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1.2.2 Prinzipien der deutschen Orthographie
Die Systematik der deutschen Orthographie lässt sich mithilfe von drei dominanten Prinzipien, dem phonologischen (phonographischen), dem silbischen und dem morphematischen Prinzip weitgehend erklären. Die Komplexität der deutschen Orthographie resultiert weniger aus einer großen Anzahl an Ausnahmen, sondern aus der gegenseitigen Überlagerung dieser Prinzipien.
Das phonologische (phonographische) Prinzip
Das grundlegende Prinzip aller alphabetischen Orthographien besagt, dass in der Schriftsprache die phonologische Struktur der Lautsprache abgebildet wird, dass ein Phonem durch einen Buchstaben bzw. eine Buchstabenverbindung symbolisiert (Phonem-Graphem-Korrespondenz) und ein bestimmter Buchstabe durch das damit assoziierte Phonem lautsprachlich realisiert wird (Graphem-Phonem-Korrespondenz).
Symbolisierung von Phonemen
Dabei liegt die Betonung auf dem Begriff des Phonems. In alphabetischen Schriften werden Phoneme symbolisiert, die unterschiedlichen lautsprachlichen Varianten eines Phonems (Allophone) werden nicht abgebildet (Öhlschläger 2011). Unabhängig davon, ob das Phonem / r / apikoalveolar als Zungenspitzen-[r], uvular gerollt [ʀ] (durch Vibration des „Zäpfchens“) oder als uvularer Frikativ [ʁ] (durch eine Enge im Rachenraum) realisiert wird, werden diese Aussprachevarianten des Phonems / r / stets durch dasselbe Graphem <r> wiedergegeben. Dasselbe gilt für die palatalen (am harten Gaumen gebildeten = [ç]) und velaren (am Gaumensegel gebildeten = [x]) Varianten des Phonems / χ / , die stets als <ch> verschriftet werden.
In den meisten Fällen symbolisiert ein Buchstabe ein Phonem (z. B. <t> = / t / ). Zum Teil korrespondiert ein Buchstabe aber auch mit einer Lautkombination (z. B. <z> = [ts], <x> = [ks]) bzw. ein Phonem mit einer Buchstabenverbindung (z. B. / ʃ / = <sch>, / χ / = <ch>). In Tab. 1 werden die wesentlichen Graphem-Phonem-Korrespondenzen abgebildet, ohne dass an dieser Stelle auf Abweichungen von den üblichen Korrespondenzen eingegangen wird.
Dominanz des phonologischen Prinzips
Auch wenn im Zusammenhang mit der Rechtschreibung üblicherweise die zahlreichen Abweichungen vom phonologischen Prinzip betont werden, darf nicht übersehen werden, dass es sich dabei um das vorherrschende Prinzip des Deutschen handelt. Die Schreibweise mindestens der Hälfte aller Wörter des Deutschen dürfte sich allein durch das phonologische Prinzip erklären lassen. Reuter-Liehr (2008) bspw. geht davon aus, dass die deutsche Schriftsprache zumindest bei bewusst gesteuerter Artikulation, also bei übertrieben deutlicher Aussprache (bei Einsatz der sogenannten Pilotsprache) zu ca. 60 % als lautgetreu bzw. mitsprechbar definiert werden kann, sodass es durchaus sinnvoll erscheint, Kindern in den Eingangsklassen an Grund- und Förderschulen zunächst dieses Prinzip zu vermitteln und ihnen zu ermöglichen, es anzuwenden und zu automatisieren. Bei den meisten Wörtern, die vom phonologischen Prinzip abweichen, lassen sich selten mehr als ein bis zwei Unregelmäßigkeiten identifizieren, wobei die Schätzungen aufgrund des nicht eindeutig bestimmbaren Kriteriums der Lauttreue auseinandergehen.
Dass das phonologische Prinzip im Deutschen aber nicht das allein bestimmende sein kann, dass es sich bei den Beziehungen zwischen Graphemen und Phonemen nicht um eine Eins-zu-Eins-Korrespondenz handelt, wird allein daraus deutlich, dass die deutsche Lautsprache aus etwa 40 Phonemen, das Schriftsystem jedoch nur aus 31 Graphemen besteht.
Ein besonderes Charakteristikum des Deutschen besteht darin, dass die phonemischen Kontraste der Merkmale „gespannt“ vs. „ungespannt“ bei Vokalen (z. B. <Wal> = [vɑ:l] vs. Wall = [val]) auf Graphemebene keine Berücksichtigung finden (Tab. 1). Die gespannten und ungespannten Varianten eines Vokals werden mit Ausnahme der beiden Phoneme / i / und / ɪ / , die (meist) als <ie> bzw. <i> verschriftet werden, schriftsprachlich durch dasselbe Graphem wiedergegeben.
