Kitabı oku: «Wie Transfer gelingt (E-Book)», sayfa 2

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Erichs Ambitionen

«Das darf nicht wahr sein – ich häng den Job an den Nagel», denkt Erich. Er ist Elektroingenieur und arbeitet in einer Entwicklungsabteilung eines Industrieunternehmens. Seit 10 Jahren unterrichtet er an einer Fachschule das Fach Elektronik. Er unterrichtet aus Spass und weil er Freude hat, sein Wissen an junge Berufsleute weiterzugeben. Immer schon hat er versucht, eigene Erfahrungen aus seiner Praxis in den Unterricht miteinzubeziehen. Sein Engagement bestätigen die guten Kursevaluationsresultate. Trotzdem ist heute ein schlechter Tag für ihn und er denkt laut darüber nach, die nebenberufliche Tätigkeit aufzugeben.

Erich pflegt seit geraumer Zeit nicht nur einfache Repetitionsübungen, sondern möglichst reale Problemlöseaufgaben für die Praxis als Hausaufgaben zu geben. Diese erstellt er aus konkreten Problemstellungen aus seiner Praxis. Er hat in den letzten zwei Jahren verschiedene didaktische Weiterbildungen besucht und war von der Bedeutung authentischer Problemlöseaufgaben begeistert. Nun wollte er dies auch umsetzen.

Er stellt aber zu seinem Erstaunen fest, dass eine Mehrheit der Studierenden diese Aufgaben für die nächste Präsenzveranstaltung einfach nicht löste.

Er merkt, dass sein Aufwand nicht wertgeschätzt wird, was ihn zusätzlich frustriert. Zusätzlich behindert es noch die Weiterführung des Unterrichts. Er war davon ausgegangen, dass mindestens versucht werden würde, die Aufgaben zu lösen.

Ziemlich enttäuscht kündigt er seinen Rücktritt an, worauf der Schulleiter ihm eine didaktische Begleitung anbietet.

Die Beraterin ist bei einer ersten Sichtung begeistert von der didaktischen Qualität des Unterrichts und den authentischen Aufgaben. Nach einer genaueren Analyse stellt sie aber fest, dass die Aufgaben für ein Grundlagenfach höchst anspruchsvoll und komplex konstruiert sind.

In einem konstruktiven Gespräch mit der Klasse stellt sich dann heraus, dass die Studierenden zwar jeweils mitteilten, dass sie für die Hausaufgaben keine Zeit hatten, aber eigentlich nicht in der Lage waren, die Aufgaben selbständig zu lösen. Es war vor den Kollegen und Kolleginnen leichter zu sagen, dass man keine Zeit hatte, als dass man die Aufgaben nicht lösen konnte. Ein bekanntes und verständliches Verhalten.

Der Unterricht von Erich war zwar didaktisch gut durchdacht und kleinschrittig aufgebaut, die Studierenden konnten die Schritte nachvollziehen und die jeweiligen Lernaufgaben auch selbständig lösen. Einzig der Schritt zu den Hausaufgaben war zu gross. Die Aufgaben waren verglichen mit den Aufgaben im Unterricht zu komplex in ihrer authentischen und problemorientierten Konstruktion.

Hans und seine Neujahrsvorsätze

Hans schaut mit Entsetzen seine Karte mit den Jahresvorsätzen an. Schon wieder ein Jahr vorbei und dabei nur einen von drei wichtigen Vorsätzen umgesetzt. Hans pflegt mit seiner Frau einen besonderen Silvesterbrauch. Nach den weihnachtlichen familiären Verpflichtungen ziehen sich Hans und Hanna an Silvester zurück und bekochen sich gegenseitig in mehreren Gängen mit kleinen, feinen Häppchen und Getränken.

Zwischen den kulinarischen Gängen halten die beiden Gourmets Rückschau auf das vergangene Jahr und formulieren wacker Ziele fürs neue Jahr aus. Beide wissen, wie man so etwas wirkungsvoll ausgestalten kann.

Hans wollte im letzten Jahr sein Buch endlich zu Ende führen. Ideen und Erfahrungen hatte er alle im Kopf und trotzdem: Er hat nur den ersten Schritt seines Vorsatzplanes umgesetzt.

