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Teil 2: Öffentliches Recht
§ 1 Der Staat und weitere Hoheitsträger

25Das Öffentliche Recht als „Sonderrecht des Staates“ (Rn. 2) umfasst diejenigen Normen, durch welche – zumindest auf einer der beiden „Normseiten“ – ein Hoheitsträger als solcher berechtigt oder verpflichtet wird. Aber wer ist der „Staat“?

26Als Staat i. S. d. Völkerrechts ist die Bundesrepublik Deutschland (Bund) zu nennen. Sie ist als Gebietskörperschaft eine juristische Person des Öffentlichen Rechts und damit ein eigenständiges Rechtssubjekt. Zentrales Merkmal der völkerrechtlichen Staatlichkeit ist neben dem Staatsgebiet und dem Staatsvolk die unabgeleitete Staatsgewalt (sog. Drei-Elemente-Lehre). Die Bundesrepublik Deutschland leitet die eigene Hoheitsgewalt also von keinem anderen Rechtssubjekt ab. Sie besitzt damit insbesondere eine uneingeschränkte verfassungsgebende Gewalt, die sie mit Erlass des Grundgesetzes ausgeübt hat.

27Neben dem Bund untergliedert sich der Staat in zahlreiche weitere eigenständige juristische Personen. Zu nennen sind zunächst die Länder, denen das Grundgesetz ebenfalls Staatlichkeit zuerkennt. Eine Vielzahl eigenständiger juristischer Personen findet sich schließlich auf der kommunalen Ebene, nämlich die Gemeinden und Gemeindeverbände (insbes. Kreise). Sie sind organisationsrechtlich den Länder zugeordnet, haben aber in weitem Umfang Autonomierechte (Art. 28 Abs. 2 GG: kommunale Selbstverwaltung, vgl. Rn. 104). Neben den kommunalen Selbstverwaltungsträgern gibt es schließlich auch funktionale Selbstverwaltungsträger wie die berufsständischen und wirtschaftsständischen Kammern (IHK, Anwaltskammer etc.) oder die staatlichen Hochschulen.

28Das Nebeneinander eines Gesamtstaates (Bund) und mehrerer Gliedstaaten (Länder) ist Wesensmerkmal einer bundesstaatlichen Ordnung (Art. 20 Abs. 1 GG). Allerdings unterscheidet sich die Staatlichkeit der Länder grundlegend von jener des Bundes. So wird die Verfassungsautonomie der Länder durch Art. 28 Abs. 1 GG deutlich einschränkt. Zugleich behält sich der Bund die Auflösung einzelner Länder vor (Art. 29 GG). Schließlich werden die Grundlagen der gesamtstaatlichen Ordnung durch die Bundesverfassung vorgegeben (Art. 70 ff. GG: Gesetzgebung; Art. 83 ff. GG: Verwaltung; Art. 92 ff. GG: Gerichtsbarkeit).

Weitere Beispiele für Bundesstaaten USA, Österreich, Schweiz.

29Abzugrenzen ist der Bundesstaat zum einen vom sog. Einheitsstaat, bei dem nur dem Zentralstaat, nicht aber dessen Unterteilungen Staatsqualität zukommt.

Beispiele Frankreich, Italien.

30Zum anderen ist vom Bundesstaat der sog. Staatenbund abzugrenzen: Er ist ein völker(vertrags)rechtlicher Bund von (souveränen) Staaten, dem selbst keine Staatsqualität zukommt. Staatenbünde können zwar auch selbst Hoheitsträger sein, allerdings ist ihre Hoheitsgewalt nicht originär, sondern von den jeweiligen Mitgliedstaaten abgeleitet (derivativ).

Beispiele Vereinte Nationen, NATO, Europarat.

31Einen Sonderfall stellt die Europäische Union dar. Die EU handelt nur aufgrund von den Mitgliedstaaten „abgeleiteter“ Zuständigkeiten. Sie ist daher völkerrechtlich gesehen kein Staat. Allerdings geht die „Integrationsdichte“ der EU weit über das bekannte Maß völkerrechtlicher Staatenbünde hinaus, insbesondere indem das EU-Recht in der mitgliedstaatlichen Rechtsordnung unmittelbar anwendbar ist (Rn. 155). Das BVerfG hat daher mit Blick auf die EU den Begriff des „Staatenverbundes“ geprägt.

32 Kontrollfragen


1.Unter welchen Voraussetzungen besteht völkerrechtlich ein Staat?


2.Erläutern Sie die Begriffe „Bundesstaat“, „Staatenbund“ und „Staatenverbund“!

