Kitabı oku: «Die Zweite Welt», sayfa 7
Der Wege viele
Kapitel 5
Garantor war zufrieden. Abgesehen von Klais Tod, welcher immer noch auf einigen der Mannen lastete. Dennoch, der Aufenthalt in Salzheim hatte ihnen allen gut getan. Zrak hatte Zeit, um seine Verletzung auszukurieren und der Rest konnte einiges von dem frisch erworbenen Sold auf den Kopf hauen. Meisterlichs Auftrag hatte einiges abgeworfen und mit Geld in der Tasche war die Moral eines jeden Söldners besser. Das Angenehmste aber war, dass sie bereits nach einer Woche einen neuen Auftrag annehmen konnten. Nichts wirklich lukratives, aber immerhin ein Auftrag. Ein Grund, um wieder nach Süden zu reisen und dort einen anderen Auftraggeber zu finden.
Mit einem jungen Händler, der sich Almud nannte und aus einer Bauernfamilie stammte, waren sie nach Nordwesten gezogen, um die Ladung bei ihm zu Hause aufzunehmen. Es handelte sich dabei um grobe Lederarbeiten und gesponnene Schafwolle.
Der Weg hatte sich länger hingezogen als geplant. Gut zwei Tage vergingen, bis sie das große Bauernhaus erreicht hatten. Ein weiterer Tag verstrich ungenutzt bei der Bauernfamilie selbst. Almuds Mutter ließ es sich nicht nehmen, die Gäste für den Tag einzuladen. Das selbstgebraute dunkle Bier und das freundlich angebotene geräucherte Schweinefleisch waren zu verlockend, um das Angebot auszuschlagen. So aßen und schliefen sie in einer geräumigen Scheune, gleich neben dem Haupthaus. Gestärkt und satt standen sie im Morgengrauen auf. Sie bedankten sich für die ungewohnte Gastfreundschaft und verließen die Eltern des Händlers. Gut gelaunt machten sie sich auf den Weg nach Süden. Die Strecke führte sie ein gutes Stück fernab der Hauptstraße, vorbei an leeren Feldern entlang eines schmalen Trampelpfads.
Der Tag lag unter einer kalten Sonne. Wie an den vorangegangenen Tagen, war es auch an diesem neblig. Vereinzelte Hügel und weite Ebenen brachten sie auf gerader Linie ihrem Ziel entgegen, der Hauptstadt der Menschen: Naars Zweifel. Unbeschwerte Gespräche wurden geführt, es wurde gelacht und gesungen. Selbst Garantor zeigte sich redselig und unterhielt sich mit Cebrid über die richtige Pflege seines Zweihänders.
Der Hüne wusste um die Liebe des Zwergs zu allen Waffen und dem Metall, aus dem sie gefertigt waren. Cebrids Verlangen war es, mehr über Stahl zu lernen und das Metall besser zu verstehen. Er pflegte seine Waffe mit allem Wissen und aller Liebe, der ein Mensch fähig war. Dennoch, er würde dieses Material nie begreifen, wie ein Zwerg es tat. Niemals wäre er in der Lage, das Erz mit seinem Herzen zu erkennen und seine Urform zu sehen. Dies schmerzte ihn tief in seinem Inneren.
Am hinteren Ende des Zugs führte man Gespräche anderer Natur, über Liebesabenteuer und ausschweifende Trinkgelage. Die verschiedenen Erlebnisse in Salzheim wurden laut und übertrieben erzählt. Auch Brand beteiligte sich an der einen oder anderen Unterhaltung. Noch gestern hatte er sich sehr zurückgezogen verhalten, hatte gegrübelt und war meist alleine. Es war verwunderlich, dass gerade ihm der Tod Klais so viel bedeutete. In Menschenjahren war Brand der älteste der Söldner. Er hatte unzählige Tote und viele Verluste ertragen müssen. Er hätte eigentlich nicht so sehr betroffen sein dürfen. Nicht durch den Tod eines Mannes, den er erst seit Kurzem kannte. Was wirklich dahinter steckte, konnte man nicht ergründen. Mauran hatte ihn darauf angesprochen. Erfolglos.
