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8.5 Zur Lerndokumentation als Bindeglied zwischen den Lernorten

Nach dem pädagogisch-didaktischen Konzept der BFS VWB soll die Lerndokumentation das verbindende Glied zwischen den drei Lernorten bilden. Kann sie diese Aufgabe erfüllen?

G: Ja, sie erfüllt diese Aufgabe, wenn sie im Betrieb seriös geführt wird.

M: Ich habe letzte Woche die Einführung des ersten Lehrjahrs besucht und muss sagen: In der vorliegenden Form ist es ein gutes Instrument, um die Ausbildung der Lernenden zu begleiten. Der Lernende kann seine Ausbildung überwachen und weiss jederzeit, wo er steht, ebenso die Bildungsverantwortlichen im Betrieb. Allerdings ist der Aufwand für den Lehrbetrieb bei korrekter Ausführung beträchtlich, vor allem dann, wenn Lernende noch wenig Eigeninitiative und wenig Selbstverantwortung zeigen.

Die Zahl der geforderten Beiträge in der Lerndokumentation finden wir angemessen.

K: Die Lerndokumentation schafft die Verbindung von der Berufsfachschule zu den Lehrbetrieben. Wir sorgen dafür, dass die Einträge in die Lerndokumentation entstehen. Ich weiss nicht, ob in der Berufsfachschule die im Lehrbetrieb entstandenen Einträge überprüft werden.

Wie entstehen in Ihrem Betrieb die Einträge in die Lerndokumentation?

G: Aus dem Nachbereitungsauftrag heraus entsteht der Eintrag in die Lerndokumentation. Es gibt Lernende, die die Aufgabe so selbstständig erledigen, dass es nicht mehr als ein Gespräch pro Semester braucht. Andere brauchen mehr Führung: Die Poliere können mich jederzeit anfordern, wenn es in der Ausbildung Probleme gibt. Dann fahre ich hin und versuche, in Gesprächen die Sache zu klären und der Ausbildung neuen Schwung zu geben. Ich führe solche Gespräche als neutrale Person von aussen, es ist also nicht so, dass die Probleme immer auf der Seite der Lernenden liegen. Manchmal muss ich auch die Poliere in ihrer Ausbildungsfunktion coachen.

M: Während ein Teil der Lernenden diese Arbeiten selbstständig erledigt, entstehen bei einem anderen Teil der Lernenden die Einträge bei schlechtem Wetter in der Baubaracke. Alle Einträge werden halbjährlich beim Besprechen der Bildungsberichte kontrolliert. Wir stellen immer wieder fest, dass einzelne Lernende mit den Einträgen im Rückstand sind.

K: Wie schon erwähnt, teile ich die Lernenden nach dem Blockkurs einer Baustelle zu, wo sie ihren Nachbereitungsauftrag erfüllen können. Die Dokumentation dieser Arbeit ist dann Sache des Lernenden.

Bei wem liegen welche Verantwortlichkeiten?

G: Der Lernende weiss, dass er für die Aufträge verantwortlich ist, nur ist «Wissen» bei einigen Lernenden noch nicht Handeln. Bei den Gesprächen zum Bildungsbericht kontrolliere ich dann auch die Einträge in der Lerndokumentation. Lernende, die mit den Einträgen in Verzug sind, müssen nacharbeiten.

M: Grundsätzlich ist der Lernende für seine Lerndokumentation verantwortlich, wenn er diese Verantwortung aber nicht übernehmen kann, dann schreiten wir ein. Der Lehrbetrieb hat eine grundsätzliche Aufsichtspflicht. Bei der Prüfungsvorbereitung im dritten Lehrjahr ist die letzte Gelegenheit für die Lernenden, ihre Lerndokumentation nachzuführen.

Die Lerndokumentation muss im Qualifikationsverfahren ein Bestandteil sein; welche Rolle ihr zukommt, ist noch zu definieren. Würden sich die mündlichen Prüfungen auf die Lerndokumentation abstützen, wäre dies für die Prüfungsexperten eine Herausforderung in der Vorbereitung: Sie müssten sich dann ebenfalls entsprechend vorbereiten.

