Kitabı oku: «Der Fortschritt dieses Sturms», sayfa 6

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Der Eigenschaftsdualismus lässt demnach nur eine Substanz gelten – Materie –, betrachtet den menschlichen Körper dabei jedoch als eine besondere, im Besitz einzigartiger mentaler Eigenschaften seiende Gattung dieser Substanz. Das Schöne an dieser Lösung ist nun, dass damit die kartesianische Ohnmacht angesichts des Interaktionsproblems umgangen und gleichzeitig die Unterscheidung zwischen Körper und Geist aufrechterhalten wird. Versagt nämlich der Substanzdualismus in Bezug auf ersteren Punkt, scheitert der Substanz- und Eigenschaftsmonismus – beziehungsweise doppelte Monismus – hinsichtlich des letzteren. Jacquette untermauert seine Argumentation mit einem besonders eindrücklichen Beispiel:

Was wäre, wenn eine Chronik des Watergate-Skandals in einem Buch veröffentlicht werden würde, die nur aus chemischen Formeln bestünde, die das Gehirn und andere während dieser Zeit stattfindende physikalische Ereignisse der an dem Einbruch, der Abhörung und der Vertuschung Beteiligten beschrieben? […] Würde eine solche chemische Geschichte die soziopolitischen Vorfälle erklären, selbst dem Neurophysiologen, der versiert ist im Verständnis chemischer Symbolik? Wenn überhaupt scheint es, als wären die eigenschaftsmonistischen Erklärungen im Vergleich zu den eigenschaftsdualistischen Darstellungen der sozialen und psychologischen Phänomene im Erklärungsnachteil.25

Und schon sind wir wieder bei unserem Ausgangspunkt angelangt, bei dem Verhältnis von Gesellschaft und Natur.

Während die Kartesianer:innen ihr intellektuelles Gift verspritzten, gab es noch einen alternativen Standpunkt: Natur und Gesellschaft seien materielle Substanzen schlechthin, wobei die eine nicht mit der anderen gleichgesetzt werden könne. Uns hätte also nie gesagt werden müssen, dass wir nie modern gewesen seien, sofern damit die Erkenntnis gemeint sei, dass Gesellschaft und Natur nicht voneinander loskommen könnten.26 Genau das hat die Gemeinschaft der Historischen Materialist:innen immerzu gepredigt – nicht zuletzt ist das Beharren darauf, dass der Mensch aus Materie besteht, ihrem Namen bereits eingeschrieben, während das Adjektiv »historisch« besagt, dass sich daraus keine sozialen Verhältnisse ableiten lassen, sind diese doch gleichermaßen materiell in ihrer Substanz als auch vollkommen undenkbar außerhalb der Natur, gleichwohl sie emergente Eigenschaften an den Tag legen, die sich von ebendieser Natur unterscheiden. Stellen wir uns hierfür einen Baum vor. Er wächst aus dem Boden, bezieht Nahrung daraus, stirbt ab, sobald er davon abgeschnitten wird: Und dennoch lässt er sich nicht darauf reduzieren. Die Natur ist der Boden für die Gesellschaft, der Schoß, aus dem sie hervorgesprossen ist, die Hülle, aus der sie niemals ausbrechen wird, doch genauso wie der Baum von seinem Boden abgesondert werden kann, kann auch die Gesellschaft von der Natur unterschieden werden, schließlich ist sie aus der Erde geschossen und hat sich im Laufe dessen, was wir mit Historie bezeichnen, in unzählige Richtungen verzweigt.27

Wenn das jemand weiß, dann Bruno Latour. Er ist sich darüber bewusst, dass sich der Historische Materialismus in permanenter Opposition zum Kartesianismus befindet, und dennoch hält er ihn für die fürchterlichste Abscheulichkeit von allen – die »Marxisten, [diese] Modernisierer par excellence« –, behalte der Historische Materialismus doch die Idee der Gesellschaft und Natur als Paar bei. Der Irrtum bestehe Latour zufolge darin, einen Gegensatz wahrzunehmen, wo gar keiner sei. »Auch die dialektische Interpretation ändert hier nichts, denn sie behält die beiden Pole bei und begnügt sich damit, sie durch die Dynamik des Widerspruchs in Bewegung zu bringen« – schlimmer noch, sie lasse die Nichtbeachtung der Hybridität »noch unkenntlicher als im dualistischen Paradigma [werden]. Denn sie täuscht vor, [diese] durch Schleifen und Spiralen und andere komplizierte akrobatische Figuren zu überwinden. Sie redet wortwörtlich um den heißen Brei herum.« 28 Dabei gebe es doch nur den heißen Brei, das verfängliche Netz aller Dinge. Man muss Latour hier zugutehalten, dass er den Unterschied zwischen seinem Ansatz und dem des Historischen Materialismus korrekt festmacht: Ja, die Dialektik ist der Tanz der Gegensätze und bedarf mindestens einer Dyade. Der absolute Monismus schließt die Dialektik aus. Allein der Eigenschaftsdualismus kann eine Dialektik von Gesellschaft und Natur miteinkalkulieren.