Dabei hat er doch eigentlich alles richtig gemacht! Er hat sein Ziel positiv formuliert, dieses auf eine immer wieder verfügbare Karte geschrieben und die Umsetzung in die drei Etappenziele unterteilt: Konzept schreiben, Teilkonzepte der Kapitel und die einzelnen Teilschritte realisieren. Und das Rohmanuskript sollte im Oktober stehen – jetzt am 31. Dezember steht lediglich das Buchkonzept.

Ja klar – da war doch die Belastung in der Arbeit und eine Weiterbildung hat er auch noch absolviert. Typisch, da war schlicht keine Zeit mehr vorhanden. Seine Ferien zur Verfügung stellen wollte Hans mit seinen 62 Jahren auch nicht mehr. Irgendwie merkt er, dass er die kurzen Wochenenden für seine körperliche und seelische Erholung braucht. Hanna schaut ihn verständnisvoll an und meint, dass sich daran wohl im nächsten Jahr nicht viel ändern wird. Sie sei aber ohne Weiteres bereit, auch mal ein Wochenende bei Freundinnen zu verbringen, damit er genügend Musse fürs Schreiben erhalte. Dies beruhigt Hans nicht wirklich. Irgendwie muss er es anders anpacken.

Wenn er nicht gerade zu viel Wein vor dem Schlafengehen getrunken hat, schläft Hans eigentlich sehr gut – allerdings nicht lange. Seit geraumer Zeit erwacht er meist vor 5 Uhr morgens und liegt hellwach im Bett. Er hat doch vor Jahren schon einmal sein Studium mit dem Verzicht auf Medienkonsum zeitlich teilfinanziert? Ja, das müsste gelingen – sagen wir dreihundert Tage je eine Stunde –, ja, das müsste klappen.

Das funktioniert wirklich – zwischen vier und fünf Uhr erwacht Hans regelmässig –, doch ganz so einfach ist es doch auch wieder nicht. Was war jetzt wieder die Idee? Hans verliert jeden Morgen eine ganze Weile an Zeit, bis er sich klar ist, was er eigentlich so früh morgens zu tun gedenkt. Er denkt sich, warum nicht am Vorabend – wenn alles noch wach ist – sich die morgendliche Aufgabe kurz skizzieren?

Jede Zeile, die er an den noch frischen Morgenstunden schreibt, spornt ihn zu weiteren Morgentätigkeiten an. Die Morgenziele sind kleine Etappen und umfassen höchstens eine bis zwei Seiten Text.

Eigentlich müsste das ja im Arbeitsalltag auch funktionieren. Hans macht sich gleich an die Sache: Am Vorabend legt er sich diejenigen Pendenzen zurecht, die er am nächsten Tag mindestens erledigen möchte – alles kleine und überschaubare Bereiche.

Louises Welten

«Verdammt!» Louise steht im Badezimmer vor dem Spiegel, die Türe hinter sich geschlossen und draussen herrscht unheimliche Stille. «Das bin doch nicht ich», sagt sie sich immer wieder und schaut in den Spiegel. Sie schämt sich.

Dabei hat der Abend wunderbar begonnen. Von der Arbeit heimgekommen findet sie ihre beiden Vorschulkinder in ihrem Spielzimmer vor und ihr Mann Charles überrascht sie mit einem vorbereiteten Nachtessen. Weil sie aber etwas später als vereinbart zuhause eintrifft, ist ihr Mann schon etwas nervös. Er sollte eigentlich schon weg sein! Er arbeitet im Gastroeventbereich und hat einen Abendtermin. Seine Angespanntheit und die Enttäuschung über die Unpünktlichkeit ist ihm im Gesicht abzulesen.

Und dann beginnen sich die Kinder zu zanken, Charles äussert dazu einen kleinen Vorwurf und die Situation nimmt ihren Lauf: Louise empört sich, wirft ihrem Mann fehlende Flexibilität und mangelndes Einfühlungsvermögen in das Leben einer arbeitenden Frau vor und schreit zuallerletzt ihre Kinder an, die erschrocken erstarren. Die Türe schlägt zu und Charles hat das Haus verlassen. Das Abendessen bleibt auf dem Tisch stehen und Louise verkriecht sich weinend ins Bad. «Das bin doch nicht ich!», sagt sie sich immer wieder.