K: Der Lehrbetrieb sorgt dafür, dem Lernenden eine Baustelle zuzuweisen, wo er seinen Nachbereitungsauftrag erfüllen kann. Der Lernende ist seinerseits dafür verantwortlich, die ihm zugewiesene Arbeit zu dokumentieren und die Reflexionsfragen zu beantworten. Beim Lehrbetrieb liegt die Verantwortung zur Kontrolle. Die kann je nach Betriebsgrösse beim Polier oder beim Berufsbildner liegen. Ich überprüfe dies bei den periodischen Standortgesprächen, die ich mit den Lernenden führe.

8.6 Zum Thema Heterogenität der Lernenden

In vielen handwerklichen Berufen ist der Unterschied zwischen leistungsschwächeren und leistungsstärkeren Lernenden beträchtlich. Wie ist das bei Ihnen?

G: Der Betrieb hat die Selektion der Lernenden selbst in der Hand. Wir geben ganz bewusst auch schulisch leistungsschwächeren Lernenden eine Chance.

M: Wir haben pro Jahr ca. fünfzehn Schnupperlehrlinge für die zwei bis drei Lehrstellen; daraus ergeben sich ungefähr drei bis fünf Bewerbungen. Selbst bei einer sorgfältigen Selektion ist der Unterschied von Leistungsstärkeren und Leistungsschwächeren enorm. Leistungs- und entwicklungsmässig weisen die Lernenden der Zusatzausbildung gegenüber den Schulabgängern einen beträchtlichen Entwicklungsvorsprung auf.

Wir stützen uns auf die einwöchige Schnupperlehre und die schriftliche Bewerbung, wenn wir die Lehrstellen besetzen. Am Schluss der Woche führen wir einen kleinen Eignungstest durch, der uns hilft, die schulische Leistungsfähigkeit einzuschätzen. Mit diesem Auswahlverfahren können wir eine Prognose wagen, ob die berufliche Grundbildung im Bereich des Möglichen liegt. Wir entscheiden dann, ob eine EFZ- oder eine EBA-Ausbildung der geeignete Weg ist. Wir geben auch immer wieder leistungsschwächeren Lernenden eine Chance, wenn sie die überfachlichen Kompetenzen mitbringen. Der Beruf des Strassenbauers erlaubt es, mit handwerklichem Geschick und Können eine gute berufliche Position zu erreichen. Nach der Grundbildung steht eine ganze Palette von Weiterbildungen zur Verfügung, um die berufliche Stellung zu verbessern.

K: Das ist auch bei uns so, obschon wir ja selbst nach einem klaren Verfahren selektionieren: Wer sich bewirbt, muss eine Arbeitsmappe (Portfolio) abgeben. Wir haben in der Firma ein Anforderungsprofil für die zukünftigen Lernenden und stellen fest, inwieweit der Bewerber diesem Arbeitsprofil entspricht. Dabei spielt der Basic-Check für mich keine grosse Rolle. Das ist eine Momentaufnahme, in welcher Form sich der Lernende am Testtag präsentierte. Er erlaubt kaum Voraussagen, wie sich ein Lernender in der Ausbildung bewähren wird. Auch wenn ein Bewerber etwas schwächere Schulnoten vorweist, wird er zu einer Schnupperwoche eingeladen. Am Montag teile ich ihn einem ausgewählten Polier auf der Baustelle zu, auf dessen Urteil ich mich verlassen kann. Am Mittwoch gehe ich vorbei und bespreche mit den beiden, wie’s läuft. Am Freitag gehe ich noch einmal auf die Baustelle, und der Polier bewertet die Leistungen des Bewerbers für die ganze Woche. Am Nachmittag ist der Kandidat dann bei mir im Büro. Da gebe ich ihm acht Mathematikaufgaben zum Lösen, er fasst seine Eindrücke der Woche zusammen, und ich teile ihm mit, was uns aufgefallen ist. In den meisten Fällen wissen wir, ob wir ihm eine EFZ- oder eine EBA-Lehrstelle anbieten können. Pro Jahr bewerben sich zwanzig bis fünfundzwanzig Personen. Wir vergeben insgesamt fünf Lehrstellen, davon drei im Strassenbau. Ungenügende Schulnoten sind für uns ein Hinweis, dass ein Bewerber für eine berufliche Grundbildung noch nicht reif ist. Aktuell haben wir einen Lernenden, der die Ausbildung als Nachholbildung in verkürzter Form in zwei Jahren macht.