Von welcher »Gesellschaft« aber sprechen wir? Über eine vorläufige Definition von »Natur« verfügen wir bereits; nun fehlt noch eine für ihr Gegenstück. Eine prägnante und vernünftige Entsprechung lässt sich bequem den Grundrissen entnehmen: »Die Gesellschaft besteht nicht aus Individuen, sondern drückt die Summe der Beziehungen, Verhältnisse aus, worin diese Individuen zueinander stehn.«29 Dieses Ding namens Gesellschaft hat Eigenschaften entwickelt, die innerhalb der Natur per se nicht auffindbar sind. Und damit sollte nun auch klar sein, wie sich die Matrix der Positionen innerhalb der Philosophie des Geistes auf den Nexus von Natur und Gesellschaft auswirkt: Der Historische Materialismus ist ein substanzmonistischer Eigenschaftsdualismus. Er steht sowohl dem kartesianischen Substanzdualismus als auch dem hybridistischen Doppelmonismus (sofern man die beiden als zwei Seiten derselben Medaille versteht) entgegen.30 Wir werden seine Position weiter unten noch detaillierter abstecken; fürs Erste wollen wir lediglich ein weiteres Mal bekräftigen, dass es keineswegs merkwürdig ist, wenn zwei Dinge aus derselben Substanz bestehen und dennoch unterschiedliche Eigenschaften besitzen. Gerade als Material bewohnen der Baum und die Kettensäge den gleichen Wald: Deshalb kann die eine den anderen fällen. Zugleich folgen sie jedoch unterschiedlichen Bewegungsgesetzen. Auch deshalb kann die eine den anderen fällen.

Und so erweist sich nun, dass der Doppelmonismus ein ganz eigenes, höchst bedenkliches kausales Interaktionsproblem hat: Denn wenn die Gesellschaft über keine Eigenschaften verfügt, die sie vom Rest der Welt abgrenzen – also von dem, was wir beharrlich als Natur bezeichnen wollen –, wie ist ein derart erschreckendes Ausmaß an Umweltzerstörung dann überhaupt möglich?

DIE DRINGLICHKEIT DES EIGENSCHAFTSDUALISMUS

Der die Gesellschaft und Natur betreffende substanzmonistisch-materialistische Eigenschaftsdualismus – oder schlicht »Eigenschaftsdualismus« – legt nahe, dass nichts an der Kombination der beiden Bereiche überraschen sollte. Vielmehr sollte genau sie als Norm vorausgesetzt werden. Denn im Anschluss an Hailwood können wir sagen, dass die Verstrickung der gesellschaftlichen und natürlichen Beziehungen nicht nur möglich, sondern auch unvermeidlich ist, wenn man bedenkt, dass die beiden fortwährende Bestandteile der materiellen Welt sind »und nicht vollkommen unterschiedliche Seinsordnungen«.31 Die Frage also lautet, wie sich die Kombinationen überhaupt entwickelt haben. Mögen manche auch unverfänglich und irrelevant sein, andere milde und produktiv, und wiederum andere bösartig und destruktiv – geben wird es sie nun so lange, wie es den Menschen und dessen Gesellschaften geben wird. Und insofern es nur so strotzen dürfte vor Kombinationen, gilt es herauszufinden, durch welches Verfahren sich ihre Komponenten herausfiltern ließen. Fangen wir damit an, das Ganze einem groben Test zu unterziehen: Haben Menschen die Komponente konstruiert oder nicht? Sollte sie sozial sein, ist sie aus den Beziehungen zwischen den Menschen hervorgegangen, die sich im Laufe der Zeit verändert haben, und kann im Prinzip also durch deren Handlungen zerlegt werden; ist die Komponente jedoch natürlich, handelt es sich bei ihr um kein von Menschenhand erschaffenes Produkt, sondern vielmehr um eine Reihe an Energien und von ihrer Handlungsmacht losgelösten Kausalkräften und kann demnach nicht auseinandergenommen werden (genau jene Unterscheidung also, die Latour beseitigen will: die Distinktion zwischen einer Gesellschaft, »die durch und durch unser Werk ist«, und einer Natur, »die nicht unser Werk ist«).32 Diesen Test durchzuführen, erweist sich nebenbei bemerkt als meistens ziemlich einfach.