Das bedeutet aber nicht, dass die deutsche Orthographie diese Phonemkontraste auf Vokalebene unberücksichtigt lässt. Sie werden jedoch nicht durch das phonologische Prinzip, sondern auf Silbenebene deutlich gemacht (silbisches Prinzip).
Abweichungen vom phonologischen Prinzip
Die meisten Abweichungen vom phonologischen Prinzip lassen sich durch graphotaktische Regeln, das silbische Prinzip bzw. das Prinzip der Morphemkonstanz erklären.
Tab. 1: Die wichtigsten Graphem-Phonem-Korrespondenzen des Deutschen (Eisenberg 2009)
Konsonanten | |||||
Phonem | Graphem | Beispielwort | Phonem | Graphem | Beispielwort |
/ p / | <p> | [pʊpǝ] – <Puppe> | / ʃ / | <sch> | [ʃulǝ] – <Schule> |
/ b / | <b> | [bal] – <Ball> | / χ / | <ch> | [dax] – <Dach> |
/ t / | <t> | [tɪʃ] – <Tisch> | / j / | <j> | [ja] – <ja> |
/ d / | <d> | [damǝ] -<Dame> | / h / | <h> | [hut] – <Hut> |
/ k / | <k> | [kʊs] – <Kuss> | / m / | <m> | [maʊs] – <Maus> |
/ g / | <g> | [gԑlt] – <Geld> | / n / | <n> | [nazǝ] – <Nase> |
/ f / | <f> | [fu:s] – <Fuß> | / ŋ / | <ng> | [Rɪŋ] – Ring |
/ v / | <w> | [vi:zǝ] – <Wiese> | / l / | <l> | [lʊft] – <Luft> |
/ s / | <s> oder <ß> | [ast] – <Ast> [fu:s] – <Fuß> | / r / | <r> | [rɪŋ] – Ring |
/ z / | <s> | [zɔnǝ] – <Sonne> | / kv / | <qu> | [kva:l] – <Qual> |
Vokale | |||||
gespannte Vokale | ungespannte Vokale | ||||
Phonem | Graphem | Beispielwort | Phonem | Graphem | Beispielwort |
/ ɑ / | <a> | [vɑ:l] – <Wal> | / a / | <a> | [val] – <Wall> |
/ e / | <e> | [ve:zǝn] – <Wesen> | / ԑ / | <e> | [vǝsǝn] – <wessen> |
/ i / | <i> oder <ie> | [ju:li] – <Juli> [ʃi:f] – <schief> | / ɪ / | <i> | [ʃɪf] – <Schiff> |
/ o / | <o> | [o:fǝn] – <Ofen> | / ɔ / | <o> | [ɔfǝn] – <offen> |
/ u / | <u> | [ru:m] – <Ruhm> | / ʊ / | <u> | [rʊm] – <Rum> |
/ æ / | <ä> | [jætǝn] – <jäten> | / ǝ / | <e> | [o:fǝn] – <Ofen> |
/ y / | <ü> | [fy:lɐ] – <Fühler> | / ʏ / | <ü> | [fʏlɐ] – <Füller> |
/ ø / | <ö> | [hølǝ] – <Höhle> | / œ / | <ö> | [hœlǝ] – <Hölle> |
Schwa | |||||
[ǝ] | <e> | [zɔnǝ] – <Sonne> |
Ein Beispiel dafür ist die bereits erwähnte Regel, dass der Laut [ʃ] im Onset einer Silbe vor [p] und [t] nicht durch <sch>, sondern durch <s> verschriftet wird (<Stein>).
Die vom phonologischen Prinzip abweichende Verschriftung der Phoneme / p / , / t / und / k / durch die Grapheme <b>, <d> und <g> (z. B. Korb, Hund, Burg) lässt sich wiederum durch das Prinzip der Morphemkonstanz erklären. Dieses Phänomen tritt wort- und silbenfinal immer dann auf, wenn in der Explizitform der Wörter, also der zweisilbigen trochäischen Struktur des Wortes, die durch Ableitung oder Verlängerung resultiert, ein stimmhafter Plosiv artikuliert wird (z. B. <Körbe>, <Hunde>, <Berge>).
Die unterschiedliche lautsprachliche Realisierung der Vokalqualitäten (lang, gespannt vs. kurz, ungespannt) kann wiederum primär durch das silbische Prinzip erklärt werden.