8.7 Zu Formen der Unterstützung für Leistungsschwächere

Wie unterstützen Sie leistungsschwächere Lernende, damit sie das Berufsziel erreichen?

G: EBA-Lernende fördern wir so, dass sie nach erfolgter zweijähriger Ausbildung in einer verkürzten Ausbildung von weiteren zwei Jahren zu einem EFZ-Abschluss kommen. Wenn die Lernvoraussetzungen auch für eine EBA-Ausbildung nicht genügen, so bieten wir leistungswilligen Jugendlichen ein Praktikum an. Sie können sich an drei bis vier Tagen im Betrieb bewähren. Den Rest der Woche arbeiten sie an den schulischen Grundlagen, sodass sie in einer EBA-Ausbildung gute Aussicht auf Erfolg haben. Oft sind es nicht kognitive Defizite, sondern es ist mangelnde Reife in den überfachlichen Kompetenzen, die keine günstige Prognose für einen Ausbildungserfolg zulassen. Es gibt Jugendliche, die ihre eigenen Möglichkeiten überschätzen. Sie müssen in Bezug auf das eigene Leistungsvermögen realistischer werden. Andere sind noch etwas verträumt. Die müssen sich erst an den Rhythmus in der Berufs- und Arbeitswelt gewöhnen. Solche Jugendlichen gebe ich dem besten Polier im Betrieb mit dem Auftrag, sie «an der Hand zu nehmen». Die meisten realisieren nach zwei bis drei Monaten, dass von ihnen eine Verhaltensänderung gefordert ist. Ausdauer, Zuverlässigkeit und eine realistische Selbsteinschätzung kann man lernen.

Leistungsschwächere benötigen für die Ausbildung mehr Zeit und bessere Betreuung. Da sind die Poliere gefordert. Nicht jedem Polier kann ich leistungsschwächere Lernende zuteilen, aber es gibt solche, die haben mit solchen Lernenden «ein goldenes Händchen».

M: Wir geben ganz bewusst auch leistungsschwächeren Lernenden eine Chance und bringen sie in der Regel auch zum erfolgreichen Abschluss. Wir profitieren von den Angeboten der Berufsfachschulen und empfehlen den Lernenden die Stützangebote der Berufsfachschule. Es braucht sehr viel, dass wir einen Lehrvertrag auflösen: mehrere Gespräche auch mit Einbezug der gesetzlichen Vertreter, mehrere Verwarnungen, kriminelle Handlungen u. a. m. können aber das Fass zum Überlaufen bringen. Mit schulisch und handwerklich schwächeren Lernenden, die guten Willens sind, finden wir immer einen Weg. Wir haben sehr viel Geduld, die meist auch belohnt wird. Prekär wird es dann, wenn Leistungsschwäche mit mangelnder Anstrengungsbereitschaft gepaart ist. Wir behalten Lernende nach ihrer beruflichen Grundbildung gerne im Betrieb. Wer aber in den drei Jahren keine befriedigenden Fortschritte erzielt, muss sich eine neue Stelle suchen. Diese Lernenden arbeiten dann meist temporär. Die mangelnden überfachlichen Kompetenzen verhindern eine Festanstellung. Leider bestehen auch Lernende das Qualifikationsverfahren, die auf der Baustelle nicht brauchbar sind. Das dürfte eigentlich nicht sein. Das QV liefert eine auf einige berufliche Tätigkeiten fokussierte Momentaufnahme, die über gewisse überfachliche Kompetenzen (z. B. Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit, Ausdauer und Durchhaltevermögen) keine Aussagen machen kann. Im QV lässt sich nicht die gesamte berufliche Tätigkeit simulieren.