Nehmen wir etwa das Loch in der Ozonschicht, eines von Latours bevorzugten Beispielen.33 Eine offenkundig soziale Komponente dieser Einheit ist (oder war) die Herstellung von Fluorchlorkohlenwasserstoffen für Kühlschränke, Spraydosen und andere von Unternehmen wie DuPont vertriebene Produkte. Um eine nicht minder offenkundig natürliche Komponente handelt es sich bei jener Art und Weise, wie die Chloratome dieser Substanzen mit den Ozonmolekülen in der Stratosphäre reagieren: Sie spalten sie ins Zehntausendfache auf. Die eine Komponente ist genauso materiell wie die andere, weshalb es ihnen überhaupt erst möglich war, miteinander zu interagieren. Als Einheit von Gegensätzen lässt sich der Prozess des Ozonabbaus noch weiter in seinen zusätzlichen, mit unseren einfachen Kriterien identifizierten sozialen und natürlichen Komponenten analysieren – und zufälligerweise liegt genau darin die unabdingbare Prämisse jeglicher Lösung eines solchen kombinierten Problems. Erst nach einem Isolierungsverfahren des Sozialen vom Natürlichen, kurz nach der Entdeckung ihrer gefahrbringenden materiellen Verknüpfung, konnte das Montreal-Protokoll den Unternehmen verbieten, weitere Fluorchlorkohlenwasserstoffe zu produzieren. In dieser Hinsicht glich es ein wenig dem Trotzkismus oder dem palästinensischen Widerstand. Indem es die hybridistische Paralyse in ihre Schranken wies, griff es die Kombination direkt an der Gefahrenquelle an.

Gerade entgegen der Botschaft des Hybridismus folgt daraus, dass je häufiger wir Umweltzerstörungsproblemen gegenüberstehen, desto notwendiger ist es, die Einheiten an ihren jeweiligen Polen anzugreifen. Denn anstatt für nichtig erklärt zu werden, erweisen sich die Unterschiede zwischen dem Gesellschaftlichen und dem Natürlichen aufgrund ökologischer Krisen essenzieller denn je. Denken wir nur an eine Ölpest. Ein Unternehmen setzt die Flüssigkeit in einem Flussdelta frei. Es kommt zu einer neuartigen Einheit – Öl und Wasser wurden miteinander vermengt –, was uns aber nicht veranlasst, die beiden Elemente dieser Situation als identisch zu behandeln oder (was aufs Gleiche hinausliefe) zu verkünden, dass das eine das andere aufgezehrt hat. Vielmehr würden wir Genaueres über ihre spezifischen Eigenschaften erfahren wollen. Einerseits stießen wir so auf die biologische Vielfalt des Deltas, die Geburtszeit der Delfine, das Zugverhalten der Vögel, die Nahrungskette, den Wellenschlag und andererseits auf die Betriebsabläufe des Konzerns, die Profitmotivmechanismen, den Wettbewerbsgrad der Ölindustrie, die Funktion des Erdöls innerhalb der Gesamtwirtschaft. Es mag verheerende Auswirkungen haben, dass nach einem bestimmten Ereignis diese beiden Flüssigkeiten nun an derselben Küste angespült werden. Der Frage nach ihrer Differenz-in-Einheit [difference-in-unity] verleiht dies aber energisch Gewicht – wir müssen herausfinden, wie sie miteinander agieren, welche Art von Schaden der eine Stoff dem anderen zufügt, und vor allem, wie die Zerstörung beendet werden kann. Wie Alf Hornborg kürzlich angemerkt hat, besteht darin die wirklich entscheidende theoretische Aufgabe: die analytische Distinktion beizubehalten, um herauszukitzeln, wie sich die Eigenschaften der Gesellschaft mit jenen der Natur durchmischen.34 Nur so können wir uns die Möglichkeit bewahren, die Quellen des ökologischen Ruins zu beseitigen.