Louise ist promovierte Sozialpädagogin und leitet ein Institut für Kommunikation und Konfliktmanagement an der Hochschule. Dabei gestaltet sie auch erfolgreich diverse Seminare zu oben genannte Themen für angehende Sozialpädagogen. Sie lehrt nicht nur gewaltfreie Kommunikation, sondern bearbeitet in den Seminaren auch schwelende Konflikte der aktuellen Kursgruppe, indem sie das vorlebt, was sie lehrt. Von den Studierenden wird diese Authentizität immer wieder gelobt. Im letzten Jahr hat sie für ihre Leistung den Lehrpreis der Hochschule gewonnen.

Und jetzt diese Situation. Hundertmal hat sie schon ähnliche Situationen in ihrer Arbeit bewältigt: achtsame Kommunikation, zuhören, statt vorwerfen, konfliktdeeskalierende Verhaltensweisen anwenden und beobachten, statt bewerten. Nichts von dem hat sie heute Abend – und die vielen Male in ihrem Privatleben zuvor – aus ihrem Repertoire hervorgeholt.

Wiederholt schaut sie in den Spiegel: «Ich bin doch nicht dieser Mensch?»

3Transfer – ein weiter Begriff

Ruths Autopilotenmodus bringt sie in Drucksituationen immer wieder dazu, ihre Kontrolle zu verlieren. In einer solchen Situation schafft sie es nicht, ihr Wissen in Handeln umzusetzen. Anitas Erfolgserlebnisse, mathematische Lösungsstrategien auf immer gleichartige Aufgabenstellungen anzuwenden, werden jäh mit der Anwendung auf strukturgleiche, jedoch andersartige Aufgabenstellungen beendet. Erich übersieht mit seinen gut gemeinten Aufgabenstellungen den Kompetenzgrad der Studierenden. Die Anwendungsaufgabe ist einfach zu weit von der gelernten Übungsaufgabe entfernt. Hans weiss, was er will. Er hat aber grosse Mühe, seine Vorsätze in die Tat umzusetzen. Schlussendlich hilft ihm ein Zugriff auf bereits einmal erfolgreich angewandte Strategien. Und wie ist es möglich, dass Louise als erfahrene Konfliktexpertin ihre Kompetenzen im Privatbereich nicht abrufen kann?

Die Beispiele könnten nicht unterschiedlicher sein. Sie haben aber alle ein paar Gemeinsamkeiten:

•In einer aktuellen Situation muss auf Wissen oder Gelerntes aus einer ähnlichen Situation zugegriffen werden.

•Oder es muss Wissen oder Gelerntes auf eine neue Situation angewandt werden.

•Die Distanz zwischen der erlernten Situationsbewältigung und der neuen Aufgabe ist scheinbar unüberbrückbar.

•Allein die Veränderung der Oberflächenstruktur der neuen Situationen erscheint als grosse Herausforderung.

3.1Der Begriff «Transfer»

Nennen wir diese Übertragung von einmal Gelerntem auf eine neue Situation einen TRANSFER. Transfer wird heute genauso als schillernder wie auch inflationärer Begriff in der Lehr-/Lernforschung verwendet.

Transfer stammt vom lateinischen Begriff «transferre» ab, was so viel bedeutet wie «hinübertragen». Das Neue muss in Prozessen des Anwendens, des Übens und des Übertragens auf andere Situationen dauerhaft gesichert werden. Die Frage lautet nicht nur, wie führe ich Wissen in Handlung über, sondern vielmehr auch, wie nutze ich in der Handlung vorhandenes Wissen? Auch Klauer (2011) meint, dass Transfer ein nichttrivialer Lerneffekt von einmal Gelerntem in neuen Aufgaben ist.

Mit seinem Aufsatz «Denn sie wissen nicht, was sie tun» weist schon Euler auf diese spezielle Problematik der Übertragung von einmal Gelerntem auf neue Situationen hin. Der Titel will offenlassen, in welche Richtung der Transfer geht. So fragt er einerseits implizit nach den Bedingungen, wie Wissen in konkrete Handlungssituationen überführt werden kann. Und andererseits lässt er vermuten, dass im Tun Wissen entsteht, welches uns im Verborgenen bleibt.