K: Wir nehmen auch einmal einen leistungsschwächeren Lernenden, wenn er zuverlässig ist und bereit, sich anzustrengen. Die Schulnoten sind nicht das wichtigste Indiz, ob sich ein Lernender auf der Baustelle bewährt. Wenn jemand mehr Unterstützung braucht, hat das in der Regel mit Belastungen aus dem sozialen Umfeld zu tun. Im Augenblick habe ich einen Lernenden, mit dem ich alle vier Wochen ein Standortgespräch mache. Er bringt schulisch gute Leistungen, aber bei den überfachlichen Kompetenzen auf der Baustelle ist er noch nicht so weit, wie wir ihn gerne hätten. Er zeigt Verhaltensweisen, die im Berufsleben nicht akzeptiert werden: Er ist nicht zuverlässig und nicht pünktlich, hat nach den Blockkursen immer wieder Krankheitstage, ist manchmal unehrlich und hat für seine Versäumnisse immer wieder Ausreden. Das ist einer, der Führung braucht.

Ich gebe aber auch ihm kleinere Aufträge, die er selbstständig erledigen muss. Nächsten Monat muss er beispielsweise einen Katzenauslauf im Tierheim selbstständig erstellen, mit allen anfallenden Aushub- und Pflasterarbeiten. Lernende wachsen, wenn man ihnen Verantwortung überträgt.

8.8 Zum Umgang mit leistungsstärkeren Lernenden

Wie unterstützen Sie leistungsstarke Lernende, damit sie sich in der beruflichen Grundbildung nicht unterfordert fühlen?

G: Leistungsstärkeren übertragen wir Verantwortung, indem sie eine kleinere Baustelle führen oder bei Abwesenheit den Polier vertreten. Ihnen werden anspruchsvollere Arbeiten zugewiesen, die sie selbstständig zu erledigen haben. Das läuft auf der Baustelle ganz von allein. Die Förderung von Leistungsstärkeren ist kein Problem. Die werden überall gelobt, die sind begehrt und gut einsetzbar.

Insbesondere fördern wir Lernende, die bei uns eine Zweitausbildung absolvieren. Sie kommen mit den unterschiedlichsten Erstberufen zu uns (z. B. Zeichner oder Gärtner). Aktuell lernt bei uns ein sechsunddreissigjähriger Mann mit einem Bachelor-Abschluss in Geologie in seiner Zweitausbildung Strassenbauer. Letzte Woche nahm er auch an der Lehrlingswoche teil. Trotz anfänglicher Bedenken hat es ihm sehr gut gefallen. Er hatte einen sehr guten Einfluss auf die übrigen Lernenden.

In die Lehrlingswoche laden wir die Lernenden des ersten und dritten Lehrjahrs ein und bilden Equipen, denen wir eine kleinere Baustelle zuteilen. Dabei zeigen die Lernenden des dritten Lehrjahrs, was sie bereits können, und die Lernenden des ersten Lehrjahrs bekommen einen Einblick, was man im dritten Lehrjahr alles können muss. Dieses Jahr arbeiteten wir auf zehn Baustellen mit insgesamt fünfundfünfzig Lernenden; wir haben Facharbeiten für eine Gemeinde ausgeführt. Beaufsichtigt werden die Gruppen von ausgebildeten Fachleuten, die sich aber im Hintergrund halten. Die Arbeitsergebnisse sind auf der Homepage der Firma dokumentiert, und die Lernenden sind zu Recht stolz auf ihre Leistung.