Das silbische Prinzip
Um dieses Prinzip und die damit verbundenen graphematischen Regeln nachvollziehen zu können, ist es zunächst notwendig, einen Blick auf die typische Struktur deutscher Wörter zu werfen.
trochäische Struktur
Die Struktur der meisten deutschen Wörter in ihrer Explizitform ist ein zweisilbiger Trochäus, d. h. es handelt sich um Wörter mit einer betonten ersten Silbe (Hauptsilbe) und einer zweiten unbetonten Reduktionssilbe (Bredel 2009; Moths 2011; Thelen 2002). Bei Abweichungen von dieser Struktur handelt es sich meist um einsilbige Funktionswörter und um Lehnwörter aus anderen Sprachen (z. B. Salat, Balkon, Regal).
Explizitform
Unter der Explizitform eines Worts versteht man die zweisilbige flektierte Form (Plural, Genitiv, Komparativ), wenn das Wort in seiner Grundform einsilbig ist. Die Explizitform des Wortes „Hund“ ist bspw. der Plural „Hunde“ oder der Genitiv „des Hundes“ (Eisenberg 2006). Die phonologische Explizitform eines Wortes ist linguistisch betrachtet die Grundlage der Graphematik.
Aufbau der Silbe
Betrachtet man nun den Aufbau der Silbe, so lässt sich diese in drei Elemente segmentieren, wobei nicht alle Elemente obligatorisch besetzt sein müssen. Jede Silbe verfügt über einen Silbenkern (= Nukleus N), das vokalische Element der Silbe. Die fakultativen konsonantischen Bestandteile links vom Nukleus werden als linker konsonantischer Anfangsrand (= Onset O), die Konsonanten rechts vom Nukleus als rechter Endrand (= Coda C) bezeichnet. Nukleus und Coda gemeinsam bilden den sogenannten Silbenreim (Abb. 13, s. S. 83).
Silbenstrukturen
Auf der Grundlage dieser Ausführungen lässt sich die Standardstruktur der Explizitformen zahlreicher deutscher Wörter formal folgendermaßen darstellen (Tab. 2).
Die Beispielwörter in Tab. 2 machen bereits einige typische Merkmale des Aufbaus deutscher Wörter ersichtlich.
Aufgrund der trochäischen Struktur liegt die Hauptbetonung des Wortes auf dem Nukleus der ersten Silbe.
In der ersten betonten Silbe muss lediglich der Nukleus besetzt sein, Onset und Coda sind fakultativ (Bsp.: A-bend, I-gel, E-sel, O-fen), während der Onset der Reduktionssilbe fast immer besetzt ist (gegebenenfalls durch ein silbentrennendes <h>, s. u.).
Ist der Onset der betonten Hauptsilbe besetzt, kann er durch einen (= einfacher Anfangsrand) oder mehrere Konsonanten (= komplexer Anfangsrand) besetzt sein. Mit Ausnahme der Kombination von / ʃ / mit / t / oder / p / , die schriftsprachlich als <st> und <sp> wiedergegeben wird, werden die Onsets ausschließlich auf der Grundlage des phonologischen Prinzips verschriftet (<schleichen>, <Treppe>, <Flasche>, <Klasse>).
Der vokalische Kern der zweiten Silbe (Reduktionssilbe) ist orthographisch immer durch ein <e> besetzt. Wie dieses Graphem lautsprachlich umgesetzt wird, hängt von der Besetzung der Coda ab: Befindet sich im rechten Endrand ein <n> oder <l>, wird das <e> nur als sehr schwach oder gar nicht wahrnehmbares [ǝ] artikuliert (z. B. <Besen> → [bez(ǝ)n]). Ist der Endrand der zweiten Silbe unbesetzt, wird das <e> als Schwa-Laut [ǝ] (z. B. <Rose> → [rozǝ]) realisiert, während es als „vokalisiertes r“ ([ɐ] ausgesprochen wird, wenn im rechten Silbenrand der zweiten Silbe ein <r> steht, (z. B. <Wunder> → [vʊndɐ]) (Bredel 2009).
Tab. 2: Die trochäische Struktur deutscher Wörter
Trochäus | |||||
σ Silbe 1 (betonte Hauptsilbe) | σ Silbe 2 (unbetonte Reduktionssilbe) | ||||
Silbenreim | Silbenreim | ||||
Onset | Nukleus | Coda | Onset | Nukleus | Coda |
E | s | e | l | ||
A | b | e | nd | ||
O | f | e | n | ||
I | g | e | l | ||
R | e | g | e | n | |
R | o | s | e | ||
B | e | s | e | n | |
E | n | t | e | ||
I | n | s | e | l | |
L | e | n | d | e | |
s | e | l | t | e | n |
H | u | n | d | e | |
h | u | n | d | e | rt |
W | u | n | d | e | r |
Auf Silbenebene lassen sich nun einige orthographische Besonderheiten und Zusammenhänge zwischen der Orthographie und der Phonologie veranschaulichen. Es lässt sich v. a. deutlich machen, wie die unterschiedlichen Vokalqualitäten der betonten Hauptsilbe (lang / gespannt vs. kurz / ungespannt) auf Silbenebene berücksichtigt werden, die auf der Ebene des Einzelbuchstaben (mit Ausnahme des <ie>) nicht unterschieden werden.