§ 2 Die Entstehung und Entwicklung des deutschen Staates

33Kein Staat, sondern nur ein (loser) Bund einzelner Staaten war das sog. Heilige Römische Reich Deutscher Nation (962–1806). Mit der napoleonischen Herrschaft endete dieses sog. alte Reich. Nach der Niederlage Napoleons drängten die Fürsten im Wiener Kongress auf eine Wiederherstellung der alten Ordnung. Ergebnis der Verhandlungen war die Bildung des Deutschen Bundes (1815–1866), eines Staatenbundes, der von den rivalisierenden Großmächten Österreich und Preußen dominiert wurde. Die restaurative Politik des Deutschen Bundes mündete in die Revolution von 1848/49 mit der sog. „Paulskirchenverfassung“. Die Revolution scheiterte jedoch und endete mit dem Wiedererstarken restaurativer Kräfte. Ab 1864 betrieb Preußen gewaltsam die deutsche Einigung in Richtung der sog. „kleindeutschen Lösung“ (d. h. ohne Österreich). Die Kriege gegen Dänemark (1864) und Österreich (1866) führten zur Auflösung des Deutschen Bundes und zur Gründung des Norddeutschen Bundes (1867–1871).

34Nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 erfolgte 1871 schließlich der Beitritt der süddeutschen Länder zum vormaligen Norddeutschen Bund, der nunmehr zum Deutschen Reich (Kaiserreich) umgebildet wurde. Das Deutsche Reich wurde als Bundesstaat und konstitutionelle Monarchie mit dem Kaiser als Staatsoberhaupt konzipiert. Das Deutsche Kaiserreich endete nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg mit der Novemberrevolution 1918 und der Abdankung des Kaisers.

35Die Weimarer Republik (1919–1933) war die erste deutsche Republik. Auch sie war nach der Reichsverfassung von 1919 als Bundesstaat ausgestaltet. Das Staatsoberhaupt (Reichspräsident) wurde direkt vom Volk gewählt und war mit beachtlicher eigener politischer Macht ausgestattet, insbesondere dem Notverordnungsrecht. Aufgrund der politischen Instabilität kam es zu zahlreichen Regierungswechseln und zu einem Erstarken demokratiefeindlicher Parteien.

36Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler 1933 stimmten die im Reichstag vertretenen Parteien mit Ausnahme der SPD und der bereits zuvor vertriebenen oder inhaftierten Kommunisten im sog. Ermächtigungsgesetz für eine weitreichende Übertragung der Legislativbefugnisse auf die Reichsregierung. Schon zuvor waren mit der sog. Reichstagsbrandverordnung elementare Grundrechte außer Kraft gesetzt worden. In der Folgezeit errichteten die Nationalsozialisten eine diktatorische Gewalt- und Willkürherrschaft. Durch die sog. Nürnberger Rassegesetze und weitere Maßnahmen wurden die deutschen Juden systematisch entrechtet und verfolgt. Die Verfolgung mündete schließlich in die Shoa, der systematischen Ermordung von über 6 Millionen deutscher und europäischer Juden. Der von Hitler entfachte Zweite Weltkrieg (1939–1945) legte weite Teile Europas in Schutt und Asche und forderte weltweit über 55 Millionen Todesopfer.

37Nach der bedingungslosen Kapitulation der deutschen Reichsregierung im Mai 1945 übernahmen die Alliierten die Regierungsgewalt in Deutschland (sog. Berliner Erklärung) und teilten das Land in vier Besatzungszonen, die im Westen schrittweise (Bizone/Trizone) vereinigt wurden. Mit Inkrafttreten des Grundgesetzes wurde der (fortbestehende) deutsche Staat in den drei westlichen Besatzungszonen am 24. Mai 1949 als Bundesrepublik Deutschland reorganisiert.

In der sowjetischen Besatzungszone unternahm man als Antwort auf die Reorganisation der deutschen Staatlichkeit den Versuch einer Staatsgründung in Gestalt der „DDR“. Anfangs noch als Bundesstaat konzipiert, wurde die DDR in der Folgezeit zu einem sozialistischen Einheitsstaat unter der Parteidiktatur der SED umgestaltet. Die massive Unterdrückung bürgerlicher Freiheitsrechte sowie die Bespitzelung der Bevölkerung führten zum moralischen und schließlich auch wirtschaftlichen Niedergang der DDR.

381989 kam es in der DDR zu einer friedlichen Revolution, zur Beseitigung der sozialistischen Diktatur und zur Hinwendung zum Rechtsstaat. Am 3. Oktober 1990 erfolgte die Wiedervereinigung Deutschlands im Wege des Beitritts der DDR zur Bundesrepublik Deutschland. Das Bundesgebiet wurde um fünf „neue Länder“ (Thüringen, Sachsen-Anhalt, Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg) erweitert.