Die Transferdiskussion kann nicht von der Kompetenzdiskussion losgelöst geführt werden. Transfer ist schon definitionsgemäss in der Kompetenz mitgedacht. Wenn Kompetenz als die Fähigkeit bezeichnet wird, mit Wissen, Fertigkeiten und Haltungen eine konkrete berufliche oder alltägliche Situation adäquat zu bewältigen, dann ist der Transfer bereits darin inbegriffen. Kompetenzentwicklung verlangt schon an sich den Transfer in eine entsprechende Arbeitssituation (Schubiger, 2013). Im Sinne von Klauer (2011) könnte diese Transferleistung als Teil der Kompetenzentwicklung auch als trivialer Lerneffekt bezeichnet werden. Das Transferkonzept geht jedoch bedeutend weiter, indem es eben nicht nur selbstverständliche respektive triviale Übertragungsleistungen auf neue Situationen betrachtet.

3.2Vielfalt des Transfers

Transferleistungen sind sich insofern ähnlich, als dass sie eine Übertragungsleistung von einer Situation A (Lernsituation) auf eine andere Situation B (Anwendungssituation; Funktionsfeld) realisieren. Sie unterscheiden sich jedoch wesentlich in der Aktion zwischen den beiden Situationen (Art des Transfers) und der Beziehung der beiden Situationen (Transferdistanz).

Zwischen A und B ergeben sich daher kombinatorisch zwischen Art und Distanz des Transfers eine Vielzahl von Transferarten, die in ihrem Wesen sehr unterschiedlich sein können. Mit einem einmal entwickelten Transferkonzept tun wir so, als ob wir immer die gleiche Transferleistung zu leisten hätten. In Tat und Wahrheit verlangen wir im Ausbildungsalltag sehr unterschiedliche Formen und Qualitäten von Transfer, der auch unterschiedliche Transferunterstützung benötigt.

Ein Transferkonzept kann nur gelingen, wenn wir uns zuerst überlegen, welche Art von Transfer vorliegt und wie gross die Transferdistanz ist.


Abbildung 1: Transferarten

Die Aktion zwischen A und B macht die Art respektive die Qualität eines Transfers aus. So ist das Wiederholen von Fertigkeiten in einer neuen Aufgabe eine ganz andere Art von Transfer als die Generalisierung einer gelernten Haltung auf verschiedene neue Situationen.

Die Beziehung zwischen A und B weist auf die Distanz des Transfers hin. Ähnliche, strukturgleiche Aufgaben verlangen eine verschwindend kleine Übertragungsleistung. Wogegen die Verschiedenartigkeit der Situation und eine Erhöhung der Komplexität der neuen Aufgabenstellung scheinbar unüberbrückbare Distanzen ergeben.

Transfer kann in schulischen Kontexten schon allein dadurch nicht gelingen, weil wir in der Gestaltung der Transferleistung nicht die Art und die Distanz berücksichtigen und ein universelles Transferkonzept anwenden, das der Spezifität des konkreten Transfers nicht gerecht wird. Die Anwendung einer gelernten Regel auf eine vereinfachte praktische Aufgabe verlangt eine ganz andere Lernumgebungsgestaltung als die Übertragungsleistung einer erfolgreichen Problemlösung in einem Lernsetting auf eine komplexe Herausforderung der Praxis unter Druck. Die unterschiedlichen Arten verlangen vom Individuum sehr unterschiedliche Leistungen. So anspruchsvoll die Anwendung von neuem mathematischem Wissen auf eine neue technische Problemstellung auch sein mag – schier unüberwindbar scheint dagegen die Veränderung von Verhaltensroutinen, die an ein Setting gebunden sind.

3.3Grundformen von Transfer

Aus der Vielzahl von Kombinationen können folgende Grundtransferformen zusammengefasst werden. Sie vereinfachen allerdings stark. In der Detailplanung einer transferwirksamen Bildungsmassnahme lohnt sich die differenzierte Analyse der Transfersituation.

Sequentieller Transfer

Als sequenzieller Transfer ist umgangssprachlich das Vorgehen «vom Einfachen zum Komplexen» gemeint. Somit werden in den Lernveranstaltungen die Kompetenzen schrittweise und aufbauend entwickelt. Ein sequentieller Transfer liegt dann vor, wenn Lehrinhalte zueinander in Beziehung stehen und in aufbauender Weise – also kumulativ – erworben werden. Transferunterstützung kann beim sequentiellen Transfer bereits im Curriculum antizipiert werden, indem die Lehrplanelemente in einer aufbauenden Form beschrieben werden.