offene und geschlossene Silben
Handelt es sich bei der ersten betonten Silbe um eine offene Silbe, also um eine Silbe ohne konsonantischen Endrand (Tab. 3), wird der Vokal lang und gespannt realisiert (z. B. Ro – se, Lu – pe, Re – gen). Ist die erste Silbe dagegen geschlossen, ist der Endrand also durch einen oder mehrere Konsonanten besetzt (Tab. 4), so ist der Vokal kurz und ungespannt zu lesen (z. B. Hun – de, In – sel, kos – ten) (vgl. Eisenberg 2009). Eine anderweitige orthographische Markierung der Länge bzw. der Kürze des Vokals ist hier üblicherweise nicht vorgesehen.
Konsonantenverdoppelung
Befindet sich zwischen den Nuklei der ersten und der zweiten Silbe nur ein Konsonant (z. B. <Wesen>), wird dieser als ambisilbischer Konsonant (= Silbengelenk) bezeichnet, der aufgrund des Prinzips der Onsetmaximierung der zweiten Silbe zugeordnet (We-sen) wird. Da es sich bei der ersten Silbe dann um eine offene Silbe handelt, wird der Vokal der ersten Silbe lang gesprochen. Soll der Vokal des Wortes aber kurz und ungespannt realisiert werden, muss die Coda der ersten Silbe besetzt sein (s. o.), weshalb der ambisilbische Konsonant verdoppelt wird. Da es sich bei der ersten Silbe dann wieder um eine geschlossene Silbe handelt, wird der Vokal der ersten Silbe kurz und ungespannt realisiert (z. B. <wessen>; Tab. 5).
Schärfung und Dehnung
Die Kennzeichnung des kurzen und ungespannten Vokals durch die Verdoppelung des ambisilbischen Konsonanten („Schärfung“) geschieht im Deutschen sehr regelhaft. Zentrale Ausnahmen sind, dass Bi- und Trigraphe (<ch>, <ng>, <sch>) sowie <x> nicht verdoppelt werden (z. B. <wischen>, <Rechen>) und statt der Verdoppelung des <k> und des <z> <ck> bzw. <tz> geschrieben wird.
Tab. 3: zweisilbige Wörter mit offener betonter erster Silbe
Trochäus | |||||
σ Silbe 1 (betonte Hauptsilbe) | σ Silbe 2 (unbetonte Reduktionssilbe) | ||||
Onset | Nukleus | Coda | Onset | Nukleus | Coda |
R | o | s | e | ||
W | a | g | e | n | |
R | a | s | e | n | |
W | e | s | e | n |
Tab. 4: zweisilbige Wörter mit geschlossener betonter erster Silbe
Trochäus | |||||
σ Silbe 1 (betonte Hauptsilbe) | σ Silbe 2 (unbetonte Reduktionssilbe) | ||||
Onset | Nukleus | Coda | Onset | Nukleus | Coda |
H | u | n | d | e | |
k | o | s | t | e | n |
I | n | s | e | l |
Tab. 5: Beispiele für die Konsonantenverdoppelung nach kurzen ungespannten Vokalen in der ersten Silbe
Trochäus | |||||
σ Silbe 1 (betonte Hauptsilbe) | σ Silbe 2 (unbetonte Reduktionssilbe) | ||||
Onset | Nukleus | Coda | Onset | Nukleus | Coda |
L | ö | f | f | e | l |
r | e | n | n | e | n |
S | u | p | p | e | |
w | e | s | s | e | n |
Weniger regelmäßig ist die Dehnungsmarkierung durch die Verdoppelung des Vokals der ersten Silbe (<Seele>) oder das Einfügen eines Dehnungs-<h> vor Sonoranten wie <l>, <m>, <n> oder <r> (<Rahmen>, <Löhne>, <fahren>). Das Dehnungs-h lässt sich insgesamt als wenig regelhaft charakterisieren, da es nicht vor Plosiven und selten in Wörtern mit komplexen Onsets der ersten Silbe eingefügt wird. Da diese Dehnungsmarkierung aber nur im Fall einer Nichtbesetzung der Coda der ersten Silbe eingefügt wird und dies eigentlich ausreichend ist, um den Vokal als lang und gespannt zu identifizieren (s. o.), handelt es sich dabei letztendlich um eine zweifache Markierung der Vokallänge, die als nicht zwingende visuelle Stütze beim Lesen betrachtet werden kann (Eisenberg 2006).
silbentrennendes h
Vom Dehnungs-h klar zu unterscheiden und wiederum sehr regelmäßig auftretend ist das „silbentrennende <h>“. Es wird immer dann eingefügt, wenn die Coda der ersten und der Onset der zweiten Silbe leer sind, also zwischen den beiden Nuklei kein konsonantisches Material vorhanden ist. Wie das Dehnungs-h ist auch das „silbentrennende <h>“ ein „stummes <h>“ (z. B. [zeːən]). Das silbentrennende <h> tritt nicht auf, wenn der erste Vokal als Mehrgraph (z. B. <kauen>) geschrieben wird. Nur bei <ei> steht es in manchen Fällen, wie z. B. bei <Weiher> (Thelen 2002).