M: Leistungsstärkeren geben wir zu verstehen, dass die Firma auf sie baut, indem wir ihnen Verantwortung übertragen. Sie sind zum Beispiel im dritten Lehrjahr verantwortlich für eine kleinere Baustelle. Wir übertragen ihnen planerische und administrative Verantwortung. Auch beim Lohn haben wir in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit, unsere Anerkennung auszudrücken. Wer willig und fähig ist, wird in der Firma gefördert. Wir haben auch schon Versuche mit Lehrlingsgruppen gemacht, die anspruchsvolle Kundenarbeiten selbstständig erledigten, aber das ist natürlich abhängig von den eingehenden Aufträgen und von der Zusammensetzung der Gruppe. Auf jeden Fall lernen sie dabei, Verantwortung zu übernehmen und zu tragen.

Talentierte und leistungswillige Lernende müssten auch in den Blockkursen der Zusatzausbildung in Sursee mit anspruchsvolleren Arbeitsaufträgen vermehrt gefördert werden. Hier reicht der normale Stoff der Grundausbildung eindeutig nicht mehr, um das Potenzial der Lernenden auszuschöpfen.

K: In diesem Jahr haben wir Lehrlingsbaustellen ins Leben gerufen. Da können sich die Lernenden des zweiten Lehrjahrs als Gruppenführer bewähren. Das fordert sie heraus: Sie müssen vorausschauen, planen, überwachen und kontrollieren. Wenn sie zum Beispiel Material brauchen, müssen sie das am Vortag in der Firma in der richtigen Menge oder Stückzahl bestellen. Da spielt es dann eine Rolle, ob drei, dreissig oder dreihundert Kubik Kies bestellt werden müssen. Mein Bauführerkollege und ich haben die Arbeiten begleitet. Wir gingen jeden Tag einmal vorbei, um zu sehen, wie sie mit den Arbeiten vorankommen. Wir alle, die Lernenden und ich, haben sehr viel gelernt und profitiert. Wir haben auch die KV-Lernenden und den Baumaschinenführer miteinbezogen. Die Arbeiten haben wir auf der Homepage unserer Firma dokumentiert.

8.9 Gesamteinschätzung der Bildungsreform

Wie zufrieden sind Sie mit der durchgeführten Reform insgesamt? Hat sie für die Lernenden einen Nutzen gebracht? Wenn ja, in welcher Hinsicht?

G: Die Reform ist auf einem guten Weg. Klar, dass beim Start nicht alles klappen kann, aber man hat in der Berufsfachschule rasch reagiert und bereits im zweiten Jahr Verbesserungen eingeführt. Die Herausforderung ist, ein solches Reformvorhaben praxisgerecht durchzuführen. Das braucht auch eine entsprechende Sprache und entsprechende Dokumente.

Die Zeit, in der die bisherigen und die neuen Ausbildungsunterlagen nebeneinander zu führen sind, ist für die Praxisbildner heikel, da empfinden sie das Neue halt oft als Störung und stellen es infrage.

M: Es ist wichtig, dass Bildungspläne von Zeit zu Zeit angepasst werden, um die Veränderungen im Berufsfeld aufzunehmen. Das Berufsbild verändert sich laufend: Die Handarbeit, das rein Handwerkliche nimmt ab, die Maschinenarbeit nimmt zu. Zudem benötigen wir immer mehr Mitarbeiter, die bei mehreren Berufsarbeiten einsetzbar sind, also den «Komplett-Arbeiter». Arbeitnehmer können sich nicht mehr nur auf einzelne Tätigkeiten spezialisieren. Die Arbeitsgruppen sind kleiner geworden, jeder muss alles können. Die Jobs, für die es keine Ausbildung braucht, sind wegrationalisiert worden.

Auch beim Lernen sind Veränderungen offensichtlich: In der obligatorischen Schule geht die Entwicklung in Richtung Kompetenzorientierung. Es ist deshalb richtig, diese Entwicklung in der Berufsbildung aufzunehmen und mitzugestalten. Die Reform geht in die richtige Richtung, auch wenn man Neuem gegenüber zunächst kritisch eingestellt ist. Wir müssen als Lehrbetrieb einfach dranbleiben. Ausbilden heisst für den Betrieb, dass er für die Lernenden bewusst Zeit für die Einführung und Begleitung aufwendet. Man kann Lernende nicht so nebenbei ausbilden wollen, das ergibt keine Ausbildungsqualität.