Gegen Abend lichteten sich die Nebel. Eine flache Talsenke bot einen geeigneten Platz für das Nachtlager. Garantor war gerade dabei, ein kleines Feuer zu schüren, als er plötzlich aufsprang und sich umsah. Es wurde schnell ruhig um ihn. Brube war der erste, der verwundert nachfragte. „Was ist los Garantor?“
Der Zwerg hob die Hände, die Handfläche offen vor sich, mahnte mit dieser Geste zur Stille und verharrte mit angespanntem Gesichtsausdruck. Kein Laut war zu hören. Mehrere standen auf, und griffen nach ihren Waffen, einige blieben einfach sitzen versuchten zu vernehmen, was Garantor wohl hören mochte. Der Händler Almud wurde unruhig. Er malte sich alle möglichen Gefahren aus und schmiegte sich eng an einen seiner beiden Maulesel. Es dauerte viel zu lange, bis sich etwas tat. Dann endlich sprach der Zwerg. „Donner. Entfernter Donner. Nein, es klingt ähnlich, zu konstant ... die Erde ... ich verstehe es nicht.“
Die Männer und vor allem der Händler entspannten sich. Weit entfernter Donner war nichts, was irgendjemanden wirklich interessieren musste.
So stand der Zwerg mit seinem undurchsichtigen Gedankengang alleine. Einen weiteren Augenblick später fügte er hinzu: „Osten, aus dem Osten kommt es!“
Brube setzte sich wieder hin. „Was soll schon sein?“, sagte er, legte seine Hellebarde neben sich auf die Erde und wärmte seine Hände am Feuer. Seinem Beispiel folgten einige, aber nicht alle. „Salzheim“, sagte Mauran Falkenflug. Seine Sinne reichten nicht an die des Zwergs heran, waren für einen Menschen jedoch sehr gut ausgebildet. Sein Gesicht wurde weiß. Auch er hörte nun den Donner. Oder bildete es sich nur ein? Es war egal.
Garantor nickte langsam.
Mauran Falkenflug sagte nichts. Ohne ersichtlichen Grund lief er los in Richtung Osten. Garantor erteilte hastig einen Befehl: „Thef und Dimite, Zrak, Kalad und die Bogenschützen; ihr folgt mit dem Wagen, der Rest mir nach, wir müssen Mauran folgen.“ Dann rannte auch er los, ohne sich umzusehen.
„Ja spinnt ihr oder was soll der Mist?“, brüllte Brube, bevor er sich in Bewegung setzte. Für derlei Abendsport hatte er nichts übrig. So mancher teilte diese Ansicht, aber was half es? Keiner missachtete den Befehl.
Es dauerte nicht lange, bis sich die Gruppe in monotonem Dauerlauf gefunden hatte. Garantor schnaufte schwer. Die kurzen Beine und sein hohes Körpergewicht waren auch hier wieder von Nachteil. Normalerweise wäre er nicht gerannt, hätte Cebrid und Mauran die Verantwortung übertragen. Jedoch nicht in diesem Fall. Keine Sekunde hatte er daran gedacht, beim Wagen zu bleiben und gemächlich zu folgen. Die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit mahnten als Vorboten des Unheils. Offensichtlich hatte Mauran die Zeichen als erster gedeutet und Garantor würde dabei sein, bei allem was sich zutragen mochte. Seine Entscheidungsgewalt und Autorität könnte sich als ausschlaggebend erweisen.
Es wurde nicht gerastet. Die Nacht wurde erst dunkler, dann wieder heller und als der erste Sonnenstrahl die Hügel überwand, wurde das Elend mit voller Gewalt ersichtlich. Der Horizont war rußgeschwärzt. Bis hinauf zur Sonne hatte sich die Welt in das Gewand des Todes gekleidet. Je näher sie kamen, desto deutlicher waren Schreie zu vernehmen. Schreie des Schmerzes und der Qual, des Verlusts und des Leids.