Das Prinzip der Morphemkonstanz
Das Prinzip der Morphemkonstanz (morphematisches Prinzip) verlangt, dass die Schreibweise des Wortstamms als kleinste bedeutungstragende Einheit auch in der Schreibung von gebeugten und abgeleiteten Formen wieder erkannt werden soll. So werden die Adjektive <hell> und <kalt> zu <Helligkeit> und <Kälte>, nicht aber zu *<Hälligkeit> oder *<Kelte> nominalisiert, obgleich das phonologische Prinzip beide Schreibweisen zuließe, da die beiden Vokale der ersten Silbe durch denselben Laut [ɛ] realisiert werden.
Überlagerung der Prinzipien
Das silbische Prinzip und das Prinzip der Morphemkonstanz überlagern sich in der deutschen Orthographie, was die Rechtschreibung auf den ersten Blick unüberschaubar und regellos wirken lässt. Bspw. lässt sich die Verdoppelung des ambisilbischen Konsonanten in <kommen> als Zeichen für die ungespannte, kurze Realisierung des Vokals der ersten Silbe erklären. Die Schreibweise <drohen> spiegelt die Regel zum silbentrennenden <h> wider. Die Begründung für diese Abweichungen vom phonologischen Prinzip entfällt in den flektierten Formen dieser Wörter (z. B. <kommt> und <droht>), wird aber aufgrund des Prinzips der Morphemkonstanz beibehalten.
Das semantische Prinzip
Abschließend sei noch auf das semantische Prinzip verwiesen. Dieses Prinzip verfolgt das Ziel, dass homophone Wörter mit unterschiedlicher Bedeutung orthographisch auch unterschiedlich realisiert werden (z. B. Lied vs. Lid, Wahl vs. Wal).
Literaturempfehlungen zum deutschen Schriftsystem
Eisenberg, P. (2009): Phonem und Graphem. In: Dudenredaktion (Hrsg.): Duden Band 4. Die Grammatik. Unentbehrlich für richtiges Deutsch. Dudenverlag, Mannheim, 19–94
Bredel, U. (2009): Orthographie als System – Orthographieerwerb als Systemerwerb.
Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 39 (153), 135–154
Zusammenfassung
Das für das Schriftsystem des Deutschen grundlegende phonologische Prinzip wird vom silbischen und vom morphematischen Prinzip flankiert bzw. ergänzt. So wie viele andere Schriftsysteme ist also auch das Deutsche ein Mischsystem, das zwar auf dem phonographischen Prinzip basiert, in dem aber auch auf Silben und Wörter bzw. Morpheme Bezug genommen wird (Öhlschläger 2011).
Dass sich die unterrichtliche Förderung orthographischer Fähigkeiten dieses sprachwissenschaftliche Wissen zunutze machen kann, wird in Kapitel 8.6 deutlich werden. Zum anderen wurden in den 2000er und 2010er Jahren einige Konzeptionen für den schriftsprachlichen Anfangsunterricht entwickelt, die auf einer sprachwissenschaftlichen Analyse des orthographischen Systems aufbauen, aber in der schulischen Praxis noch kaum Eingang gefunden haben (Bredel 2009; Braun 2011; Moths 2011).
2 Der ungestörte Schriftspracherwerb
Lernziele
Modelle der Worterkennung und des Wortschreibens kennen (Kap. 2.1 und 2.2)
Zusammenhänge zwischen der Worterkennung, dem Sprachverständnis und dem Leseverständnis verstehen (Kap. 2.3)
die unterschiedlichen Phasen des Schriftspracherwerbs und die dabei vorrangig eingesetzten Strategien kennen und daraus Konsequenzen für einen entwicklungsorientierten Unterricht ableiten können (Kap. 2.4)
unterschiedliche Perspektiven
Schriftsprachliche Kompetenzen und deren Erwerb lassen sich aus zwei Perspektiven betrachten. Entwicklungsmodelle zum Lesen- und Schreibenlernen (Kap. 2.4) gliedern den Schriftspracherwerb in unterschiedliche Phasen und beschreiben dominante Strategien innerhalb dieser Abschnitte, während Prozessmodelle (Kap. 2.1 und 2.2), insbesondere Modelle zur Worterkennung, Hinweise auf die dabei ablaufenden grundlegenden kognitiven Prozesse und deren Einflussfaktoren liefern (Reber 2009).