Kontrollfragen


1.Wann wurde der deutsche Staat gegründet?


2.Ist die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich mit dem Deutschen Reich identisch?


3.Wieso heißt die deutsche Verfassung Grundgesetz und wann wurde sie in Kraft gesetzt?

§ 3 Grundprinzipien der bundesdeutschen Verfassungsordnung

39Das Grundgesetz formuliert eine Reihe von Grundprinzipien, die das Rechtssystem Deutschlands tragen und prägen. Hierzu zählen das Rechtsstaatsprinzip, das Demokratieprinzip, das Sozialstaatsprinzip, das republikanische sowie das bundesstaatliche Prinzip. Diese Prinzipien können auch im Wege einer Verfassungsänderung nicht beseitigt werden (s. Art. 79 Abs. 3 GG), zudem ist auch die Verfassungsgebung in den 16 Ländern an die Beachtung dieser Prinzipien gebunden (s. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 GG).

I. Rechtsstaatsprinzip

40Zentrales Prinzip des Grundgesetzes ist das Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 und 3 GG). Materiell zeichnet sich der Rechtsstaat durch das Ziel aus, Gerechtigkeit zu verwirklichen. Das Rechtsstaatsprinzip konkretisiert sich in einer Reihe von Einzelausprägungen.

1. Gewaltenteilung

41Der Grundsatz der Gewaltenteilung besagt, dass die Ausübung von Hoheitsgewalt auf mehrere „Gewalten“ aufgeteilt wird. Ziel der Gewaltenteilung ist die gegenseitige Kontrolle („checks and balances“) staatlicher Gewaltausübung zum Zwecke der Verhinderung von Machtmissbrauch. Systematisch kann zwischen der horizontalen und der vertikalen Gewaltenteilung differenziert werden.

42Unter der horizontalen Gewaltenteilung versteht man die Trennung der drei klassischen Staatsgewalten, nämlich der gesetzgebenden Gewalt (Legislative: Parlament), der ausführenden Gewalt (Exekutive: Regierung/Verwaltung) und der rechtsprechenden Gewalt (Judikative: Gerichtsbarkeit). Mit der bundesstaatlichen Ordnung des Grundgesetzes wird diese horizontale Gewaltenteilung durch eine vertikale Gewaltenteilung zwischen Bund und Ländern ergänzt.

43Die (horizontale) Gewaltenteilung darf nicht i. S. e. strikt dogmatischen Trennung missverstanden werden, da das Grundgesetz an vielen Stellen eine Verzahnung verschiedener Gewalten vorsieht (man spricht von Gewaltenverschränkung).

Beispiele Der Bundestag wählt den Bundeskanzler. Die Gerichte kontrollieren Akte der Exekutive und der Legislative.

2. Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns

44Ein weiterer aus dem Rechtsstaatsprinzip folgender Grundsatz ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit staatlichen Handelns, d. h. der Bindung aller Staatsgewalt an Recht und Gesetz (vgl. Art. 20 Abs. 3 GG). Die Gesetze steuern damit staatliches Handeln und bilden zugleich den Maßstab für seine Kontrolle. Man unterscheidet zwischen dem Vorrang und dem Vorbehalt des Gesetzes.

45Der Vorrang des Gesetzes besagt, dass dort, wo ein Gesetz gegeben ist, dieses anzuwenden ist (Anwendungsgebot) und von seinen Vorgaben nicht abgewichen werden darf (Abweichungsverbot). Bestehen für ein und dieselbe Materie verschiedene Regelungen, setzt sich im Konfliktfall das jeweils höherrangige Gesetz durch.

46Der Vorbehalt des Gesetzes verlangt, dass bestimmte grundlegende Bereiche durch (Parlaments-)Gesetze geregelt werden müssen. Insbesondere staatliche Eingriffe in die durch Grundrechte geschützten Freiheitssphären bedürfen danach einer hinreichend bestimmten (parlaments-)gesetzlichen Grundlage.

Beispiel Eine Blutabnahme, z. B. zur Bestimmung der Blutalkoholkonzentration von Autofahrern im Strafverfahren, steht unter dem Gesetzesvorbehalt des Art. 2 Abs. 2 Satz 3 GG. Die erforderliche gesetzliche Grundlage findet sich in § 81a StPO.

Die nach dem Vorbehalt des Gesetzes erforderlichen Gesetzesgrundlagen können insbesondere nicht durch Analogien oder richterliche Rechtsfortbildung geschlossen werden (Rn. 23).