K: Ich bin zufrieden mit der Reform, sie hat die Lernorte einander nähergebracht, und ich bin überzeugt, dass sich der Aufwand lohnt. Man muss sich Zeit für die Lernenden nehmen und sich um sie kümmern. Die Vor- und Nachbereitungsaufträge verlangen vom Lernenden mehr Selbstständigkeit und Verantwortlichkeit. Er muss sich vor und nach den Blockkursen mit den Inhalten auseinandersetzen und eine grosse Leistung erbringen.

Was hat sich durch die Reform verbessert?

M: Für die Lernenden sind die Lernthemen anschaulicher, näher an dem, was sie täglich bei der Arbeit erleben. Das hat zur Folge, dass Ängste in bestimmten Fächern – ich denke hier an das Rechnen – abgebaut werden. Viele Lernende können rechnen, wenn sie vor einem konkreten Problem stehen. Das Rechnen im Rechnungsbuch ist ihnen zu abstrakt. So wie das Rechnen jetzt in Themen eingebettet ist, können sich die Lernenden die Situation besser vorstellen. Das unterstützt sicher die tendenziell schwächeren Rechner.

Mit Vorbereitungs- und Nachbearbeitungsauftrag ist die Verbindung zwischen Schule und Lehrbetrieb geschaffen, das ist ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung.

K: Die Reform hat mehr Verbindlichkeit zwischen der Berufsfachschule und den Lehrbetrieben gebracht. Für den Betrieb bringt das einen gewissen Mehraufwand, aber der schlägt sich in einer verbesserten Ausbildungsqualität nieder.

Wo liegen die Schwachpunkte?

G: Die habe ich im Laufe des Interviews angesprochen – aber sie sind erkannt, und wir können alle daran arbeiten. Wichtig ist, dass nun auch die Prüfungen konsequent kompetenzorientiert durchgeführt werden. Da braucht es ebenfalls Veränderungen. Der Stellenwert der einzelnen Arbeiten und ihre Bewertung müssen überdacht und die Praxis muss miteinbezogen werden. Wir wollen ja die Lernenden möglichst gut auf das Qualifikationsverfahren vorbereiten. Im Moment wissen wir noch nicht, wo wir den Schwerpunkt legen sollen.

M: Wir befinden uns in einem Übergangsstadium, es gibt bestimmt noch Optimierungspotenzial, was den Unterricht und die Information betrifft. Ein Teil der Lernenden ist unsicher, was die Vorbereitungs- und Nachbereitungsaufträge betrifft. Zum Teil mangelt es an der Sprachkompetenz der Lernenden, zum Teil an ihrer Motivation, zum Teil liegt es wohl auch an der Art und Weise, wie die Lehrpersonen Aufträge erteilen. Aber das wird sich mit der Zeit einpendeln.

K: Sicher klappt noch nicht alles, wie es sollte, das ist bei solchen Veränderungsprozessen normal. Aber grundsätzlich ist die Reform angekommen, und wir werden uns in den nächsten Jahren sicher noch verbessern.

Haben Sie Anregungen zur Verbesserung?

G: Man könnte für jedes Semester eine laminierte A4-Seite gestalten, die den Polier in einfacher Sprache darauf hinweist, was auszubilden und worauf besondere Beachtung zu legen ist. Das könnte die Berufsfachschule als Dienstleistung für die Betriebe übernehmen. Klein- und Mittelbetriebe können sich keinen Ausbildungsverantwortlichen leisten, der die Aufgabe übernimmt, «Kochrezepte» für die Ausbildung auf der Baustelle zu schreiben. Zudem würde eine solche Massnahme die Einheitlichkeit der Ausbildung fördern. Man müsste eine entsprechende Arbeitsgruppe gründen, die sich der Aufgabe annimmt.

K: Die Lerndokumentation könnte für die Praxis noch etwas einfacher und übersichtlicher sein.

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