2.1 Dual-Route Modelle
Um gedruckte Wörter lesen und verstehen zu können, müssen die visuellen Symbole der Schrift in Sprache umgewandelt werden. Das Dual-Route Modell (Zwei-Wege-Modell; Coltheart 1978, 2005) versucht für die rezeptive Modalität des Lesens zu erklären, welche kognitiven Prozesse bei diesem Umwandlungsprozess auf Wortebene eine Rolle spielen und welche Strategien dabei zum Einsatz kommen. Die tatsächlich ablaufenden Verarbeitungsprozesse bleiben dem Beobachter verborgen. Analysierbar sind aber das Lesen und Schreiben zu unterschiedlichen Entwicklungszeitpunkten sowie die Symptomatik entwicklungsbedingter und erworbener Schriftspracherwerbsstörungen, woraus mögliche Strategien abgeleitet werden können.
unterschiedliche Verarbeitungswege
Ausgangspunkt des Dual-Route Modells ist die Tatsache, dass es zum einen Wörter gibt, die auf der Grundlage der gelernten Graphem-Phonem-Korrespondenzregeln (GPK-R) erlesen und verstanden werden können, während die lautsprachliche Realisierung von Wörtern, deren Schreibweise von den typischen GPK-R abweichen, als wortspezifisches Wissen im orthographischen Lexikon abgespeichert werden muss. Zum anderen sollten Wörter, die im Langzeitgedächtnis repräsentiert sind, unabhängig davon ob es sich um regelmäßige Wörter oder Ausnahmewörter handelt, auf anderem Weg verarbeitet werden als Wörter, die dem Leser in der schriftsprachlichen Modalität unbekannt sind.
Konkret unterscheidet das Dual-Route Modell einen direkten Weg vom gedruckten Wort zur semantisch-konzeptionellen Ebene des mentalen Lexikons, also zur Wortbedeutung und einen indirekten Weg über die Anwendung der GPK-R zur Aussprache des Wortes, die dann wiederum einen Zugriff auf die Bedeutung ermöglicht, aber nicht zwingend notwendig macht.
Um die beiden Wege des Dual-Route Modells beschreiben zu können (Abb. 4), wird als Ausgangspunkt die Konfrontation eines Lesers mit einer Buchstabenfolge (Wort oder Pseudowort) angenommen, deren Aussprache und Bedeutung aktiviert werden sollen.
indirekter Leseweg
Der erste Verarbeitungsprozess besteht in der visuellen Analyse des orthographischen Inputs, also der Buchstabenfolge. Kommt der Leser dabei zu dem Ergebnis, dass es sich um eine unvertraute Buchstabenfolge handelt, dass also im orthographischen Lexikon kein entsprechender Eintrag repräsentiert ist, muss das Wort über die indirekte Strategie des phonologischen Rekodierens erlesen werden (linke Seite der Abb. 4).
Umwandlung einzelner Buchstaben in Laute
Dabei wird jeder einzelne Buchstabe des Wortes bewusst verarbeitet und auf der Grundlage der gelernten GPK-R in den entsprechenden Laut umgewandelt. Diese in Laute umkodierten Buchstaben müssen in der phonologischen Schleife des Arbeitsgedächtnisses (Kap. 5.2.3) zwischengespeichert werden, damit sie koartikulatorisch zu einem Wort synthetisiert werden können. Die Semantik des Wortes wird dabei zunächst nicht berücksichtigt, der Weg zur Aussprache des Wortes führt am semantischen System vorbei.
phonologische Rohform
Das Ergebnis dieses Umwandlungsprozesses stellt eine phonologische Rohform dar, die aufgrund der wechselseitigen koartikulatorischen Beeinflussung der Laute bei der natürlichen Aussprache eines Wortes und der Bedeutung des Silbenkontextes bei der lautlichen Realisierung von Vokalen mit der tatsächlichen Aussprache nicht identisch sein muss, ihr aber aufgrund der hohen Transparenz der deutschen Orthographie üblicherweise recht nahekommt. Dennoch bilden auch deutschsprachige Leseanfänger zunächst oft ein künstlich synthetisiertes Wort, indem sie die im Erstleseunterricht gelernten Lautwerte der einzelnen Buchstaben aneinanderreihen (z. B. [e:n:te.]). Erst über auditive Rückkopplungsprozesse und einen Vergleich mit den im mentalen Lexikon gespeicherten Einträgen (beim Satz- und Textlesen unter Ausnutzung von Kontextinformationen) können dann die tatsächliche Aussprache und die Bedeutung des Wortes aktiviert werden [ɛntǝ]. Voraussetzung dafür ist, dass das Wort zum Wortschatz des Kindes gehört und dass die generierte phonologische Rohform der echten Aussprache nicht zu unähnlich ist.