Und nur so können wir die fossile Ökonomie als historisches Phänomen begreifen. Jemanden wie Neil Smith ins Gegenteil wendend, schreibt Hornborg:

Es ist prinzipiell möglich, der Wechselwirkung von aus der Natur und Gesellschaft stammenden Faktoren nachzuspüren. So sollte es beispielsweise machbar sein, abzuschätzen, wie hoch die Konzentration von Kohlendioxid in der Atmosphäre heute sein würde, wenn es nicht zu den aus menschlichen Gesellschaftsprozessen stammenden Zusätzen gekommen wäre [was durchaus ohne Weiteres machbar ist: Die Konzentration läge bei rund 280 ppm, anstelle der derzeitigen 400+, Anm. des Autors]. Menschliche Gesellschaften haben zwar die planetaren Kohlenstoffzyklen verändert, nicht aber die Kohlenstoffatome selbst. Wenn die Kategorien Natur und Gesellschaft also hinfällig sein sollten, wie momentan gerne behauptet wird, betrifft das lediglich die Vorstellungen der Natur und Gesellschaft als gebundene, distinkte Bereiche der Realität.35

Substanzdualismus führt dazu, dass die Umweltzerstörung, die der Gesellschaft entspringt und auf sie zurückfällt, unerklärlich wird. Dasselbe gilt für den Doppelmonismus. Die Überwindung des kartesianischen Vermächtnisses erfordert einen Verzicht auf dessen Philosophie, keineswegs aber eine Befürwortung des ontologischen oder methodologischen Hybridismus, bei dem die dynamische Durchdringung des Gesellschaftlichen und des Natürlichen erneut unsichtbar und infolgedessen unveränderlich wird. Erreichen lässt sich das durch die Entwicklung eines Eigenschaftsdualismus, der anerkennt, dass alles mit allem anderen in Verbindung steht (das Alpha der ökologischen Wissenschaft) und sich manche Teile innerhalb dieses Netzes störend verhalten (das Omega).

Dementsprechend sind Produktionsverhältnisse materiell und sozial, nicht aber natürlich. Der Kohlenstoffzyklus ist materiell und natürlich, nicht aber sozial. Aufgrund so mancher Ereignisse im Laufe der Zeit verlagerten sich die Ersteren, um sich in Letzterem niederzulassen (gleich einer Kettensäge im Wald) – der in der Lithografie von Labuan festgehaltene historische Moment. Erst wenn wir die britischen Imperialisten als Handlungsträger einer sehr, sehr speziellen Mission betrachten, die sich ihren Pfad durch eine Natur bahnten, deren Gepflogenheiten ihnen unbekannt waren, lassen sich die Ursachen und die Tragweite ihrer Handlungen verstehen. Die Natur stachelte sie nicht dazu auf, nach Kohle zu suchen; die Gesellschaft konstituierte keineswegs die Atmosphäre. Die Konsequenzen haben sich an der Schnittstelle der beiden materialisiert.

EINIGE PROBLEME INNERHALB DES EIGENSCHAFTSDUALISMUS

Es liegt etwas Unvorteilhaftes in der Tatsache, dass Descartes und die Philosophie des Geistes die Konditionen für diese Debatte festgelegt haben. Die bloße, dem Geist analoge Positionierung der Gesellschaft weist auf einen idealistischen Ballast hin. Zudem verbraucht ein Gedanke keine Synapsen oder neuronalen Netzwerke, um bestehen zu bleiben. Man hat wohl noch nie von einer Person gehört, die ihren Verstand so weitreichend und exzessiv benutzt hätte, dass eine Hälfte des Gehirns schlicht aufgebraucht worden wäre – wie es etwa menschlichen Gemeinschaften durchaus möglich ist, einen Ackerboden durch übermäßige Landwirtschaft auszuzehren. Gedanken sind keine metabolisierenden Kreaturen; ihr Verhältnis zum Gehirn ist nicht aufsaugend, umwandelnd, potenziell erschöpfend wie das zwischen dem Menschen und dem Rest der Natur. Folglich besteht das Risiko darin, entlang der Parallele in die Irre zu gehen, was aufgrund gewisser Probleme innerhalb des Eigenschaftsdualismus als einer Philosophie des Geistes noch verstärkt wird, auf die ihre Kritiker:innen mit besonderer Härte einprügeln. Selbstverständlich ist es nicht leicht, sich auszumalen, wie eine mentale Substanz und eine physische Substanz miteinander interagieren können. Warum sollte es also einfacher sein, sich vorzustellen, wie das mentalen und physischen Eigenschaften gelingt? Wenn etwas einen nicht-physischen Charakter besitzt – ein Gedanke beispielsweise –, wie könnte es auf etwas so entschieden Physisches wie die Bewegungen eines Körpers Einfluss ausüben? Der Eigenschaftsdualismus, behaupten dessen Kritiker:innen, halte sich selbst zugute, Descartes’ kausales Interaktionsproblem abgestoßen zu haben, nur um es anschließend durch die Hintertür wieder hereinzubitten. Indem man dem Verhalten physischer Objekte – insbesondere menschlicher Körper – irgendeine Art von mentaler Kausalität unterstelle, formuliere man das unlösbare Rätsel lediglich auf einer anderen Ebene neu.36

