist mein Lohn? Ich diene weder um Lohn noch um Dank, sondern aus Dank und Liebe: Mein Lohn ist, dass ich darf!“ Durch dieses Motto sind sicher einige dieser Frauen wirkliche „Heilige“ geworden; viele jedoch wurden durch das Joch solcher Ansprüche verbogen und ausgebeutet.3
Ücretsiz ön izlemeyi tamamladınız.