3. Gerichtlicher Rechtschutz

47Weiteres zentrales Element des Rechtsstaats ist die Möglichkeit, gegen Rechtsverletzungen durch die öffentliche Hand Gerichte anrufen zu können. Das Grundgesetz hat hierzu in Art. 19 Abs. 4 GG ein eigenes Grundrecht geschaffen, die sog. Rechtsweggarantie. Ebenso zählen die sog. Verfahrensgarantien, namentlich das Recht auf den gesetzlichen Richter, auf rechtliches Gehör und auf ein faires Verfahren, zu den grundrechtlich gesicherten Ansprüchen der Bürger (Art. 101, 103 GG). Schließlich hat jedermann aus dem Rechtsstaatsprinzip einen Anspruch auf die grundsätzlich umfassende tatsächliche und rechtliche Würdigung des Streitgegenstands und auf eine verbindliche richterliche Entscheidung auch privatrechtlicher Streitigkeiten (sog. Justizgewährungsanspruch).

4. Rechtssicherheit

48Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der Rechtssicherheit verlangt, dass Gesetze hinreichend klar und bestimmt sind. Der erforderliche Grad der Bestimmtheit richtet sich nach der jeweils zu regelnden Materie. Bei Eingriffen in Grundrechte besteht proportional zur Eingriffsintensität ein höheres Bedürfnis nach Klarheit und Bestimmtheit als bei anderen Bereichen.

49Das Gebot der Rechtssicherheit umfasst grundsätzlich auch den sog. Vertrauensschutz, also berechtigte Erwartungen des Einzelnen in den Fortbestand einer bestimmten Rechtslage. Daraus folgt, dass zeitlich zurückwirkende Maßnahmen nicht ohne Weiteres zulässig sind. Unzulässig ist i. d. R. die sog. „echte“ Rückwirkung, durch die bereits abgeschlossene Sachbereiche (z. B. Steuerjahr 2014) rückwirkend anderen Rechtsfolgen unterworfen werden. Dagegen kann eine „unechte“ Rückwirkung, die noch nicht abgeschlossene Sachverhalte betrifft (z. B. das laufende Steuerjahr), u. U. zulässig sein.

5. Verhältnismäßigkeit

50Das zentrale Prinzip der Verhältnismäßigkeit (synonym: Übermaßverbot) leitet sich ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip und den Grundrechten her und bezweckt die Begrenzung staatlicher Interventionen auf das erforderliche Maß. Es besagt, dass Hoheitsträger Rechte der Bürger allein zum Schutze legitimer Gemeinwohlinteressen beschränken und hierbei nur Maßnahmen ergreifen dürfen, die zur Zielerreichung geeignet, erforderlich und bei einer Gesamtbewertung des jeweiligen Einzelfalls angemessen sind. Die Verhältnismäßigkeitsprüfung wird unten im Rahmen der Grundrechtsprüfung exemplarisch dargestellt (Rn. 141).

6. Willkürverbot

51Das sog. „Willkürverbot“ folgt sowohl aus dem Rechtstaatsprinzip als auch aus dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Es wird verletzt, wenn sich für ein staatliches Handeln keine vernünftigen, aus der Natur der Sache ergebenden Gründe finden lassen. In der konkreten Rechtspraxis werden die hier maßgeblichen Erwägungen bereits durch das Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG abgedeckt, sodass es insoweit eines gesonderten Rückgriffs auf das Rechtsstaatsprinzip nicht mehr bedarf.

7. Staatshaftung

52Zu den Grundforderungen des Rechtsstaates gehört schließlich die Garantie einer Staatshaftung zur Kompensation etwaiger rechtswidriger Maßnahmen des Staates Freilich ist dieser sekundäre Rechtsschutz nachrangig gegenüber dem primären Rechtsschutz gegen die rechtswidrige Maßnahme selbst. Wer die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes gegen rechtswidrige Amtshandlungen versäumt, verliert also regelmäßig etwaige Amtshaftungsansprüche.

II. Demokratieprinzip

53Das zweite zentrale Prinzip des Grundgesetzes ist das Demokratieprinzip (vgl. Art. 20 Abs. 1 und 2 GG). Demokratie bedeutet Volksherrschaft. In der Diktion des Grundgesetzes bedeutet dies, dass alle staatliche Gewalt vom Volk ausgeht (Art. 20 Abs. 1 Satz 1 GG). Als Staatsvolk ist dabei die Gesamtheit der deutschen Staatsangehörigen anzusehen (Art. 116 Abs. 1 GG). Neben dem „Bundesvolk“ erkennt Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch das Volk in den Ländern, Kreisen und Gemeinden als Legitimationssubjekt für die dort ausgeübte Staatsgewalt an.