Doch noch lauter hallten das Grölen und die Wutschreie des Volkes zu ihnen, welches all dies Leid verursacht hatte. Oger. Mit beängstigender Konstanz drang das Entsetzen durch Luft und Erde. Vibrationen, hervorgerufen durch unzählige Stiefel und Kehlen, waren deutlich zu spüren.
Nur noch ein Hügel trennte Mauran von der freien Sicht auf Salzheim. Als der überwunden war, fiel er auf die Knie. Tränen rannen ihm über die Wangen und seine Hände gruben sich in die Erde, überwältigt vom Unfassbaren, das er sah. Nur ein kurzer Marsch trennte die Gefährten vom entsetzlichen Gemetzel.
Eine unglaubliche Anzahl an Ogern drang durch die geborstenen Mauern Salzheims. Tausende hatten sie schon überwunden. Die Zahl der Angreifer war unvorstellbar groß. Die Stadt seiner Kindheit, seiner Familie, so klein und schutzlos. Ein Streifen der westlichen Mauer, mindestens tausend Schritt breit, war zusammengebrochen. Mauran weinte und schluchzte, konnte und wollte die Tränen nicht stoppen. Feuer, überall Feuer. Das ganze westliche Viertel bis hin zum Marktplatz war verkohlt oder niedergerissen. Nichts konnte die Grausamkeit stoppen. Enorm wuchtige Rammböcke lagen da, wo die Schutzwälle geborsten waren. Niedergerissen durch die Wucht von wenigen Rammstößen. Hundert Oger oder mehr mussten jeden einzelnen davon geführt haben.
„Bei Rekar ...“ Mehr brachte Garantor im Moment nicht hervor. Was könnte er sonst sagen? Noch nie hatte er eine Armee erblickt, die an Kampfstärke, ja noch nicht einmal an Zahl mit dieser hier vergleichbar war. „Das gibt es nicht ... so viele ...“, stammelte er.
Auch die restlichen Mannen standen nun stumm auf dem Hügel. Keiner von ihnen sprach. Schwerer Atem, verzweifelte Gesichter; keiner brachte mehr hervor, als das bloße Entsetzen in aufgerissenen Mündern.
Die beiden Brüder standen nebeneinander. Brube sah Cebrid an. Der reagierte nicht. Mit bleichem Gesicht stand er da. Er hatte noch nicht einmal die Kraft, seinen Zweihänder zu ziehen. Brube hatte es geschafft, aber was sollte weiter geschehen? Entgeistert blickte er umher, die schwere Hellebarde in beiden Händen. Die Knochen seiner mächtigen Fäuste standen bleich hervor, vom Druck, den er auf den Griff seiner Waffe ausübte.
Der Walnussbaum in der Mitte des Marktplatzes brannte lichterloh. Die Feuersäule des Baums unterschied sich vom Rest des Brandes und war deutlich zu erkennen. Die Feuerwalze, genährt vom dürren Holz des alten Baumes, zielte senkrecht in den Himmel.
Das Lied des Leids wollte nicht verklingen, die Schreie nicht verhallen, das Waffengeklirre nicht verebben. Überall waren Oger. Sie stürmten gerade in die Stadt oder waren als Schemen irgendwo und überall darin zu erkennen. Brube stand noch immer regungslos da, so wie Garantor und alle anderen. Mechanisch erhob sich Mauran Falkenflug. Den Blick starr auf das Unheil gerichtet, die Hand des Wahnsinns auf seiner Schulter und eben jenen Blick in den Augen. „Mauran!“, rief Garantor. Keine Antwort. Noch einmal rief er den Namen seines Freundes, jedoch ergebnislos. Mauran wollte sich in Bewegung setzen, doch Garantor hatte ihn bereits am Arm gepackt, mit einer Kraft, die der des drahtigen Menschen weit überlegen war. Blitzschnell fuhr die Hand Falkenflugs an seinen Ledergürtel und zog den kostbaren Zwergendolch mit der Klinge aus feinstem Diamant. Garantor reagierte noch schneller. Ehe der Mensch zustechen und sich somit befreien konnte, grub sich die geballte Faust des Zwergs schwer in die Magengrube Mauran Falkenflugs. Der sackte zwar zusammen, kam aber nicht zur Ruhe und wollte sich hochrappeln. Garantor versetzte dem ungeschützten Kopf seines Freundes einen Schlag mit seiner bewehrten Stirn. Ein leises Stöhnen war alles, was Mauran von sich gab. Dann sank er vornüber und blieb regungslos liegen.