Entgegen dieser kränkenden Anklage haben die Eigenschaftsdualist:innen verschiedene Verteidigungsstrategien entwickelt. Manche wenden ein, dass in dieser speziellen Kausalitätsform physische und mentale Eigenschaften miteinander verknüpft seien, die beiden Positionen einander folglich nicht ausschlössen, sondern eher ineinandergriffen und gemeinschaftlich wirkten. Manch andere schlagen wiederum vor, dass bestimmte physische Ereignisse durch Bewusstseinszustände »ermöglicht« würden, wohingegen wiederum andere die Existenz »psychophysischer Gesetze« postulieren, hinter deren innere Mechanismen wir erst noch kommen müssten, auf deren Spuren wir jedoch unentwegt stießen.37 Auch wenn das Rätsel bis heute keine zufriedenstellende und allgemein akzeptierte Lösung gefunden hat, besteht ein äußerst zwingender Grund zu der Annahme, dass es irgendeine Art von Lösung geben muss: namentlich das Phänomen der menschlichen Handlung, Gegenstand des nächsten Kapitels. Wenn ich meinen Arm zum Gruß heben will, tue ich das. Wenn ich einem elektrischen Schlag oder einem epileptischen Anfall ausgesetzt bin, schwingt mein Arm möglicherweise mit der gleichen Bewegung nach oben, doch nur der erstgenannte Vorgang wird als Handlung gewertet. Die unschwer feststellbare Tatsache, dass sich in dieser Welt Handlungen vollziehen, verweist nachdrücklich darauf, dass mentale Eigenschaften eine kausale Wirkung auf Körper haben können, selbst wenn wir noch nicht genau wissen, wie sie das anstellen. Der Preis, den man zu zahlen hätte, um eine der beiden zuvor genannten Alternativen zu akzeptieren – Substanzdualismus, der die gegenseitige Beeinflussung ganz eindeutig ausschließt, oder Physikalismus, der alles Mentale beseitigt –, scheint untragbar, was uns mit dem Eigenschaftsdualismus als Leitstern mit den größten Aussichten auf weitere Untersuchungen zurücklässt.38

An dieser Stelle sollten wir jedoch innehalten und uns nicht weiter in das Labyrinth der Philosophie des Geistes vorwagen. Stattdessen wollen wir den Eigenschaftsdualismus als eine spezifische Haltung gegenüber der Natur und Gesellschaft reformulieren. Der einfachste Weg dabei, die Kategorie der Substanz für unsere Zwecke zu begreifen, besteht darin, sich eine Antwort vorzustellen auf die Frage: »Um was für ein Ding handelt es sich?« Demgegenüber ist eine Eigenschaft das, was durch eine Antwort auf die Frage »Wie ist dieses Ding beschaffen?« beschrieben werden kann. Entsprechend können wir sagen, dass eine Flagge ein physisches Ding ist, bestehend aus Atomen und anderen Teilchen, und der Stein ebenso. Aber die Flagge ist rot und flattert im Wind, wohingegen der Stein grau ist und rasch wieder zu Boden fällt, sobald er einmal geworfen wurde. Die beiden Gegenstände bestehen aus der gleichen Substanz, besitzen jedoch verschiedene Eigenschaften in Bezug auf Farbe, Form, Masse und Gewicht, und das stellt uns vor keinerlei Rätsel.