54Die Legitimation der Staatsgewalt erfolgt nach Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG durch Wahlen und Abstimmungen. Durch Wahlen werden Personen legitimiert, anstelle des Volkes Sachentscheidungen zu treffen, während Abstimmungen eine unmittelbare Sachentscheidung durch das Volk selbst zum Inhalt haben. Volk ist auch hier stets nur das deutsche Volk, sodass Ausländern die Teilnahme an Wahlen und Abstimmungen verfassungsrechtlich untersagt ist. Eine Ausnahme macht Art. 28 Abs. 1 Satz 3 GG für Wahlen und Abstimmungen auf kommunaler Ebene, bei denen EU-Ausländer wählen dürfen und auch selbst wählbar sind.

55In der vom Grundgesetz auf Bundesebene vorgesehenen repräsentativen Demokratie wählt das Volk zunächst den Bundestag direkt. Das Parlament entscheidet dann über den Regierungschef, dieser über die Minister und diese über die Organwalter in den ihnen jeweils nachgeordneten Behörden. Über diese oft mehrstufige sog. Legitimationskette ist letztlich jeder Organwalter wenigstens „mittelbar“ durch das Volk legitimiert.

56Demokratische Entscheidungen erfolgen per Mehrheitsentscheid. Damit die Mehrheit nicht der Minderheit in allen Bereichen ihren Willen aufzwingen kann, verlangt das Demokratieprinzip bestimmte Minderheitenrechte, die notfalls gerichtlich geltend gemacht werden können.

Beispiele Grundrechte beschränken die übermäßige Beeinträchtigung individueller Freiheiten durch den Staat und können mit der Verfassungsbeschwerde durchgesetzt werden.

57Eine besondere Rolle bei der politischen Willensbildung des Volkes kommt den Parteien zu (Art. 21 GG). Die Parteien haben eine „Zwischenstellung“: Sie sind einerseits zivilrechtliche Vereinigungen von Bürgern, andererseits haben sie auch eine spezifisch verfassungsrechtliche Position mit gewissen verfassungsrechtlichen Rechten. Anders als andere Vereine (vgl. Art. 9 Abs. 2 GG) dürfen Parteien gem. Art 21. Abs. 2 GG nur unter den dort genannten Voraussetzungen und nur vom BVerfG verboten werden (sog. Parteienprivileg).

III. Republikprinzip

58Das Republikprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG, von lat. res publica = öffentliche Sache/Angelegenheit) erschöpft sich im Wesentlichen in der Absage an die Monarchie als Staatsform: Das Staatsoberhaupt muss also stets durch das Staatsvolk legitimiert werden, wobei auch eine Berufung „auf Lebenszeit“ ausgeschlossen sein dürfte.

IV. Bundesstaatsprinzip

59Aus dem Bundesstaatsprinzip folgt zunächst die Gliederung des Bundes in Länder. Weiteres zentrales Element ist die sog. Bundestreue, also eine grundlegende Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten. Bund und Länder dürfen ihre Kompetenzen jeweils nur so ausüben, dass die Kompetenzen und Interessen des jeweils anderen nicht übermäßig beeinträchtigt werden.

Beispiel Mit dem Grundsatz der Bundestreue unvereinbar wäre es, wenn ein Land tatenlos dabei zusähe, dass die Kommunen im Lande rechtswidrig in Zuständigkeiten des Bundes übergreifen, etwa Volksabstimmungen in militärischen Fragen durchführen.

V. Sozialstaatsprinzip

60Das in Art. 20 Abs. 1 GG niedergelegte Sozialstaatsprinzip verpflichtet die Staatsorgane als sog. Staatszielbestimmung auf die Wahrung sozialer Gerechtigkeit, insbesondere die Gewährleistung sozialen Ausgleichs und eines angemessenen Niveaus sozialer Sicherheit, z. B. durch Sozialversicherungen. Wie bei allen Staatszielbestimmungen haben die Staatsorgane bei der Erreichung dieses Ziels erhebliche Gestaltungsspielräume.

VI. Weitere Staatszielbestimmungen

61Neben dem Sozialstaatsprinzip kennt das Grundgesetz weitere Staatszielbestimmungen. So verpflichtet Art. 20a GG den Staat zum Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Tiere. Art. 23 Abs. 1 Satz 1 GG verpflichtet zur Mitwirkung an der Europäischen Integration, während Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG zur Verwirklichung der tatsächlichen Gleichstellung von Mann und Frau verpflichtet.

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22 aralık 2023
Hacim:
421 s. 36 illüstrasyon
ISBN:
9783482786518
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