Positiver und negativer Transfer

Im Grunde genommen meinen wir mit Transfer immer einen positiven Transfer, was heisst, dass eine Übertragung positive Effekte zeigt. Wir müssen aber ebenso damit rechnen, dass ein Lernprozess in seiner Anwendung kontraproduktive, hemmende oder störende Wirkungen vorweist. So kann es sein, dass bei der ersten Anwendung von einer Lernstrategie der Lernende dies als sehr zeitaufwendig und in Konkurrenz mit seinem Zeitbudget sieht. Aus Rückmeldungen von Lehrkräften im Rahmen von Ausbildungen von Ausbildern wissen wir, dass die neue Anwendung von Methoden in einem ersten Versuch häufig auch frustrierende und noch nicht befriedigende Resultate zeigt. Diese negativen Effekte müssen gut im Auge behalten werden und durch Schutzschilder und soziale Unterstützungssysteme vorausschauend abgefedert werden (Wahl, 2005). Wenn ein Lernprozess keine Auswirkung auf das neue Handeln hat, sprechen wir im Allgemeinen auch von einem Null-Transfer.

Naher und weiter Transfer

Die Distanz der Ähnlichkeit zwischen Ausgangs- und Transfersituation kann als Kontinuum vom nahen zum weiten Transfer beschrieben werden (Schmid, 2006). Nah heisst, dass die Übertragung unmittelbar, in gleichem Kontext mit ähnlicher Aufgabe mit gleichem Schwierigkeitsgrad etc. erfolgt. Ist die Transferaufgabe zeitlich verschoben, in einem anderen Umfeld, innerhalb einer anderen Wissensdomäne oder in der Praxis unter anderen Voraussetzungen, sprechen wir von weitem Transfer.

Spezifischer und unspezifischer Transfer

Auf den ersten Blick ist eine weitere Unterscheidung von spezifischem und unspezifischem Transfer sehr verwandt mit nahem und weitem Transfer. Bei der genaueren Betrachtung handelt es sich aber eher um das Kontinuum zwischen kontextgebundenem/inhaltsgebundenem und generalisierendem/formalem Transfer. Ein weitverbreiteter unspezifischer Transfer liegt in der Behauptung, dass der Erwerb der lateinischen Sprache das Erlernen weiterer Sprachen und deren Grammatik erleichtern soll, was meines Wissens nie empirisch belegt werden konnte.

Die aktuelle Diskussion von transversalen Kompetenzen (Schweri, 2018), die unabhängig von der Domäne und der Situation zur Geltung kommen sollen, fokussiert diesen unspezifischen und generalisierenden Transfer. Dass dieser nicht so einfach realisierbar ist, wird hier in weiteren Kapiteln noch vertieft diskutiert werden.

«Low road»- und «high road»-Transfer

Eine weitere Klassifikation in «low road»- und «highroad»-Transfer haben Salomon und Perkins (1987, zit. nach Seel, 2003, S. 312) vorgeschlagen. Low-road-Effekte sind automatisierte Fertigkeiten, die in einer neuen Situation automatisch wieder ausgelöst werden. Mit «high road»-Transfer meinen die Autoren eine bewusst dekontextualisierte, durch variationsreiche Übung erlangte Fertigkeit, die auch in stark veränderten Kontexten zur erfolgreichen Anwendung kommt.

Veränderung von Verhaltensroutinen

Diese Transferform stellt eine Sonderstellung dar. Wir haben Verhaltensroutinen in der Vergangenheit handlungswirksam aufgebaut und neuronal in Form von Chunks gut verankert. Diese Chunks sind dann zwar blitzschnell aktiviert, jedoch schwer veränderbar. Weil sie deswegen aber hoch handlungswirksam sind, nehmen sie in unserem Alltag eine entlastende Funktion ein. Ihre Veränderungsresistenz hingengen kann einen erfolgreichen Transfer in Form einer Modifikation ziemlich boykottieren.