Bis hierhin lassen sich vier Grundsätze unseres Eigenschaftsdualismus spezifizieren, erstens: Natürliche und soziale Eigenschaften sind verschiedene Arten von Eigenschaften. Zweitens: Natürliche und soziale Eigenschaften heften sich an materielle Entitäten ein und derselben Substanz. Drittens: Eine Entität kann sowohl natürliche als auch soziale Eigenschaften besitzen, sodass es sich bei ihr um eine Kombination der beiden handelt. Und viertens: Soziale Eigenschaften hängen letztlich von natürlichen Eigenschaften ab, nicht aber umgekehrt.

Diese Unterscheidung beruht auf der Realität, ist also keine bloße Laune der Klassifizierung. Das lässt sich, in Übereinstimmung mit dem obigen Test, durch eine Frage belegen, die zwangsläufig ätiologisch zu sein hat: Ist diese Eigenschaft das Resultat der Beziehungen zwischen den Menschen oder dasjenige von Strukturen und Prozessen, die unabhängig von menschlichem Handeln geschehen? Darüber hinaus lässt sich jetzt ohne Weiteres feststellen, dass die kausale Interaktion kein dem der Philosophie des Geistes entsprechendes Problem darstellt, da soziale Eigenschaften genauso wenig immateriell oder mental sind wie natürliche.39 Der Verkehr zwischen den beiden erfordert keinen Übergang zwischen dem Nicht-Physischen und dem Physischen. Sollten Menschen über Geist verfügen, so muss das daran liegen, dass ihre komplexen körperlichen Verfassungen diesen hervorgerufen haben, was bedeutet, dass sie von Natur aus über Geist verfügen; folglich sind mentale Eigenschaften sowohl auf der natürlichen als auch auf der sozialen Seite der Medaille eingeprägt. Dementsprechend stellt auch die soziale Verhaltenskausalität von physischen Objekten kein ontologisches Rätsel dar.

An diesem Punkt müssen wir jedoch noch einer anderen Definition der Natur Beachtung schenken: nämlich Natur als all das, was ist. Manche würden behaupten, die Natur sei der Kosmos als Ganzes, die grenzenlose Totalität, in der alles existiere, das Universum des Physischen (und vielleicht auch des Göttlichen). Dieser Ansicht nach ist die Gentrifizierung einer Nachbarschaft genauso natürlich wie die Rotation eines Planeten, schließlich findet beides innerhalb von all dem statt, was ist. »Natur« aber in diesem eher trivialen Sinn zu gebrauchen, würde außer Acht lassen, was in der hier behandelten Debatte auf dem Spiel steht; niemand bis auf die eingefleischtesten Transzendentalist:innen würde es wagen, den Kosmos in Zweifel zu ziehen, und niemand stellt das Kosmische dem Gesellschaftlichen gegenüber. Denn laut der realistischen Definition ist es die Natur, die beide Positionen einnimmt. Keineswegs aber deutet diese Definition an, dass das Gesellschaftliche neben, parallel oder schwankend über dem Natürlichen steht: ganz im Gegenteil. Eben weil es aus materieller Substanz besteht und eben weil die materielle Welt im Grunde natürlich ist – bis die Gesellschaft aus ihrer Mitte emporgeschossen kam, war die Natur auf sich allein gestellt –, muss alles Soziale etwas Natürliches als sein Substrat haben. Materiell zu sein bedeutet, mit der Natur zusammenzuhängen. Insofern Produktionsverhältnisse materiell sind, sind sie definitionsgemäß auf dem Natürlichen begründet und dadurch bewahrt. Es ist das Materielle, das Natur und Gesellschaft innerhalb dieses Dreiecksverhältnisses verbindet, jedoch keineswegs als eine symmetrische oder neutrale Basislinie, schließlich muss sich Materie den Naturgesetzen grundlegend unterwerfen.40 Weder innerhalb der realistischen noch innerhalb der kosmischen Definition gibt es ein Außerhalb der Natur. Wenn das paradox klingt, liegt das daran, dass es paradox ist, wie Soper eloquent zum Ausdruck gebracht hat:

Natur ist das, was die Menschheit in sich selbst vorfindet und zu dem sie in gewissem Sinne gehört, aber auch das, von dem sie ausgeschlossen zu sein scheint, sobald sie entweder über ihre Andersartigkeit oder ihre Zugehörigkeit reflektiert.41

Wir werden versuchen, diese prekäre Position ausführlicher zu bestimmen und insbesondere auf den Begriff des »Substrats« zurückkommen. Vorerst dürfte all das aber ein wenig verständlicher werden, wenn wir uns dem Konzept der Emergenz zuwenden.