Der Blick des Zwergs lag mitfühlend auf ihm. „Dein Tod würde nichts bewirken, mein Freund. Damit hilfst du niemandem ...“ Garantor sprach diese Worte und verblieb dann stumm.
Es gab weder etwas zu sagen, noch zu unternehmen und jeder wusste das.
Die schwachen Sinne der Oger machten es unwahrscheinlich, entdeckt zu werden. So verweilten sie lautlos, blickten auf Salzheim und grämten sich vor Trauer über den unaufhaltsamen Untergang der einstmals glänzenden Stadt. Und immer noch standen sie da, als die Sonne ihren Zenit längst erreicht hatte. Immer noch gellten die Schreie der Sterbenden, welche vom unbarmherzigen Wind zu den Mannen hochgetragen wurden. Ja, noch immer standen sie da, als es keine Todesschreie mehr zu hören gab, kein Waffengeklirr zu vernehmen und kein Haus mehr unversehrt war. In nur einem Tag wurde Salzheim überrannt, und in Schutt und Asche gelegt. Überall zwischen den Trümmern waren Oger. Sie suchten bluthungrig nach weiteren Opfern oder schwelgten in den Leichen der Besiegten. Für die dunklen Wesen war dies ein Festtag und sie zelebrierten ihn mit all ihrem Sein.
Seit einiger Zeit schon, beobachtete Garantor genau was sich abspielte und vor allem wie. Der Zwerg hatte sich schneller aus der allgemeinen Lethargie gelöst als seine menschlichen Begleiter. Er hatte einiges gehört und gesehen und es verlangte ihn danach, seine Erkenntnisse mitzuteilen und neue zu erlangen.
Mit energischer Stimme befahl er: „Ypek, du bleibst hier. Setzt dich hin und beobachte weiter. Melde dich sofort, wenn sich irgendetwas ändert.“ Der kräftige Söldner nickte stumm. Nun sah Garantor zu Brube. „Pack deine Hellebarde weg und zieh Mauran zu uns rüber.“
Ein Stück weit hinter dem Hügel setzte sich der Zwerg im Schneidersitz hin. Seine Männer taten es ihm gleich. Sie setzten sich zusammen, die meisten bleich im Gesicht und zum Teil mit zitterndem Körper. Ausgezehrt blickten viele Augenpaare in die Runde des gerade entstandenen Kreises. Viele sahen jetzt, zum ersten Mal seit Stunden, in ein anderes Gesicht. Ein jedes war ein Spiegel der eigenen unverhohlenen Trauer und Ratlosigkeit. Nur wenige waren bereits in der Lage, Wut oder Rachegelüste zu empfinden. Vereinzeltes Knacken, Krachen und Brüllen drang leise über den Hügel, als Garantor sprach: „Die Welt liegt im Krieg. Das war der Anfang, kein zufälliger Schlag.“ Niemand antwortete. Das hatte er auch nicht erwartet. Cebrid nickte langsam, welches die einzige ersichtliche Reaktion des gesamten Trupps auf diese todverheißende Aussage darstellte.
„Sie kämpfen koordiniert, geführt und mit klaren Zielen. Diese Geschwindigkeit ist sonst nicht zu erklären!“
Kaum hatte der Zwerg dies gesagt, rührte sich so mancher und wurde wach. Wieder nickte Cebrid. Aus seinem Blick war zu ersehen, dass er Ähnliches beobachtet und nun die Bestätigung für seine schlimmsten Befürchtungen erhalten hatte. Endlich ließ sich Brube vernehmen. „Verdammt! ...“, was eher wie eine zweifelnde Frage anmutete, als der Ausdruck von Wut.