4Einblick in die empirische Forschung
4.1Ernüchternde wie auch vielversprechende Ergebnisse

Diesen Sommer war Diethelm Wahl, emeritierter Professor für pädagogische Psychologie an der pädagogischen Hochschule in Weingarten, zu mir auf Besuch. Auf die Frage, wie er die Situation des Lehrens und Lernens in 30 Jahren einschätzt, gab er die folgende – mit einem verschmitzten Lächeln untermauerte – Antwort: «Lehrpersonen werden in 30 Jahren noch viel mehr über gutes Lehren und Lernen wissen. Sie werden jedoch durch ihre resiliente Haltung mehr oder weniger gleich wie heute unterrichten – einzig ihr schlechtes Gewissen wird zunehmen.» Wahrscheinlich liegt es an meinem Alter, dass ich darüber etwas optimistischer denke. Zudem mache ich mit jungen Lehrpersonen die Erfahrung, dass nicht nur das Interesse an neuen Lernformen zunimmt, sondern auch ihre Umsetzungskraft. Das wirkt sich erfreulich auf die Umsetzung und Realisierung von neuen Formen des Lehrens und Lernens aus. Ich nehme an, dass Wahl zu der oben zitierten Einschätzung kommt, weil er sich in den letzten dreissig Jahren intensiv mit den nachfolgend geschilderten, teils ernüchternden Forschungsergebnissen auseinandergesetzt hat.

Wahl hat schon in den 80er-Jahren empirisch belegt, dass sich langjährige Ausbildungen von Lehrpersonen – nachgelagertes Referendariat einbezogen – kaum auf professionelles Handeln in der Schulpraxis auswirkt (Schubiger 2010). Das in Ausbildungen angereicherte Wissen scheint sich in der Praxis nicht als handlungswirksam zu erweisen. So unterscheiden sich 14-jährige Schüler bei einer Falllösung eines pädagogischen Fallbeispiels nicht signifikant von Studenten der Lehrerbildung im 1. Semester, und auch nicht von Studenten am Ende der Ausbildungen bzw. von Lehrpersonen mit mehrjähriger Erfahrung (Wahl, 2005, Wahl, Weinert & Huber, 1984, Wahl, 1976).

In dieser Zeit taucht auch der Begriff des «trägen Wissens» auf. Dieser stammt aus der Kognitions- und Lernpsychologie und wurde unter anderem von Renkl (1994, 1996) für den Sachverhalt vorgeschlagen, dass Wissen nicht handlungswirksam wird. Wissen kann drei Wirkungen auf die Planung, Durchführung und Auswertung von Handlungen haben. Im positiven Sinne steuert und beeinflusst Wissen unser Handeln oder anders gesagt: macht Handeln überhaupt möglich. Im neutralen Sinne beeinflusst träges Wissen unser Handeln in keiner Weise. Das heisst, unser Handeln wird durch erlerntes Wissen nicht verändert. Es ist zwar durchaus durch Prüfungen abrufbar. In der konkreten Praxissituation können wir es jedoch nicht für unser Handeln nutzbar machen. Drittens kann Wissen für das Handeln auch hinderlich sein. Das heisst: Träges Wissen stellt sogar eine ungünstige Voraussetzung für erfolgreiches Handeln dar (Wahl, 2005; Gruber, Mandl & Renkl, 2000).

Selbst das Planungshandeln, das im Gegensatz zum Interaktionshandeln in Ruhe und auf Distanz ausgeführt werden kann, scheint von jahrelangen Ausbildungen unbeeinflusst zu bleiben.

Anton Haas (1998) zeigt in seiner Untersuchung auf eindrückliche Weise, dass trotz jahrelangem didaktischem Studium das alltägliche Planungshandeln von Lehrkräften in keiner Weise von didaktischen Prinzipien und Theorien geleitet wird. Der Planungsprozess wird laut Haas meist routiniert und beschränkt sich im Wesentlichen auf die Stoffaufarbeitung und deren zeitliche Verteilung.