Abb. 4: Dual-Route Modell
wechselseitige Einflüsse
Dass sich die Worterkennung inklusive der korrekten Betonung und der Zugriff auf die Bedeutung sowie der syntaktische Kontext in manchen Fällen wechselseitig beeinflussen können, zeigen die folgenden Beispiele:
„Die Kissen sind modern, aber sie fangen an zu modern.“
„Ich bin alle Montage auf Montage.“
„Du wachst am Morgen auf und wachst die Skier.“
„Wir rasten zum Parkplatz um zu rasten“ Brügelmann (1992, 17).
„Die Ziegel des Dachs sind rot. Die Haare des Dachs sind rot“ (Costard 2011, 44).
Bei der indirekten Strategie handelt es sich um eine sichere, aber langsame, mühsame und unökonomische Vorgehensweise. Zum einen belastet sie die Kapazität des Arbeitsgedächtnisses, da die bereits verarbeiteten Grapheme für die anschließende Synthese in phonologischer Form im Arbeitsgedächtnis solange präsent gehalten werden müssen, bis die anderen Grapheme parallel verarbeitet wurden. Zum anderen wird ein großer Teil der kognitiven Ressourcen beansprucht, die dann nicht mehr für das Leseverständnis zur Verfügung stehen.
Verarbeitung größerer sublexikalischer Einheiten
Die Anwendung der indirekten Lesestrategie reduziert sich aber nicht auf die Anwendung der GPK-R. Auch das Erlesen von Wörtern durch die simultane Verarbeitung größerer sublexikalischer Einheiten als einzelne Buchstaben (Silben, häufig vorkommende Buchstabenfolgen) kann dieser Strategie zugeordnet werden. Es handelt sich dabei um einen wichtigen Lernschritt, der zwischen dem buchstabenweisen Erlesen und der direkten automatisierten Worterkennung angesiedelt ist, im klassischen Dual-Route Modell aber nicht explizit berücksichtigt wird.
Die indirekte Strategie des phonologischen Rekodierens ermöglicht es Lesern, die eine relativ transparente Orthographie erlernen, von schriftsprachlich unbekannten, regelmäßigen Wörtern und Pseudowörtern eine phonologische Rohform zu bilden und diese der Artikulation zuzuführen, ohne dass damit ein Verständnis des Gelesenen zwingend verbunden ist.
direkter Leseweg
Ausnahmewörter, also Wörter, die von den üblichen GPK-R abweichen, können nur mittels der direkten lexikalischen Lesestrategie verarbeitet werden. Dabei geht das Dual-Route Modell von einer direkten Assoziation zwischen der Orthographie und den im mentalen Lexikon repräsentierten Bedeutungen aus, also dass die Schreiweise unmittelbar die Bedeutung aktiviert. Aufgrund der assoziativen Verknüpfung zwischen der semantisch-konzeptionellen Ebene und der Wortformebene im mentalen Lexikon kann in der Folge auch auf die Phonologie zugegriffen werden.
Mittels der direkten Lesestrategie können aber auch regelmäßige Wörter erlesen werden. In der Folge des wiederholten phonologischen Rekodierens von Wörtern bilden sich im orthographischen Lexikon sukzessive Repräsentationen aus, sodass dieselbe Verarbeitung wie bei Ausnahmewörtern angenommen wird, nämlich die unmittelbare Aktivierung der Bedeutung.
Über diese Route ist eine schnelle und mühelose Aussprache sowohl bekannter regelmäßiger Wörter als auch von Ausnahmewörtern möglich. Dagegen können Pseudowörter, von denen keine mentalen Repräsentationen im Lexikon angenommen werden, nicht mittels der direkten Strategie erlesen werden.
Da bei der direkten Worterkennung einige wesentliche Charakteristika des Wortes ausreichend sind, um die vollständige Aussprache zu aktivieren, handelt es sich um eine Verarbeitungsstrategie, die das Lesen schneller, flüssiger und müheloser macht, das phonologische Arbeitsgedächtnis nur in geringem Maße beansprucht, sodass die vorhandenen kognitiven Ressourcen für die komplexen Prozesse des Leseverständnisses zur Verfügung stehen (LaBerge / Samuels 1974). Die indirekte Strategie durch die direkte Worterkennung zu ergänzen, stellt deshalb ein wesentliches Ziel des schriftsprachlichen Anfangsunterrichts dar.