„Richtig Brube, richtig ...“ Der Zwerg gab diesen Worten Gewicht, durch die monotone Art, wie er sie aussprach. „Ich weiß nicht wie, ich weiß nicht wann, aber irgendetwas oder jemand, hat die Oger geeint. Und nicht nur das. Sie wurden gedrillt, ausgebildet und an Befehle gewöhnt.“
Cebrid warf ein: „Ich habe gesehen, wie ein kleiner Trupp einer Richtung folgte und dann wieder umkehrte. Gesammelt und geschlossen. Sie marschierten an der gebrochenen Westmauer entlang nach Norden, drehten um und verschwanden zwischen Rauch und Staub im Osten.“
„Ja“, bestätigte Garantor. „Das ist eines der auffälligsten Verhaltensmuster, aber es gibt auch andere.“ Kurz hielt er inne und holte Luft. „Die Mauern wurden an mindestens zwei Stellen durchbrochen. Zwei getrennte Armeen stürmten in die Stadt. Im Westen und Süden. Sie taten es mehr oder weniger zur gleichen Zeit. Ich würde sogar sagen, dass sie auch im Osten eingefallen sind.“
Cebrid schien die Worte abzuwägen, nickte wie so oft. Dann fügte er hinzu: „Die gewaltigen Rammböcke. Kein Oger könnte sich so etwas ausdenken, geschweige denn bauen.“ Zustimmendes Gemurmel machte die Runde.
„Und dann ist da noch was …“ Der Zwerg hielt inne und kratzte sich am Bart. „Sie haben viele Versorgungswagen dabei, aber es sind keine Kinder da. Keine Halbwüchsigen und kaum Ogerfrauen. Ein weiterer Hinweis auf eine organisierte Armee. Keine Sippen, kein Ballast. Nur Kämpfer.“
Auch diese Feststellung fand Zuspruch. „Gror hat einen Weg gefunden, um sein Volk mit dem zu stärken, was ihm fehlte ... genug Verstand, um alles Leben zu vernichten.“
Noch immer blieben alle still. Was sollte auch gesagt werden? Die gehörten Worte ließen keine Zweifel offen. Niemand hatte etwas hinzuzufügen. Offensichtlich hatte Garantor weitere Beobachtungen erwartet. Er wollte von seinen Männern Aufschluss über das Geschehen, welchen sie jedoch nicht geben konnten. Eine Weile saßen sie da und keiner sprach. Sie waren bestürzt und mutlos. Irgendwann stand der Zwerg auf, ging wieder auf den Hügel und beobachtete weiter.
Die Oger hatten keine Eile. Der Tag verging und ließ die blutrote Sonne rußgeschwärzt in einem Meer aus Leid vergehen. Das Szenario wandelte sich kaum. Große Feuer wurden entfacht, als der Abend nahte. Müde und nachdenklich standen immer noch viele der Gefährten auf dem Hügel vor den Ruinen Salzheims. Und immer noch zogen die Rauchschwaden in den nächtlichen Himmel. Der Blick nach Osten war des Nachts beinahe beeindruckender als am Tag. Hunderte Lagerfeuer brannten, dazu noch unzählige Häuser in Salzheim. Viele der Untiere waren ihres Treibens noch nicht müde und zündeten an, was noch nicht brannte. Immer neue Feuer entstanden. Sie vernichteten, was es noch zu vernichten gab, was immer das auch sein mochte.