Auch Weiterbildungen, die im Normalfall sehr kontextbezogen sind, zeigen ein ähnliches Phänomen. Trotz Zufriedenheit über die Erfahrungen und Erlebnisse im Rahmen eines Kontaktstudiums Erwachsenenbildung und subjektiv positiv eingeschätztem Lernzuwachs können mittels Beobachtung in der Lehrpraxis keine Veränderungen des didaktischen und methodischen Handelns wahrgenommen werden (Eckert, 1990). Die «happy sheets», wie die Zufriedenheitsfragebögen auch mit Schmunzeln genannt werden, beinhalten keine Aussage über eine Umsetzung in der Praxis. In seinem Buch «Die Weiterbildungslüge» entlarvt Gris (2008) die «hochgelobte» praxisorientierte betriebliche Weiterbildung.

Selbst dann, wenn in Weiterbildungsveranstaltungen problemlösende Veränderungen für die Praxis erarbeitet wurden, beobachtet Mutzeck (1988) nur eine marginale Umsetzung dieser Absichten. Anscheinend genügt auch die Absicht für die Realisation in konkretes Handeln nicht.

Wahl (1991) hat bei Lehrpersonen in bestimmten Unterrichtshandlungssituationen, zum Beispiel in Störungssituationen, die subjektiven Theorien von Lehrkräften rekonstruiert. Er stellte dabei fest, dass diese unverwechselbar individuell und mit überzufälliger Prognose zukünftiges Handeln in vergleichbaren Situationen voraussagen. Subjektive Theorien erweisen sich somit als äusserst veränderungsstabil.

Dieses Phänomen des fehlenden Transfers einer Lernsituation in die konkrete Anwendungs- respektive Praxissituation wurde auch ausserhalb der Domäne der Lehrpersonenausbildung beobachtet.

So schneiden Studierende der Wirtschaftswissenschaften in einer Computersimulation einer Jeansfabrik nicht besser oder gar schlechter ab als Studierende anderer, wirtschaftsfremder Fakultäten (Gruber, Mandl & Renkl, 2000). Den Wirtschaftsstudenten gelingt es nicht, ihr umfangreiches «Expertenwissen» in einer realitätsnahen Simulation wirksam anzuwenden.

Selbst in einer Domäne wie der Pflegeausbildung in der Schweiz, wo dem Theorie-Praxis-Transfer besondere Beachtung geschenkt wird, stellt Schwarz-Goevers (2005) fest, dass die erlernten theoretischen Konzepte auch nach vierjähriger Ausbildung in der Praxis nicht herangezogen werden.

Man würde meinen, dass die gut bezahlten Fondmanager aufgrund ihrer Portfolioentscheidungen ihr Geld wert sind. Auch wenn der experimentelle Vergleich von Affenentscheiden mit Entscheiden von Börsianern ein Mythos ist und so auch nie stattgefunden hat, sieht die genauere Betrachtung auch für die Fondmanager nicht gerade schmeichelhaft aus: Forscher der Cass Business School (Clare, Thomas & Motson, 2013) realisierten dieses Experiment mit virtuellen randomisierten Affenentscheiden und stellten fest, dass die virtuellen Affen besser abschlossen als die tatsächlichen Fondmanager.

Grosse Hoffnungen wurden in die Vermittlung von Lernstrategien gesetzt: Wenn Lernende erst lernten zu lernen, würde sich damit zukünftiges Lernen verbessern (Weinert, 1983). Leider wurde diese Hoffnung in einen generalisierenden und weiten Transfer in verschiedensten Studien relativiert. Eine Metastudie von Hattie, Biggs und Purdie (1996) zeigt, dass dieser unspezifische Transfer nicht nachgewiesen werden kann. Die erlernten Strategien konnten nur in ähnlichen Aufgabenstellungen im selben Kontext angewandt werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kommen Mähler und Hasselhorn (2001) sowie Leutner und Leopold (2003). Letztere zeigen, dass das Lernen der Strategien nicht automatisch zu deren Anwendung führt. Vielmehr ist ein bereichsspezifisches und zielführendes Training für eine Anwendung von Lernstrategien notwendig.

Trotz aufwendiger Interventionen und integriertem Lernstrategietraining konnten auch nach zwei Jahren bei Studierenden an einer höheren Fachschule (Schubiger, 2010) nur marginale Zuwächse von generalisierten Lernstrategieanwendungen nachgewiesen werden. Wurde das Training nur in einem Fach implementiert, so zeigte sich sogar ein negativer Transfer. Dieser kann nach Klauer (2011) theoretisch durchaus durch eine Strategieumstellung, eine Arbeitskapazitätsbelastung respektive eine Überforderung begründet werden.