Das klassische Beispiel für Emergenz ist Wasser. Obwohl ein Bestandteil davon (Wasserstoff) für sich allein genommen leicht entzündlich ist und der andere (Sauerstoff) dafür sorgt, dass Dinge schneller brennen, ist diese Flüssigkeit in der Lage, Flammen zu löschen. Bei null Grad gefriert dieses H2O, wohingegen H und O bei solchen Temperaturen bereits Gase wären. Indem die Atome auf der Ebene des Moleküls in einer bestimmten Anordnung fixiert werden, tritt auf dieser Ebene etwas Neuartiges auf, und das Gleiche gilt für etliche andere Moleküle, wie etwa CO2, das die Fähigkeit besitzt, in einer Weise hin und her zu schwingen, sodass Infrarotlicht blockiert und dorthin zurückgestrahlt wird, wo es hergekommen ist, vornehmlich auf die Erde, und so die Hitze im Inneren des Systems einschließt. Für sich genommen wäre ein C- oder O-Atom außerstande, desgleichen zu leisten. Zu weiteren bekannten Beispielen zählen Bienenstöcke und Ameisenhügel: Die individuelle Biene oder Ameise verfügt über ein begrenztes Repertoire und verhält sich, auf sich allein gestellt, oftmals unberechenbar, während sich das kollektive System durch eine erstaunlich komplexe Arbeitsteilung auszeichnet, die jedem Mitglied eine Aufgabe zuweist.42 Formeller ausgedrückt, handelt es sich bei einer emergenten Eigenschaft also um eine Eigenschaft des Systems, die sich aus der Organisation von dessen Teilen ergibt. Laut den jüngsten Fortschritten innerhalb des Studiums der Emergenz – die von Dave Elder-Vass in der Soziologie entwickelte »relationale« Theorie, Carl Gilletts »mutuale« in der Wissenschaftstheorie – liegt der Ursprung der Neuartigkeit gerade in den komplexen Zusammenhängen zwischen den Komponenten einer Entität, seien es Atome innerhalb eines Moleküls, Neuronen im Gehirn oder einzelne Menschen innerhalb der Gesellschaft.43 Die spezifische Art und Weise, in der das Kollektiv zusammengesetzt ist, prägt die Rolle, die von den Komponenten ausgefüllt wird. Es ist mehr als ein bloßes Klischee, zu sagen, dass »sich Teile in Ganzheiten unterschiedlich verhalten« oder dass »Ganzheiten mehr als die Summe ihrer Teile sind«.44

Abermals findet sich, entgegen dem Vorurteil, kein Fünkchen Magie in solch einer Emergenz, keine wohlriechende Substanz oder eine aus dem Hut springende Vitalkraft.45 Es handelt sich allein um die trockene Angelegenheit der Konfigurierung von Teilen zur Erzeugung neuartiger Eigenschaften, wie etwa des Treibhauseffekts im Falle von Kohlenstoff und Wasserstoff. Mit dieser Eigenschaft ausgestattet, kann das Ganze – das CO2-Molekül – für sich genommen schließlich eine kausale Wirkung auf den Rest der materiellen Welt erzielen. Die Eigenschaft selbst ist eine genuine Neuheit, kein vorübergehendes Versagen der Wissenschaftler:innen, sie innerhalb ihrer Einzelteile aufzuspüren; zwar lässt sich die Neuheit durch das Zusammenspiel der Bestandteile erklären, doch existiert sie nicht in ihnen. Allein in der Gesamtheit ist sie als solches vorhanden.46 Eine überzeugte Reduktionistin würde einwenden, dass, wenn wir nur fest genug an der Oberfläche kratzten, wir schlussendlich einsehen würden, dass es nichts außer den Teilen innerhalb eines Systems gebe. Und deren gesammelte Eigenschaften ließen sich in der Sprache der niederschwelligsten Physik beschreiben. Wenn überhaupt generierte also die kontinuierliche Anhäufung von Komponenten – so und so viele Exemplare des Partikel X, plus so und so viel von Z und Y – bestimmte Muster, die im Grunde dann jeweils wissenschaftlich zerlegt werden könnten.47 Ein solcher Reduktionismus hat in den Naturwissenschaften zwar mäßige empirische Erfolge gegenüber manch übertriebenen Visionen der Emergenz erzielt, doch gibt es ein Gebiet, in das es ihm unmöglich scheint, einzudringen: das der Gesellschaft. Die Eigenschaften der Gesellschaft können nicht aus der atomistischen Aggregation ihrer Mitglieder abgeleitet werden. Etwas wie kapitalistische Eigentumsverhältnisse entsteht schließlich nicht aus der gleichmäßigen Anhäufung eines Körpers auf den anderen.