Übermüdet durch die vorangegangene Nacht, schliefen die Gefährten einen unruhigen Schlaf. Oft schreckte jemand schaudernd auf. Abwechselnd standen die Männer Wache. Zusätzlich verbrachte immer einer der Gefährten seinen Dienst bei Mauran, der seit seinem Erwachen apathisch dasaß. Als der Tag anbrach, hatte sich wenig geändert. Der einzige Unterschied lag darin, dass die Verwüstung, vorher vom dichten Rauch kaschiert, nun deutlicher zu erkennen war. Die Oger plünderten und johlten, grunzten und stritten untereinander um ansehnliche Waffen und Beutestücke. Doch sogar hier war eine grundlegende Ordnung zu erkennen. Gewisse Dinge wurden zum Lager gebracht und wechselten dort den Besitzer. Streitigkeiten wurden oft von Dritten geschlichtet. Alles lief zum größten Teil unblutig ab, soweit man es vom erhöhten Aussichtspunkt erkennen konnte
All dies beobachtete Garantor genau. Er hatte kaum geschlafen. Sein Ziel war, herauszufinden, wer die Fäden zog. Wer anführte und wer folgte. Das war fast unmöglich. Es mussten an die zwanzigtausend Oger sein, die sich vor der zerstörten Stadt aufhielten und das in Anbetracht dessen, dass der größere Teil von ihnen immer noch plünderte. Garantor schauderte. Lange stand er da und sah dem Treiben zu, aber er konnte keine Antwort auf diese wichtige Frage finden. Keiner der Oger kristallisierte sich als die Führungsperson heraus, die der Zwerg zu erkennen suchte.
Einige Zeit später erreichten der Händler Almud und die restlichen Söldner den Hügel. Auch sie konnten kaum fassen, was sich zugetragen hatte. Almud selbst konnte mit der Welt, in der er lebte, nichts mehr anfangen. Er musste erst realisieren was sich zugetragen hatte und sorgte sich panisch um seine Familie.
Es war an der Zeit, Entscheidungen zu treffen. Sie alle versammelten sich erneut hinter dem Hügel und standen sich gegenüber. Bis auf Zrak. Er hatte die Aufgabe, das Geschehen weiter zu beobachten. Garantor hatte ihn ausgewählt, weil der Minotaur, getrieben von einer fast beleidigenden Neugierde, auf die Oger blickte, verschiedenes nachfragte und an seinem eigenen Weltbild bastelte. Er teilte die Bestürzung, das Entsetzen und den Hass nicht. Für ihn war es eine Entwicklung. Eine Entwicklung, die er zu ergründen suchte. Schon aus diesem Grund war es besser, ihn ein wenig abseits zu halten. Männer wie Brube und Dimite könnten in seiner Gleichgültigkeit ein Ventil für ihre Wut sehen. Dann mochte mehr als nur einer grundlos sterben.
„Wir müssen etwas unternehmen“, setzte Garantor an. Dabei blieb es eine gute Weile, bis er endlich weitersprach, da kein anderer etwas sagte. „Wir wissen nicht wie, wir wissen nicht wann. Sicher ist nur, dass sich das Volk der Oger geeint hat. Wir wissen nicht unter wem oder was ... Krieg liegt auf der Welt und niemand wird davon verschont bleiben.“
Es widersprach niemand. Zu offensichtlich war all das, was vor wenigen Tagen noch nicht möglich schien.
Endlich setzte Brand an zu sprechen. „Die Völker müssen gewarnt werden. Wir müssen nach Naars Zweifel. König Aegon muss davon erfahren.“
„Ja“, sagte Thef, „aber sind wir da sicher?“ Alle Blicke lagen auf dem schweigsamen kleinen Mann. „Garantor hat recht. Wir sind im Krieg. Aber was soll das für uns bedeuten? ... Wohin sollen wir? ... Ich werde meinen Arsch retten und Naars Zweifel scheint mir nicht der richtige Ort dafür zu sein.“
Brube wurde rot im Gesicht und fuhr Thef an: „Ach davonlaufen? Du feige Ratte!!“
„Sag was du willst, es ist mir einerlei“, entgegnete Thef.
Dimite sprang aufgebracht auf. „Es ist unsere Pflicht, König Aegon zu berichten, was passiert ist! Sonst werden sie überrannt wie Salzheim. Die Stadt muss gesichert und vorbereitet werden. Die Zeit drängt!“
Alle stimmten zu, nur Thef blieb ungerührt, und setzte nochmals an: „Ihr denkt wirklich, damit wäre eure Pflicht getan?“ Seine Gesichtszüge zeigten ein ebenso spöttisches Grinsen wie das Wort „Pflicht“, welches er wie in einem Fluch geäußert hatte.