Das Dual-Route Modell nimmt also an, dass bei der indirekten Lesestrategie das Schriftbild in eine phonologische Form umgewandelt wird, die genutzt werden kann, um auf die Bedeutung des Wortes zuzugreifen („prälexikalische phonologische Rekodierung“, Klicpera / Gasteiger-Klicpera 1995, 19). Für die direkte Lesestrategie werden dagegen direkte Assoziationen zwischen dem Wortbild und der Bedeutung angenommen. Erst deren Aktivierung ermöglicht in der Folge einen Zugriff auf die Phonologie („postlexikalische phonologische Rekodierung“, Klicpera / Gasteiger-Klicpera 1995, 18).
Kritik am Dual-Route Modell
Kritik am Dual-Route Modell wurde insbesondere hinsichtlich der angenommenen Unabhängigkeit der beiden Lesewege und der nur marginalen Bedeutung der Phonologie bei der Anwendung der direkten Lesestrategie formuliert.
Bspw. kommen Frederiksen / Kroll (1976, 373) aufgrund ihrer Forschungsarbeiten zu dem Ergebnis, „[…] that there is no evidence to support the idea that phonological translation must be performed prior to accessing the internal lexicon.”
Dagegen wurde von Coltheart (1978, 196) betont, dass Leser auch bei der Anwendung der direkten Lesestrategie den graphemischen Input in eine phonologische Form umkodieren:
„One thing is quite clear from the experiments […]. Subjects presented visually with a string of letters […] do derive a phonological recoding of the letter string, even when the task does not require this, and even when this can make the task more difficult.”
Die Annahme einer direkten Verknüpfung zwischen der Orthographie und der Wortbedeutung unter Umgehung der Phonologie resultiert aus den insbesondere im Englischen häufig vorkommenden unregelmäßigen Wörtern, bei denen das phonologische Rekodieren wenig zielführend ist und die deshalb ausschließlich als Ganzes erkannt werden können. Dagegen betonen Ehri (1997) und Seidenberg (2005), dass es auch in der englischen Orthographie kaum Wörter gibt, die vollständig von den üblichen GPK-R abweichen. Auch Ausnahmewörter hätten üblicherweise große Überschneidungen mit regelmäßigen Wörtern und nur einzelne Buchstaben eines Wortes weichen von den üblichen GPK ab, weshalb eine völlige Unabhängigkeit der Verarbeitung regelmäßiger Wörter und Ausnahmewörter wenig wahrscheinlich sei. Dass die Umwandlung einer Buchstabenfolge in einen phonologischen Code zwar beim Erlernen und der Anwendung der indirekten Lesestrategie eine zentrale, bei der Ausbildung der direkten Worterkennung aber keine Rolle mehr spiele, sei zudem deshalb nicht plausibel, weil die meisten Kinder, die Schwierigkeiten beim Erlernen des phonologischen Rekodierens haben, üblicherweise auch beim Erwerb des direkten Lesewegs beeinträchtigt sind.
visuell phonologische Assoziationen
Ehri (1992) zufolge sei es deshalb naheliegender, bei der sukzessiven Ausbildung der direkten Lesestrategie systematische Assoziationen zwischen visuellen und phonologischen Informationen und keine arbiträren Verbindungen zwischen dem Wortbild und der Bedeutung anzunehmen. Zum einen seien visuell-semantische Verknüpfungen aufgrund der fehlenden Systematik unökonomisch und eine enorme Belastung des Gedächtnisse. Zum anderen seien Wortbilder visuell auch nicht eindeutig genug voneinander zu diskriminieren, um die üblicherweise sehr hohe Lesegenauigkeit zu erklären. Der entscheidende Schritt zur automatisierten Worterkennung sei vielmehr den kontinuierlich verbesserten Fähigkeiten im Bereich des phonologischen Rekodierens geschuldet, die es dem Kind ermöglichen, sukzessive größer werdende schriftsprachliche Einheiten simultan zu verarbeiten und mit der entsprechenden Phonologie zu verknüpfen. Während zu Beginn des Leselernprozesses die Ausbildung von Assoziationen zwischen einzelnen Buchstaben und den entsprechenden Lauten im Mittelpunkt stehe, würden im Laufe der Entwicklung Silben, Morpheme, häufig vorkommende Buchstabengruppen und schließlich ganze Wörter ganzheitlich erfasst und mit der entsprechenden Phonologie verknüpft. Demnach lässt sich die direkte genauso wie die indirekte Lesestrategie durch systematische visuell-phonologische Assoziationen charakterisieren. Bei beiden Strategien handelt es sich demnach um denselben Zugangsweg zur Bedeutung über die Phonologie eines Wortes mit dem Unterschied, dass die Größe der verarbeiteten Einheiten zunimmt.