Demgegenüber belegen die Autoren Hattie, Biggs und Purdie (1996) in ihrer Metastudie, dass sich bei einem Training einzelner Strategien und Techniken ohne Weiteres beachtliche Effekte beim Transfer auf neue Aufgabenstellungen zeigen. Diese Effekte zeigten sich bei folgenden Interventionen:

•Anbieten von Advance Organizern

•Technik des Zusammenfassens

•Einsatz von Wiederholungsstrategien

•Aufgabenspezifische Lernstrategien

•Wissensstrukturen wie Mapping

•Lernen durch Schreiben (produktiver Ansatz)

•Umstrukturierungstechniken

Die Beschränkung auf nur eine Lern- oder Arbeitsstrategie scheint einen nahen Transfer zu begünstigen. Das bedeutet, allmähliche Steigerung der Komplexität und geringe Belastung der Arbeitskapazität begünstigen eine Verhaltensänderung. Gut gemeinte, allumfassende integrierte und curricular eingebundene Lernstrategiemassnahmen überfordern nach heutigem Kenntnisstand die Arbeitskapazität der Lernenden.

Es scheint, dass sich der Transfer umso unwahrscheinlicher einstellt, je grösser die Transferdistanz ist. Klauer (2011) konnte diesen linearen Zusammenhang belegen, auch wenn dabei klar wurde, dass nicht nur die Distanz Stärken respektive Schwächen des Effekts erklärt. Praktisch in allen Studien zeigt sich, dass ein Transfer mit grosser Distanz nur schwer erreichbar ist.

Wenn Lernaufgaben und daran anschliessende Anwendungs- bzw. Testaufgaben identische Elemente beinhalten – dann ist naher Transfer grundsätzlich möglich.

Wer erinnert sich nicht an Musterlösungen und vorgeführte Lösungsbeispiele durch eine Lehrperson. Auch ich habe als Junglehrperson im Mathematikunterricht verschiedenste Musterbeispiele zuerst mit der Klasse gemeinsam gelöst, bevor ich Raum zum freien Üben gab. Renkl, Gruber, Weber, Lerche und Schweizer (2003, zit. nach Klauer, 2011) konnten in einem Transfertest zeigen, dass Studierende mit vordemonstrierten Lösungsbeispielen einer anderen Gruppe überlegen waren, welche die Lösungen selbständig erarbeiten musste. Die Autoren geben jedoch zu bedenken, dass dabei vornehmlich die Beherrschung der Lösungsstruktur und deren identischer Übertragung im Vordergrund steht. Demnach handelt es sich eher um einen «low road»-Transfer.

Forschungen rund um das Konzept des «productive failure» (Kapur, 2008, 2016) stellen fest, dass alleine die Art und Weise des Wissenserwerbs den nachgelagerten Transfer bereits in Form eines «high road»-Transfers beeinflusst. Lernende, die zu Beginn eine scheinbar unlösbare mathematische Aufgabe erhalten, lösen diese mehr oder weniger richtig oder falsch. Im Vergleich zur Kontrollgruppe, die mit einem klassischen Instruktionsdesign respektive mit «well structured»-Problemstellungen konfrontiert wurden, konnten erstere im Nachtest im Oberflächenwissen zwar nicht besser abschliessen, dafür waren sie im Tiefenverständnis signifikant überlegen. Interessanterweise schlossen sie auch im weiten Transfer – also auf eine neu gelagerte «ill structured»-Problemstellung – signifikant besser ab.

Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt der Nobelpreisträger Kahnemann (2012). Bei der Forschungsfrage, ob Psychologie vermittelbar ist, stellt er fest, dass offensichtlich induktiv gelernte Konzepte auf neue Situationen besser transferiert werden als deduktiv gelernte Inhalte.

Die beschriebenen Ergebnisse zeichnen das Bild einer Transferrealität, in der Transfer nicht selbstverständlich ist und nicht als Ergebnis von formalisierter Ausbildung erwartet werden darf. Auch wenn in der neueren Zeit erste Forschungsergebnisse über diverse Bedingungen eines spezifischen Transfers vorliegen, wissen wir immer noch zu wenig über die Wirkfaktoren eines generellen Transfers (Klauer, 2011; Tonhäuser, 2017).

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