Garantor stand auf und sprach ruhig, aber bestimmt: „Ich sehe schon, hier macht jeder seine eigenen Pläne ...“ Tiefe Entrüstung war die Folge. Cebrid unterbrach ihn, beteuerte seine Loyalität. Der Zwerg winkte ab, „Nein, nein, seid still!“ Schnell war es wieder ruhig. Garantor führte seine Augen im Kreis und kratzte sich am Bart. „Wir stehen am Scheideweg. Ein jeder muss für sich entscheiden, welche Richtung er einschlagen will. Ich werde von niemandem verlangen, nach Naars Zweifel zu ziehen und ich für meinen Teil, werde das auch nicht tun.“
Verwunderung machte sich breit. Brube wollte gerade zur Frage ansetzten, was denn dann unternommen werden solle, als plötzlich Mauran Falkenflug aufstand. Ganz langsam. Ruhig. Zu ruhig. Allein dies Tun sorgte für Stille. Seine Augen waren feucht. Die Trauer hatte ihn gezeichnet. Leise, monoton, mit gebrochener Stimme begann er zu sprechen.
„Der Wege sind viele und ein jeder muss begangen werden. Wo anfangen? ... Das ist die eigentliche Frage. Denn wo der Weg aufhört, weiß ein jeder von euch ... ein jeder ...“ Die letzten Worte presste er hervor. Wieder rannen ihm die Tränen über die Wangen, doch er sprach weiter. „Und keiner wird seinem Weg entrinnen. Auch Ihr nicht Thef, denn wohin wollt Ihr fliehen? ... Wo wärt Ihr sicher? ... Wo würde euer Schicksal Euch nicht einholen?“
Mauran schüttelte träge den Kopf. Er sah niemanden direkt an und blickte auf einen weit entfernten Punkt, den wohl niemand außer ihm sehen konnte.
Verwunderung war in dem einen oder anderen Gesicht zu erkennen. Doch keiner wollte Maurans wirre Ausführungen unterbrechen; und sei es nur, aus Respekt vor seiner Person.
„Ich bin vor mir selbst geflohen, hab mich versteckt und verleugnet“ ... Er grinste als wäre er verrückt. „Meine Familie war reich. Von der Welt selbst mit kostbarem Salz beschenkt. Doch mein Vater tötete sich, im Rausch ... Grundlos wählte er den leichtesten aller Auswege und verließ uns. Ja ... ich selbst bin wie er. Auch ich habe alles hinter mir gelassen, zog fort und ließ alle und alles im Stich. Meine Familie ... alle tot ...“
Kurz stockte er, holte Luft und zitterte dabei.
„Und wo stehe ich heute? ... Mitten im Nichts ... oder in allem? ... Wo liegt der Unterschied? Wo der Sinn? Wir können verzweifeln, oder unseren Weg gehen. Können davonlaufen, oder uns dem Leben stellen. Ich für meinen Teil ... Ich laufe nicht mehr davon.“
Mit jedem Wort wurde er sicherer und die Stimme stärker. „Mein Weg ist der Garantors. Denn eines ist gewiss: sein Weg wird sich mit dem der Oger kreuzen. Wir sind keine Söldner mehr. Wir sind die ersten Krieger im Kampf für das Leben und mein Ende des Weges wird sich erst mit dem Ende der Oger erfüllen ...“
Bei weitem nicht jeder hatte verstanden, was Mauran überhaupt sagen wollte. Garantor jedoch nickte und sprach: „Ja ... es gibt viele Wege und einige davon werden wir beschreiten. Aber nicht alle gemeinsam.“
Schwer atmete der Zwerg, drehte sich um und entfernte sich einige Schritt von der Gruppe. Dann blieb er stehen und wandte sich zu ihnen. „Die mit mir kommen wollen, sollen dies tun. Ich verlange es von niemandem und genauso wenig hoffe ich, dass sich jeder für meinen Weg entscheidet ... Wie gesagt, ich werde nicht nach Naars Zweifel gehen.“
Kaum hatte er das gesagt, standen Cebrid und Brube auf und gingen demonstrativ zu ihm. Während sie sich näherten, sprach Garantor weiter: „Kalad, Veon, Ypek und fast alle anderen haben ihre Familie in Naars Zweifel. Sie sind dort aufgewachsen und lebten dort, bis sie sich mir anschlossen. Ich weiß, dass ihr dorthin wollt ... ich bitte euch sogar darum, denn die Königsstadt muss gewarnt werden. Und je mehr nach Süden ziehen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass die lebenswichtige Nachricht überbracht wird.“
Das war alles, was er zu sagen hatte. Er stand betroffen da, die rechte Hand in seinem Bart vergraben und harrte dem, was geschehen mochte. Unerwartet stand Brand auf, entfernte sich ein wenig und stand Garantor gegenüber. Verdutzt schaute der Zwerg in das derbe Gesicht seines langjährigen Freundes. Damit hatte er nicht gerechnet. Niemals. Diese Meinung teilte wohl so mancher, denn unsichere, unverständige Blicke wanderten umher.