Denken wir an Rex Tillerson. Als menschliches Individuum stellt er das niedrigste Teilchen, wenn man das so sagen kann, in seiner Gesellschaft dar. Gleichzeitig handelt es sich bei ihm um einen eminent natürlichen Körper. Nackt und allein verfügt er über keinerlei Macht, aber als der Paterfamilias seiner reproduktiven Einheit genießt er mit vier Kindern gewisse Privilegien; als CEO von ExxonMobil trug er zu deren begründender Macht von beachtenswerter Reichweite bei; und als Außenminister des Trump-Regimes war er mit gewissen Befugnissen ausgestattet und es wurde von ihm erwartet, sich der einen oder anderen Etikette entsprechend zu verhalten. Innerhalb der Familie, des Unternehmens und des Staatswesens übertragen die charakteristischen Prinzipien der wechselseitigen Beziehungen ein festgelegtes Repertoire von wahrhaft wirkmächtigem Verhalten auf den Körper (sowie den Geist) von Rex Tillerson. Im Gegenzug beeinflusst er selbst diese Wechselbeziehungen – hierin liegt die Essenz von Gilletts »mutualer« Theorie, laut der die Komponenten und die Zusammensetzung einander wechselseitig bedingen, wie auch jene von Marx’ Diktum, Geschichte werde unter unmittelbar gegebenen Umständen gemacht –, aber für sich genommen ist Tillersons Körper ohnmächtig. Die Macht ist keine ihm innewohnende Funktion, die sich wahllos, ordnungsgemäß oder kumulativ auf andere Personen übertragen ließe. Ohne Verweis auf den komplizierten Aufbau der Beziehungen ist diese Macht nicht nachvollziehbar, denn wäre Rex Tillersons Körper in ein anderes Setting verfrachtet – in ein Flüchtlingslager etwa oder an ein Fließband –, würde er seine gegenwärtige Befehlsgewalt über die körperlichen Regungen anderer unmittelbar einbüßen. Der Versuch, zu erklären, was in diesen Arenen vor sich geht, indem man bis zur niedrigsten Stufe vordringt – Tillersons physischer Körper, dessen Metabolismus und sein Zusammenstoß mit desgleichen anderen –, wäre ein Kategorienfehler.

Die Gesellschaft besitzt laut der Grundrisse-Definition in der allerletzten Instanz natürliche Komponenten. Diese sind aber in Verhältnisse gegliedert, aus denen eine Gesellschaft hervorgeht, zu einem System mit neuartigen Eigenschaften, die in der Natur nirgendwo zu entdecken sind – das betrifft auch Bewegungsgesetze, über die kein menschlicher Körper, nicht einmal die räumlichen Verhältnisse zwischen zweien oder dreien davon, an und für sich verfügen. Um welche handelt es sich genau? Als Gefüge von Beziehungen strotzt die Gesellschaft bloß so vor emergenten Eigenschaften. Es wäre unsinnig, zu versuchen, sie hier aufzulisten. Im Folgenden sollen deshalb bloß einige wenige erwähnt werden. Sie können dabei alle möglichen kausalen Auswirkungen auf den Rest der Welt haben, insbesondere auf die Natur.48 Wie jede mit emergenten Eigenschaften ausgestattete Ebene kann auch die Gesellschaft eine abwärts gerichtete Kausalität auf ihre einzelnen Bestandteile und elementaren Grundlagen ausüben. Sie ist aus der Natur hervorgegangen – genauer gesagt aus den biologischen Körpern der Angehörigen unserer Spezies – und muss, ähnlich wie Wasser, das ausschließlich auf einem Planeten mit Sauerstoff existieren kann, innerhalb dieser Bettstatt verbleiben. Gleichzeitig aber besitzt die Gesellschaft die einzigartige Fähigkeit, Aspekte der Natur in solchem Maße zu affizieren, dass eine Krise ausgelöst werden kann.

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