„Ich bin müde Garantor“, begann Brand, „Viel zu müde. Ich habe zu viele Tote gesehen, zu viel Leid.“ Sein Blick sank auf den Boden, als er weitersprach: „Ich stand an deiner Seite Garantor. Ich war bei dir, als du Flügelführer in Kramn Rotbards Truppe wurdest. Ich war bei dir, als wir aufgerieben wurden von diesen hinterhältigen Räubern und nur fünf von uns überlebten. Meine Hand lag auf deiner Schulter, als Schwarzarm starb und dich bat, den Auftrag zu vollenden ... und so vieles folgte ...“
Garantor unterbrach ihn und wurde beinahe überwältigt von seinen Gefühlen. Er suchte mit seinem Blick die Augen des alten Waldläufers. „Rechtfertige dich nicht Brand, lass es.“
So viel Gefühl war im Blick des Zwergs. So viel Freundschaft und Anerkennung. Niemals würde er eine Entscheidung anzweifeln, die von Brand getroffen wurde. Im Gegenteil. Er war froh. Wusste er doch, dass es keinen besseren als ihn gab, um die wichtigen Worte in die Königsstadt zu tragen. Es schmerzte ihn lediglich, diesen Mann nicht mehr unter den seinen zu wissen.
Dankbar erwiderte der Waldläufer den Blick. Ein leichtes Lächeln lag auf seinen rauen Lippen. „Du weißt, meine Familie lebt in Naars Zweifel ... Ich danke dir.“
Auch diese letzten Worte drückten viel mehr aus, als den Dank für Verständnis, den Dank für den freundlichen Blick seines Anführers. Es war der Dank für ein halbes Leben. Der Dank für Respekt und Freundschaft. Der Dank für einen Abschied, der kaum ein Wiedersehen beinhalten konnte. Der Dank dafür, dass kein Wort nötig war, um all dies gesagt zu haben. Die Gruppen teilten sich. Aus den Söldnern, die unter Garantor dem Zwerg ihr Geld verdienten, wurden Streiter für das Gute. Für das Land. Getrennt in zwei Gruppen, würden sie ihr Heil und jenes der Lebenden suchen.
„Was werdet ihr unternehmen?“, fragte Brand, als sich die beiden neu formierten Einheiten gegenüberstanden, beide zum Abschied bereit.
Der Zwerg kratzte sich am Bart und antwortete knapp: „Beobachten, fürs erste …“ Brand nickte und stimmte ein letztes Mal mit Garantor überein. Nun nicht mehr als Freund und Gefolgsmann, sondern als gleichgestellter Führer im Kampf gegen das unausweichliche Unheil.
Ohne ein weiteres Wort sah sich der alte Bogenschütze um, und sah in die Gesichter jener Männer, die mit ihm nach Süden ziehen würden. Er verzog kurz die Mundwinkel und schritt stumm den Hügel hinab.
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